Gustav Weil
Tausend und eine Nacht, Erster Band
Gustav Weil

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Geschichte des Christen.

Wisse, daß, ehe ich in dieses Land gekommen - denn meine Heimat ist weit von hier - ich bin mit Waren hierher gezogen und erst in den letzten Jahren habe ich mich durch die Fügung des Schicksals hier ansässig gemacht - lebte ich in Ägypten und gehörte zu den Kopten; mein Vater war ein großer Makler, und nach seinem Tode setzte ich sein Geschäft zwei Jahre lang fort. Nun hört, was mir wunderbares widerfahren. Ich saß in Kahirah auf dem Getreidemarkt, da kam ein schöner junger Mann, herrlich gekleidet, auf einem Esel reitend und grüßte mich; ich stand vor ihm auf, er zeigte mir ein Tuch voll Sesam und fragte mich, was das Malter davon wert sei?

Ich sagte ihm, fuhr der Christ in seiner Erzählung vor dem König von China fort: »Der Ardeb von diesem Sesam ist hundert Drachmen wert.« - »Nun«, sprach er, »geh, hole die Träger und die Messer, komme ans Siegestor in den Chan Aldjawali, du wirst mich dort finden. Er verließ mich dann und setzte seinen Weg fort. Ich machte mich auf die Beine, nahm die Probe und besuchte die Getreidehändler und die Magazine der anderen Kaufleute, die Sesam aufkauften. Man bot mir 110 Drachmen für das Malter. Ich nahm dann vier Träger und ging mit ihnen nach der Herberge Aldjawali, wo mich der junge Mann erwartete. Als er mich sah, stand er auf, ging vor mir ins Magazin und sagte mir: »Laß die Messer hereinkommen und messen, und die Träger die Esel beladen.« Die Träger gingen so hinaus und herein, bis das Magazin leer war; es enthielt 50 Malter für 5000 Drachmen. Der junge Mann sagte mir dann: »Es kommen dir 10 Drachmen vom Malter als Maklergeld zu, bewahre mir also 4500 Drachmen auf; wenn ich mit dem Verkaufe aller meiner Magazine fertig sein werde, will ich zu dir kommen und sie bei dir abholen.« Ich sprach: »Es soll geschehen, wie Ihr befehlt«, küßte ihm die Hand und er verließ mich. Ich bewunderte seine Freigebigkeit und erwartete ihn einen ganzen Monat lang, bis er endlich kam und mich fragte: »Wo ist das Geld?« Ich hieß ihn willkommen und bat ihn, ein wenig bei mir einzukehren und etwas zu genießen; er wollte aber nicht und sagte: »Geh, bereite das Geld, während ich fortgehe, ich komme bald wieder zu dir um es zu holen.« Er kehrte dann mit seinem Esel um; ich stand auf, brachte das Geld herbei und wartete; als er wieder einen Monat ausblieb, dachte ich: Sonderbar, daß dieser edelmütige Jüngling nicht kommt, seine 4500 Drachmen bei mir zu holen. Er blieb nun drei Monate aus, kam dann wieder auf einem Esel geritten, mit schönen Kleidern angetan; er sah aus, als käme er aus dem Bade.

