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12

Es war einer jener Momente, da das Leben die Maske der Konvention abzuwerfen scheint und wie ein Riese, gezähnt und gewappnet für unsere Zerstörung, auf uns losspringt; einer jener Momente, da das tapferste Herz versagt und die stärkste Hoffnung in Verzweiflung umschlägt.

Umsonst hatte ich mein Verbrechen begangen. Daran änderte auch der Tod des abgefeimten Schurken nichts. Irgendwo lag noch die Waffe, mit der er sein unglückliches Opfer geknechtet. In wessen Hand sie sich befand, ob sie gebraucht werden würde, um Violet und mich vereint zu ruinieren – das wußte Gott allein.

Weathereds gerissenes Verfahren enthüllte sich mir in seiner ganzen Scheußlichkeit. Seine Patienten zerfielen in zwei Klassen. Alle, deren Gewissen nichts Ernstliches belastete, oder bei denen sich eine Erpressung nicht lohnte, erhielten die Behandlung, die geachtete Ärzte nervösen Patienten verordnen. Jene hingegen, die zu ihm kamen, um von lasterhaften Neigungen geheilt zu werden, wurden ermutigt, ihnen unter seinem Auge zu frönen, angeblich, weil sie ihrer so allmählich überdrüssig würden; und jene, die Erleichterung von bösen oder qualvollen Erinnerungen suchten, wurden angewiesen, sich ihrer geheimen Seelenlast in Briefen zu entledigen, die für späteren Gebrauch aufbewahrt werden konnten.

Betty Neobards Urteil über ihren Stiefvater ging vielleicht nicht ganz fehl. Vielleicht war er tatsächlich erst allmählich herabgesunken. Wahrscheinlich ein Mensch ohne jedwedes religiöses Gefühl und ohne wirkliche Skrupel auf dem Gebiete der Moral, ließ er sich, anstatt seine Patienten zu heilen, von ihren Krankheiten anstecken. Die vernommenen Beichten hatten seine eigene Phantasie entflammt und seine Gedanken mit dem Bösen vertraut gemacht, bis er schließlich ein teuflisches Vergnügen darin fand, in Erzählungen von schuldiger Schwäche und verratener Unschuld zu schwelgen. An der Analyse von Frauenherzen hatte er sich berauscht, hatte gelernt, auf ihren Gemütssaiten wie auf einem Instrument zu spielen und ihnen die Töne von Leidenschaft und Schmerz zu entlocken. Mit solcher Musik müssen die Verdammten in der Hölle ihre eigenen Qualen lindern.

Welche Folter, meine – und Violets – Tragödie durch die gemeine Neugier eines Erpressers profaniert zu wissen. Wenn ich gesündigt hatte, war es nicht vorsätzlich geschehen, sondern im Rausch jener überwältigenden Macht, durch die alle Planeten des Himmels sich bewegen, die Erde sich in ihr grünes Frühlingskleid hüllt, alle Vögel ihre jubilierenden Lieder schmettern und die menschliche Rasse sich ständig erneuert.

Unsere traurige Romanze begann in der reinsten Unschuld. An jenem Morgen, als ich mit dem Rucksack bepackt lostrabte, um das alte Grenzland von England und Wales zu erforschen, wußte ich nichts von ihr. Ohne festen Plan zog ich los; wollte wandern, wie mich die Laune trieb, und haltmachen, so oft es mir gefiel. Bestimmt aber lag es nicht in meiner Absicht, den ganzen Urlaub an einem einzigen Fleck zu verbringen. Und dann hörte ich im Dorfwirtshaus von den Ruinen auf der rückwärtigen Seite des Schlosses der Grafen von Ledbury.

Man sagte mir, der Weg, der vom Kirchhof aus sich hügelwärts schlängele, würde mich hinführen, und der Herr Graf habe Fremden die Besichtigung nicht geradezu verboten. Nun, ich war jung und dreist genug, mich auch einer Übertretung schuldig zu machen. Ich kletterte über ein Gattertor, verschlossen und bewehrt mit Stacheldraht, überquerte eine Wiese und schlüpfte durch ein Loch in der Außenmauer. Schon war ich eine halbe Stunde zwischen Haufen verfallenen Mauerwerks herumgeturnt und stand gerade im Begriff, eine morsche Treppe, die einen schönen Rundblick bot, wieder hinabzusteigen, als ich unter mir im Gras das lieblichste Mädchen stehen sah.

