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Als gegen acht Uhr Abends der Himmel eine kurze Zeit von den ihn erfüllenden Nebelmassen frei war, glänzte ein sternenreiches Firmament durch die klare, aber bitterkalte Luft.
Hatteras benutzte sogleich diese Gelegenheit, um die Höhe einiger Sterne zu bestimmen; ohne ein Wort zu sagen, ging er mit den nöthigen Instrumenten hinaus. Er wollte ihre Stellung bestimmen und sich vergewissern, ob das ganze Eisfeld sich etwa fortbewegt habe, oder nicht.
Nach einer halben Stunde trat er wieder ein, warf sich in einer Ecke des Hauses nieder und verharrte dort in tiefer Ruhe, fiel aber nicht in Schlaf.
Am andern Morgen fiel wieder reichlich Schnee; der Doctor konnte froh sein, daß er seine Nachforschungen schon Tags vorher angestellt hatte, denn bald verhüllte eine ungeheure weiße Decke das Eisfeld, und jede Spur von der Explosion war unter einer drei Fuß mächtigen Schicht verschwunden.
Während dieses ganzen Tages konnte man keinen Fuß in's Freie setzen; zum Glück bot die Wohnung genügende Bequemlichkeiten, mindestens erschien es unsern abgehetzten Reisenden so. Der kleine Ofen that gute Dienste, nur daß dann und wann ein ungestümer Windstoß den Rauch nach innen trieb; an seinen Flammen bereitete man sich Thee oder Kaffee, Genüsse, welche bei so niedriger Lufttemperatur doppelt wohlthätig waren.
Die Schiffbrüchigen, denn diesen Namen verdienten sie wohl in der That, verspürten ein Wohlbehagen, das ihnen lange fremd geblieben war; dabei erfreuten sie sich nur an der Gegenwart, an der wohlthuenden Wärme und der augenblicklichen Ruhe, und vergaßen der grausigen Zukunft, die sie doch mit nahem Tode bedrohte.
Der Amerikaner litt jetzt weniger und kam nach und nach in's Leben zurück; er öffnete schon die Augen, sprach aber noch nicht; seine Lippen zeigten die Spuren des Scorbuts und vermochten noch keinen verständlichen Laut zu bilden; doch da er nun offenbar hörte, wurde er von seiner Lage in Kenntniß gesetzt. Er bewegte nur den Kopf als Dank; er erkannte seine Rettung aus dem Schnee- und Eisgrabe, doch vermied der Doctor noch, ihm mitzutheilen, wie nahe er dem Tode gewesen war, und wie kurze Zeit dieser nur aufgeschoben schien, da ihnen Allen in höchstens drei Wochen die Nahrungsmittel völlig ausgehen mußten.
Erst gegen Mittag regte sich Hatteras wieder und näherte sich den drei Anderen.
»Meine Freunde, sagte er, wir müssen nun zunächst einen bestimmten Entschluß fassen, was wir jetzt vornehmen. Zuerst ersuche ich aber Johnson, zu erzählen, wie jener Schurkenstreich, der uns vielleicht Alle in's Verderben bringt, ausgeführt wurde.
– Aber wozu das? meinte der Doctor, die Thatsache steht fest, und es ist wohl besser, ihrer nicht mehr zu gedenken.
– Im Gegentheil, jetzt denke ich noch sehr daran, erwiderte Hatteras; nach Johnson's Bericht mag sie vergessen sein.
– Nun gut, ich werde Alles erzählen, begann der Rüstmeister. Ich habe Alles gethan, das Verbrechen zu hindern ...
– Das weiß ich, Johnson, und füge gleich hinzu, daß ich die Sache überhaupt schon für einen seit Langem geplanten Streich halte.
– Ganz meine Meinung, fiel der Doctor ein.
– Die meinige auch, nahm Johnson wieder das Wort, denn gleich nach Ihrer Abreise, Kapitän, schon den andern Morgen, zeigte sich Shandon, der uns immer das Leben sauer machte, in seiner ganzen Schlechtigkeit und maßte sich, von der ganzen Rotte unterstützt, zunächst das Commando auf dem Schiffe an; was half mir Einzigem da mein Einspruch dagegen? Von da ab handelte fast jeder nach eigenem Gutdünken, und Shandon ließ es zu; es kam ihm darauf an, der Mannschaft zu zeigen, daß nun die Zeit der Arbeit und der nöthigen Einschränkung vorüber sei. Nun wurde nichts mehr gespart; immer glühte der Ofen, der unbarmherzig vom Holze der Brigg geheizt wurde. Ueber den Proviant schaltete Jeder nach Willkür, über die geistigen Getränke desgleichen, und Sie können sich leicht denken, welchen Mißbrauch Leute, die bei dem Verlangen darnach sie doch so lange entbehrt hatten, damit trieben. So verlief die Zeit etwa vom 7. bis zum 15. Januar.
