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Das große Testament (Bruchstück)

I

Als mich das Blut durchkochte dreißig Jahr
und Tag und Nacht nur Gram und Schande war,
da bin ich auch kein großer Gott gewesen
und auch kein kleiner Narr im Jahrmarktszelt.
Mich haben Gottes harte Reiserbesen
vom Mutterleib verstoßen in die Welt.
Doch du, Herr Bischof, Hund, du kannst mich nit
verfluchen, weil ich bitter Strafen litt.

 

II

Ich bin noch lange nicht dein Sklave hier,
du Judas, bin auch nicht dein Hundetier.
Vergeß dir nie die schwarze Kerkerzelle,
als draußen Sommer war mit Feuermohn und Wein
und Frauen manchmal nackend auf der Schwelle
zu meinem Herzen lagen. Ach, du Stein:
Gott wird dir zahlen, wie du mich so hart
geschlagen hast und bis aufs Blut genarrt.

 

III

Herr Jesus, aller Paradiese Stern,
der schont um keinen Preis die großen Herrn;
weil sie mir Tag und Nacht die Lust gestohlen
und auch die Rosenfarb aus dem Gesicht:
wird sie der Teufel in die Hölle holen
und Gott nicht innehalten im Gericht.
Mein Beten muß noch lange Gift und Galle schnein;
denn ich bin elend worden in der Welt allein.

 

IV

Oft denk ich deiner, toter Kamerad.
Daß du so schnell verdarbst: ach, das ist schad.
Ich glaube manchmal: bist ein Stern geworden,
der erste, wenn die Sonne untergeht.
Und mußte ich dich auch im Wald ermorden:
nun hast du Nacht für Nacht mein Bußgebet.
Wie ich im Kerker lange für dich fror,
jetzt öffne mir auch still dein Bruderohr.

 

V

Gepeinigt hast du mich so manche Nacht,
ich hab mir auch kein Dreck daraus gemacht.
Herr Jesus war mein Beistand, wenns mich quälte,
und hat mit Schlafmohn mich so süß genährt.
Ach, keiner in der Welt, den ich mir wählte
zum Bruder, hat so lange mir sein Herz gewährt.
Er bringt jetzt guten Wind von Flandern her
und läßt mich wieder schmecken Wald und Meer.

 

VI

Auch du, Maria, warst so gut zu mir,
dein Blumenbild gab meiner Seele Zier.
Auch alle Heiligen Apostel kröne
mein Dankwort, für geliebten Spruch in Not.
Mein König: Dir zumeist im Kranz der Söhne
erflehe ich den Sieg im Abendrot:
daß Ruhm und Ehr dir blühe für und für
und Gott dir öffne langen Lebens Tür.

 

VII

In dieser Welt, wo alles grau verweht,
und elend in die Grube geht:
sei du der Baum, des Blätter ewig dauern,
der immerblühend goldne Früchte schenkt.
Dir wird der Himmel nicht mit schwarzen Mauern
verriegelt sein, wenn Jesus deine Hände lenkt.
Du hast die Heimat gar so reich gemacht
und auch an mich wie einen Sohn gedacht.

 

VIII

Er hat mich aus dem schwarzen Hungerloch
erlöst. Und nun, nach bitteren Wochen Qual und Joch,
mein Herz, willst du den Abschiedsbrief mir schreiben?
Ja, weil ich elend bin, zu nichts mehr gut:
da muß ich mit dem dunkeln Wasser treiben
und durch mein Blut schwält keine andere Glut.
Weil ich kein Geld mehr habe, auch kein Weib,
sing ich dies Winterlied zum Zeitvertreib.

 

IX

Daß ich die Welt noch einmal um mich weiß,
ja, solches schuld ich meinem König wohl zumeist.
Wie bitter auch die Irrsal noch wird schmecken:
ist blauer Himmel über mich gebaut,
kann mich kein böser Schatten mehr so schrecken.
So lang ich leb und Augen hab und Laut,
bin ich ein Hund und leck dem Herrn die Hand,
die mich erhoben hat aus Schmach und Schand.

 

X

Des ganzen Lebens schwarze Litanei
vom Mutterleibe bis zum Todesschrei,
die langen Wanderungen durch die kalten
Gelächter aller Menschen und zuletzt
der Streich des Henkers: haben böse Falten
in mein Gesicht gemacht, mich so herumgehetzt
wie Wölfe, die man aus den Wäldern in die Stadt rein jagt,
wozu die Kirche auch noch Amen sagt.