Unten angelangt, zog ich meine Mütze und gab der Hoffnung Ausdruck, daß ich nicht widerrechtlich eingedrungen sei, worauf sie mich mit kameradschaftlicher Herzlichkeit anlächelte.

»Widerrechtlich eingedrungen sind Sie zwar«, sagte sie freimütig. »Aber wenn ich mit Ihnen spreche, wird Sie niemand zur Verantwortung ziehen. Ich sah Sie von meinem Fenster aus und kam, um zu verhindern, daß einer der Dienstboten Sie kurzerhand von dannen trieb.«

Wie bezaubernd sie war in ihrer Schlichtheit und Liebenswürdigkeit! Dann erzählte sie mir ausführlich alles Wissenswerte über die Ruinen, erzählte und erzählte, bis es wirklich nichts mehr zu sagen gab. Und als ich mich endlich zum Aufbruch verpflichtet fühlte, fragte sie mich sehnsüchtig, wohin ich ginge. Ich, bereits entschlossen, in der Nachbarschaft zu bleiben, sofern sich nur die geringste Aussicht bot, das blonde Kind wiederzusehen, erwiderte ausweichend, daß ich es nicht wüßte, daß ich noch keine Unterkunft hätte.

»Oh,« rief sie eifrig, »da auf dem Hügel liegt ein Bauernhof, wo man Sommergäste aufnimmt. Aber zur Zeit sind keine dort. Auf meinen Spaziergängen komme ich oft am Moorfield-Hof vorbei und habe keine Fremden gesehen.«

Mein Herz hüpfte vor Wonne. Nichts mehr von Wandertour in diesem Sommer. Kann man, wenn sich einem die Tore des Paradieses aufgetan haben, noch weiter wandern?

Und so lud ich meinen Rucksack in der geißblattumrankten Vorlaube des kleinen Gehöftes ab und richtete mich dort häuslich ein. Abends erzählte mir meine gute Wirtin Violets Geschichte. Sie hatte ihre Mutter bei der Geburt verloren und – wie es nicht selten vorkommt – damit ihren Platz im Herzen des Vaters, eines älteren Mannes, für den seine junge Frau alles bedeutete. Nach ihrem Tode wurde er menschenscheu und verbittert, verzichtete auf seine Erstgeburtsrechte, trat das verschuldete Gut an seinen Bruder ab und kapselte sich mit seinem Schmerz in dem einzig bewohnbaren Flügel seines verödeten Hauses ein. Von Violet nahm er kaum Notiz. Sein Pflichtgefühl trieb ihn, eine strenge Gouvernante zu engagieren und anzuordnen, daß seine Tochter für eine Geldheirat erzogen würde. Die Gouvernante befolgte diese Richtlinien. Sie hielt eine vollkommene Absonderung für angebracht, bis ein geeigneter Bräutigam da sei, dem man Violet dann in die Arme schieben würde. Infolgedessen hatte das mutterlose Kind wie eine Prinzessin aus dem Märchen gelebt, die im Turm eingesperrt und dem Blick der Männer entzogen ist. Und ich wurde vom Schicksal für die Rolle des Märchenhelden auserkoren, der den Turm erklettert und das Herz der Jungfrau gewinnt.

Es kam mir zustatten, daß die gestrenge Gouvernante zwei Tage vor meiner Ankunft ihren Urlaub angetreten hatte. Violet war sich allein überlassen. Seit vielen Jahren traf kein auswärtiger Gast mehr im Schloß ein, und im Umkreis von vielen Meilen gab es keine Nachbarn von gleichem gesellschaftlichem Rang. Der Pfarrer war ein alter Junggeselle, der sich nur für Schmetterlinge und Nachtfalter interessierte, von denen er eine wundervolle Sammlung besaß; und im übrigen war er blind für alles, was sich in seinem Kirchspiel zutrug. Wenn man unsere Romanze beobachtete – und ich zweifle nicht, daß sie heimlich durch viele uns unbekannte, neugierige Augen beobachtet wurde –, so wagte doch niemand, dem Grafen von Ledbury die seltsame Freundschaft seiner Tochter zu hinterbringen. Violet sah ihren Vater zweimal täglich bei den Hauptmahlzeiten, und es fiel ihm nicht ein, zu fragen, wo und wie sie die Zwischenzeit verlebte.

