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11

Eine Stunde brauchte man mit dem Auto für die Fahrt von Hereford nach Schloß Tyberton. Ich mußte mein Vertrautsein mit der Gegend vor Tarleton verbergen und zog bei dem Mädchen, das uns das Frühstück servierte, Erkundigungen ein, als ob ich von der Lage des Schlosses nichts wüßte und nichts von den Verbindungsmöglichkeiten nach dort.

»Kein Frühstück, kein Mensch!« pflegte Tarleton stets zu predigen. Er verschmähte daher weder die frischen Forellen noch den Schinken und die gerade gelegten Eier, während ich mich zu jedem Bissen zwingen mußte. Schließlich aber war auch diese Mahlzeit vorüber, und um zehn Uhr kletterten wir in den Wagen, den der Hotelbesitzer uns besorgt hatte, und sausten auf der Straße dahin, auf der ich – am Rande der Verzweiflung – zuletzt in entgegengesetzter Richtung getrottet war.

Mir schien es, als ob sich jede Hütte, jeder Baum meiner entsänne und sich über meine Rückkehr wundere. Als wir uns dem Dorfe näherten, hätte ich mich am liebsten ganz in die Ecke gekuschelt und mein Gesicht versteckt, damit mich niemand erkenne und grüße. Und dabei harrte meiner die schlimmste Probe noch. Niemals hatte ich die Schwelle des Schlosses übertreten, mich niemals während des Tages in den Park getraut; aber im Landleben gibt es keine Heimlichkeit. Jede Hecke hat Ohren und Augen. Ganz bestimmt war mein Kommen und Gehen damals beobachtet worden, ganz bestimmt wußte jedes Kind auf dem gräflichen Gut und jeder Dienstbote im Schloß mehr über mich als der Graf selbst.

Tarleton nahm schönheitsdurstig das Landschaftsbild in sich auf. Was ihm am meisten gefiel, war das Fehlen jeden Verkehrs – außer einem Bauernkarren begegneten wir keinem einzigen Gefährt.

»Herrgott, sind das edenhafte Zustände!« rief er begeistert. »Jene Hügel dort drüben liegen vermutlich schon in Radnorshire, an dem – für mich – immer ein märchenhafter Zauber haftet. Und dies ist die alte wallisische Mark, wo die Briten endlich den vordringenden Sachsen Halt geboten und wenigstens ihr wildes Wales vor der Fremdherrschaft bewahrten. Was für ein Gegensatz zwischen diesem Landstrich und Londons Vorstadt Chelsea!«

Der Name fiel zur rechten Zeit. Ich hatte meinem Chef gerade erzählen wollen, daß auf einem der Hügel, die das Goldene Tal bewachen, König Arthurs Grabstein stand.

Unsere Fahrt durch die verschlafene Dorfstraße lockte etliche Frauen mit Säuglingen auf den Armen an die Gartenpförtchen. Dann bogen wir in den Park ein und sahen, als wir die farnüberwucherten Hänge kreuzten, nach rechts und links die Kaninchen Reißaus nehmen.

»Cassilis, das ist ein wahrhaft verwunschener Friede«, hörte ich meinen Chef murmeln. »Auf solch einem Erdenfleck möchte ich meine Tage beschließen. Und wir sind gekommen, um Störung zu bringen, vielleicht Unglück und Herzeleid. Ach, wie froh wäre ich, wenn wir umkehren könnten!«

Aber schon hielt der Wagen vor dem Hauptportal des Schlosses. Die efeuumrankte Ruine, von der der Name herrührte, wurde fast durch das gewaltige Ziegelbauwerk verdeckt, das unter der Regierung Georgs II. entstanden war. Von den Kosten, die dieses pompöse Gebäude verschlungen, hatte sich das Gut nie wieder erholt, und jeder Graf von Ledbury verwünschte die Großspurigkeit seines Ahnen. Ich wußte, wie schwer es dem jetzigen Besitzer fiel, die Hypothekenzinsen aufzubringen, wußte, daß er in einer Ecke des riesigen Hauses lebte, lange Korridore und ganze Fluchten von Gemächern den Spinnen und Ratten überlassend.

Sir Frank Tarleton gab unsere beiden Karten dem Diener, der oben auf der Freitreppe erschien. Der schwarze Stoff seiner Livree war fadenscheinig, und es sah aus, als habe er den Rock erst hastig übergeworfen, sobald er das Schnaufen unseres Autos hörte.