 

XI

Mir hats die Augen brauner noch gemacht
als alle Bücher, die ich manche Nacht
zerlesen habe in der Klosterzelle.
Und bin ich auch gewandert ohne Kreuz und Stab:
es sprang der Bach im Feld mit froher Welle
an mir vorüber, und auch grüne Waldung gab
mir das Geleit zu aller Jahreszeit
auf einer Erde, tausend Meilen weit.

 

XII

Nicht immer brauchen droben Sterne sein.
Gott ist auch, wenn die schwarzen Bäume schnein.
Er hat noch jedem Greis den Sarg gegeben
und gab der Jugend einen Rosenhut.
Wie mancher führt im Mai ein Lasterleben
und ist doch wieder worden rein und gut.
Wenn Reue seine Seele füllte aus:
dann flogen Engel dienend um sein Haus.

 

XIII

Und wünscht auch mancher schnöde meinen Tod:
es kommt zuletzt ein großes Morgenrot,
da wird die Welt gezählt und abgewogen,
die Bösen müssen Gott zur Linken stehn
und sind um jede Sommerfreud betrogen,
wird ihnen jede Straße, wo sie gehn,
zur Qual; da blühen keine Blumen mehr,
da treibt auf schwarzem Meere ewig Nacht daher.

 

XIV

Als Alexander noch ein Kaiser war,
wie schienen da die Sterne wunderbar
auf jeden Schelm herab und gaben ihm so frohen
Gewissensmut und rechtes Wort zur Zeit.
Wollt ihn ein blasser Henkertod bedrohn,
sah ihn der Kaiser an mit Gnädigkeit
und fragte, mitten in dem Schlachtgebrumm:
»Bist du ein Räuber worden: ei, warum?«

 

XV

Da sprach der Mann: »Warum wohl schimpfst du mich
gleich Spitzbub, weil so wenig ich
gestohlen habe? Wär mir deine Macht gegeben:
könnt ich auf Erden grade so wie du
hoch über allem Volk als Herrscher leben.«
Da schloß der Kaiser schmerzlich seine Augen zu
und sprach: »Jetzt pflanz ich dich in bessre Erde ein
und will mit Fleiß dein treuer Gärtner sein.«

 

XVI

Da gingen viele Jahre hin mit Stern und Glück
und fiel der Räuber nicht in Schand zurück;
hat solche gute Tat vergolten
in Ewigkeit mit reiner Herzenslust.
Wie hab ich mich so oft schon Narr gescholten,
daß ich mir solchen Kaiser nit gewußt.
Blieb doch mein Leben lang ein Stümper nur,
verstoßen von der Welt wie eine Straßenhur.

 

XVII

Ja, bloß die Not trieb mich den schlechten Pfad
und hat mein Leid gerächt mit böser Tat.
Hab nichts dabei errafft, hab nichts gespart,
bin arm geblieben und ein Lumpenhaufen.
Nun ist mein Haupt ganz grau und ausgehaart,
ich kann mir keine Herzenslust mehr kaufen.
Mir hält die Erde hin die Knochenhand
und gräbt ein Lager in den Aschensand.

 

XVIII

Wie war ich Knabe einmal doch so stolz
auf mein Gesicht; schoß durch die Welt Kobolz
und fand am Ende einen weißen Leib,
der gab sich mir mit schönen roten Beeren
und war ein süßer Zeitvertreib
den Sommer lang ... Das will nit wiederkehren.
Dahin Musik und Maientanz.
Jetzt trag ich einen schwarzen Sorgenkranz.

 

XIX

Und ist kein Feld und ist kein Strohsack mein,
die Sippschaft läßt mich nicht ins Haus hinein,
weil ich so räudig bin und so zerlassen.
Morsch sind im Maul die Zähne mir schon sehr
und kann auch keinen Schritt mehr richtig fassen.
O, käme doch das weiße Reh daher;
mein Herz, vielleicht täts wieder einen guten Schlag
und läge bei dem Reh so zart im Rosenhag.

 

XX

Ein Mannsbild, sorgendürr und hungerkrank,
der findt allnirgend einen Kuß zum Dank,
ein andrer frißt, was mir zur Lust geboren,
nimmt meine Freudenzeit und schöne Augenstern.
Hab meinen Thron im Hochzeitssaal verloren
an einen aufgekratzten feinen Herrn.
Mir blieb nur arge Pest und Bettlerqual,
ein andrer ist im Bett ihr froh Gemahl.