Als ich ihn erblickte, ging ich aus meinem Laden auf ihn zu und sagte ihm: »Mein Herr, kommst du nicht, dein Geld zu nehmen?« Er antwortete: »Was habe ich zu eilen? Wenn ich alle meine Geschäfte beendigt haben werde, so komme ich diese Woche noch, es zu holen«, und entfernte sich wieder. Ich dachte, wenn er wiederkommt, werde ich ihn zu mir einladen. Er blieb aber ein ganzes Jahr weg; ich handelte mit seinem Gelde und gewann ein großes Vermögen damit. Am Ende des Jahrs kam der junge Mann wieder schön gekleidet. Als ich ihn sah, ging ich ihm entgegen und beschwor ihn beim Evangelium, er möge doch mein Gast sein und bei mir essen. Er sagte: »Gut, aber mit der Bedingung, daß die Kosten von meinem Gelde gehen.« Ich war zufrieden, ging mit ihm ins Zimmer und ließ Teppiche vor ihm ausbreiten. Als er Platz genommen, lief ich auf den Markt, kaufte allerlei Getränke, gefüllte Hühner und süße Speisen und legte sie ihm vor; er näherte sich dem Tische; als ich »im Namen Gottes«Sowohl vor Tisch, als beim Anfang und oft auch bei Vollendung irgendeiner Handlung sagen die Muselmänner: Im Namen Gottes, d.h. geschehe dies. sagte, streckte er seine linke Hand aus und aß mit mir. Ich wunderte mich sehr über ihn und dachte: Nur Gott ist vollkommen, dieser junge Mann ist so freigebig und so schön, doch so hochmütig, daß er vor Stolz sich nicht der rechten Hand zum Essen bedient; ich aß aber doch mit ihm.

Als wir gegessen hatten, fuhr der Christ fort, goß ich Wasser über seine Hand und reichte ihm ein Tuch zum Abtrocknen; nachdem ich ihm auch einige süße Speisen angeboten und wir uns zu unterhalten anfingen, sagte ich zu ihm: »Mein Herr! zerstreue meinen Kummer, sage mir, warum du mit der linken Hand gegessen; hast du vielleicht irgend ein Übel an der rechten Hand?« Als der Jüngling dies hörte, zog er weinend den rechten Arm aus seinem Ärmel hervor und zeigte ihn mir, und siehe da: er war verstümmelt, es war ein Arm ohne Hand; als er meine Verwunderung darüber bemerkte, sagte er: »Wundere dich nicht, denke aber nicht, daß ich aus Hochmut mit der linken Hand gegessen habe, und höre die wunderbare Geschichte, wie ich meine Hand verlor.« Als ich mein Verlangen danach äußerte, erzählte er unter Seufzen und Weinen folgendes: »Wisse, daß ich in Bagdad geboren hin, mein Vater gehörte zu den Vornehmsten der Stadt. Als ich das Mannesalter erreicht hatte und oft viele Leute und Reisende Wunderdinge von Ägypten erzählen hörte, blieben mir diese Gedanken immer im Herzen, bis mein Vater starb und ich ihn erbte; dann packte ich eine Partie Bagdader und Mossuler Waren zusammen, nahm auch tausend Stück Seidenstoffe und andere Stoffe mit und reiste damit von Bagdad weg nach Kahirah. In Kahirah ließ ich mich mit meinen Waren im Chan Masrur nieder; ich packte meine Ladung aus und ging damit in die Magazine, gab meinem Diener Geld, um etwas Essen zuzubereiten und ruhte mich aus, während meine Jungen aßen. Dann ging ich ein wenig zwischen den Palästen spazieren und legte mich hierauf schlafen. Nachdem ich völlig ausgeruht hatte, öffnete ich mehrere Ballen Waren und beschloß, einige bekannte Bazare zu besuchen, um mich nach dem Preise zu erkundigen. Ich nahm einige Proben, bepackte damit einen meiner Jungen, zog mein schönstes Kleid an und ging bis auf den Markt des Djeherkaß. Als ich hineintrat, kamen mir die Makler, die von meiner Ankunft schon wußten, entgegen, nahmen die Muster meiner Waren und riefen sie aus, aber niemand bot dafür, was sie mich kosteten; ich war sehr verstimmt darüber und sagte: »Ich werde ja mein eigenes Kapital auf diese Art nicht herausbringen.« Die Makler antworteten: »Wir wissen dir einen Rat, wodurch du nicht nur nichts verlieren, sondern auch noch gewinnen wirst.«