»Bringen Sie bitte unsere Karten Lady Violet Bradwardine und fragen Sie, ob wir sie in einer dringenden privaten Angelegenheit sofort sprechen können.« Die Augen des Dieners wanderten von Tarleton zu mir, und ich glaubte ein vages Wiedererkennen in ihnen wahrzunehmen. Aber sein Verhalten blieb respektvoll und ergeben.

»Bedaure sehr, Sir, doch ich glaube, das gnädige Fräulein ist ausgegangen. Wenn Sie wünschen, werde ich mich erkundigen.« Er zauderte, schien unschlüssig, ob er uns eintreten lassen sollte oder nicht.

»Vielleicht können Sie auch erfahren, wann Lady Violet zurückerwartet wird. Sie weilt doch zur Zeit im Schlosse?«

»Gewiß, Sir.«

»Wir sind nämlich eigens von London gekommen, um sie zu sprechen. In der John Street sagte man uns, Lady Violet sei seit Mittwoch hier draußen?« »Ganz recht, Sir. Mittwoch abend kam das gnädige Fräulein.«

Ich sah Sir Tarleton an. Die Aussage deckte sich mit dem Polizeibericht. Wenn Lady Violet abends im Schloß Tyberton eingetroffen war, konnte sie nicht in derselben Nacht in der Stadt gewesen sein. Das Alibi stand also fest.

»Was meinen Sie, Cassilis?« wandte sich mein Chef an mich. »Wollen wir drinnen warten oder inzwischen einen Spaziergang machen und später zurückkommen?«

»Mich dünkt es das beste, wenn einer hier wartet, Sir Frank, während der andere durch den Park schlendert, um vielleicht Lady Violet zu begegnen«, sagte ich, in Anbetracht des am vergangenen Abend geschriebenen Briefes.

»Einverstanden. Da meine Beine sich nach ein bißchen Bewegung sehnen, werde ich Sie hier lassen und nach einer Stunde mich wieder einfinden.«

Das war ein Strich durch meine Rechnung. Aber es hieß, sich fügen. Jetzt blieb mir nur die Chance, mich fortzustehlen, sobald Tarleton den Rücken gekehrt hatte.

»Wollen Sie drinnen warten, Sir?« fragte der Diener, und mir kam es vor, als betrachte er mich mit freundlicheren Blicken als meinen Chef.

Blitzschnell überlegte ich. Entweder mußte ich ihn oder den Chauffeur aus Hereford ins Vertrauen ziehen, und die Wahl fiel zu Gunsten des Dieners aus. Ich blickte Sir Frank nach, der bereits in eine Birkenallee einbog, und folgte dann dem Diener.

Er führte mich durch eine unwohnliche Halle, gefüllt mit Rüstungen und antiken, hochlehnigen Stühlen, aber bar jener kleinen Dinge modernen Komforts, die nötig sind, damit ein Raum traulich und anziehend wirkt. Hierauf öffnete er die Tür einer düsteren Bibliothek. Riesige Bücherschränke ringsum, die aussahen, als würden sie nie aufgeschlossen, und unhandliche Lederbände jener Art bargen, nach deren Lektüre es keinen Menschen mehr verlangt. Der ganze Raum atmete das Wesen des achtzehnten Jahrhunderts, als ob das Leben stehengeblieben und kein Fuß seither über den abgetretenen Teppich geschritten sei. »Soll ich Ihre Karten vielleicht dem Herrn Grafen bringen?« tönte die Stimme des Dieners an mein Ohr. Ich versenkte die Hand in meine Tasche, nach einem Geldschein tastend.

»Nein, danke. Die Sache geht Lady Violet an, und sie wünscht vielleicht nicht, daß der Herr Graf deswegen bemüht wird.« Jetzt hielt ich die Banknote sichtbar zwischen den Fingern. »Erinnern Sie sich meiner noch?«

Offenbar erlebte der Mann eine angenehme Überraschung. In diesem stillen, einsamen Hause wurde sein Lohn vermutlich nicht oft durch Trinkgelder erhöht. Doch davon abgesehen, schien er seiner jungen Herrin auch aufrichtig ergeben zu sein.