– Also Shandon war es, der die Leute in Aufruhr brachte, sprach Hatteras mit ernstem Tone.
– Ja, Kapitän.
– Erwähnen Sie den Schurken nicht wieder. Jetzt fahren Sie fort!
– Etwa am 24. oder 25. Januar kam nun die Absicht zum Vorschein, das Schiff zu verlassen. Sie wollten die westliche Küste der Baffins-Bai zu erreichen suchen, von dort sollte mit Hilfe der Schaluppe ein Wallfischfahrer gesucht oder doch auf die Grönländer Niederlassungen an der Ostseite losgesteuert werden. Proviant hatten sie in Ueberfluß; auch die Kranken erholten sich durch die Hoffnung auf die Rückkehr ganz auffallend. Nun betrieb man die Vorbereitungen zur Flucht. Zunächst wurde ein Schlitten gebaut, der Nahrungsmittel, Brennmaterial und die Schaluppe tragen sollte; die Mannschaft selbst sollte ihn ziehen. Das dauerte etwa bis Mitte Februar; Tag für Tag erwartete ich Ihre Rückkehr, Kapitän, und doch fürchtete ich sie fast; auch Sie hätten bei den Leuten nichts ausgerichtet, welche Sie eher ermordet hätten, als daß sie auf dem Schiffe geblieben wären. Ein wahrer Freiheitsschwindel hatte sie erfaßt. Ich nahm die Mannschaft Einen nach dem Anderen vor, ich bat sie, ermahnte, stellte ihnen die Gefahren ihres Vorhabens vor Augen; ich sagte ihnen auch, daß sie im Begriff wären, einen elenden Schurkenstreich zu begehen. Es war Alles umsonst, auch bei den Besten von ihnen! Die Abfahrt wurde auf den 22. Februar festgesetzt. Shandon wurde ungeduldig. Es wurde auf den Schlitten und in die Schaluppe gebracht, was nur an Proviant und Getränken aufzutreiben war; mit Holz versahen sie sich reichlich, wozu die Steuerbordseite bis auf die Wasserlinie herunter hatte herhalten müssen. Den letzten Tag gab es nun noch eine wahre Orgie; sie plünderten nach Herzenslust, und als sie toll und voll betrunken waren, steckte Pen mit noch zwei oder drei Anderen das Schiff in Brand. Ich stritt aus Leibeskräften dagegen; sie überwältigten und schlugen mich; dann wandten sich die Schufte, Shandon an der Spitze, nach Osten und entschwanden meinen Blicken. Ich war nun allein; was konnte ich aber gegen das Feuer anfangen, das schon an dem ganzen Schiffe fraß? Selbst unser Wasserloch war dick übereist und so hatte ich keinen Tropfen. Zwei Tage stand der Forward in Flammen, und – das Ende wissen Sie.«
Dumpfes Schweigen herrschte in dem Eishause, als dieser Bericht beendet war. Das düstere Bild des brennenden Fahrzeuges, der Verlust der kostbaren Brigg, trat den armen Schiffbrüchigen grell vor die Augen; sie fühlten sich nur einer Unmöglichkeit gegenüber, der Unmöglichkeit nach England zurückzukehren. Kaum wagten sie einander anzusehen, aus Furcht, Einer möge auf des Anderen Antlitz die helle Verzweiflung lesen. Nur der beklommene Athem des Amerikaners war hörbar.
Endlich nahm Hatteras das Wort:.
»Ich danke Ihnen, Johnson, sagte er, Sie haben gethan, was in Ihren Kräften stand, mein Schiff zu retten. Aber allein vermochten Sie das nicht; noch einmal, ich danke Ihnen von Herzen, und nun – wollen wir von diesem Unglück nicht mehr sprechen. Mit vereinten Kräften laßt uns zur Rettung Aller wohl zusammenwirken. Vier Schicksalsgenossen sind wir hier, vier Freunde; des Einen Leben gilt so viel, wie das des Anderen. Nun gebe Jeder seine Meinung ab, was wir beginnen sollen.