Ein goldener Monat verstrich. Die ersten Tage tat jeder von uns, als ob unsere Begegnungen nur auf Zufall beruhten. Aber bald gaben wir diese Spiegelfechtereien auf. Gemeinsam streiften wir die Hügel ab, scheuchten die Rebhühner aus dem Korn auf und die Karnickel aus dem Farn. Über unseren Häuptern gurrten und schwirrten die Waldtauben; die Rotkehlchen bespähten uns aus den Hecken, die Eichhörnchen von den Bäumen. Und wir waren glücklich ...

Leise, leise brach die Erkenntnis in mir durch, daß sie mich liebte, was ich nie zu hoffen gewagt hatte. Ich war zufrieden gewesen, sie stumm anzubeten, wie eine unerreichbare Göttin. Und nun dies? Nun dies? ... Ich erinnere mich nicht, daß wir es uns durch Worte eingestanden. Eines Tages, als wir Seite an Seite nach einem kleinen Wasserfall wanderten, blieb ich plötzlich stehen und küßte sie.

Von diesem Tage an waren wir ein Liebespaar. Violet dünkte alles so natürlich wie die Romanzen, die sie gelesen hatte; es schien sie sogar zu überraschen, wenn ich die zwischen uns gähnende soziale Kluft erwähnte. Gewiß, sie gab zu, daß ihr Vater von unserer Verbindung nie etwas werde wissen wollen, aber fest vertraute sie darauf, daß ich mich an diese Weigerung nicht kehren würde. In zartester Kindheit war all ihre Zuneigung für den finsteren, kalten Vater erloschen, und sie liebte mich um so leidenschaftlicher, als ihr Herz stets hatte darben müssen.

Ich aber erkannte zähneknirschend meine Ohnmacht. Gerade volljährig, noch nicht fertig mit dem Studium, besaß ich keine Mittel außer einem kärglichen Legat, das gerade soweit reichen würde, bis ich mein erstes Geld verdiente. Von solchen Hindernissen wissen die Ritter der Sagen nichts; die Ungeheuer, die sie besiegen, sind Geschöpfe, gegen die die Kraft des Armes genügt. Nein, jene Kämpen reiten gegen nichts Schlimmeres an als gegen das Schloß eines Riesen oder die Hohle eines Lindwurms; die Schrecken, die dem Kundenraum einer Bank oder dem Büro eines Hausbesitzers anhaften können, kennen sie nicht. Sie haben sich auch nicht gegen den Bäcker oder Metzger zu verteidigen, wenn dieser die Wochenrechnung präsentiert. Die Beichte, daß die Besiegung dieser modernen, uns den Weg versperrenden Drachen Jahre erforderte, schob ich solange wie möglich hinaus. Zuerst begriff Violet kaum. Das bloße Warten fiel ihr weniger schwer als mir – das erkannte ich bald. Schließlich ist die Brautzeit die hehrste Zeit im Leben der Frau; Heirat bedeutet Entthronung. Als Violet sich aber vergegenwärtigte, daß ich fort mußte, brach sie zusammen.

Nun drückte sie die Bürde schwerer als mich. Für den Mann bedeutet Verzögerung Leiden, für die Frau Trennung. Ich ging zu meiner Arbeit zurück; mich erwarteten meine Freunde und all die Zerstreuungen des Londoner Lebens. Violets harrte nur ein trostlos einsames Gefängnis.

Wir hatten uns daran gewöhnt, uns häufig in der verlassenen Scheune zu treffen, deren Lage eine größere Sicherheit als die Wege und Wälder gewährleistete. Niemand konnte sich nähern, ohne von uns gesehen zu werden, und niemand näherte sich überhaupt. Ein Haufen Farnkraut bildete unser Polster, und dort saßen wir manchen langen Sommernachmittag, die verwitterte Flügeltür weit geöffnet, damit wir ungehindert die Windungen des Flusses weit unter uns zählen konnten, während wir gleichzeitig von all dem träumten, was die kommenden Jahre bringen sollten.

