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Nikla Steffens wohnte bei seinem Bruder Josef. Josef Steffens hatte ein Gasthaus – ›Zum frohen Landmann‹ – im Kreisstädtchen.
Im Winter liegt das Nest eingesargt zwischen den Bergen; um seine vier Ecken wehen die Zipfel des Bahrtuches, hängen weiß und kalt über die im Sommer so sattgrün sich senkenden Matten. Von der Höhe herunter, dem einsamen Maar entstiegen, wälzen sich Nebel, füllen den Talkessel und flattern, vom störrischen Eifelwind zerrissen, gleich Fetzen von Trauerfahnen.
In den Häusern brennt trübe das Licht – kurze Tage, lange Abende. Zweimal täglich kommt die Eisenbahn, aber sie bringt keine Passagiere. Mühsam dringt der heisere Pfiff der keuchenden Lokomotive durch die Nebel; wenn Schnee sich in Wällen türmt, kommt sie gar nicht.
In den warmen Ställen mampft träge das Vieh und käut verschlafen wieder; in den Stuben hocken die Menschen, untätig und gelangweilt. Die Öfen sprühen, man stopft sie voll bis an den Türrand. Eine schwebende Hitze ist drinnen; draußen aber sinkt kalter Nebel auf die abschüssigen Gassen, wächst bis zu den Firsten, reckt sich höher als der Kirchturm, breitet sich weiter hinaus als bis zum letzten Haus. Und dieser kalte, nässende Nebel wird zur Mauer, zum Panzer; seine graue Schwere hängt vor den Augen wie ein zu dicht gewebter Schleier, man sieht nichts mehr von der Welt draußen.
Nikla und Josef Steffens saßen in der Wirtsstube ›Zum frohen Landmann‹ auf der Holzbank beisammen, dicht am Ofen und stierten in ihre Gläser. Sie waren ihre besten Gäste. Beide hatten sie die Arme aufgestemmt, die Hände stützten den schweren Kopf; das gedunsene Fleisch der Backen wurde so nach oben gedrückt, daß die Augen fast verschwanden. In ihren Flauschröcken von gleicher Farbe sahen die zwei aus wie ein und dieselbe Person; ihre Bäuche waren gleich aufgeschwemmt, und zwischen den schiefhängenden Lippen hielt ein jeder die gleiche kurze Pfeife. Mächtige, stinkende Tabakswolken hüllten sie ein, wie Rauch eine Brandstätte.
»Du, sauf net esu vill,« brummte Josef.
»Sauf du net esu vill,« brummte Nikla.
Josef ärgerte sich: von Michaeli ab, seit der Bruder zu ihm hergezogen war, konsumierte der ›frohe Landmann‹ noch einmal so viel Bitburger Bier als sonst, noch einmal so viel an Hefen und Doppelkorn; stand am Morgen eine frische Flasche auf dem Schenktisch, so war sie bald entkorkt, und abends war sie leer.
Die Brüder blinzelten ins Licht. Draußen stöhnte der Abendwind.
Josef murrte Unverständliches: »Ech saon der – dat, dat – maach –!« Dann erhob er sich schwerfällig und schlorrte in seinen niedergetretenen Pantoffeln zum Schenktisch. Prüfend hielt er eine Flasche gegen 's Licht: »Als widder leer!« setzte die Flasche an den Mund, warf mit einem Ruck den Kopf hintenüber und tat einen langen Zug. »Ah – brrrr!« Sich die Lippen leckend, schüttelte er sich alsdann. »Ken Droppen mieh drin,« schrie er. »Du Söffer!«
Nikla nickte: »Prost!«
»Wat zu vill es, es zu vill!« ereiferte sich Josef, pflanzte sich vor den Bruder hin, die Hände in den Hosentaschen, und bemühte sich, seinem verquollenen Gesicht einen möglichst drohenden Ausdruck zu verleihen. »Dat eloa gieht net esu weider, hörste?! Ech schinnen mech Dag on Naacht, ech haon Weib on Könder ze ernähren, ech repräsentieren de Famillich, on du, du« – die Rechte aus der Hosentasche ziehend, schlug er mit der geballten Faust auf die Tischplatte – »du Söffer! Dat Faß es schons widder am End! Un des Doppelkorn haon ech kein Flasch mieh im Keller!«
Nikla lachte gutmütig: »No, eschoffier dech nur net esu! Du haos jao eweil einen sitzen!« Gemütlich wollte er den Bruder auf die Schulter klopfen.
