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Zweites Kapitel.
Der Dieb und der Bestohlene

Torres schlief etwa seit einer halben Stunde, als unter den Bäumen ein Geräusch entstand. Es war, wie wenn mit leichten Schritten jemand barfüßig einher gegangen wäre, behutsam, damit ihn niemand hörte. Sich gegen jede verdächtige Annäherung zu sichern, wäre des Abenteurers erste Sorge gewesen, wenn er in diesem Augenblick die Augen aufgehabt hätte. Aber er wachte von dem Geräusch nicht auf, und der, der herankam, konnte sich ihm bis auf zehn Schritte nähern, ohne bemerkt zu werden.

Es war kein Mensch, es war ein »Guariba«.

Von all den Affen mit Greifschwanz, von denen die Wälder des obern Amazonas wimmeln – Sahuis von eleganter Körperform, gehörnte Sajus, grauhaarige Monos, Saguine, die eine Maske unter dem fratzenhaften Gesicht zu tragen scheinen – von all diesen Arten ist ohne Zweifel der Guarika der originellste. Von geselliger und wenig bösartiger Veranlagung, unterscheidet er sich wesentlich von dem wilden und faulen »Mucura« und tritt meist in Rudeln auf. Sein Erscheinen kündet sich schon von weitem in jenem Konzert eintöniger Stimmen an, das den Psalmen der Kirchensänger ähnlich klingt. Aber wenn dieser Affe auch nicht bösartig von Natur ist, darf man ihn doch auch nicht unvorsichtig angreifen. Jedesfalls ist ein Reisender, der eingeschlafen ist, wie man sehen wird, in Gefahr, wenn ein Guariba ihn in dieser wehrlosen Lage entdeckt.

Dieser Affe, der in Brasilien auch » barbado« genannt wird, ist von hohem Wuchs. Bei der Geschmeidigkeit und Kraft seiner Glieder kann er ebenso auf dem Boden kämpfen, wie in den Wipfeln der Waldesriesen von Zweig zu Zweige springen.

Jetzt aber näherte sich der Guariba vorsichtig, Schritt für Schritt. Er warf Blicke nach rechts und links und bewegte seinen Schweif hastig. Bei diesen Vertretern der Affenrasse hat die Natur sich nicht damit begnügt, vier Hände zu verleihen – wie sie es bei den Vierhändern getan hat – sie hat sich noch großmütiger gezeigt, denn diese Affen haben in Wahrheit fünf Hände, da das Ende ihres Schwanzes eine vollkommen ausgebildete Fähigkeit zum Greifen hat.

Der Guariba näherte sich nun geräuschlos und schwang einen derben Knüttel, der, von seinem kraftvollen Arm geführt, eine gefährliche Waffe werden mußte. Soeben hatte er den Mann bemerkt, der am Fuße eines Baumes lag, aber da der Schläfer sich nicht bewegte, sah er sich versucht, ihn ganz aus der Nähe zu betrachten. Er ging also näher heran, nicht ohne Zaudern, und blieb, drei Schritt vor ihm entfernt, stehen.

Auf seinem bärtigen Gesicht machte sich ein Grinsen breit, das seine scharfen, elfenbeinweißen Zähne zeigte, und er schwang seinen Knüttel in einer Weise, die für den Buschhauptmann nichts Gutes ahnen ließ.

Sicherlich beseelte der Anblick des Mannes den Affen mit nicht eben wohlwollenden Gedanken. Hatte er etwa besondere Gründe, an diesem Muster der Menschenrasse, das der Zufall ihm wehrlos in die Hand gab, seinen Zorn auszulassen? Vielleicht! Es ist bekannt, wie gut gewisse Tiere die Erinnerung an widerfahrene Unbilden bewahren, und es war möglich, daß dieser Affe einen alten Groll gegen die Waldläufer hegte.