»Aber ja, Sir! Sie kamen mir gleich bekannt vor. Wohnten Sie nicht vor drei oder vier Jahren auf dem Moorfield-Hof?«

Ich nickte, und das Stück Papier glitt sacht von meiner Hand in die seinige.

»Lady Violet weiß, daß ich komme«, erklärte ich ihm, »und ist ausgegangen, um mich zu treffen. Ich möchte, daß Sie mich durch eine Hintertür des Schlosses hinauslassen, damit ich das gnädige Fräulein aufsuche. Und sagen Sie nichts davon zu meinem Freunde oder sonst zu irgendwem.«

»Ich verstehe, Sir.« Damit führte er mich wieder hinaus und bog in einen öden Korridor ein, der an Ungastlichkeit die Halle noch übertraf. Er endete vor einer verschlossenen und schwerverriegelten Tür, und es kostete dem Mann ziemliche Anstrengung, sie zu öffnen.

»Hier geradeaus geht es zu den Ruinen«, erläuterte er. »Von ihnen läuft ein Weg durch die Gemeindewiesen zum Moorfield-Hof. Es ist ein öffentlicher Weg, und wenn Sie jemand sieht, wird er denken, Sie hätten sich die Ruinen angesehen, Sir.«

Das paßte vorzüglich in meinen Plan. Ich kannte nicht nur den Weg, sondern wußte, daß von ihm ein Pfad abzweigte, der durch ein mir sehr vertrautes Gehölz zu der Scheune führte, wo mich Violet Bradwardine erwarten sollte.

Rasch ging ich zu den Ruinen, kletterte über bröcklige Mauern und herabgefallenes Gestein, bis ich den Pfad erreicht hatte. Und von nun an schmerzte mich jeder Schritt. Ich wanderte über die Aschenreste des Feuers, das zwei Herzen für ewige Zeiten gebrandmarkt hatte.

Als ich an das Gattertor des Wäldchens gelangte, lehnte ich mich wie erschöpft gegen die rauhen Knüppel. Im Wäldchen spukten Geister, die ich mehr fürchtete als alle Geister aus dem Jenseits: die Geister von Leidenschaft und Schmerz, die Geister von Liebe und Haß – von jenem schrecklichsten Haß, der aus verratener Liebe geboren wird.

Mit einem tiefen Seufzer trat ich unter die Bäume. Bald kam ich an die Stelle, wo ein glucksendes Wässerchen den Pfad kreuzte und gleich darauf unter einem Gewirr von Brombeeren und Farren verschwand. Und dann sandte eine riesige Buche mir ihre Wurzeln entgegen. Ich wußte, sie würde ein verschlungenes V und B in der Rinde tragen. Doch als ich mich durch das wuchernde Unterholz bis zu ihrem Stamm durchgekämpft hatte, um zu sehen, wie Zeit und Wetter mit jenem Erinnerungszeichen umgesprungen waren, fühlte ich einen stechenden Schmerz. Verschwunden das Monogramm, zerstört durch tiefe Kreuz- und Querkerben, durch erbarmungslose Schnitte, und die Wunden des Baumes schienen die Wunden zweier Herzen wiederzugeben.

Am jenseitigen Rande des Gehölzes unverändert die alte, herrliche Aussicht! Den Horizont begrenzten die zu drei reichen Grafschaften gehörenden Hügel, und an ihrem Fuß umfing der silberne Wye üppige Kornfelder und Weiden mit seinen gleißenden Armen. Für meine Augen aber war das ganze Bild getrübt durch eine unsichtbare Wolke.

Ich wandte mich ab. Kaum hundert Meter fort erhoben sich aus dem Farnkraut die hohen, grauen Mauern der verlassenen Scheune.

War ihre Verlassenheit nicht ein Symbol? Als sie vor Jahrhunderten gebaut wurde, hatte das sie umgebende Land anstatt des mageren Graswuchses und der wilden Kräuter Ernten getragen, die sich lohnten. Die Oberlieferung wußte noch von einer gar nicht so fernen Zeit, da die Pflugschar den harten Boden auflockerte. Verfallene Hütten standen noch an den Wegen, die auf dem Kamm entlangliefen. Etliche ihrer einstigen Bewohner hatten die jungfräulichen Prärien der Neuen Welt fortgelockt; etliche glaubten, in den Bergwerken, deren Schlote ich von meinem Platz aus beinahe rauchen sah, ein besseres Los zu finden.