 

XXI

Ach hätt ich nicht den Mai so schnöd vertan,
dann wär geblieben ich im Korb der fette Hahn.
Wer aber will mich nachtgefärbten Mohr
jetzt noch ins Bett, und Kinder von mir wissen?!
Nicht mal der Hund, dem ich den Lausepelz so seiden schor,
springt, wie ich will; kann nur mein Schuh bepissen.
Ich habe schon die Schul geschwänzt, und da beganns
mit mir bergab, da wuchs der Satansschwanz.

 

XXII

Nun sorg ich nicht mehr, daß vom Reichtum mir
ein Wolf was raubt und niederbrennt. Nicht dort, nicht hier
ruht alles, was mein Eigen war in Bitterjahren.
Und mir zum Hohn kräht auf dem Mist der Hahn, wie früher schon,
und wenn er dreimal kräht: dann muß ich fahren
hernieder in die Grube zu dem andern Aas.
Und bin vielleicht zu wenig für den Madenfraß.

 

XXIII

Da unten ruht so mancher Kamerad,
der Treu versprach und hielt. O gute Tat!
Hätts auch von Hundert einer nur gehalten,
in ihm wär Glanz von Gottes Angesicht.
Ich will ihm kinderfromm die Hände falten.
Und hat mein Bitten auch nicht viel Gewicht,
so bitt ich doch: Herr Jesu, nimm ihn gern
ins Paradies, und mach ihn schön zum Stern.

 

XXIV

Und manche sind geworden groß und stolz
und geben keinem was von Brot und Holz.
In güldnen Wagen fahren sie mit weißen Pferden
und haben Dienerschaft zu eigen ganz und gar.
Sie haben schon ihr Himmelreich auf Erden
und werden doch nicht aufgenommen in der Engelschar,
wenn mit Drommeten über Nacht die Stadt
zusammenkracht, und keiner eine Heimat hat.

 

XXV

Und mancher fuhr ins Kloster ein zur letzten Ruh
und gab dem Herrn sein Ich und auch sein Du.
Ich aber bin der ausgelachte Narr geblieben,
mein Leben starb wie Zunder weg und Stroh.
Vielleicht hab ich ein Lied wem aufgeschrieben,
und wars ihm Dank, dann bin ich leise froh.
Vielleicht denkt auch die Jungfrau noch zurück,
der ich die Unschuld ließ. Das war ihr schönstes Glück.

 

XXVI

Nur was ich leiden mußte, das blieb groß.
Das dank ich dir, mein Herr. Es ist ein schönes Los,
für diese Sündenwelt so leiden müssen.
Die Kirche soll mir auch noch fürderhin
gestohlen bleiben. Will den Rosenkranz nit küssen.
Mir steht der Herr viel höher in dem Sinn
als euch, die ihr vor bunten Bildern kniet
und, wenn es blitzt, in dunkle Keller flieht.

 

XXVII

Oft lachen sie mich aus, daß mir vom Leib
die Kleider faulen. Ist mein Zeitvertreib:
wenn andre schön in Gold und Silber prunken,
dann zeig ich meine Schwären auf, die Brust voll Kraut,
und taumle in die Kirchen süß betrunken.
Maria bleibt mir doch die liebe Braut,
wenn ich auch ausgestoßen werde nackt und bloß
... Gott ist auch unter Bäumen groß.

 

XXVIII

Im Wald, da ruht ganz tief ein stiller See,
sind schön Gewürm darin, und wenn ich tiefer geh:
der munteren Fische grün und goldne Farben.
Da wünsch ich mir schon lang die letzte Ruh,
da sollen sein gebettet meine Garben.
Ich steh schon lange mit dem Tod auf du und du.
Ich brauch auf keinen Weiser mehr zu schaun,
ich suche nur ein Loch im Zaun.

 

XXIX

Mich freut kein Haus, mich freut schon lange nichts.
Mein Herz, wie eine Dornenkrone stichts.
Ich bin nicht Gottes liebster Sohn gewesen,
ich ging dahin, wie mich die Laune grade trieb.
Mich hätten gern Zigeuner aufgelesen,
doch war ein Schoß, wo ich verborgen blieb.
Jetzt hat die alte Frau ganz weißes Haar
und ist allhier schon neunzig Sorgenjahr.

 

XXX

Auch Laster sind von Gott gesandt und gut.
Wohl dem, der sie bis zu dem bitteren Ende tut.
Wer sie nicht kennt, der kann auch nicht von Sünden
erlöset werden durch des Herren Blut.
Woher ich kam, will ich auch wieder münden.
Im Mutterschoß: da ist es, wo man schöner ruht
als in dem Freudenbett der Königin,
denn solche Nächte gehen oft wie ein Begräbnis hin.