»Wat? Ech einen sitzen? Hei erum haot keinen einen sitzen! Dat es net Mod in der Eifel! Keinen einen – keinen einen – keinen einen!« Er hob jedesmal die Faust und donnerte auf die Tischplatte. »Äwer du, du – wuh es dän Schnaps, dän mir vor sechs Wochen erscht gekauft haon, häh?«
»Versoffen,« sagte der andere lakonisch.
»Du has hän versoffen,« schrie Josef.
Eine Flut von Vorwürfen ergoß sich über den Bruder; dazwischen tauchte das Wort ›Söffer‹ immer wieder auf, und in stets sich steigerndem Tonfall.
»Oho!« Auch Nikla erwärmte sich; sein Gesicht wurde noch um eine Schattierung röter, seine Kupfernase glühte. »Haal dei Maul,« sagte er zuletzt grob. »Ech sein en ledige Mannsperson, ech haon nach neist ze fragen. Äwer du« – er nahm die Tabakspfeife aus dem Mund und spuckte mit Ostentation auf die Diele – »ech dähten mech schenieren vor mein' Könder; se saon als: ›Olau, dän Pappa es besoff!‹ Se laachen!«
»Laachen?!« Josef zitterte vor Wut; da hatte der andere seine schwache Seite getroffen; je weniger Respekt seine Kinder vor ihm hatten, desto mehr Wert legte er darauf. »Ech will se lehren – laachen?!« Brüllend hielt er Nikla die Faust unter die Nase: »Versoffen Luder!«
»Besoffen Schwein!«
Sie blieben sich keine Gegenrede schuldig; die vollgequalmte Stube hallte wider von ihrem lauten Zank. Wie Stiere auf dem Kampfplatz standen sich die Brüder gegenüber, die schweren Köpfe vorgestreckt, bereit, sie gegeneinander zu rennen. ›Söffer – Söffer –‹ das war das rote Tuch, das sie reizte.
Draußen im Flur drängten sich die Kinder und lauschten; sie liefen zur Mutter in die Küche, sich überhastend, begierig, die Botschaft zu bringen.
»Als widder?!« Frau Tina war ein resolutes Weib. »Dem muß en End gemaach gänn!« Sie öffnete rasch die Tür der Wirtsstube; gerade taumelte ihr Nikla entgegen.
Beim Anblick der Schwägerin versuchte er eine gewisse Umgänglichkeit zu zeigen. »Dän Josef es eweil net guder Laun'; ech giehn bei dän Mathes in de Post, n' Aowend zusammen!«
Die Kinder kicherten hinter ihm drein, als er langsam zur Haustür hinaustappte. – – – –
Heute trank Josef nichts mehr, nur ein paar Gläschen Bier zur Beruhigung und einen Bitteren; der Ärger war ihm auf den Magen geschlagen.
Aber er hielt Rat mit seiner Frau, erst auf der Ofenbank, dann noch lange in den getürmten Kissen des Federbetts. Er rieb sich die Stirn und warf sich ächzend hin und her.
»Maach en End,« drängte die Frau, »schmeiß hän eraus!«
»Hän es meim Pappa selig seine Sohn, esu gud als ech et sein,« seufzte der Mann. »Nä, dat duhn ech net, dat kann ech net! Äwer, äwer« – eine plötzliche Eingebung schien über ihn gekommen – »wann ech hän nur uf de List' kriehn könnt!«
»Jesses!« Froh erschrocken faltete die Frau die Hände. »Dat wär – uf de List'?!«
Und dann tuschelten sie miteinander.
*
Als Nikla Steffens gegen Mitternacht, schwer bezecht, nach Hause kam, war die Tür des ›frohen Landmann‹ verschlossen. Er klingelte, er klopfte – niemand öffnete. Kein Licht war mehr drinnen.