So stand die alte, graue Scheune leer. Hilflos hingen ihre hölzernen Türen in den verrosteten Angeln, und der Wind pfiff durch die schmalen Schlitze, die den Schießscharten für die Bogenschützen einer normannischen Feste glichen. Ich drang in das Farndickicht, das mir bis an die Schultern ging, ein und erreichte die offene Einfahrt. Niemand befand sich dort drinnen. Und nun begann ich zu bereuen, daß ich als Treffpunkt die Stelle genannt hatte, an der wir vor drei Jahren in solchem Kummer und solcher Seelennot geschieden waren. Langsam schritt ich dem Hang zu, und da, auf einem moosbedeckten Stein sitzend, entdeckte ich sie.

Violet Bradwardine erhob sich und blieb dann in statuenhafter Unbeweglichkeit stehen. Ihr leichtgelocktes Haar, das unter einer Strohkappe hervorquoll, umgab ihr Gesicht wie ein Heiligenschein. In ihren schwermütigen, blauen Augen lag der Ausdruck eines Engels, der in unserem irdischen Jammertal den Weg verloren hat und flehentlich nach Hilfe sucht. Und ich in meiner Tollheit hatte geträumt, daß ich ihr die Hilfe bieten und die Traurigkeit ihres Lebens in Freude verwandeln könnte!

Von den alten, leidenschaftlichen Gefühlen übermannt, rannte ich auf sie zu. »Violet!«

Sie wich zurück, als habe ich ihr einen Schlag versetzt, und ihre sanften Augen sprühten vor Zorn.

»Wie durften Sie es wagen, mir dies zuzumuten? Eine solche Begegnung?«

»Verzeihen Sie mir«, stammelte ich. Ich kam mir vor wie ein Verbrecher, der seinem Richter gegenübersteht. »Es war unbedingt nötig, daß ich Sie sprach, ehe Sie Sir Frank Tarleton empfangen. Ich mußte Ihnen erklären, wer er ist, und was er Sie fragen wird.«

Höhnisch wies sie auf das Scheunendach, das noch gerade über dem Kamm sichtbar war.

»So? Und just hier wünschten Sie mich zu treffen? Gab es keinen anderen Ort?« Ihre Stimme schwankte. »Wie konnten Sie so brutal sein? Mich zu erinnern! Mich nach dem einzigen Fleck auf Erden zu zerren, den ich« zu vergessen suche!«

Wie ein Messer schnitt mir der Vorwurf ins Herz. Sie hatte recht. Oh, was für ein plumpes Tier ist jeder Mann gegenüber dem Mysterium einer Frauenseele – gegenüber jenen zarten Fibern, die unsere rohe Berührung so oft knickt und verletzt! »Ich verdiene die härtesten Vorwürfe«, erwiderte ich. »Und als Entschuldigung kann ich nur anführen, daß mich die Sorge um Sie der Überlegung beraubte.«

Die Entrüstung auf ihrem Gesichte verschwand.

»Was meinen Sie?« stieß sie erschreckt hervor. »Sie teilten mir doch brieflich mit, ich hätte nichts mehr zu fürchten.«

»Ich sagte: nichts mehr von Dr. Weathered zu fürchten. Als ich die Worte schrieb, hoffte ich auch fest, daß ich Sie vor jeder weiteren Aufregung zu schützen vermöchte. Aber seither haben sich andere Dinge ereignet. Es sind Verwicklungen eingetreten, die ich keinem Briefe anvertrauen durfte, und die jetzt Sir Frank Tarleton hierher geführt haben.«

»Sir Frank Tarleton? Wer ist das?«

»Er ist der Sachverständige des Innenministeriums. Ich bin sein Assistent.«

»Aber ich verstehe nicht!« Sie starrte mich an wie ein Naturwunder. »Was geht es ihn an? Haben Sie ihm etwas erzählt?«

»Nicht eine Silbe. Doch hören Sie, was inzwischen geschah: Weathered ist tot.«

»Tot!« Die blauen Augen leuchteten auf, fast frohlockend. Aber eine Sekunde nachher wurden sie gläsern vor Schreck. »Bertrand! Sie ... Sie töteten ihn!« flüsterte sie tonlos.