– Fragen Sie uns, Hatteras, begann der Doctor; wir sind Ihnen Alle ergeben, unsere Worte werden vom Herzen kommen. Aber haben Sie nicht zunächst selbst einen Vorschlag?
– Ich darf noch mit keinem solchen hervortreten. Mein Urtheil könnte eigensüchtig aussehen. Erst möchte ich die Ansicht der Anderen hören.
– Kapitän, sagte Johnson, bevor wir uns unter so schwierigen Umständen aussprechen, hätte ich noch eine Frage.
– Reden Sie, Johnson.
– Sie haben gestern unsere Position bestimmt; ist nun das Eisfeld weiter getrieben, oder sind wir noch an derselben Stelle?
– Es hat seine Lage nicht verändert, erwiderte Hatteras. Ganz wie vor unserer Expedition habe ich achtzig Grad fünfzehn Minuten nördlicher Breite und siebenundneunzig Grad fünfunddreißig Minuten Länge gefunden.
– Und, sagte Johnson, wie weit sind wir von dem nächsten Meere im Westen entfernt?
– Gegen sechshundert (englische) Meilen.
– Und dieses Meer ist? ...
– Der Smith-Sund.
– Also dasselbe, bis zu dem wir im vergangenen April nicht vorzudringen vermochten?
– Dasselbe.
– Gut, Kapitän, nun, da unsere Ortslage bekannt ist, können wir darauf hin einen Entschluß fassen.
– So sprechen Sie«, sagte Hatteras, der den Kopf in beide Hände senkte.
Er konnte so seine Gefährten hören, ohne sie anzusehen.
»Nun denn, Bell, forderte der Doctor diesen auf, was ist nach Ihrer Ansicht am gerathensten zu thun?
– Das bedarf wohl kein langes Ueberlegen, erwiderte der Zimmermann; wir müssen, ohne einen Tag, ohne eine Stunde zu verlieren, nach Ost oder West aufbrechen, und die nächste Küste zu erreichen suchen ... und sollten wir auch zwei Monate Zeit dazu brauchen.
– Wir haben nur für drei Wochen zu leben, warf Hatteras ein, ohne den Kopf zu erheben.
– Gut, sagte Johnson, so sind wir gezwungen, die nöthige Strecke in drei Wochen zurückzulegen, denn das bietet uns die einzige Aussicht auf Rettung; und sollten wir uns auf den Knieen fortschleppen, in fünfundzwanzig Tagen müssen wir an der Küste sein.
– Aber dieser Theil des hohen Nordens ist noch ganz unbekannt, entgegnete Hatteras. Wir können auf unzählige Hindernisse, Berge und Gletscher stoßen, die uns den Weg völlig versperren.
– Darin sehe ich keinen Grund, behauptete der Doctor, wenigstens nicht den Versuch zu wagen. Wir werden Beschwerden haben, vielleicht viele, und müssen uns mit der Nahrung auf's Aeußerste beschränken, wenn nicht zufällig die Jagd ...
– Wir haben nur noch ein halbes Pfund Pulver, erwiderte Hatteras.
– Wohlan, Hatteras, sagte der Doctor, ich unterschätze die Bedeutung Ihrer Einwürfe nicht und wiege mich nicht in leerer Hoffnung. Aber ich glaube, Ihre Gedanken zu errathen; haben Sie einen ausführbaren Vorschlag?
– Nein, erwiderte der Kapitän nach einigem Zögern.
– Sie mißtrauen unserem Muthe nicht, fuhr Clawbonny fort, Sie kennen uns Alle als Männer, die Ihnen bis zum Ende folgen; aber müssen wir nicht für jetzt jede Hoffnung aufgeben, noch bis zum Pole hinauszudringen? Eine Verrätherei hat Ihre Pläne zum Scheitern gebracht; den Widerstand der Elemente konnten Sie bekämpfen und besiegen, nicht so die Treulosigkeit und Schwäche der Menschen; Sie haben Alles gethan, was menschenmöglich war, und würden den Erfolg errungen haben, das glaube ich gern, aber angesichts unserer heutigen Lage, sollten Sie sich nicht gezwungen fühlen, Ihre Pläne zu verschieben und nach England, sei es auch nur aus dem Grunde zurückzukehren, um jene ein andermal wieder aufzunehmen?
– Nun, was meinen Sie, Kapitän?« wandte sich auch Johnson an Hatteras, der eine Antwort lange schuldig blieb.
Endlich erhob dieser den Kopf und sagte mit gepreßter Stimme:
»Ihr glaubt also wirklich Alle, ermüdet wie wir sind und fast ohne Nahrungsmittel, die Küste der Meerenge zu erreichen?