Und dort trafen wir uns auch am letzten Nachmittag. Wir hatten bisher jegliche Pläne für die allernächste Zukunft vermieden, nie gegrübelt, wie das nächste Wiedersehen zu bewerkstelligen sei. Ich wußte nicht einmal, daß Lord Ledbury ein Haus in London besaß, zu dem Violet ganz selten – aber immer unter strengster Bewachung und mehr aus praktischen Gründen als zum Vergnügen – mitgenommen wurde, wenn es gerade mal nicht vermietet war. Auch die Frage unseres Briefwechsels hatten wir nicht erörtert, obwohl ich ihr – wollten wir nicht Gefahr laufen, daß man unser Geheimnis entdeckte – offenbar nicht nach Schloß Tyberton schreiben durfte. Kurz, der Mut hatte uns gefehlt, der wahren Situation ins Auge zu sehen.

Und jetzt konnten wir uns derselben nicht mehr verschließen. Sie kam uns entsetzlicher vor als der Tod. Nicht auszudenken, daß wir uns so trennen sollten, ungewiß, ob wir uns je wieder begegnen würden. Ach, es war ein eitel Beginnen, die Lippen das Wort Adieu formen zu lassen, wenn wir uns aneinanderklammerten in der Verzweiflung junger Leben, die mit ihrem Geschick ringen. Nein, nein, ich darf jene Agonie nicht wieder heraufbeschwören.

Zu spät verstand ich, was ich getan, als ich meine Liebe erschlug ... Aus jenem kurzen Sinnenrausch traten wir in eine sonderbare Welt; wie zwei Gespenster kamen wir uns vor. Ich bat Violet nicht, mir zu vergeben – konnte ich mir doch selbst das Geschehene nicht verzeihen. Eher würde ich sie gebeten haben, mich mit schimpflichsten Vorwürfen zu überhäufen. Doch kein Vorwurf hatte in ihrer Seele Platz, nur Entsetzen über das, was sie in sich zerstört hatte. Ich war ihr nur verhaßt als der Spiegel, in dem sie ihr unbekanntes Selbst gesehen. Sie bewegte die Lippen, um mich anzuflehen, ihr nie wieder unter die Augen zu treten. Schaudernd wankte sie an mir vorüber, schritt den Hügel hinab ... mit dem strauchelnden Gang eines verwundeten Rehs.

Sicherlich gibt es Männer – und vielleicht auch Frauen –, die denken werden, daß ich ein Narr war, weil ich sie gehen ließ. Ich weiß nicht, ob sie recht haben; ich weiß lediglich, daß ich Violet gehorchte und aus ihrer Umgebung floh ohne die leiseste Hoffnung, je wiederzukehren.

Und so brütete das einsame Mädchen, das keinen Vertrauten auf Gottes weiter Welt besaß, über seinem Geheimnis, das wie eine Viper an seinem Herzen nagte. Wie sie zu jenem Scharlatan kam, hat sie mir nicht erzählt. Während des einen oder anderen Aufenthalts im Stadthause ihres Vaters mag die Kunde von der neuen Wissenschaft der Psychoanalyse und dem Heiler an ihr Ohr gedrungen sein, der das vollbrachte, wonach Macbeth sich vergebens sehnte: einen tief eingewurzelten Gram aus dem Gedächtnis zu reißen und die Schrift von den Tafeln des Hirns fortzulöschen.

Natürlich suchte sie ihn ohne Wissen von Vater und Gouvernante auf, und von diesem Moment an wurde sie seine hilflose Beute. Welche Künste er anwandte, um sie zu umgarnen, läßt sich unschwer erraten. Anfänglich glaubte sie ihm, und als ihr Mißtrauen aufkeimte, befand sie sich schon in seiner Gewalt und wagte nicht mit ihm zu brechen.

Zu diesem Zeitpunkt hatten der Graf und die Duenna die Köpfe zusammengesteckt und entschieden, daß Lady Violet eine Saison in London zubringen und in der großen Welt gesehen werden müsse. Infolgedessen genoß sie viel mehr Freiheit. Sie freundete sich mit einigen jungen Mädchen ihrer Kreise an, mit denen man ihr das Ausgehen gestattete. Unter ihnen befanden sich nicht wenige, die moderne Auswüchse für ein Recht des Mädchentums hielten und Violet in allem, wozu sie durch ihren ärztlichen Führer gezwungen wurde, bestärkten und schirmten. Ihre beste Freundin erklärte bereitwilligst ihren Eintritt in den Domino-Klub.