Für die Indianer besonders ist der Affe ein in hohem Grade begehrliches Wild, und welcher Gattung er auch angehören mag, sie jagen ihn mit allem Eifer eines Nimrods, nicht nur wegen des Vergnügens, ihn zu jagen, sondern auch wegen des Vergnügens, ihn zu essen.

Wie dem auch sei – wenn der Guariba auch nicht geneigt schien, die Rollen diesmal zu vertauschen, wenn er auch nicht die Natur soweit hätte vergessen mögen, daß er als einfacher Pflanzenfresser daran gedacht hätte, den Buschhauptmann aufzufressen – so schien er doch zum mindesten fest entschlossen, einem seiner natürlichen Feinde den Garaus zu machen.

Nachdem er ihn daher ein Weilchen betrachtet hatte, schlich der Guariba um den Baum herum. Er ging langsam, mit angehaltenem Atem, kam aber zusehends näher. Seine Haltung war drohend, sein Gesicht wild. Nichts konnte leichter für ihn sein, als mit einem Schlage diesen regungslosen Menschen zu töten, und in diesem Augenblick hing Torres' Leben in der Tat nur an einem Faden.

Der Guariba blieb ein zweites mal dicht an dem Baume stehen, er stellte sich seitwärts, um auf den Kopf des Schläfers gut zielen zu können, und hob schon den Knüttel, um zuzuschlagen.

Aber wenn Torres unklug gewesen war, dicht neben sich in die Wurzelhöhlung das Etui zu legen, das sein Schriftstück und sein Hab und Gut enthielt, so war es doch diese Unklugheit, die ihm jetzt das Leben rettete.

Ein Sonnenstrahl fiel durch die Zweige auf das Etui, dessen blankes Metall wie ein Spiegel leuchtete. Mit der seiner Gattung eignen Albernheit kam der Affe sofort von seinem Vorhaben ab. Seine Gedanken – wenn überhaupt ein Tier Gedanken haben kann – nahmen auf der Stelle eine andere Richtung. Er bückte sich, hob das Etui auf, trat ein paar Schritt zurück und führte es an die Augen, indem er es erstaunt betrachtete und funkeln ließ. Vielleicht war er noch verwunderter, als er die Goldstücke klappern hörte, die das Etui enthielt. Diese Musik entzückte ihn. Dann nahm er es zum Maule, und seine Zähne knirschten auf dem Metall, jedoch versuchte er nicht, es zu zerbeißen.

Ohne Zweifel glaubte der Guariba eine Frucht von neuer Art gefunden zu haben, eine funkelnde Mandel, deren Kern frei in der Schale lag. Wenn er diesen Irrtum auch bald begriff, so dachte er doch nicht daran, das Etui wegzuwerfen. Im Gegenteil nahm er es noch fester in die linke Hand und ließ jetzt seinen Stock fallen, der im Fallen einen trockenen Zweig zerbrach.

Bei diesem Geräusch erwachte Torres, und mit der Geschwindigkeit der Leute, die immer auf dem Qui vive sind und bei denen zwischen Schlafen und Wachsein kein Üebergangszustand besteht, war er sofort auf den Beinen.

Im Moment hatte Torres erkannt, was los war.

»Ein Guariba!« rief er.

Er ergriff die manchetta, die dicht bei ihm lag, und war zur Gegenwehr bereit.

Erschrocken, war der Affe sogleich zurückgewichen, und weniger mutig gegenüber einem wachen Menschen als gegenüber einem schlafenden, machte er einen flinken Satz und verschwand unter den Bäumen.

»Es war Zeit!« rief Torres. »Das Vieh hätte mich ohne Umstände totgeschlagen.«

In den Händen des Affen, der zwanzig Schritt weiter stehen geblieben war und ihn mit wilden Grimassen ansah, wie wenn er ihn foppen wollte, erblickte er plötzlich sein kostbares Etui.