Für einen Augenblick wurde Nikla nüchtern. Regen und Schnee, zu spitzen Eisnadeln ineinander verschmolzen, stachen ihn ins Gesicht und setzten sich in seinem Haar und Bart fest. Er trabte, um sich zu erwärmen, im unergründlichen Morast der Straße auf und nieder.
»Hä, holla!« Er rief laut.
Alles blieb still.
Eine plötzliche Angst überkam ihn – war denen am Ende was passiert?! Er rief wieder, aber wieder kam keine Antwort. Er schrie, er schlug mit der Faust gegen die Tür: »Josef, Josef!«
In der Nachbarschaft öffnete sich ein Fenster. Bald tat sich noch eines auf.
»Josef! Josef!«
Die Fenster wurden wieder zugeschlagen, lachend krochen die Nachbarn in ihre warmen Betten zurück.
Die Nebel wallten. Sie bekamen greifbare Gestalten, wankten vom Berg nieder in die Gasse, näherten sich, schnitten Fratzen, streckten die Zunge heraus, rangen die Hände, drohten und weinten.
»Huhuh« heulte der Wind. »Huhuh – Söffer – huhuhuh!«
»Zom Dunnerknippchen!« Nikla konnte nicht mehr hin- und herrennen, schwankend lehnte er sich gegen die Haustür. Wollten die drinnen ihn zum Narren halten? Ließen sie ihn etwa zum Possen draußen stehen?!
Aber seine Ernüchterung war bald schon wieder vorbei, die eisige Nässe, der tropfende Nebel machten die Glut seines Innern nur neu aufzischen; die Wut der Trunkenheit brach los. Er brüllte, trat gegen die Tür, daß sie krachte, und daß er selbst, das Gleichgewicht verlierend, hintenüber in den Morast fiel.
Fluchend, taumelnd, stürzend, sich aufraffend, wieder stürzend und sich wieder aufraffend, kam er endlich auf die Beine. Er warf sich von neuem gegen die Tür. Lallte, schimpfte, tobte – da – er hatte einen Knüppel ergriffen; unsicher und schief geschleudert traf der doch, klirrend stürzten die Scherben des nächsten Fensters auf die Gasse. Mit Triumphgeheul tobte der Trunkene weiter; er sielte sich im Schmutz.
Die Nachbarschaft wurde unruhig, die Fenster öffneten sich wieder, und man schimpfte. Da endlich tat sich die Tür des ›frohen Landmann‹ auf, und eine Frauengestalt in Nachtjacke und Nachtmütze zog den Nikla herein.
*
Am andern Morgen machte Josef Steffens einen ungewöhnlich frühen Ausgang. Als er wiederkam, rieb er sich die Hände und nickte schmunzelnd seiner Frau zu: »Dat wär gemaach! Des Doppelkorn, Tina! Alles in Ordnung. De Flasch es hinnerm Schrank verstoch! Gief ens här, Tina!«
Auch Frau Steffens war frohgelaunt. Im ganzen Haus war eine stille, geheimnisvolle Fröhlichkeit; die Kinder machten erwartungsvolle Augen wie vor der Bescherung zu Sankt Nikolaus, und Josef saß auf der Ofenbank mit der Miene eines Weisen.
Derweilen schlief Nikla seinen Rausch aus; er lag wie tot auf seinem Bett oben in der Kammer. Draußen stürmte es gewaltig, aber er hörte nichts davon.
Die frühe Winterdämmerung stahl sich schon ins Fenster, als er endlich erwachte. Verwirrt setzte er sich auf: potz tausend, schon so spät?! Da hatte er das Mittagessen richtig verschlafen – tat nichts, er hatte keinen Hunger, nur einen Durst, einen Durst, ganz fürchterlich! Die Zunge klebte ihm am Gaumen, der Hals war wie ausgebrannt. Hastig, noch ein wenig unsicher, suchte er Pantoffeln und Rock; die Hosen hatte er noch von gestern an, die hatte man ihm nicht abgezogen. Es dauerte eine ganze Weile, bis er sich die Situation klar machte; aber der Durst, der Durst trieb ihn zur Eile.
