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Die beiden Freunde, Sinibald
Von Villador und Guido von Ripalt,
Seit jener Zeit, da sie den stillen Musen
Als Knaben zu Salern und Padua
Den Hof gemacht, ein Herz in zweien Busen,
Gerade wie Rosin' und Clelia,
Sie hatten, als sie müde waren,
Auf Glück und ohne Zweck im Land' herum zu fahren,
Palerm (wo Sinibald auf eine Erbschaft zählt)
Vor kurzer Zeit zum Aufenthalt' erwählt.
Nun war durch eine feine Kette
Von Fragen zwar der forschenden Laurette
Das Haus, wo Guido wohnt, allein
Nicht auch zugleich der Umstand kund geworden,
Daß noch ein Herr von seinem Schlag' und Orden
Darin zu finden sey. – Man hatt' es aus der Acht
Gelassen – kurz, es mußte sich so schicken.
Nun bitt' ich, seht, was Amor mit den Krücken
Aus dieser Kleinigkeit für ein Stück Arbeit macht!
Laurette kommt, dem Guido nachzufragen.
Das Haus ist offen; Niemand zeigt
Sich bei der Thür', um ihr Bescheid zu sagen;
Und, da sie eine Weil' umsonst gewartet, steigt
Sie allgemach die lange Wendelstiege,
Als ob sie centnerschwer an ihrer Sendung trüge,
Hinauf, und, stets der kleinen Nase nach,
Geräth sie in ein Vorgemach.
Da öffnet sich ein Zimmer, und ein netter
Bildschöner junger Herr tritt, wie bei heiterm Wetter
Der Gott des Tags aus seinem goldnen Thor',
In vollem Glanz' aus dem Gemach' hervor
Und fragt sie freundlich, was sie wolle?
Das Mädchen, das die Hälfte seiner Rolle
In diesem Augenblick verlor,
Setzt in der Angst voraus, der schöne Ritter könne
Kein andrer seyn, als just der Herr vom Haus,
Zu dem sie will, und der sich Guido nenne,
Und bittet ein geneigtes Ohr sich aus,
Um in geheim ihm etwas vorzutragen.
Die Jungfer sah so gut und ehrlich aus,
Daß, ihr die Bitte abzuschlagen,
Nicht möglich war. Der Herr faßt ihre Hand,
Führt sie hinein und heißt sie niedersitzen.
Sie, die den Rücken anzustützen
So nöthig als nach Luft zu schnappen fand,
Schwieg immer noch, indeß der Junker wartend stand
Und, ahnungsvoll, bei Frost und schnellen Hitzen
Am ganzen Leib zu schaudern und zu schwitzen
Begann. Der Zustand beiderseits
War sonderbar genug und hatte nun bereits,
Seitdem der Herr auf ihren Vortrag lauert,
Zwei oder drei Minuten fortgedauert:
Als endlich mit erröthendem Gesicht,
Den Blick auf ihre Schürze, sich Laurette
Zusammenrafft und ihm (nach einem Vorbericht,
Der durch Method' und Klarheit eben nicht
Sich sehr empfahl) von Sanct Kathrinens Mette
Und einem jungen Herrn und einem Fräulein spricht,
Die er in ihrer Andachtspflicht
Durch seiner Blicke Glut beinah gestöret hätte.
Der Herr – der (wie der schlaue Leser bald
Vermuthet hat) der schöne Sinibald
Leibhaftig war, und dem seit jener Mette
Rosinens holdes Bild in einem steten Traum
Vor Augen schwebt – hält sich beim ersten Worte kaum,
Die Rednerin zu unterbrechen,
Natürlich kann das Mädchen ja
Von Niemand als von ihm und seinem Engel sprechen!
In diesem Wahn zerdrückt er ihr beinah
Die runde Hand vor fröhlichem Entzücken,
Hat Athems kaum genug, das Feuer auszudrücken,
Worein der erste Blick des Fräuleins ihn gesetzt,
Und überfließt von Dank, daß sie ihn würdig schätzt,
Ihn der Verzweiflung zu entrücken,
Womit er sich drei Tage schon gequält,
Da alle seine Müh den Weg zu ihr verfehlt.