»Du mußt nämlich«, sagten die Makler, »wie andere Kaufleute deine Waren in kleinen Partien, nach bestimmten Terminen, verkaufen und dir einen Zeugen, einen Schreiber und einen Wechsler nehmen; du kannst dann jeden Montag und Donnerstag dein Geld bei den Leuten holen und die übrigen Tage dich in Kahirah unterhalten oder am Nil dich ergötzen.« Ich gab diesem Rate meinen Beifall, führte die Makler in meinen Chan und gab die Ware heraus. Sie trugen sie mit mir auf den Markt, ich verkaufte sie einzeln, ließ mir Handschriften, von Zeugen unterschrieben, von den Käufern geben, und übergab sie den Geldwechslern zum einkassieren; ich kehrte dann wieder in den Chan zurück, blieb einige Tage dort, frühstückte jeden Tag einen Becher voll Wein, Hammelfleisch, Tauben und süße Speisen, und lebte so einen ganzen Monat hindurch. Nun kam der zweite Monat, an welchem ich mein Geld einzufordern hatte; ich ging jeden Montag und Donnerstag auf den Markt, setzte mich zu einem Kaufmanne, bis der Geldwechsler mit dem Schreiber mir das Geld von den Käufern brachte. So blieb ich bis nach dem Nachmittagsgebet, dann rechnete ich das Geld zusammen, versiegelte es und ging wieder in den Chan. Nachdem ich eine Zeitlang so gelebt, ging ich einmal an einem Montage früh ins Bad; als ich herauskam, zog ich herrliche Kleider an, begab mich auf mein Zimmer im Chan, frühstückte mit Wein, schlief, aß dann ein gekochtes Huhn, salbte und beräucherte mich mit wohlriechenden Essenzen und ging auf den Markt, wo ich mich neben einen Kaufmann setzte, den man Bedruddin den Gärtner nannte. Als ich mich eine Weile mit ihm unterhielt, kam eine reichgekleidete Frau mit zahlreichem Gefolge, deren Übertuch und Taschentuch die Luft mit Wohlgerüchen um sich her erfüllte. Als sie ihr Tuch abnahm und ich zwei große schwarze Augen bemerkte, ward mein Herz zu ihr hingerissen. Sie grüßte Bedruddin, auch er hieß sie freundlich willkommen und unterhielt sich mit ihr; als ich ihre Stimme hörte, ward meine Liebe zu ihr immer heftiger, ich war ganz entzückt und fühlte schon meine Liebe unvertilgbar. Sie fragte Bedruddin: »Hast du wohl einen Stoff mit wilden Jagdzeichnungen?« Bedruddin zeigte ihr ein solches Stück, das er von mir für 1200 Dinare in Kommission hatte. Sie sagte dem Kaufmann: »Mit deiner Erlaubnis will ich dieses Stück mit mir nehmen; ich gehe nur in den nächsten Bazar und schicke dir sogleich das Geld dafür.« Der Kaufmann sagte ihr aber: »Das kann nicht sein, meine Gebieterin, denn hier ist der Eigentümer dieser Waren, dem ich heute noch eine bedeutende Summe Geld bezahlen muß.« - »Pfui!« antwortete sie; »Komm ich nicht gewöhnlich zu dir und nehme ein ganzes Stück Ware mit mir, zahle dir dafür, was du verlangst, und schicke dir das Geld, sobald ich die Ware genommen?« - »Es ist wahr«, sagte Bedruddin, »aber ich muß eben heute noch das Geld für diesen Stoff haben.« Wie sie dies hörte, warf sie das Stück Ware mitten in den Laden, geriet in heftigen Zorn und sagte: »Gott züchtige eure Sippschaft: Ihr wißt niemanden zu schätzen.« Sie stand dann auf und wollte gehen.