 

XXXI

Wer sterben muß, ach, der stirbt hin mit Weh:
im Winterwald beim Mond im schwarzen Schnee.
Ist keine Schwester da mit Gall und Essigschwamm,
wird keiner dir den letzten Platz wegnehmen,
und wo du stirbst, da wird man in den Stamm
drei Kreuze schneiden und den Wald verfemen.
Zur Erde wird dein Fleischernes sobald.
Und morgen schon die große Jagd darüber schallt.

 

XXXII

An mir ist wirklich nichts verloren hier.
Doch du, du schönes weißes Menschentier,
mir nachgesprungen, weil dich schnöd verführte
ein arger Lump mit Federhut und Schwert
und nicht zum Eheweib vor Gott erkürte:
O, du bist besserer Himmelfahrt schon wert.
Dir gäbe Gott der Paradiese schönsten Lohn:
vom Haupt Maries die goldene Himmelskron.

 

XXXIII

Dein Bild im Angesicht, so schlaf ich ein.
Es wird nur eine kleine Reise sein,
da werden mir die Augen überlaufen
so hoch von Sternentier und Sommerwind
und werden andre Winde schnaufen
und wieder sein so rein wie Kinder sind.
Eh ich mich weiter elend noch verwein:
o schönes Reh: bald wirst du mein Gespiele sein.

 

XXXIV

Hab nun die Augen leise umgedreht
und auch mein Herz spricht schnell noch ein Gebet.
So dunkel ist es auf der Erde worden,
so leise hebt ein guter Wind mich auf;
ich fahre aus dem winterweißen Norden
mit Engelchören und mit Feuerlauf
in eine schöne grüne Ewigkeit,
und werde tragen ganz von Gold ein Königskleid.

 

XXXV

Ich sage nicht, daß jedem solch ein Glücksgenuß
verliehen ward vom lieben Gott. Wie mancher muß
mit weniger Sünden sich bescheiden und sein Haus
wohl auferbaun nach der Gesetze Plan.
Muß sich mit Salben das Gesicht beschmieren,
den Buckel krümmen und noch weißer als ein Schwan
den Ehrensessel in der Kirche zieren.
Dafür singt auch an seinem Sterbebett,
auf Wunsch ein Nonnen- oder Mönchsquartett.

 

XXXVI

Wieviel ist nur für Knaben schön und gut
und albern, wenn ein Greis sich damit wichtig tut.
Seht, wie der Affe da das Maul aufreißt,
wie seine kleinen Augen sich verdrehn,
wenn sich kein Mädchen mehr in seinen Wurm verbeißt.
Und wäre sie vom Kopf bis zu den Zehn
ein abgegrastes Hurenweib:
selbst die wär noch zu schad für solchen Zeitvertreib.

 

XXXVII

Ich meine nämlich jetzt den Herrn Ronsard,
der ehedem mein saubrer Hauswirt war.
Für jedes Mädchen, das in meinen Laden kroch,
hab ich ihm extra einen Kümmel schmeißen müssen.
Dafür hats in dem feuchten Hundeloch
so arg nach Mist gerochen, daß mir oft das Küssen
vergangen ist. Dabei hab ich besonders viel
mir eingebildet auf mein Flötenspiel.

 

XXXVIII

Der Herr Ronsard, verdamm mich, der war gleich
zur Stelle und bemerkte, daß er reich
versehen sei mit allem, was man so in einer Nacht
an Gut und Blut verbraucht. (Er hatte, notabene,
fünf Ehefrauen schon ins Grab gebracht
und immer noch war seine Bogensehne
so scharf gestrafft.) Das alte Schwein
fraß nur Fasanenfleisch und soff uralten Ungarwein.

 

XXXIX

Doch lassen wir das Thema jetzt,
sonst fühlt am Ende noch ein alter Sünder sich verletzt.
Und hetzt den Staatsanwalt mir auf den Hals:
von wegen Unzucht, Völlerei und Afterkunst.
Ich habe nämlich keinen blauen Dunst
vom Paragraphenkram, und kenne bestenfalls
den Henker, dem ich einmal schon mit knapper Not
entwichen bin ... ich dank für solchen Tod!

 

XL

Ich will mich lieber splitternackt
noch einmal in ein rotes Kleefeld legen.
Es ist so schön ... (du denkst: wie abgeschmackt!)
wenn rudelhaft die Wolken durch den Himmel fegen.
Mir aber schmeckt nun einmal dieser Zug
ins Tierbereich. Was drüber ist ... das ist Betrug
an jenem Drüsensaft,
der uns den Fiedelbogen strafft.