»Der Spitzbube!« rief er. »Wenn er mich nicht totgeschlagen hat, hat er doch etwas Schlimmeres getan, er hat mich bestohlen!«

Der Gedanke, daß das Etui sein Geld berge, beschäftigte ihn zunächst nicht. Was ihn aber aufspringen ließ, war der Gedanke, daß in dem Etui sich das Schriftstück befand, dessen Verlust für ihn unersetzlich war und ihm alle Hoffnungen raubte.

»Tausend Teufel!« rief er.

Koste es, was es wolle, Torres war entschlossen, sein Etui wiederzubekommen, und machte sich an die Verfolgung des Guariba.

Er verhehlte es sich nicht, daß es nicht leicht war, dieses flinke Tier zu erhaschen. Auf dem Boden würde es zu schnell fliehen, in den Zweigen zu hoch. Ein gut gezielter Schuß allein hätte es im Laufen oder Springen einholen können, aber Torres besah keine Feuerwaffe. Mit seinem Säbeldolch oder seiner Art hätte er nur dann etwas gegen den Guariba ausrichten können, wenn sich ihm Gelegenheit geboten hätte, ihn aus der Nähe zu treffen.

Es wurde bald ersichtlich, daß der Affe höchstens durch List zu fangen war. Torres mußte also versuchen, ob er das boshafte Tier übertölpeln könne. Stehen bleiben, sich hinter einem Baumstämme verstecken, unter einem Dickicht verschwinden, den Guariba locken, entweder stehen zu bleiben oder zurückzukommen: das war alles, was er anstellen konnte. Aber wenn der Buschhauptmann verschwand, wartete der Affe geduldig, bis er wiederkam, und auf diese Weise machte Torres sich müde, ohne irgend etwas zu erreichen.

»Verdammter Guariba!« rief er bald. »Ich werde nie zum Ziele kommen, und er kann mich auf diese Weise bis zur brasilianischen Grenze zurückbringen. Wenn er mein Etui wenigstens fallen ließe! Aber nein! Das Klappern der Goldstücke macht ihm Spaß. Ach, du Dieb! wenn ich dich kriege!«

Noch einmal nahm Torres die Verfolgung auf, Und der Affe flüchtete mit erneutem Eifer.

Auf diese Weise verging eine Stunde, ohne daß etwas erreicht worden wäre. Torres gab die Sache erklärlicherweise nicht so leicht auf. Wie sollte er ohne dieses Schriftstück zu Gelde kommen?

Jetzt ergriff die Wut den Buschhauptmann. Er fluchte, er stampfte auf den Boden und drohte dem Guariba. Das schadenfrohe Tier antwortete nur mit einem Grinsen, das wohl angetan war, den Mann außer sich zu bringen.

Und noch immer setzte Torres die Verfolgung fort. Er lief, bis er außer Atem war, verstrickte sich in dem hohen Kraut, den dichten Zweigen, den dazwischen gezogenen Schlinggewächsen, durch die der Guariba glatt hindurchschlüpfte. Dicke, unterm Gras verborgene Zweige versperrten mitunter die Pfade. Er fiel hin und stand wieder auf. Endlich begann er zu rufen: »Hierher! hierher! Haltet den Dieb!« wie wenn ihn jemand hätte hören können.

Bald war er am Ende seiner Kräfte, der Atem ging ihm aus, und er mußte Halt machen.

»Tausend Teufel!« keuchte er. »Wenn ich die flüchtigen Neger durch den Wald verfolgte, das war weniger mühsam. Aber ich werde ihn noch kriegen, diesen verwünschten Affen! Ich will laufen, ja laufen, so lange mich die Beine tragen können, und wir werden ja sehen!«

Der Guariba war stehen geblieben, als er sah, daß der Abenteurer ihn nicht mehr verfolgte. Auch er legte sich hin, obwohl er nicht in dem Maße erschöpft war wie Torres, der sich kaum noch rühren konnte.

So blieb er zehn Minuten etwa sitzen, kaute ein paar Wurzeln, die er aus der Erde gerissen hatte. Und ließ ab und zu das Etui an seinem Ohre klappern.