So geht es in der Welt! Wenn man's aufs allerbeste
Gemacht zu haben meint, so hat man sich verzählt!
Laurette glaubt ihr Credo nicht so feste,
Als daß der Herr, der so entzückt
Von seiner Liebe spricht und ihr die Hand zerdrückt,
(Vermuthlich, weil er, vor Entzücken
Ein wenig toll, des Fräuleins Hand zu drücken
Vermeint) der Guido ist, zu dem man sie geschickt:
Hingegen Sinibald hegt nicht den kleinsten Zweifel,
Daß die, für die sein Herz in lichter Lohe brennt,
Ihm diese Botschaft schickt und Clelia sich nennt.
So hatte denn der kleine Hinketeufel
Sein Ziel erreicht und sieht in schadenfroher Ruh,
Die Hand im Schoße, nun dem weitern Fortgang zu.
Der Ritter schwört, zu Handen ihrer Dame,
Lauretten ew'ge Lieb' und Treu,
Schwört, daß von nun an Cleliens schöner Name
Das Losungswort von seinen Trieben sey;
Und bittet sie (indem ein Regen von Zechinen
Auf ihren Schoß ihm durch die Finger fällt)
So schön um ihren Schutz, daß sie für Pflicht es hält,
So einem feinen Herrn nach Möglichkeit zu dienen.
Das Weitere soll morgen zwischen ihnen
Aus einem Hinterhaus, wohin sie ihn bestellt,
Durchs Fenster abgehandelt werden.
»Der Schatz wird ohne viel Beschwerden
Zwar nicht zu heben seyn, da ihn bei Tag und Nacht
Ein alter Greif, der selten schläft, bewacht:
Doch, gnäd'ger Herr, kommt Zeit und Stunde,
So kommt auch Rath; es bleibt bei unserm Bunde!
Sie finden, wie gesagt, nach zehn, bei Sternenschein,
(Wenn auf den Gassen Alles schweiget)
Sich morgen Nachts vor unserm Garten ein,
Und, wenn was Weibliches sich dann am Fenster zeiget,
So nahn Sie sich getrost, ich werd' es selber seyn.«
So spricht Laurett' und eilt so guter Dingen,
Als eine Hand voll Gold und ein gelungner Streich
Nur immer machen kann, um Clelien sogleich
Den glücklichen Erfolg zu hinterbringen.
Das Fräulein glaubt kaum ihrem eignen Ohr,
So wunderlich kommt ihr die Sache vor.
»Er liebt mich, sagst du?« – O, das hat sich noch zu fragen!
Er schwärmt vor Lieb', er ist verrückt,
Ist außer sich, ist – kurz, was kann ich Stärkers sagen?
Da sehn Sie, wie er mir die Hände blau gedrückt,
Bloß weil ich Ihre Magd zu seyn die Ehre habe!
»Unmöglich konnt' er doch mich durch ein Gitter sehn!«
Wer weiß? Er hat vielleicht so eine eigne Gabe,
Wie Christnachts-Kinder Geister sehn.
Es konnt' auch nach der Mess', auch unterwegs geschehn.
Genug, er spricht, er habe Sie gesehn;
Er wird es doch am besten wissen können
Und nicht für langer Weil' wie Mongibello brennen;
Er nahm, noch eh' er recht verstund,
Wovon ich sprach, das Wort mir aus dem Mund'
Und malte Sie, als ob Sie vor ihm ständen;
Sprach so entzückt von Ihren Lilienhänden,
Von Ihrem blauen Aug – »Sind meine Augen blau?
Du faselst!« – Nun, das konnt' er so genau,
Zumal bei Licht, von ferne nicht erkennen:
Genug, er hörte mich kaum Ihren Namen nennen,
So that er wie verrückt, schwor Ihnen ew'ge Treu',
Und, sage, sprach er, deiner Dame,
Daß nun auf ewig Cleliens schöner Name
Das Losungswort von meinen Trieben sey.