Als die Frau fortgehen wollte, erzählte der junge Mann weiter, war mir, als wenn ein Teil meines Herzens ihr nachfolgen müßte; ich sagte ihr also: »Bei Gott, meine Gebieterin, tu mir die Freundschaft und komme mit mir.« Sie drehte sich um, lächelte und erwiderte: »Deinetwegen kehre ich zurück.« Sie setze sich mir gegenüber in den Laden; ich aber sprach zu Bedruddin: Wie teuer habe ich dir dieses Stück gelassen?« - »Um 1200 Dinare«, antwortete er. »Nun«, sagte ich ihm, »ich zahle dir 100 Dinare Profit; gib Papier her, ich gebe dir's sogleich schriftlich.« Er gab mir Papier und ich schrieb den Handel darauf, nahm dann das Stück Ware, überreichte es der Dame und sagte ihr: »Hier, meine Gebieterin; wenn du willst, so bringst du mir das Geld auf den nächsten Markt, wo nicht, so nimm es als Geschenk von mir an.« Sie antwortete: »Gott belohne dich dafür, beschere dir alles, was ich habe, und laß dich meinen Gatten werden!« Die Tore des Himmels waren gerade geöffnet und ihre Worte fanden Eingang. Ich sagte ihr hierauf: »O, meine Gebieterin, nimm doch dieses Stück Ware, und so Gott will, sollst du noch viele andere erhalten; aber laß mich dein Gesicht sehen!« Sie wandte mir ihr Gesicht zu, nahm ihren Schleier herunter und warf mir einen Blick zu, der böse Folgen hatte: denn ich verlor meinen Verstand. Sie umhüllte sich dann wieder mit ihrem Tuche, nahm die Waren und sprach. »Mein Herr! es wird mir unheimlich werden, wenn ich weg von dir bin;« hierauf verschwand sie. Ich blieb bis nach dem Nachmittagsgebet auf dem Markte, war aber schon in einer ganz anderen Welt. Ich fragte den Kaufmann nach der Dame, und er sagte mir: »Sie besitzt ein großes Vermögen und ist die Tochter eines Fürsten, von dem sie viel geerbt hat.« Ich verließ dann den Kaufmann und ging in den Chan zurück. Man brachte mir das Abendessen, ich dachte aber nur an sie und konnte nichts essen; ich wollte schlafen, konnte aber nicht, ich wachte bis zum Morgen; dann kleidete ich mich an, frühstückte etwas und ging wieder in den Laden Bedruddins.

Als ich eine Weile im Laden Bedruddins gesessen, kam die Dame wieder, in einem noch schöneren Aufzuge, als der gestrige, von einer Sklavin begleitet; sie grüßte mich freundlicher, als ich es verdiente, und sagte dann: »Mein Herr! schicke jemanden, um dein Geld zu holen.« Ich erwiderte ihr: »Was hat es denn für eine Eile?« Sie antwortete: »O mein Geliebter, möchtest du uns doch nie entzogen werden!« Sie überreichte mir dann mein Geld, setzte sich, und ich unterhielt mich mit ihr in doppelsinnigen Reden, aus denen sie entnehmen konnte, wie sehr ich sie zu besitzen wünschte. Sie stand dann plötzlich auf und ging fort, mein Herz hing fest an dem ihrigen. Ich ging auf die Straße, als plötzlich eine schwarze Sklavin zu mir trat und mir sagte: »Mein Herr! meine Gebieterin will dich sprechen.« Ich war sehr erstaunt und entgegnete: »Es kennt mich ja niemand.« - »O mein Herr!« antwortete sie, »wie schnell habt ihr meine Gebieterin vergessen, die heute bei euch im Laden des Kaufmanns saß.« Ich ging mit ihr bis zu dem Hause eines Bankiers. Als ihre Herrin mich sah, winkte sie mir, an ihre Seite zu kommen, und sprach: »0, mein Teurer! du hast mein Herz so sehr eingenommen, daß von dem Tage an, wo ich dich gesehen, mich kein Essen und kein Trinken mehr erlabte.« - »Mir geht es ebenso«, erwiderte ich; »und der Zustand, in dem ich mich befinde, überhebt mich weiterer Liebesklagen.« Sie fragte dann: »Mein Geliebter, sollen wir bei dir oder bei mir zusammenkommen?« Ich antwortete ihr: »Ich bin hier fremd, habe keinen anderen Wohnort, als einen Chan, glaube mir also, es ist besser, wenn wir bei dir zusammenkommen.«