Unten in der Wirtsstube erschallte Gelächter – was war denn los?! Die tranken wohl schon?! Da mußte er auch dabei sein! Das Wasser lief ihm im Munde zusammen. Wie ein steifbeiniger alter Hahn stolperte er die Hühnerstiege hinunter.
In der Stube lachten sie noch, aber als er eintrat, wurde es mäuschenstill.
Es waren verschiedene Gäste da: der Briefträger, der Fischer, der Metzger, ein paar Ackerer, die zwei nächsten Nachbarn und der Bruder auf der Ofenbank. Alle sahen ihn an.
»,n' Aowend all zusammen,« sagte Nikla – er konnte kaum sprechen vor Trockenheit der Kehle – »'nen Droppen, Josef! Ech kommen um!«
Aber Josef rührte sich nicht.
»Bier! En groß Glaß!«
Man hörte dem Nikla ordentlich den Durst an; er leckte sich die aufgesprungenen Lippen und näherte sich dem Schenktisch: »Bier!«
Ohne Wort hob sich Josef ein wenig vom Sitz und streckte den Daumen aus. Aller Augen folgten dem Fingerzeig, man hielt den Atem an, ein breites Lächeln zog über aller Gesichter – da – ein Papier hing an der Wand, gelbliches Aktenpapier, in großem Format.
»Kuck elao,« sagte Josef, » de List'!«
Und eine schallende Lachsalve brach los.
Halb gestoßen, halb gezogen, näherte sich Nikla der Wand. Er las und las und begriff nicht, was er gelesen hatte:
» Nachweisung
»derjenigen Personen, welchen bei Polizeistrafe keine »geistigen Getränke verabreicht werden dürfen und »welchen auch zugleich der Aufenthalt in den Wirtshäusern untersagt ist.
»Polizeiverordnung Kgl. Regierung vom 17.8.1842.
Namen | Stand | Wohnort |
Steffens, Nikolaus | Rentner | Hier |
War das sein Name, wirklich und wahrhaftig sein Name?! Nikla griff sich an den Kopf.
Und darunter:
13. 1. 1898.
Die Polizeiverwaltung.
Der Bürgermeister.«
Er rieb sich die Augen, er taumelte; und dann sah er mit blödem Lachen die anderen der Reihe nach an: das war ein Spaß, haha, gar kein schlechter! »Hahaha!« Er versuchte zu lachen, aber er verschluckte sich.
Der Nachbar Simon klopfte ihm auf den Rücken. »Nächtliche Ruhestörung, öffentliches Ärgernis! Jao, jao, de List', wann mir die List' net hätten!«
Und Nachbar Miff fügte hinzu: »Wat hatt Ihr dann dies Nacht esu schpitakelt?! Eweil hat onsen Bürgemeister die Verfügung widder ufgenommen: wän säuft – dat heißt, esu vill säuft, dat hän de öffentliche Ruh stört, gieft ufgeschriewen. Uf de List'. Un se hängen de List' in de Wirtschaften, dat mer't auch weiß, wän dän größten Söffer es. Et haot als lang keinen mieh drufgestannen. Se haon all im Stillen gesoff!« Mit den Augen zwinkernd, lachte er, und die anderen alle lachten auch.
Nikla stand regungslos.
»Jao, Ihr seid et,« sagte Simon und stieß ihn mit dem Zeigefinger vor die Brust. »Ihr stieht eweil druf!«
»Ech – ech –?« stammelte Nikla.
»Ihr seid angezeigt gänn!«
»Wän – wän – haot mech –«
Der Fischer lachte: »Eweil seid Ihr dreckig dran, Ihr sitzt uf'm Trocknen wie en Forell, wann dän Teich abgelaoß es!«
Nikla schnappte nach Luft; das ganze Verständnis schien plötzlich über ihn gekommen. Ein heiserer Schrei rang sich aus seiner vertrockneten Kehle: »Wän hat dat gedahn?!« Wild sah er sich um, mit rollenden Augen.
Da saß Josef auf der Ofenbank, und ein schlaues Grinsen verklärte sein Gesicht. »Ech,« sagte er.