Und Guido ist gewiß ein Mann von Stand und Ehre:
Ich sehe nicht, was hier noch zu bedenken wäre.
Man glaubt so gern, was unsre Wünsche kirrt,
Daß man, in Cleliens Fall, leicht abergläubig wird.
Zufrieden mit der seichtesten Erklärung,
Gibt das bestochne Herz dem ersten besten Schein
Von einem Grund die selbstbeliebte Währung
Und geht so gern' in alle Fallen ein,
Die ihm die Neigung stellt! – Was Wunder,
Wenn Clelia den dünnen Liebeszunder
Begierig hascht, den ihr Laurette reicht,
Sich mit der Möglichkeit der Sache bald vergleicht
Und dem Betrug, von Guido, den sie liebet,
Verehrt zu seyn, mit Freuden sich ergibet!
Wir haben schon von ihrer raschen Art
Vorhin ein Wörtchen fallen lassen.
Sie pflegte nichts so sehr wie Langsamkeit zu hassen,
Und Rath und That war stets bei ihr gepaart.
Kein Pulverfaß kann schneller Feuer fangen;
Und, hätt' ein Zauberer noch in derselben Nacht
In einem Luftschiff' ihr den Guido hergebracht,
Sie wäre, glaub' ich, stracks mit ihm davon gegangen.
Zum Glücke war die Noth so dringend nicht.
Ihr ruhiges, gleichgültiges Gesicht
Läßt ihren Alten nichts von Hochverrath besorgen:
Und, ob er gleich sehr viel von Hochzeit spricht
Und Anstalt macht, als wär's auf nächsten Morgen,
Herzstärkungen und Kräuterbäder braucht,
Den Kopf, der wie ein Espenwipfel zittert,
Dreimal des Tags in kaltes Wasser taucht
Und weitre Hosen trägt und seine Waden füttert;
So ist er doch, hält nur ihr Guido Stich,
Mit Allem dem ihr wenig fürchterlich.
Allein, wie ging's indeß der guten kleinen Muhme
Rosinen? fragt ihr mich. – Nicht eben allzu gut!
Sie hatte schon drei Nächte schlecht geruht
Und hing ihr schönes Haupt, wie eine Maienblume
Nach einem Frost'. Ihr After-Guido lag
Seit Sanct Kathrinens Namenstag'
Ihr stets im Sinn'. Er hatte, seinen Mienen
Und Blicken nach, von ihr entzückt geschienen
Und ließ doch, ohne sich um sie
Zu kümmern, einen, zwei, drei Tage schon verstreichen.
Drei Tag', und nicht das kleinste Lebenszeichen!
»Nun (denkt sie) seh' ich wohl, ich hatte mir zu früh
Geschmeichelt, ihn gerührt zu haben!
(Und der Gedanke weckt auf ein Mal ihren Stolz)
Es zeigt sich nun, er ist aus keinem bessern Holz
Geschnitzt, als andre leichte Knaben:
Ein schöner Kopf, und keine Seele drin!
Wohl hat die Tante Recht! So sind die Ungeheuer,
Die Männer, insgesammt! Ein Blick setzt sie in Feuer,
Doch, aus den Augen, aus dem Sinn!
Was hält mich, daß ich nicht mich seiner auch entschlage
Und das verhaßte Bild wie ein Gespenst verjage?«
Verhaßt? – Sie irrte sich im Wort:
Solch ein Gespenst jagt sich so schnell nicht fort!
Es hatte sich an ein zu schönes Ort
Bei ihr versteckt. Da half kein Ave sagen,
Und würde sie dazu auf harten Erbsen knien;
Es will von keinem Kreuz, vor keinem Weihbrunn fliehn;
Gern' oder nicht, sie muß es tragen!
Auch trägt sie es in schweigender Geduld
Und nimmt's als Büßung auf für ihre Sündenschuld.