»Gut«, sagte die Frau; »doch heute ist die Nacht des Donnerstags, da kann nichts geschehen, aber morgen nach dem Gebet besteige einen Esel und frage nach der Straße Habbanijeh, dann nach der Wohnung Berkuts, des Fürsten Abu Schama; laß dich aber nicht lange erwarten!« Ich sprach: »In Gottes Namen!« schied von ihr und konnte kaum den Anbruch des folgenden Morgens erwarten. Ich stand dann auf, nahm ein Bad und rieb mich mit wohlriechenden Ölen, auch legte ich fünfzig Dinare in ein Tuch und ging dann vom Chan Masrur nach dem Tore Suweila; hier bestieg ich einen Esel und sagte dem Treiber, er solle mich in das Quartier Habbanijeh führen. Als wir da ankamen und er vor der Straße Takwa stehenblieb, sagte ich ihm, er möchte sich nach der Wohnung des Fürsten Abu Schama erkundigen; er blieb eine Weile aus, kam dann wieder und sagte: »In Gottes Namen!« Ich stieg vom Esel und hieß den Treiber mir bis zur Wohnung vorangehen; er tat dies; ich gab ihm einen Viertel Dinar und sagte ihm, er solle morgen früh wiederkommen, mich nach dem Chan Masrur abzuholen, worauf er mich verließ. Ich klopfte an die Türe, es kamen zwei weiße junge Sklavinnen heraus; sie sagten: »Komm in Gottes Namen! Unsere Gebieterin hat vor Sehnsucht nach dir die ganze Nacht nicht geschlafen.« Ich trat in den Vorhof und sah eine sieben Stufen hoch von der Erde gebaute Wohnung, rings herum von vergitterten Fenstern umgeben, welche auf einen Garten gingen, in dem köstliche Früchte und eine Menge von Vögeln waren, auch durchströmten ihn viele Bäche; es war eine Lust ihn anzusehen. Mitten im Garten war ein Springbrunnen, an dessen vier Ecken vier aus Gold gegossene Schlangen waren, welche aus dem Rachen so klares Wasser spien, als wären es Perlen oder Edelsteine.

Ich ging in die Wohnung und setzte mich; da kam die Dame mit dem kostbarsten Schmucke behangen und mit den schönsten Farben geziert.Selbst schöne junge Frauen färben sich im Orient Füße und Hände mit Hennah und die Augenbrauen mit Kohel. Als sie mich sah, lächelte sie mir ins Gesicht und flog dann in meine Arme. Dann sagte sie: »Bist du wirklich bei mir, mein Herz?« - »Ja, dein Sklave ist bei dir«, antwortete ich. Sie sagte dann: »Bei Gott! von dem Tage an, wo ich dich sah, erquickte mich keine Speise und kein Schlaf mehr.« - »Mir ging es ebenso«, erwiderte ich. Ich saß kaum eine Weile mit gebeugtem Haupte bei ihr, so brachte man eine Schüssel voll mit den trefflichsten Speisen: Fleisch mit saurer Sauce, gebackene Fische, Honigseim, Hühner mit Zucker und Pistazien gefüllt; wir aßen, bis wir satt waren: man nahm dann den Tisch weg, wir wuschen unsere Hände und ließen uns mit Rosenwasser bespritzen, das mit Moschus vermischt war. Die Dame setzte sich dann wieder zu mir und unterhielt sich mit mir. Schon war meine Liebe zu ihr festgewurzelt, und alles, was ich besaß, schien mir nichts neben ihr. Wir spielten dann miteinander bis zur Nacht, da brachte man uns Wein und ein vollständiges Mahl, Wir tranken miteinander bis Mitternacht und ich brachte die schönste Nacht in meinem Leben bei ihr zu. Des Morgens warf ich das Tuch mit den 50 Dinaren unter ihr Bett und nahm weinend Abschied von ihr. Sie fragte mich, als ich gehen wollte: »Wann sehe ich dich wieder?« Ich antwortete: »Heute abend werde ich wieder bei dir sein.« Sie begleitete mich bis zur Türe und sagte dann: »Mein Herr! bringe heute Abend das Nachtessen mit dir.« Als ich auf die Straße kam, ging ich zum Eseltreiber, mit dem ich den vorigen Tag hierherkam, und der schon auf mich wartete. Ich bestieg den Esel und ließ ihn nach dem Chan treiben; hier entließ ich den Eseltreiber ohne Bezahlung, mit dem Auftrage, bei Sonnenuntergang wiederzukommen. Er ging zufrieden fort. Nachdem ich etwas weniges gefrühstückt hatte, ging ich, um Geld für meine Waren einzufordern, ließ dann ein Schaf braten, einige Gemüse zubereiten und süße Speisen kaufen, legte alles in den Korb eines Trägers und schickte es der Dame. Ich ging dann so lange meinen Geschäften nach, bis der Eseltreiber mich abzuholen kam. Ich legte wieder 50 Dinare in ein Tuch und einen halben Dinar besonders für den Eseltreiber und ritt zur Wohnung der Dame; hier bezahlte ich den Eseltreiber und ging ins Haus, das ich noch schöner als am vorhergehenden Tage aufgeputzt fand. Als die Dame mich sah, küßte sie mich und sagte: »Ich habe mich heute sehr nach dir gesehnt.« Sie ließ dann den Tisch decken, wir aßen, bis wir genug hatten, man brachte dann Wein, wir tranken bis Mitternacht und schliefen bis zum Morgen. Ich stand auf, reichte ihr das Tuch mit den 50 Dinaren, ritt wieder in den Chan, ließ ein Paar Enten braten, mit Pilaw gefüllt, und Colocasia backen und Honigseim bereiten, auch ließ ich Wachskerzen, grüne und trockene Früchte und Blumen kaufen; ich schickte sie wieder der Dame und folgte am Abend selbst nach, und alles ging wie an dem vorigen Tage.

