Louis Weinert-Wilton
Die Panther
Louis Weinert-Wilton

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17

Was die Räume des Strandhotels an Behaglichkeit und Prunk zu bieten vermochten, war an diesem Abend entfaltet worden, um die Werbewoche für Chesterhills in entsprechender Weise einzuleiten. Die Speisesäle sowie die unmittelbar anstoßenden Spielzimmer und Tanzräume lagen in stimmungsvollem gedämpftem Licht, und mit dem herben Geruch des frischen Lorbeers, der alle Winkel und Nischen füllte, mischte sich der Duft Tausender von Rosen, die man in verschwenderischer Fülle geopfert hatte.

Und diesem prächtigen Rahmen entsprach das lebendige Bild, das er faßte. Bereits von den ersten Abendstunden an war Wagen auf Wagen vorgefahren, und das Strandhotel hatte den glänzendsten Tag seiner allerdings erst sehr jungen Geschichte. Zwischen den gut bürgerlichen Badegästen tauchten immer zahlreicher höchst mondäne Erscheinungen auf, und es bereitete Colonel Rowcliffe eine gewisse Befriedigung, den geschäftig hin und her eilenden Mr. Hearson auf einige besonders prominente Persönlichkeiten aufmerksam machen zu können.

Die Damen in ihrer Begleitung prunkten in gepflegter Schönheit, in wundervollen Roben und kostbaren Juwelen, und Mr. Hearson musterte durch seine starken Gläser all den Glanz mit sichtlicher Genugtuung.

»Ich habe veranlaßt, daß von dem heutigen Abend einige Filmaufnahmen gemacht werden«, vertraute er dem Colonel an, »die wir dann in einem großen Londoner Kino laufen lassen wollen. Dem einen oder dem anderen Gast wird das vielleicht nicht gerade angenehm sein«, fügte er hinzu, indem er wieder einmal seine Brille zurechtschob, »aber darauf können wir natürlich keine Rücksicht nehmen. Es handelt sich für uns darum, Chesterhills in Mode zu bringen, und ich glaube, diese Reklame wird sehr effektvoll werden. Natürlich werden wir den Film erst überprüfen und wenn . . .« Er unterbrach sich mitten im Satz und blinzelte mit vorgeneigtem Kopf nach der Tür des Speisesaals, durch die sich eben wieder ein neuer Gast schob.

Colonel Rowcliffe, der den Mann ebenfalls bemerkt hatte, räusperte sich mit einem raschen, verstohlenen Seitenblick auf Hearson, und dieser sah höchst verlegen und ratlos drein. »Mr. Murphy«, murmelte er halblaut und unschlüssig. »Darauf war ich nicht vorbereitet, denn er war bereits am Nachmittag furchtbar müde, und ich nahm an, daß er sich zur Ruhe begeben würde. Die Sache ist etwas peinlich, denn wenn man ihn erkennt, dürfte vielleicht die Stimmung dadurch beeinträchtigt werden. Vor allem in den Spielzimmern. Immerhin . . .«

Er sprach nicht aus, sondern schlängelte sich geschmeidig und gewandt durch die dichtbesetzten Tischreihen zu Mr. Murphy, der eben eines der letzten kleinen Tischchen an der Längswand ergatterte, indem er einem eleganten Herrn mit einem liebenswürdigen Lächeln den Stuhl vor der Nase wegzog. Als er sicher und bequem saß, winkte er dem nahenden Hearson sehr herzlich zu und beschäftigte sich dann sofort eingehend mit der Speisekarte.

»Es ist sehr nett von Ihnen, daß Sie sich unseren Betrieb auch ein bißchen ansehen«, begann der Herr mit der Brille, indem er sich auf den höflich angebotenen Platz niederließ, aber der Oberinspektor blinzelte vielsagend und machte eine kurze Handbewegung.

»Offengestanden«, flüsterte er, »ist mir jeder solcher Rummel zuwider, aber der Mensch muß doch wenigstens einmal am Tage essen. Den Lunch habe ich glücklich verschlafen, und um ein Haar wäre es mir mit dem Dinner ebenso ergangen. Aber dann hat sich plötzlich mein Magen ganz energisch gemeldet, und schließlich muß ich doch meinen Frack auch einmal ausführen. Ich habe ihn eigens mitgenommen, weil ich mir dachte, daß sich hier sicher eine Gelegenheit ergeben wird, ihn gründlich auszulüften.«

Er strich liebevoll über die etwas speckigen und zerknitterten Aufschläge, und in den Duft des Lorbeers und der Rosen mengte sich der scharfe Geruch eines kräftigen Mottenpulvers.

Die Gesellschaft Hearsons sicherte Murphy die besondere Aufmerksamkeit der Bedienung, und er konnte seine Wahl in aller Ruhe und mit der wünschenswerten gründlichen Überlegung treffen. Nachdem er ungefähr die halbe Speisekarte herunterdiktiert hatte, glaubte er dem höflich wartenden Hearson eine Erklärung für seinen gewaltigen Appetit schuldig zu sein.

»Ich bin sonst gerade kein starker Esser«, versicherte er, »aber sowie ich ein bißchen frische Landluft schnappe, kommt ein förmlicher Heißhunger über mich; besonders wenn so delikate Sachen zu haben sind wie hier.« Er faltete die Hände über dem Leib und schmatzte erwartungsvoll. »Und dann noch eine oder vielleicht auch zwei Flaschen Porter, eine gute Zigarre und ein paar Stunden Schlaf, und ich werde wieder auf dem Damm sein. Der heutige Tag war doch etwas zuviel für mich.«

»Einen Blick in die Spielzimmer und in die Tanzräume sollten Sie aber doch tun«, empfahl Hearson in seiner pedantischen Art, aber der Oberinspektor schüttelte sehr entschieden den Kopf. »Das können Sie nach dem, was ich heute schon geleistet habe, nicht von mir verlangen. Außerdem verstehe ich vom Spiel genau so wenig wie vom Tanzen. Nein, ich bleibe hübsch gemütlich hier sitzen, und wenn meine Stunde kommt, krieche ich solid unter die Decke. Morgen ist auch noch ein Tag, und ich werde verdammt zu tun haben, wenn ich mit der gewissen Geschichte vom Fleck kommen soll.«

»Haben Sie vielleicht bereits irgendeinen Anhaltspunkt?« erkundigte sich Hearson höflich.

»Einen Anhaltspunkt?« echote Murphy mit verwunderten Augen. »Wo denken Sie hin! Das geht nicht so rasch. Ich bin doch noch nicht einmal zwölf Stunden hier. – Wenn Sie mich in zwölf Tagen fragen werden, werde ich vielleicht schon etwas klüger sein, obzwar das ein ganz niederträchtiger Fall ist, bei dem ich gar nichts versprechen will.«

Der dienstbeflissene Kellner servierte den ersten Gang, und der hungrige Murphy griff so hastig nach seinem Besteck, daß Hearson es an der Zeit fand, sich zu empfehlen.

»Ich hoffe, daß ich noch Gelegenheit haben werde, ein wenig mit Ihnen zu plaudern«, sagte er verbindlich. »Und wenn Sie gestatten, wird sich auch Colonel Rowcliffe, der ebenfalls zu unserem Direktorium gehört, Ihnen vorstellen.«

Der Oberinspektor neigte den massiven Oberkörper und senkte die Gabel wie einen Degen.

»Es wird mir eine besondere Ehre sein«, versicherte er.


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