Außer sich vor Wut, warf Torres mit Steinen nach ihm, die ihn wohl erreichten, aber ihm in dieser Entfernung keinen Schaden zufügten.

Dennoch mußte ein Entschluß gefaßt werden. Einesteils war es unsinnig, den Affen noch weiter zu verfolgen, wo so wenig Aussicht bestand, ihn zu erwischen, andererseits war es zum wahnsinnig werden, sich endgültig mit diesem Zufall und all seinen Folgen abzufinden und sich darein zu fügen, daß man von einem blöden Tier besiegt, verhöhnt und an der Nase herumgeführt worden war.

Und doch mußte Torres einsehen, daß der Dieb leicht verschwinden konnte, wenn die Nacht hereingebrochen war, und daß er, der Bestohlene, sogar Schwierigkeiten haben würde, in diesem dichten Walde zurückzufinden. Bei der Verfolgung war er um mehrere Meilen von dem Ufer des Flusses abgekommen, und schon war es nicht mehr leicht, wieder dorthin zu gelangen.

Torres hielt inne, versuchte, sich kaltblütig zu sammeln, und stieß einen letzten Fluch aus. Er gab endgültig den Gedanken auf, sein Etui wiederzubekommen – aber als er unwillkürlich noch einmal an das Schriftstück dachte und an die Zukunft, die auf der beabsichtigten Ausnutzung desselben aufgebaut war, da sagte er sich, daß er doch noch einen letzten Versuch machen müsse.

Er erhob sich.

Der Guariba stand auch auf.

Er tat ein paar Schritte vorwärts.

Der Affe trat ein paar Schritte rückwärts; aber anstatt noch tiefer in den Wald hineinzudringen, blieb er am Fuße eines riesigen Feigenbaumes stehen – jenes Baumes, dessen Spielarten am ganzen Becken des obern Amazonas so zahlreich sind.

Den Stamm mit seinen vier Händen fassen, mit der Geschicklichkeit eines Clowns daran emporklettern, sich mit seinem Greifschwanz an die ersten, in 40 Fuß Höhe horizontal ausgestreckten Zweige hängen, sich dann in den Wipfel des Baumes hinaufschwingen bis zu dem Punkt, wo die letzten Zweige sich unter ihm neigten, das war für den flinken Affen ein Kinderspiel und Sache von wenigen Augenblicken.

Hier machte er sich's bequem und setzte sein unterbrochenes Mahl fort, indem er die Früchte abriß, die er mit den Händen erlangen konnte. Sicher hatte auch Torres Verlangen zu essen und zu trinken, aber es war ihm unmöglich. Seine Tasche war leer, seine Flasche war leer.

Anstatt aber umzukehren, ging er zu dem Baume hin, obwohl er bei dem jetzigen Platze des Affen noch weniger Aussichten hatte. Er konnte nicht einen Augenblick daran denken, zu den Zweigen dieses Feigenbaumes hinaufzuklimmen, von denen der Dieb übrigens dann rasch zu einem andern hinübergesprungen wäre.

Und noch immer klang das Klappern des verlornen Etuis ihm in die Ohren.

In seiner wahnsinnigen Wut redete jetzt Torres den Guariba an. Es wäre unmöglich, wiederzugeben, mit welcher Reihe von Schimpfworten er ihn überhäufte. Nicht nur nannte er ihn einen Mestizen, was schon im Munde eines Brasilianers von weißer Rasse eine schwere Schmähung ist, sondern er schimpfte ihn sogar einen Curiboca, das heißt Mischling vom Neger und Indianer. Von allen Schmähungen aber, die ein Mensch dem andern entgegenschleudern kann, ist dies die bitterste in diesen Aequatorialländern.

Aber der Affe, der eben nur ein Vierhänder war, machte sich lustig über all das, was einen Menschen in Wut versetzt hätte.