So lebte ich fort, gab ihr jeden Abend 50 Dinare und schickte Wein und Speisen, bis ich keinen Dinar mehr im Vermögen hatte; ich ging dann aus, wußte nicht woher Geld nehmen und sagte: »Es gibt keine Macht und keinen Schutz, außer bei Gott, dem Erhabenen: alles, was ich getan, war teuflisch.« Ich ging dann zwischen den Palästen spazieren; als ich aber an das Tor Suweila kam, war ein großes Gedränge, so daß man nicht durch das Tor kommen konnte. Nun wollte das Schicksal, daß ich gegen einen Soldaten gedrückt wurde, so daß meine Hand auf seinen Gürtel kam. Ich fühlte einen Beutel unter meiner Hand, sah hin und bemerkte, daß eine grüne Schnur zum Gürtel heraushing, und dachte, daß sie an dem Beutel befestigt sein müsse; ich sah mich um und fand das Gedränge immer größer; ich bemerkte auch, wie auf der anderen Seite des Soldaten eine Ladung Holz ihn drückte, so daß er für seine Kleider fürchtete; er wandte sich daher auf die andere Seite, um das Holz von seinen Kleidern abzulenken. In diesem Augenblick überschwatzte mich der Teufel: ich zog an der Schnur, die zum Gürtel hinaushing, und siehe da, es kam ein feiner blauseidener Beutel nach mit etwas Klingendem darin. Als ich ihn genommen, wendete sich der Soldat um, griff in den Gürtel und fand nichts mehr darin: er kehrte sich zu mir und schlug mich mit seiner Keule auf den Kopf. Ich fiel zu Boden, alle Leute umringten mich, ergriffen den Zaum des Soldaten und sagten ihm: »Weil hier so ein großes Gedränge ist, schlägst du diesen jungen Mann?« Der Soldat aber schalt über sie und sagte: »Er ist ein Dieb.«