 

XLI

Ich bin wahrhaftig nicht der Herr Ästhet,
der immer stöhnt, wenns nicht nach seiner Pfeife geht.
Ich denk, der Herrgott hat uns allesamt aus dem Morast
herausgefischt und schön zu seinem Ebenbild verpaßt.
Es liegt an euch, wenn mir das Leben schöner blüht.
Ich habe schon so viel Geduld
mit euch gehabt, daß mir noch immerzu der Schädel glüht.

 

XLII

Ich kann auch nichts dafür, daß mich
die jungen Mädchen oft für strammes Astwerk halten,
wenn sie auf ihrem Strich
sich gern in die Gesträuche falten.
Ich habe manchmal selber nicht kapiert,
daß sie von mir zu Weihnacht schwanger gingen.
Ich weiß wohl, daß mir öfter Schlimmeres passiert;
nur spricht man nicht von solchen Dingen.

 

XLIII

Der König denkt in diesem Punkt zurzeit
ein wenig freier wohl und schreibt sein Leid
und auch die Lust mit einem goldenen Kiel
ins Tagebuch. Tät Franz Villon dies auch,
dann wär es aus mit seinem faulen Bauch.
Denn grade der, der ist die Hauptperson im Spiel.
Ich singe lieber zur Harmonika noch fix
ein Räuberlied ... und weiter nix.

 

XLIV

Denn so allmählich kommt der Tag heran,
wo ich vielleicht nicht mehr in Ruhe kacken kann,
geschweige Verse dichten für den Hausgebrauch.
Vor meiner Türe horcht seit hundert Jahren schon
die Enkelschar auf den gewissen Ton
vom letzten Loch ... der Teufel wartet auch
darauf und hat sogar um Vorschuß nachgesucht.
Und als ich ihm nichts gab, hat mich das Aas verflucht.

 

XLV

Aus diesem Grunde will ich endlich reinen Tisch
mit meinem Dasein machen. Vieles riecht nicht mehr ganz frisch
und kommt gleich auf den Mist.
Den Rest verschreibe ich zu einem Teil
der Nonne, die mit zwanzig Jahren noch ganz heil
am Bauch geblieben ist.
Und wieder einen Teil erhält der Henker für den Strick,
mit dem er selber sich erlöset vom Genick.

 

XLVI

Ich will auch dieses letzte Mal
mit einer schönen runden Zahl
die Kirche unserer Lieben Frau erfreun.
Dafür soll mir an jedem Allerseelentag
die hohe Geistlichkeit mit Dschindera und Paukenschlag
ganz frische Jungfernhäute auf die Nase streun,
damit ich von dem weißen Muttertier
beileibe nicht den Nachgeschmack verlier.

 

XLVII

Was schließlich übrig bleibt von meinem Hab und Gut,
das soll man einem Bettler in den Hut
hinein tun. Doch wenn dieser Tropf
vielleicht gar »Dankschön« sagt
und nach dem Spender fragt:
dann haut ihm mit dem Brett eins auf den Kopf.
Ich habe nie gefragt, woher es kam,
wenn ich mir Geld aus fremden Kassen nahm.

 

XLVIII

Ich hätte mancherlei auf meinem Herzen noch.
Doch wenn man so behindert ist, wie ich in diesem Loch,
dann denkt man mehr, wie das wird sein,
wenn Franz Villon sein Köpfchen in die Schlinge steckt
und in den grünen Himmel seine Zunge bleckt.
Auch hab ich Sorge, daß mir aus dem Hosenbein
was Nasses fällt. Das kommt bei solchem Sturz
wohl öfter vor ... doch lieber wäre mir ein trockner Furz.

 

XLIX

Auch wegen dieser Todesart an sich
bin ich mir noch nicht klar, ob ich
nicht etwa protestieren soll.
Es zeigt wahrhaftig nicht von viel Respekt
vor Gottes Ebenbild, daß man es so verdreckt
dem Herrn zurückgibt. Doch die Welt ist voll
von Unkultur ... drum will ich auch nicht mehr
den Kopf mir kratzen für dies Hammelheer.

 

L

Ich sause ab, ich sage gern ade.
Ich trage bald ein Kleid, so weiß wie Schnee.
Es braucht nicht grad der Himmel sein,
wo man mir Wohnung gibt ...
Ich habe einmal ein Zigeunermensch geliebt;
in ihren Kral, da tret ich leise ein.
Und will sie, daß ich ihr die Zähne wieder putzen tu
mit meinem Maul ... dann, liebe Seele, hast du endlich Ruh.


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