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Der Goldfasan

Die Türe des Hühnerhofes knarrte. Man schob ein goldenes Etwas herein. Es flatterte herum, kreischte, beruhigte sich und sah sich um. Es war ein Goldfasan.

Er überblickte die Hühner und Enten, die ihn verwundert anstarrten, senkte hochmütig die Augenlider, hob den Schnabel und sagte: »Ich bin ein Goldfasan!« Dann sah er sich um, welchen Effekt seine Worte auf die Hühner gemacht hatten.

»Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen!« sagte der Hahn im Namen aller. »Ein aufgeblasener Kerl,« dachte er dabei.

»Ein recht gewöhnlicher Patron,« urteilte der Fasan über den Hahn. Er ging langsam auf und ab, seine Schwanzfedern schleiften auf der Erde, und seinen goldenen Kragen schob er unaufhörlich nach vorn, erst nach links und dann nach rechts. Dann sah er sich wieder um, was die Hühner wohl dazu sagten. Er konnte zufrieden sein.

»Ein ausnehmend vornehmer Vogel,« sagte die Gelbe.

»Das ist etwas anderes als unser Hahn,« gluckste die Graugesprenkelte.

»Du, sieht man, daß mein Kamm erfroren ist? Ist er blau?« fragte ein großes, schwarzes Huhn mit riesigem Kamm.

»Nein,« sagte die Gelbe. Aber man sah es doch.

»Sieh, wie trübselig sich unser Hahn ausnimmt, den herrlichen, goldenen Federn des Fasans gegenüber. Der muß reich sein.«

»Und vornehm!« sagte die Graugesprenkelte.

Ein sehr schönes, weißes Huhn mit großem, rotem Kamm spazierte am Fasan vorbei. Es war des Hahns Lieblingshenne. Der Goldene machte seine schönsten Bücklinge und schob den Kragen unaufhörlich nach vorne, daß es gleißte und glänzte.

»Wie herrlich ist Ihr Gefieder, schöne Italienerin.«

»Bitte!« sagte sie und rauschte mit den Federn.

»Und welch herrliches Rot schmückt Ihren Kamm! Nie sah ich dergleichen!« rief feurig der Goldfasan.

»Bitte!« gluckste verschämt das Huhn.

»Gehören Sie dem Hahn hier?« fragte der Goldfasan.

»Ja, bis jetzt!« sagte das Huhn. Des Goldfasans Kragen schnellte nach vorn, er blies sich auf, er rasselte mit den Federn und schüttelte sich. Er funkelte förmlich.

»Wenn ich Sie zu einem Gang durch die Wiesen einladen dürfte?« fragte er.

»Ach bitte, ja!« gackerte schmelzend das Huhn. Sie gingen. Durch das hohe Gras glänzte es golden und schimmerte es weiß. Der ganze Hühnerhof sah den beiden nach.

»Es hört einfach alles auf,« sagte eine behäbige Henne mit zehn schwarzen Kücken, »einfach alles!«

»Und begreifst du, daß er unter allen gerade die Weiße ausgewählt hat? Das dumme Ding, fade wie Bohnenstroh?« fragte ein junges, schwarzes Hühnchen.

»Aber schneeweiß!«

»Schneeweiß! Dem Hahn gefällt schwarz besser!«

»Was willst du denn mehr? Oder hätte der Goldene dort auch schwarz schöner finden sollen?«

Der Hahn stand auf dem Mist und scharrte Körner heraus und Regenwürmer für seine Hühner. Er krähte laut und schmetternd, daß man es über zwei Wiesen hören konnte. Stolz überflogen seine Augen seine wohlgenährte und wohlgehütete Schar.

»Hahn! Du solltest auch so glänzende Federn haben,« sagte eines der Hühner und betrachtete geringschätzig die schöngebogenen, grünen Sicheln des Hahns.

»Und einen bronzenen Rücken!« kritisierte ein zweites.

»Und einen goldenen Kragen!« piepste das junge Hühnchen.

»Ich bin, wie ich bin,« sagte der Hahn. »Wer fort will, kann gehen.«

»Sei nur nicht gleich so grob,« schalt das graugesprenkelte Huhn, das vorhin dem Goldfasan zugehört hatte, als er mit dem weißen Huhn sprach, »wir wollen uns das nicht gefallen lassen.«

Das schneeweiße Huhn kam zurück mit seinem Begleiter. Die ganze Hühnergesellschaft umstand den glänzenden Vogel und bewunderte ihn.

Gravitätisch kam der Hahn geschritten.

»Fasan! Das weiße Huhn gehört zu mir. Du mußt mit mir darum kämpfen.« Der Fasan war kein Feigling. Er blähte sich und stellte sich in Positur.

Lange standen sie so, Auge in Auge, den Hals gestreckt, die Sporen bereit. Dann schossen sie aufeinander los und hackten sich mit den Schnäbeln. Und plötzlich standen sie wieder unbeweglich einander gegenüber.

Goldene und grüne Federn flogen herum, und goldene und grüne Federn lagen auf der Erde um die zwei Kämpfer.

Leise gackernd und glucksend standen die Hühner im Kreise herum. Die Schneeweiße tat, als gehe sie die Sache nichts an. Sie zerhackte einen Regenwurm und schielte dabei unter ihrem Kamm hervor nach Hahn und Fasan.

Plötzlich ertönte ein sonderbarer, krähender Schrei, der Hahn taumelte, kreischte, flatterte und lag auf der Erde. Blut lief über die Federn des Halses und färbte sie dunkelrot. Der Verwundete zuckte, schlug mit den Flügeln und wurde still. Dann schnappte er nach Luft und war tot.

Es erhob sich ein großes Gegacker, ein Wehklagen und Jammern und Piepsen.

»Wer sucht uns nun die Käfer? Und die guten, zarten Regenwürmer? Wer beschützt uns vor dem Habicht? Wer? Wer?«

»Ich bin nun euer Beschützer,« sagte der Goldfasan, und die Hühner gaben sich zufrieden.

Das Schneeweiße stand neben ihm und strich zärtlich eine Feder glatt an seinem goldenen Halskragen.

»Ich liebe dich ewig,« sagte der Goldfasan zu ihr. Das italienische Huhn schloß die Augen vor Glück.

Am nächsten Tag war der Goldfasan verschwunden.

Die Hühner saßen ganz verstört auf dem Mist und sahen hinüber in den Nachbarshof, wo unter Fasan und bronzenen Puten der Goldfasan herumspazierte, ohne auch nur einmal den Hals nach der verlassenen Schar zu drehen.

Die Schneeweiße flog auf den Zaun, sah sehnsüchtig hinüber und gluckste.

Der Fasan sah sie, senkte die Lider, hob den Schnabel und schob seinen Kragen vor. Dann ging er mit seiner goldenen Gefährtin weiter.

Lautlos saß das arme Weiße auf dem Zaun. Dann streckte es den Kopf unter die Flügel und rührte sich nicht mehr.

Dicht zusammengedrängt stand die verwaiste Hühnerschar. Dann sagte eine: »Wenn wir doch unsern Hahn wieder hätten!«

»Ja,« sagte die Graugesprenkelte, »nun können wir unsere Regenwürmer selber suchen!« Und eifrig begannen sie alle zu scharren.

 


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