Frau Clare selbst, und sollt' ihr Herz zerspringen,
Darf nicht ein Wörtchen mehr vom schönen Guido singen:
Genug, daß sie in Ruh des Schlafes Nektar schlürft,
Indeß Rosine, grambeladen,
Sich hin und her auf ihrem Lager wirft,
Und ihre Augen sich in stillen Thränen baden.
Sonst, wenn nur eine Kleinigkeit
Ihr zustieß, eilte sie an ihren Kammerladen;
Da fand sie stets ein Schwesterherz, bereit,
Den kleinen Schmerz mit ihr zu theilen
Und oft durch Mitgefühl zu heilen.
Jetzt, ob sie schon sich zur gewohnten Zeit
Noch täglich sehn, ist doch die Offenheit
Der vor'gen Unschuld weg; man hat sich viel zu sagen
Und sagt sich nichts; man möchte Manches fragen,
Und immer hält die Furcht, wiewohl kein Grund
Zu fürchten ist, den unentschloss'nen Mund.
Man hatte sich gesucht und scheut sich, zu verweilen,
Und immer findet sich ein Vorwand, wegzueilen;
Kurz, seit der Schelm Asmodi sie beschlich,
Hat jede Freundin nun ihr eigen Herz für sich,
Und beide sind (wiewohl die Ursach' ihren Sinnen
Ein Räthsel ist) schon Nebenbuhlerinnen.
Inzwischen sank auf die Palermer Welt
Die Nacht herab, worin, zur Stunde der Gespenster,
Den schönen Sinibald, den sie für Guido hält,
Laurette Tags zuvor ans Fenster
Im Hinterhaus zur Conferenz bestellt.
Die Liebe, wie ihr wißt, verzählt sich leicht in Stunden
Und rechnet gern Minuten für Secunden.
So ging's auch jetzt dem edeln Villador,
Er stellte sich beim angewiesnen Garten
Zwar richtig ein, allein er kam der Zeit zuvor.
Voll Ungeduld, so lang' umsonst zu warten,
Trabt er, indeß die Milz ihm mächtig schwillt,
Bis an die Augen eingehüllt,
Mit großem Schritt' in einer kleinen Ferne
Vom Haus' im Dunkeln auf und ab
Und hält, weil weder Mond noch Stern ihm Helle gab,
Von Zeit zu Zeit die kleine Blendlaterne
Aus seinem Mantel durch die nebelvolle Nacht
Am Haus' empor. Auf einmal wird ganz leise
Ein kleines Fenster aufgemacht,
Und eine Weibsgestalt steckt wie verstohlner Weise
Den Kopf heraus. Das muß Laurette seyn,
Denkt Sinibald und nähert sich; allein,
Wiewohl er fest darauf geschworen hätte,
Sie sey's, so irrt' er sich, es war doch nicht Laurette.
Frau Clare war's, die, vom Laternenschein
Geblendet, was es sey, aus Neugier sehen wollte.
Ich weiß nicht, was die Frau in ihrem Hinterhaus,
Das hart an Clelien's stieß, zur Wirthschaft holen sollte:
Genug, der böse Feind, in eine Fledermaus
Versteckt, der seinen Spaß mit beiden treiben wollte,
Zog auf der Stelle Vortheil draus.
Frau Clare hatte kaum verstohlen
(Nachdem sie sich dem ganzen Himmelsheer'
Und seiner Königin empfohlen)
Das Fenster aufgemacht, hinaus zu sehn, woher
Der Schimmer käm', als ihr – o Wunder über Wunder!
Beim ersten Blick der Mann ins Auge fällt,
Den ihre Dame liebt und für verloren hält.
Vor Freud' und Schrecken sinkt die Lampe sammt dem Plunder,
Den sie zu holen kam, ihr aus der schlaffen Hand.
»Ist's möglich, oder hab' ich Sand
Im Auge? Seh' ich recht? Sind Sie es?« – Welche Fragen!
(Spricht jener) Ist die Jungfer nebelblind?
