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Mein vierter Bruder war halb blind: er war ein Metzger, verkaufte Fleisch in Bagdad und mästete Hammel; die vornehmsten und reichsten Leute kamen zu ihm und kauften Fleisch bei ihm; er erwarb sich ein großes Vermögen und kaufte sich Häuser und Güter. Nachdem er lange so gelebt und einst in seinem Laden war, kam ein Mann mit großem Barte zu ihm und gab ihm Geld und sagte: »Gib mir Fleisch dafür!« Er schnitt ihm ab, soviel ihm zukam, und der Alte ging wieder. Da betrachtete mein Bruder das Geld und sah, daß es ganz glänzend weiß war. Er legte es beiseite und der Alte kam fünf Monate lang zu meinem Bruder, der sein Geld besonders in eine Kiste legte. Als er einst das Geld nehmen wollte, um Schafe dafür zu kaufen, und die Kiste öffnete, fand er nichts als rundes versilbertes Papier darin; er schlug sich vor den Kopf und schrie. Es versammelten sich viele Leute um ihn; er erzählte ihnen, was ihm begegnet, wendete sich dann wieder zu seinen Geschäften, schlachtete ein Lamm und hing es in seinen Laden. Sodann nahm er zerschnittenes Fleisch, hing es außerhalb des Ladens und sagte dabei: »O Herr! wenn doch nur der verruchte Alte käme!« Nach einer Weile kam er wirklich wieder mit seinem Gelde in der Hand. Mein Bruder hielt ihn fest und schrie: »O Muselmänner, kommt her und hört, was mir mit diesem Ruchlosen widerfahren!« Als der Alte dies hörte, sagte er: »Du tust wohl gut, mich gehen zu lassen, sonst mache ich dich vor allen Leuten zuschanden.« - »Und womit?« fragte mein Bruder. »Damit«, antwortete er, »daß du Menschenfleisch für Schaffleisch verkaufst.« Mein Bruder sagte: »Du lügst, Verdammter!« Er antwortete: »Der LügnerD. h. der ist ein Lügner, der u.s.w. hat einen Menschen im Laden hängen!« Mein Bruder sagte: »Wenn es so ist, wie du behauptest, so sei mein Leben und alles, was ich besitze, preisgegeben.« Der Alte rief hierauf: »O ihr versammelten Leute, wollt ihr euch von der Wahrheit meiner Rede überzeugen, so geht in seinen Laden.« Sogleich stürmten die Leute auf meines Bruders Laden los, und wirklich hatte sich das geschlachtete Lamm in einen aufgehängten Menschen verwandelt. Als sie dies sahen, umgaben sie meinen Bruder und schrieen ihn an: »Du Gottesleugner! du Bösewicht!« und jeder machte sich ein Verdienst daraus, ihn zu schlagen und ihm zu sagen: »Wie, du gibst uns Menschenfleisch zu essen?« Der Alte schlug ihm ein Auge aus, die Leute trugen den Geschlachteten zum Polizeiobersten, und der Alte sagte: »O Fürst! dieser Mann schlachtet Menschen und verkauft ihr Fleisch für Schaffleisch; wir bringen dir ihn her, damit du Gottes Recht an ihm ausübst.« Mein Bruder erzählte, was ihm mit diesem Alten widerfahren, und wie er ihm Geld gegeben, das zu Papier geworden; aber man hörte nicht auf seine Worte, sondern gab ihm mehr als fünfhundert derbe Prügel, dann nahm man all sein Geld, seine Schafe und seinen Laden, und verwies ihn aus der Stadt. Und hätte er nicht so viel Vermögen besessen, so wäre er umgebracht worden; nur dadurch, daß er die Polizei mit seinem Gelde bestach, kam er mit dem Leben davon, nachdem man ihn drei Tage öffentlich in der Stadt ausgestellt hatte.
Nun beschloß mein Bruder, jene Stadt zu verlassen und nach einem Orte zu gehen, wo ihn niemand kannte; er lebte dort eine Weile in günstigen Umständen, dann ward er wieder arm und kam in große Verlegenheit. Als er einst spazieren ging, hörte er hinter sich das Geräusch vieler Pferde; er dachte, nun ist Gottes BefehlD. h. nun werde ich verfolgt. gekommen. Er suchte dann einen Ort, um sich zu verbergen, fand nichts, als eine verschlossene Türe; er gab ihr einen Stoß und sie fiel ein. Er sah einen langen Gang; als er hineinging, hielten ihn auf einmal zwei Männer an und sagten: »Gott sei gelobt, daß er dich, du Feind Gottes, uns einmal in unsere Gewalt gebracht! Schon drei Nächte läßt du uns nicht schlafen und nicht ruhen und läßt uns Todesangst ausstehen.« Mein Bruder sagte: »Was habt ihr, Leute?« Sie antworteten: »Du ersinnst allerlei List und Bosheit gegen uns, und willst unserem Hausherrn den Hals abschneiden. Genügt es dir nicht, daß du und deine Freunde ihn in die Armut gestürzt habt? Gib jetzt das Messer heraus, mit dem du uns jede Nacht drohst.« Sie durchsuchten meinen Bruder und als sie ein Messer bei ihm fanden, sagte er: »O ihr Leute, fürchtet Gott! Mir ist eine wunderbare Geschichte begegnet.« Aber es sagte einer von ihnen: »Er will nur erzählen, weil er glaubt, daß wir ihn dadurch gehen lassen.« Sie hörten dann meinen Bruder nicht an, sondern schlugen ihn und zerrissen seine Kleider. Als sie dadurch die Spuren der früheren Prügel bemerkten, sagte sie zu ihm: »Du Verfluchter! hier sind Spuren von Prügeln«, und führten ihn vor den Polizeiobersten. Mein Bruder dachte: Nun bin ich wieder in eine Schuld verfallen, wo nur der erhabene Gott mich retten kann. Der Polizeioberste fuhr ihn an: »Du Ruchloser! was hat dich bewogen, in das Haus dieser Leute zu gehen und sie mit dem Tode zu bedrohen?« Mein Bruder sagte: »Ich bitte dich bei Gott, höre mir zu! übereile dich nicht! laß mich hier dir meine Geschichte erzählen.« Aber die Leute sagten ihm: »Willst du die Worte eines Diebes hören, der die Leute arm macht und auf dessen Rücken man noch Spuren von Prügeln bemerkt?« Als der Oberste die Spuren an seinen Seiten sah, ließ er meinem Bruder hundert Peitschenhiebe geben, dann ward er auf ein Kamel gesetzt und man rief hinter ihm her: »Das ist der Lohn dessen, der in fremde Wohnungen eindringt!« Auch ward mein Bruder aus der Stadt verwiesen. Als ich dies hörte, ging ich zu ihm hinaus, erkundigte mich nach ihm, und er erzählte mir seine Geschichte; ich nahm ihn heimlich wieder mit in die Stadt und gab ihm zu leben. Alles, was ich meinen Brüdern tu, ist Folge meiner männlichen Entschlossenheit.« Der Kalif Harun Arraschid lachte, bis er auf den Rücken fiel; dann befahl er, daß man mir etwas schenke, aber ich sagte: Bei Gott, mein Herr! ich rede nicht viel, doch muß ich dir vollends die Abenteuer meiner übrigen Brüder erzählen, damit sie unser Herr, der Kalif, genau kenne, sie im Herzen habe und in seiner Schatzkammer geschrieben aufbewahre, und wisse, daß ich nicht viel rede.