– Nein, erwiderte der Doctor, aber auf keinen Fall wird die Küste zu uns kommen. Wir müssen sie also aufsuchen. Vielleicht treffen wir auch weiter südlich auf einen Eskimostamm, mit dem wir leicht in Verbindung treten könnten.
– Könnten wir nicht auch, fügte Johnson hinzu, in der Meerenge auf ein Fahrzeug stoßen, das dort zu überwintern gezwungen wäre?
– Und im Nothfalle, sagte noch der Doctor, wenn die Meerenge zugefroren ist, könnten wir nicht über dieselbe hinaus bis zur Westküste von Grönland gelangen, und von da entweder über das Prudhon-Land oder über das Cap York bis zu einer dänischen Niederlassung vordringen? Nun, Hatteras, keine dieser Möglichkeiten bietet das Eisfeld hier! Der Weg nach England führt dahinunter, nach Süden, nicht dorthinauf nach Norden!
– Ja, sagte Bell, Herr Clawbonny hat Recht, wir müssen uns ohne Zögern aufmachen. Bis jetzt haben wir die Heimat und Alle, die uns dort lieb und theuer sind, zu sehr vergessen.
– Das ist also Ihre Ansicht, Johnson, fragte Hatteras noch einmal.
– Ja, Kapitän.
– Und die Ihre, Doctor?
– Auch die meine, Hatteras.«
Noch immer verharrte dieser Letztere schweigend; seine Gesichtszüge verriethen aber wider seinen Willen, was in ihm vorging. An die Entscheidung, welche er zu fällen im Begriff war, knüpfte sich ja das Schicksal seines ganzen Lebens. Wenn er jetzt zurückkehrte, war es wohl mit seinen kühnen Entwürfen für immer vorbei; er konnte nicht hoffen, zum vierten Male ein derartiges Unternehmen zu Stande zu bringen.
Wieder ergriff der Doctor, da der Kapitän noch immer schwieg, das Wort:
»Lassen Sie mich noch erwähnen, Hatteras, sagte er, daß wir keinen Augenblick zu verlieren haben; wir werden den Schlitten mit allem disponiblen Proviant und soviel Holz beladen müssen, als eben möglich ist. Ein Weg von sechshundert Meilen wird unter solchen Umständen lang, ich weiß das, aber nicht ohne Ende sein; wir können oder müßten vielmehr jeden Tag zwanzig Meilen zurücklegen, um binnen einem Monate, d. h. gegen den 26. März, die Küste zu erreichen ...
– Aber, sagte Hatteras, könnten wir nicht einige Tage damit warten?
– Worauf hoffen Sie? fragte Johnson.
– Weiß ich das? Wer kann die Zukunft durchschauen? Nur einige Tage noch! Wir wollen unseren erschöpften Kräften aufhelfen. Keine zwei Tagereisen würdet Ihr zurücklegen und vor Müdigkeit umsinken, ohne ein Eishaus zum Schutze zu haben.
– Aber hier erwartet uns ein furchtbarer Tod! rief Bell.
– Freunde, sagte Hatteras fast mit bittender Stimme, Ihr verzweifelt etwas zu früh. Schlüge ich vor, im Norden den Weg des Heils zu suchen, so würdet Ihr mir wohl nicht folgen mögen. Uebrigens, leben ganz nahe am Pole nicht auch noch Eskimos, wie am Smith-Sunde? Jenes offene Meer, dessen Existenz so gut wie sicher ist, muß wieder Festland umspült sein. Die Natur verfährt logisch in allen ihren Werken. So muß man auch annehmen, daß die Vegetation da wieder zum Leben erwacht, wo der heftige Frost aufhört. Haben wir nicht ein Land in Aussicht, das unser im Norden harrt, und welches Ihr auf Nimmerwiederkehr fliehen wollt?«
Hatteras wurde lebhafter durch die Rede; sein erregter Geist malte ihm Lieblingsbilder dieser doch so sehr problematischen Gegenden vor.
»Noch einen Tag nur, wiederholte er, nur noch eine Stunde!«
Doctor Clawbonny fühlte sich bei seinem abenteuerlustigen Charakter und regen Vorstellungsvermögen schon halb gewonnen; er wollte bereits nachgeben.
Doch Johnson, der überlegender und kühler war, rief ihn noch zur Vernunft und Pflicht zurück.
»Frisch auf, Bell, rief dieser, zum Schlitten!