Ich hatte mich indessen wieder aufgerichtet, die Leute sahen mich an und sagten: »Bei Gott! dies ist ein vornehmer Jüngling, der hat nichts gestohlen.« So ward eben viel hin und her gestritten: Der eine glaubte, der andere widersprach; das Volk wollte mich zuletzt vom Soldaten befreien, als der Befehlshaber der Polizei mit einem Offizier und seinem Gefolge zum Tor hereinkamen, Da sie so viele Leute um mich und den Soldaten versammelt sahen, fragten sie die Umstehenden, was es gebe? und als sie den Gegenstand des Streits erfuhren, fragte der Polizeioberste den Soldaten: »War noch jemand mit dem Jüngling?« und als der Soldat dies verneinte, befahl er dem Offizier, mich ergreifen zu lassen und nackt auszuziehen. Dies geschah; man fand bald den Beutel in meinen Kleidern - und ich fiel in Ohnmacht.

Als der Aufseher der Polizei den Beutel sah, nahm er das Geld heraus, und als er es zählte, fand er 20 Dinare. Er winkte den Offizieren, sie führten mich zu ihm hin, und er sagte: »Was, junger Mann, hat dich in ein solches Vergehen gestürzt? Sage mir die Wahrheit: du hast doch wohl diesen Beutel gestohlen?« Ich beugte meinen Kopf zur Erde und dachte: Soll ich leugnen? man hat ja den Beutel aus meinen Kleidern hervorgezogen; gestehe ich, so werde ich bestraft; ich nickte zuletzt den Kopf und sagte: »Ja, ich habe ihn gestohlen.« Als der Aufseher der Polizei dies hörte, rief er Leute herbei, die mein Geständnis bezeugten; dies alles geschah am Tore Suweila. Dann befahl er dem Henker, mir die rechte Hand abzuhauen. Alle Leute sagten, mich bemitleidend: »Der arme junge Mann!« Auch das Herz des Soldaten erweichte sich; als mir daher auf Befehl des Richters auch der Fuß abgehauen werden sollte,Man begreift nicht, warum auch der Fuß abgehauen werden sollte, da diese Strafe doch nach dem mohammedanischen Gesetze nicht bei einem ersten Diebstahl angewandt wird. flehte ich den Soldaten an; er bat für mich; der Aufseher der Polizei ließ mich los und ging fort. Das Volk blieb um mich und gab mir einen Becher voll Wein zu trinken, und der Soldat schenkte mir den Beutel, indem er sagte: »Du bist ein vornehmer Jüngling, hast nicht notwendig zu stehlen.« Dann ging auch er fort. Ich wickelte meine Hand in ein Tuch, steckte sie in meinen Busen, ging zur Wohnung der Frau und warf mich sogleich aufs Bett. Als sie mich sehr blaß fand, weil ich viel Blut verloren, fragte sie: »Wo fehlt's dir, mein Geliebter?« »Ich habe Kopfschmerzen«, antwortete ich. Sie ward sehr betrübt darüber und sagte: »Setze dich und erzähle mir, was dir heute widerfahren: denn dein Gesicht drückt viele Worte aus.« Als ich weinte, sagte sie: »Bist du etwa meiner schon überdrüssig? Bei Gott! sage mir, was hast du?« Ich schwieg und erwiderte gar nichts auf alles, was sie mir sagte. Als es Nacht war und man das Nachtessen brachte, aß ich nichts, denn ich fürchtete, sie möchte bemerken, daß ich mit der linken Hand esse; ich sagte daher: »Ich habe keinen Appetit.« Sie sprach noch einmal: »Erzähle mir doch, was heute mit dir vorgegangen und warum du so verstimmt bist.« - »Nun«, sagte ich, »es bleibt mir keine andere Wahl, ich will dir alles erzählen.« Sie brachte mir dann Wein und sprach: »Trinke, dein Kummer wird dann verschwinden.« Ich antwortete: »Wenn es durchaus sein muß, so gib mir zu trinken.« Sie reichte mir den Becher, ich nahm ihn mit der linken Hand und weinte dabei heftig.