Nun fing abermals Torres an, ihn zu werfen, mit Steinen, mit Wurzelstücken, mit allem, was ihm als Wurfgeschoß dienen konnte. Hatte er denn Aussicht, den Affen ernstlich verletzen zu können? Nein! Er wußte eben nicht mehr, was er tat. Die Wut über seine Ohnmacht nahm ihm alle Vernunft. Vielleicht hoffte er aus einen Augenblick, daß der Guariba bei einem Griff von einem Zweig zum andern das Etui fallen ließe oder daß er es etwa gar, um hinter seinem Angreifer nicht zurückzustehen, ihm an den Kopf werfen würde. Aber nein! Der Affe wollte das Etui behalten, und indem er es mit der einen Hand festhielt, blieben ihm zur Fortbewegung immer noch drei.

Endlich wollte Torres in seiner Verzweiflung die Sache aufgeben und nach dem Amazonas zurückkehren, als er Stimmen vernahm. Ja! Stimmen von Menschen!

Zwanzig Schritt von dem Fleck, wo der Buschhauptmann stehen geblieben war, sprachen Leute.

Torres' erste Sorge war, sich in einem dichten Gebüsch zu verstecken. Als vorsichtiger Mann wollte er sich nicht zeigen, ohne zu wissen, mit wem er es zu tun hatte.

Klopfenden Herzens, voller Neugier, spitzte er die Ohren und wartete, als plötzlich ein Schuß fiel.

Ein Schrei folgte, und tödlich getroffen, fiel der Affe schwer zu Boden, in der Hand noch immer das Etui des Buschhauptmanns.

»Beim Teufel!« rief dieser. »Das nenne ich eine Kugel zur rechten Zeit!«

Und ohne sich darüber zu beunruhigen, daß er gesehen wurde, trat er nun aus dem Gestrüpp hervor, als zwei junge Männer unter den Bäumen erschienen.

Es waren Brasilianer in Jagdkleidung. Sie trugen Lederstiefel, leichte Hüte aus Palmfasern, eine Jacke oder Joppe, die in der Taille eng anlag und bequemer war, als der übliche Puncho. Nach ihren Gesichtszügen und ihrem Teint zu urteilen, waren es Portugiesen.

Beide waren mit einer jener langen Büchsen von spanischer Arbeit versehen, die ein wenig an die arabischen Flinten erinnern – Gewehre von guter Tragweite und Treffsicherheit, deren sich die Trapper in den Wäldern des obern Amazonas mit Erfolg bedienen.

Ein Beweis dafür war das eben Geschehene. In schrägem Abstand von über 80 Fuß war der Vierhänder mitten in den Kopf getroffen worden.

Außerdem trugen die beiden Männer im Gürtel eine Art von Dolchmesser, in Brasilien » foca« genannt, mit dem die Jäger ohne Zaudern den Unzen und andern, wenn auch nicht sehr gefährlichen, doch in diesen Wäldern sehr zahlreichen Raubtieren zu Leibe rücken.

Augenscheinlich hatte Torres von diesem Zusammentreffen nichts zu befürchten, und er lief weiter nach dem Affen hin. Aber die jungen Männer, die in derselben Richtung gingen, hatten einen kürzeren Weg, und nach wenigen Schritten standen sie vor Torres.

Dieser hatte seine Geistesgegenwart wiedererlangt.

»Vielen Dank, meine Herren,« sagte er heiter zu ihnen, die Krempe seines Hutes lüftend. »Sie haben mir, indem Sie dieses boshafte Tier erlegten, einen großen Dienst erwiesen.«

Die Jäger sahen zuerst einander an, da sie nicht begriffen, wofür ihnen dieser Dank wurde.

Torres erklärte ihnen mit wenigen Worten die Sachlage.