– Vorwärts denn! antwortete Bell.
– O, Johnson! Auch Sie! Auch Sie! sagte der Kapitän, doch, es ist gut, geht, geht Alle! Ich bleibe!
– Kapitän! fiel Johnson ein und blieb wider Willen stehen.
– Ich bleibe, sage ich! Reist ab! Verlaßt mich so gut, wie die Anderen! Geht mit Gott! Komm her, Duk, wir Beide halten aus!«
Bellend schmiegte sich das treue Thier an seinen Herrn.
Johnson sah den Doctor an. Dieser war zweifelhaft, was er thun sollte, das Beste schien zu sein, Hatteras dadurch zu beruhigen, daß man für einen Tag auf seine Ideen einging. Der Doctor war schon dazu entschlossen, als er plötzlich seinen Arm berührt fühlte.
Er drehte sich um. Der Amerikaner hatte seine Decken abgeworfen, er lag noch auf dem Boden, mühsam erhob er sich auf die Kniee und von seinen Lippen quollen einige unarticulirte Laute.
Erstaunt, fast erschrocken sah ihn der Doctor schweigend an. Hatteras seinerseits näherte sich ihm und nahm ihn forschend scharf in's Auge. Er suchte die Worte zu errathen, die der Kranke nicht auszusprechen vermochte. Nach minutenlanger Anstrengung ward endlich ein Wort hörbar.
»Porpoise ...
– Der Porpoise! rief der Kapitän aus.
– Der Amerikaner bejahte durch Zeichen.
– In diesen Gewässern?« frug Hatteras klopfenden Herzens.
Der Kranke gab dieselbe Antwort.
»Im Norden von hier?
– Ja! erwiderte der Unglückliche.
– Und Sie wissen seinen Ort?
– Ja!
– Genau?
– Ja wohl!« sagte Altamont.
Einen Augenblick schwieg Alles; gespannt horchten die Zuschauer dieser unerwarteten Scene.
»Passen Sie wohl auf, sagte endlich Hatteras zu dem Kranken, wir müssen die Lage des Schiffes natürlich genau wissen. Ich werde die Grade mit lauter Stimme zählen und Sie unterbrechen mich durch ein Zeichen.«
– Der Amerikaner nickte zustimmend.
»Nun gut, sagte Hatteras, bestimmen wir erst die Längengrade. Hundertfünf? Nein. – Hundertsechs? Hundertsieben? Hundertacht? – Wir meinen doch westliche Länge?
– Ja, sagte mühsam der Amerikaner.
– Also weiter. – Hundertneun? Hundertzehn? Hundertzwölf? Hundertvierzehn? Hundertsechzehn? Hundertachtzehn? Hundertneunzehn? Hundertzwanzig ...?«
Der Amerikaner machte ein Zeichen.
»Hundertzwanzig Grad westlicher Länge? fragte nochmals Hatteras. Und wieviel Minuten? Ich zähle wieder ...«
Er begann bei Eins; bei Fünfzehn gab Altamont das Zeichen, inne zu halten.
»Schön, sagte der Kapitän. Und nun gehen wir zur geographischen Breite über. Sie verstehen mich doch? – Achtzig? Einundachtzig? Zweiundachtzig? Dreiundachtzig?«
Der Amerikaner hielt ihn durch eine Handbewegung an.
»Gut. Und die Minuten? Fünf? Zehn? Fünfzehn? Zwanzig? Fünfundzwanzig? Dreißig? Fünfunddreißig?«
Abermals machte Altamont lächelnd sein Zeichen.
»Also, wiederholte Hatteras mit ernster Stimme, der Porpoise findet sich bei hundertzwanzig Grad fünfzehn Minuten westlicher Länge und dreiundachtzig Grad fünfunddreißig Minuten nördlicher Breite?
– Ja«, stammelte noch einmal der Amerikaner, der kraftlos in die Arme des Doctors zurücksank.
Die Anstrengung hatte ihn erschöpft.
»Meine Freunde, rief Hatteras aus, Ihr seht, unser Heil liegt im Norden, immer im Norden! – Wir werden gerettet sein!«
Aber gleich nach diesem Ausbruch der Freude schien es, als ob ein furchtbarer Gedanke ihn packe. Sein ganzes Wesen veränderte sich. – Die Schlange der Eifersucht biß sich in sein Herz.
Ein Anderer, und noch dazu ein Amerikaner, hatte ihn in der Richtung zum Pole um drei Grade überholt. Warum? Zu welchem Ende war er in so hoher Breite?