»Du?!« Noch ein heiserer Schrei. Es schien, als wolle sich Nikla auf den Bruder stürzen, er stand mit erhobenen Armen, mit geballten Fäusten – aber nur wenige Augenblicke, dann fielen ihm die Arme herunter; ganz gebrochen sank er auf den nächsten Stuhl.
*
Josef Steffens fühlte sich diesen Abend gar nicht recht wohl in seiner Haut. Oben in der Kammer rannte Nikla hin und her wie ein wildes Tier, man hörte sein Fluchen und Stöhnen. Josef schlich hinauf und lauschte vor der Tür – ah, drinnen schluchzte jetzt der Bruder!
Da mußte sich Josef betäuben; er sog wie ein trockner Schwamm jede Flüssigkeit ein, bis er dick voll war. Seine Frau machte ihm Vorwürfe, aber die kam schön an. Er schimpfte, beschuldigte sie böswilliger Anstiftung, schrie und drohte ihr und polterte; zuletzt prügelte er sie. Nach den sich flüchtenden Kindern warf er mit Flaschen und Gläsern.
Die Frau heulte wie eine Besessene und rief die Nachbarn zu Hilfe. Die Kinder kreischten, die Nachbarn schalten, der Trunkene polterte; ein Lärmen drang durchs ganze Haus bis hinaus auf die Straße.
Und oben in seiner Kammer lag Nikla wach und rieb sich die Hände, wie Josef es am gestrigen Abend getan hatte – aha, nun wußte er auch, was er zu tun hatte! –
Ein paar Tage gingen sich die Brüder aus dem Wege. Am dritten Tage kam Josef aus der ›Post‹ nach Haus – er trank jetzt lieber anderswo, daheim schmeckte es ihm gar nicht, seit der Bruder nicht mehr mitsoff –, stolperte in die Wirtsstube und steuerte gewohnheitsmäßig auf die Ofenbank zu. Er hatte Kopfschmerzen, seine Blicke waren sehr trüb, und er hielt die Augen halb geschlossen; plötzlich riß er sie weit auf.
Ein Papier lag auf dem Tisch – gelbliches Aktenpapier in großem Format – sorgfältig war es an den Ecken mit Flaschen beschwert:
»Nachweisungen
»derjenigen Personen und so weiter.
Namen | Stand | Wohnort |
Steffens, Nikolaus | Rentner | Hier |
Steffens, Josef | Gastwirt | Hier |
Die Liste! Die Liste! Josef stand wie angenagelt und rührte sich nicht.
Da ging die Türe auf – Nikla trat ein.
Totenstille. Die beiden Brüder starren sich an. Sie stehen sich gegenüber; in ihren Flauschröcken von gleicher Farbe, mit ihren aufgeschwemmten Bäuchen, ihren gedunsenen Gesichtern, ihren Kupfernasen, ihren schief hängenden Lippen sehen sie aus wie ein und dieselbe Person.
Keine Regung. Man hört jedes Knistern des Feuers, jeden Windhauch im Schlot.
Jetzt ein tiefes Atemholen. Des Nikla Mund zieht sich in die Breite, er streckt den Finger aus: »De List'!«
»De List'!« wiederholt Josef. Und dann atmet auch er wie erlöst, auch sein Mund zieht sich in die Breite, seine verquollenen Äuglein zwinkern den Bruder an: »Du Filu!« Er schlägt mit der flachen Hand aufs Papier, daß die Flaschen tanzen. »De List' – haha – hahahaha!«
Und sie lachen beide so laut, so schallend, daß Tina und die Kinder neugierig herbeistürzen.
*
Ein paar Stunden später lagen sich die Brüder tief gerührt in den Armen. Das geschah unten im Keller; ein Lämpchen brannte trüb am Boden. Sie saßen beide mitsammen auf einem Schemel vor dem großen Faß.
Nun tranken sie nicht mehr im Wirtshaus – sie tranken unterm Wirtshaus, gleich frisch aus der Quelle.
»Du Söffer,« sagte Josef. »De List'! Haha – hup!«
»Du Söffer,« sagte Nikla. »De List'! Haha – hup!«