»Nein. Ich würde ihn getötet haben, wenn es keine andere Rettung für Sie gegeben hätte, und kein anständiger Mensch würde mich deshalb verdammt haben, glaube ich. Doch es war nicht nötig. Mein einziges Ziel hieß: das Dokument Ihrer Beichte zu vernichten, durch die Sie in seine Macht gerieten. Und deshalb betäubte ich ihn und nahm ihm die Schlüssel – nicht mehr! Als ich um drei Uhr früh den Klub verließ, lebte er noch. Zwei Stunden später fand man ihn tot auf demselben Diwan, wo ich ihn zuletzt gesehen hatte.«

Violet schien den Sinn meiner Worte nicht zu begreifen. Wie zwei blaue Steine stierten ihre Augen mich bewegungslos an.

»Sie töteten ihn – um meinetwillen«, wiederholte sie dumpf.

»Wahrhaftig nicht«, beteuerte ich. »Sir Frank Tarleton ist die größte lebende Autorität in der Giftkunde. Er hat sich in den letzten drei Tagen bemüht, die Todesursache festzustellen. Die ganze Zeit assistierte ich ihm, und ich weiß, daß sich sein Argwohn in einer ganz anderen Richtung bewegt.«

Ich brach ab und fing die Schwankende in meinen Armen auf. Vorsichtig legte ich sie in das Moos; aber die Schwäche ging schnell vorüber. Während ich mich noch zu ihr hinabbeugte, flüsterten die blassen Lippen: »Weiter. Ich will alles wissen.«

Da die Zeit drängte, wartete ich nur solange, bis sie wieder sitzen konnte.

»Dr. Weathered hatte andere Opfer außer Ihnen und andere Feinde außer mir«, fuhr ich fort. »Die Polizei ist etlichen auf der Spur, und Sir Frank hat einen wichtigen Fingerzeig entdeckt, der uns die wahre Todesursache entschleiern dürfte. Leider jedoch ist man auf das Kostüm, in dem ich den Klub besuchte, aufmerksam geworden.«

Violet begann zu zittern.

»Das Kostüm, das ich Ihnen lieh? Oh, Bertrand, Sie hätten es vernichten sollen.«

»Nein. Ich bin sogar froh, daß ich es nicht vernichtete. Durch Erkundigungen wurde festgestellt, daß Sie das Kostüm gewöhnlich trugen. Aus diesem Grunde liehen Sie es mir ja auch, damit Weathered wähnen sollte, er hätte Sie vor sich. Würde das Kostüm jetzt fehlen, müßten Sie sein Verschwinden erklären. Verstehen Sie?«

»Ja. Aber wenn die Polizei weiß, daß das Kostüm mir gehört, wird sie glauben, ich sei bei dem Fest im Klub gewesen. Barmherziger, verdächtigt man mich vielleicht des Mordes?«

»Nichts dergleichen«, rief ich, entsetzt über ihren Schrecken. »Ihre Unschuld ist bewiesen. Sie verfügen über ein einwandfreies Alibi. Violet, können Sie denn glauben, ich würde mich nicht sofort selbst der Justiz ausliefern, wenn es nötig wäre, Sie zu entlasten? ...«

»Ich weiß das, Bertrand«, sagte sie weich. »Nur verstehe ich nicht den Grund Ihres Hierseins. Was wünscht Sir Frank von mir?«

»Zweierlei. Der erste Zweck seiner Reise ist jedoch schon erfüllt: sich überzeugen, daß Sie Mittwoch Nacht im Schloß weilten. Ferner will er Sie nach einer Merkwürdigkeit in Weathereds Terminbuch fragen. Sooft Ihr Name dort erscheint, wird er von einer Nummer begleitet. Warum?«

Violet sah zu Boden.

»Er gab mir jene Nummer, um meine Briefe damit zu unterzeichnen, weil er behauptete, es würde mir helfen, freier und unumwundener zu schreiben, wenn ich statt des Namens eine Nummer gebrauchte.«

»Aber weshalb? Was behandelten die Briefe?«

Noch immer wich die Ärmste meinem Blicke aus.

»Er veranlaßte mich, ihm die ganze Geschichte in Briefen mitzuteilen. Das sei die einzige Möglichkeit, sie aus meiner Seele und meinem Hirn zu verbannen.«

Ich biß die Zähne aufeinander, um nicht aufzustöhnen: vergebens war Weathereds Safe geöffnet, vergebens die Niederschrift seiner Krankheitsfälle zerstört worden ...


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