»Sie glauben, bloß einen Affen getötet zu haben,« sagte er, »aber in Wahrheit haben Sie einen Dieb zur Strecke gebracht!«

»Wenn wir Ihnen von Nutzen gewesen sind,« antwortete der jüngere von beiden, »so ist es sicher geschehen, ohne daß wir es ahnten; aber wir sind deswegen nicht weniger erfreut darüber, Ihnen einen Dienst geleistet zu haben.«

Und er trat ein paar Schritt zurück und neigte sich über den Guariba. Ohne Mühe nahm er das Etui aus der noch zusammengeballten Hand.

»Dies ist ohne Zweifel Ihr Eigentum, mein Herr?« fragte er.

»Das ist es,« antwortete Torres, ergriff rasch das Etui und vermochte einen tiefen Seufzer der Erleichterung nicht zu unterdrücken.

»Wem bin ich Dank schuldig, meine Herren,« fragte er, »für den mir erwiesenen Dienst?«

»Meinem Freunde Manuel, Hilfsarzt in der brasilianischen Armee,« antwortete der junge Mann.

»Wenn ich den Affen geschossen habe,« bemerkte Manuel, »so hast du mich doch erst auf ihn aufmerksam gemacht, mein lieber Benito.«

»In diesem Falle, meine Herren,« versetzte Torres, »bin ich Ihnen beiden verpflichtet, sowohl dem Herrn Manuel, als auch dem Herrn –«

»Benito Garral,« antwortete Manuel.

Der Buschhauptmann mußte sich große Gewalt antun, um bei diesem Namen nicht zu zittern, und besonders, als der junge Mann in verbindlichem Tone hinzufügte:

»Die Farm meines Vaters Joam Garral ist nur drei Meilen Die Wegemaße in Brasilien sind die kleine Meile = 2060 m und die gemeine oder große Meile – 6180 m. von hier entfernt. Wenn es Ihnen gefällig ist, Herr –«

»Torres,« antwortete der Abenteurer.

»Wenn Sie mitkommen wollen, Herr Torres, so werden Sie gastfreundliche Aufnahme finden.«

»Ich weiß nicht, ob ich kann,« antwortete Torres, der, von diesem ganz unerwarteten Zusammentreffen überrascht, unschlüssig war. »Ich fürchte in Wahrheit, ich kann Ihr Anerbieten nicht annehmen. Der Vorfall, den ich Ihnen erzählt habe, hat mir Zeitverlust verursacht. Ich muß sofort zum Amazonas zurück – ich will noch stromab bis nach Para –«

»Nun, Herr Torres,« versetzte Benito, »möglicherweise sehen wir uns dann am Strome wieder; denn noch in diesem Monat nimmt mein Vater und seine ganze Familie denselben Weg, wie Sie.«

»Ach!« rief Torres lebhaft, »Ihr Vater beabsichtigt, die brasilianische Grenze wieder zu überschreiten?«

»Ja, wir wollen ein paar Monate verreisen,« antwortete Benito. »Wenigstens hoffen wir, ihn dazu zu bestimmen – nicht wahr, Manuel?«

Manuel nickte.

»Nun, meine Herren,« entgegnete Torres, »dann könnten wir uns tatsächlich unterwegs noch einmal treffen. Aber so leid es mir tut, kann ich in diesem Augenblick Ihr Anerbieten nicht annehmen. Nichtsdestoweniger danke ich Ihnen und betrachte mich als Ihr zwiefacher Schuldner.«

Mit diesen Worten grüßte Torres die jungen Männer, die seinen Gruß erwiderten und ihren Weg nach der Farm fortsetzten.

Er sah ihnen nach. Als sie ihm aus den Augen gekommen waren, sagte er in dumpfem Tone:

»Ah! Er will wieder über die Grenze! Soll er nur hinüber, dann ist er meiner Gnade noch mehr überantwortet! Glückliche Reise, Joam Garral!«

Nach diesen Worten verschwand der Buschhauptmann, in der Absicht, zum linken Flußufer zurückzukehren, in südlicher Richtung in dem dichten Urwald.


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