Aber auch dieser getraute sich Violet nicht, die richtige Sachlage zu enthüllen. Als sie Weathered noch Vertrauen schenkte und an seine Kraft glaubte, die Wunde ihrer Seele heilen zu können, hatte sie ihm die Geschichte unserer Liebe in Briefen geschrieben, deren Herausgabe der Schurke nur um den Preis einer noch weit schlimmeren Unterwerfung zugestand. Lediglich ein menschliches Wesen gab es, das sie ohne das Risiko neuerlicher Demütigung um Hilfe bitten konnte. Und so sahen wir uns wieder.

Im medizinischen Fachadreßbuch fand sie, wo ich mich aufhielt, und schrieb mir nach Sir Frank Tarletons Hause. Da sie aber in solch dringender Sprache um eine streng geheime Unterredung bat, hielt ich es für besser, sie nicht nach der Montague Street kommen zu lassen. Ich schlug ihr vor, daß wir uns wie zufällig an der Ecke der Shaftesbury Avenue treffen und dann gemeinsam zu meinem kleinen Zimmer gehen wollten. Fast vier Jahre lag unser tragischer Abschied zurück, und als wir uns gegenüberstanden, schienen es nur vier Stunden zu sein. Violets Gesicht wechselte von Weiß zu Rot und von Rot zu Weiß, während sie ein zitternde Hand ausstreckte und wieder vorzeitig fallen ließ. Und meine Hand zitterte gleichfalls, als sie nach dem Hutrand griff.

Die Geschichte, die sie mir in meinem bescheidenen Stübchen erzählte, war so qualvoll, und ihre Wiedergabe kostete Violet soviel Überwindung, daß ein großer Teil ungesagt blieb. So erfuhr ich zum Beispiel nichts von den vorhandenen Briefen. Ich wähnte, sie habe ihre Beichte mündlich abgelegt. Da es indes unter den Ärzten des Londoner Westens, die ihre Patienten in längeren Zwischenräumen sehen, allgemein üblich ist, im Hinblick auf künftige Besuche eine sorgfältige Eintragung mit allen Einzelheiten des jeweiligen Falles zu machen, vermutete ich, daß auch Weathered ein derartiges Krankheitsbuch führte, das völlig ausreichte, den Ruf seines Opfers zu vernichten.

Ich war selbst viel zu aufgeregt, um der Angelegenheit genau nachzugehen. Die ganze Unterredung bestand aus einer Serie wilder Verzweiflungsausbrüche ihrerseits und Beschwichtigungsversuchen meinerseits. Was sie eigentlich wirklich von mir verlangte, oder was ich ihr versprach, ist mir gar nicht klar erinnerlich. Mir schwebte nur das Krankheitsbuch vor.

Meinen Plan baute ich auf dem auf, was mir Violet über den Domino-Klub erzählt hatte, aber ich weihte die Verzweifelte nur oberflächlich ein. Ich müsse mich Weathered nähern, und zwar in einer Art, daß er mich für sie hielte, sagte ich ihr. Hierzu eigne sich am besten ein Maskenfest; sie solle mir also etliche Tage vor dem nächsten Klubvergnügen ihr Kostüm nebst Maske senden, damit ich es für mich passend machen könne und mich darin bewegen lerne.

Violet fügte sich in alles ... was sollte sie auch anderes tun?

Wir trennten uns ohne ein formelles Lebewohl, aber auch ohne Vertrauen auf ein nochmaliges Wiedersehen. Sie schien in meiner Gegenwart Folterqualen durchzumachen, mühte sich, zu mir kühl wie zu einem Fremden, dem sie sich notgedrungen anvertraute, zu sprechen, doch ihre Stimme versagte fortwährend. Als ich sie endlich auf die Straße hinausließ, rannte sie spornstreichs wie ein ausgebrochener Häftling davon. Ich aber kehrte zur Montague Street zurück und schloß mich in Sir Franks Giftarsenal ein ...


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