Da fragte die Dame: »Warum weinst du, mein Geliebter, und warum nimmst du den Becher mit der linken Hand?« Ich erwiderte ihr: »Ich habe an der rechten Hand ein Geschwür.« Sie sagte: »Nimm die Hand heraus, ich will es aufstechen.« Ich antwortete: »Es ist noch nicht reif.« Ich tat mir dann Gewalt an und trank; ich ward berauscht, und als ich einschlief, stand die Dame auf und sah nach meiner Hand, fand aber nur einen Arm ohne Hand; als sie mich untersuchte, fand sie auch den Beutel und meine Hand in ein Tuch gebunden; sie war die ganze Nacht höchst bestürzt. Als ich erwachte, hatte sie mir schon eine Suppe mit fünf Hühnern gekocht, sie reichte mir auch Wein dazu, ich trank, legte den Beutel ab und wollte wieder gehen. Da sagte sie: »Wohin? sitze noch! Ich sehe, daß deine Liebe zu mir so stark geworden, daß du meinetwillen alles, was du besessen, ausgegeben und zuletzt noch deine Hand dazu verloren hast; ich rufe hiermit Gott als Zeugen an, daß ich nicht anders als unter deinen Füßen sterben will und du sollst einst sehen, daß ich wahr geredet!« Sie ließ sogleich Zeugen rufen und den Ehe-Kontrakt schreiben. Dann sagte sie dem Schreiber: »Schreibet auch, daß alles, was ich besitze, diesem Manne gehören soll.« Sie gab dann den Zeugen ihren Lohn, stand auf, faßte mich bei der Hand, stellte mich vor eine Kiste und sagte: »Siehst du hier diese Tücher, in denen du mir dein ganzes Vermögen gebracht? Nimm es hin, du bist ein lieber, teurer Mann, ich kann dich nicht genug belohnen.« Sie schloß hierauf die Kiste, die mein Geld enthielt, zu; ich freute mich und mein Kummer verschwand. Als ich ihr dankte, sprach sie: »Bei Gott! wenn ich dir mein Leben schenkte, wäre es auch noch zu wenig.« Wir blieben dann nicht ganz einen Monat beisammen, da ward sie krank; ihre Krankheit nahm immer zu und sie betrübte sich um meinetwillen sehr; nach nicht ganz fünfzig Tagen starb sie. Ich war ihr Erbe und fand unschätzbare Reichtümer, worunter auch die Sesam-Magazine, die ich dir verkauft, du Christ.

»Da ich nun mit vielen anderen Dingen zu tun hatte«, fuhr der junge Mann fort, »blieb mir keine Zeit, bei dir mein Geld zu holen; jetzt bin ich fertig mit allem, was meine Frau mir hinterlassen. Nun aber, bei Gott! du Christ, widersetze dich nicht dem, was ich tun will: da ich doch einmal in dein Haus gekommen und deine Speisen gegessen, so nimm das Geld für den Sesam als ein Geschenk von mir an; es gehört zu dem vielen, das mir Gott beschert hat. Nun weißt du, warum ich mit der linken Hand gegessen.« Dann sagte er: »O Christ! willst du wohl eine Reise nach fremden Ländern mit mir machen? Schon habe ich Waren eingepackt.« Ich willigte ein und versprach ihm, in einem Monat mitzureisen. Auch ich kaufte dann Waren ein und reiste in euer Land mit dem jungen Manne, der hier wieder andere Waren einkaufte und damit nach Ägypten ging; bei mir aber wollte das Schicksal, daß ich hier blieb. Dies ist meine wunderbare Geschichte, ist sie, o König, nicht wunderbarer, als die des Buckligen?« - »Nein«, sagte der König, »sie ist nicht wunderbarer, als die des Buckligen.« Nun trat der Küchenaufseher hervor und sagte dem König von China: »O glückseliger König! wenn ich dir eine Geschichte erzähle, die mir gestern Abend begegnete, ehe ich diesen Buckligen gefunden, und sie dir besser gefällt, als die des Buckligen, wirst du uns dann freilassen und uns das Leben schenken?« - »Wohl«, antwortete der König, »wenn ich sie wunderbarer als die Geschichte des Buckligen finde, so schenke ich euch allen vieren das Leben.«

Der Aufseher erzählte nun:


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