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Ein junges Schaf lief an der Seite des Böckleins glücklich über die Wiese. Es schmiegte seine feuchte Schnauze dicht an die Nase seines Gefährten, und die Löcklein ihrer weichen, wolligen Felle kräuselten sich ineinander. Das gefiel dem Schäflein, das neben seiner Mutter graste.
»Frau Mutter, ich will auch heiraten,« sagte es, »heiraten ist ein schönes Ding!« Bedächtig sah das Schaf auf sein Junges.
»Wie man's nimmt,« sagte es, »aber schön, oder nicht schön, ein wohlerzogenes Schäfchen sagt nie, daß es gerne heiraten möchte.«
»Frau Mutter, ich denke es aber!«
»Denke es so viel du willst, Schäfchen, aber sag es nicht. Als ich jung war, wäre es keinem von uns eingefallen, vom Heiraten zu reden.«
»Aber geheiratet habt ihr doch alle.«
»Natürlich! Selbstverständlich! Aber das ist etwas anderes als davon reden.« Eine alte Ziege hatte zugehört.
»Die Jugend von heute ist überhaupt schamlos,« sagte sie. »Da habe ich neulich erleben müssen, daß zwei halbwüchsige Ziegen von ihren zukünftigen Jungen sprachen!«
»Ja, darf man das auch nicht?« fragte das Schäflein, »darum heiratet man ja eben, um Junge zu kriegen.«
»Schweig,« rief das Schaf erschrocken.
»Pst, pst, pst,« mahnte die Ziege.
»Ich kann nur etwas nicht begreifen,« fing das Schäfchen wieder an. »Neulich sagte ich, ich wollte nicht heiraten, es sei lustiger so, als wenn man sich ewig um seine Jungen kümmern müsse und nie springen könne, wohin man wolle. Da haben mich alle gescholten, und haben gesagt, das sei die Bestimmung eines Schafes, Mutter zu werden, und die Natur habe es so gewollt. Und der Herr Vater hat mir gesagt, ich sei ein ganz entartetes Lamm, und kein Böcklein werde mich je heiraten wollen, wenn ich eine solche Gesinnung hätte. Und jetzt werde ich wieder gescholten und habe nun doch die richtige Gesinnung.« Das Schäfchen mähte kläglich.
»Kind,« sagte die Alte, »es ist da ein Unterschied. Sagst du, du habest keine Lust zum Heiraten, es sei dir unbequem und du wollest deine Freiheit wahren, so fallen alle männlichen Schafe über dich her. Und sagst du, du möchtest gerne heiraten, die weiblichen. Sagst du aber, du freuest dich auf deine Jungen, so nennen dich die Mutterschafe schamlos, und sagst du, du hättest lieber keine, so schütteln alle die Köpfe, die männlichen und die weiblichen, die alten und die jungen. Darum, Schäfchen, sei klug! Schweig! Denken kannst du, was du willst!« Die alte Ziege nickte.
»Du hast eine kluge Mutter,« sagte sie. – Das Schäfchen beherzigte der Mutter Lehren.
»Dein Junges entwickelt sich prächtig,« sagten die Verwandten zu dem alten Schaf. »Es kann nicht fehlen, es wird sich bald verheiraten.« Bescheiden schwieg die Alte, und kaute an einem Gräslein.
Bald darauf verliebte sich das Schäflein. Und tüchtig. Da hatte es plötzlich alle Lehren seiner Mutter vergessen. Es sagte jedem offen, daß es sich entsetzlich auf das Heiraten freue, daß es mindestens ein Dutzend Junge haben möchte, und daß es nicht gewußt habe, wie lieb ein Böcklein sei. Es sagte das alles keck heraus und erwartete ungeheure Schelte. Aber es kamen keine. Böcke und Schafe freuten sich über das naive Schäflein.
»Frau Mutter,« fragte es erstaunt, »Wie kommt es, daß das, was ich sage, nun auf einmal nicht mehr unpassend ist?«
»Schäfchen,« sagte das alte Schaf, »Das will ich dir sagen. Ehe man weiß, ob dich einer will, mußt du schweigen zu allen Dingen. Will dich aber einer, so darfst du von dem Augenblick an sagen, was du willst. Auch denken. Auch tun.«
»Ich will es mir merken, Frau Mutter,« sagte das junge Schaf und sprang lustig mit seinem Böcklein davon.