Die Glocke wenigstens scheint nicht für sie zu schlagen.
Doch das ist nun vorbei, mein Kind!
Wir haben uns doch wohl was Wichtigers zu sagen!
Wie ist dein Fräulein gegen uns gesinnt?
Was darf ich hoffen? – »Hoffen? – Ist von Hoffen
Die Rede schon? (erwiedert ihm betroffen
Frau Clar', für die er lauter Räthsel spricht)
Mein schöner Herr, so weit sind wir noch nicht!
Bewährte Treu kann freilich Alles hoffen:
Allein« – Was hör' ich? (ruft der junge Herr betrübt)
Dein Fräulein kann ein Herz verkennen,
Das sich beim ersten Blick' auf ewig ihr ergibt?
O, wie ich liebe, ward kein Mädchen je geliebt,
Und Engel können nicht von reinern Flammen brennen!
»Sie sprechen Alle so; doch, kommt's zur Probe« – Gut!
(Ruft Sinibald) wiewohl dein Zweifelmuth
Mich kränkt, so ist die Treue doch zu loben,
Die aus dir spricht. Gut! setze mich auf Proben!
Ich selbst verlang' es – Sag, was ich ihr opfern soll;
Ich bin bereit! und hätt' ich Kaiserkronen,
Ich legte sie – Nun ja! wir sehn, sein Herz war voll:
Man schenkt an seinem Platz nichts leichter weg als Kronen.
Doch uns gebührt, des Lesers zu verschonen;
Man kennt ja die Imaginationen
Die Aetna's Nachbarschaft durchglüht!
Der junge Mann geräth in solches Feuer,
Daß er Frau Claren bald in seinen Wirbel zieht.
Sie war ein gutes Herz; und dann geht so ein Freier
Wie er nicht alle Tag' ins Netz!
Gelind regieren ist das erste Grundgesetz
Des Regiments unausgesteurter Schönen.
Und selten frommt's, sein Recht, soweit man kann, zu dehnen.
Die schlaue Amme macht zwar viele Schwierigkeit,
Doch nur den Werth des Kleinods zu erheben,
Und weiß, recht auf den Punkt von Zeit,
Da noch Verdienst dabei ist, nachzugeben;
Kurz, Sinibald, in den sie selbst beinah
Verliebt ist, bat so schön, daß ihr das Herz zu brechen
Begann: und, da er sie gleichwohl noch wanken sah,
Zieht er den Dolch und droht sich zu erstechen,
Wenn sie sich länger sträubt, ihm eidlich zu versprechen,
Daß ihn ein heilig Band (geheim, doch ehrenvoll)
In künft'ger Nacht – er kann nicht länger warten –
Im Saal von eben diesem Garten
Zum glücklichen Gemahl des Engels machen soll.
Frau Clare (die hier immer für Lauretten
Gehalten wird) vermag sich nicht zu retten,
Und, zwischen Freud' und Angst sich selber kaum bewußt,
Legt sie, wie er's verlangt, drei Finger auf die Brust
Und schwört ihm zu, nach äußerstem Vermögen
Zu diesem Schritt' ihr Fräulein zu bewegen.
Ein Beutel, schwer von Genueser Gold,
(Des künft'gen Diensts voraus bezahlter Sold)
Kommt, ihrem äußersten Vermögen,
Zum Ueberfluß, noch etwas zuzulegen.
»Der liebenswürd'ge Herr! er hat so eine Art,
Daß man mit ihm das Herz im Leibe theilen möchte.
Gewiß, ist nur Rosinchen erst gepaart,
Ist sie die Glücklichste vom weiblichen Geschlechte!«
So denkt Frau Clar', und, eh sie Abschied nimmt,
Wird Ort und Zeit und Alles wohl bestimmt,
Und beide gehen dann so fröhlich aus einander
Und fröhlicher, als Hero und Leander.
Gut! aber, eh wir weiter gehn,
Muß unsrer Seits zuvor noch was geschehn.
Wir sehen rings herum sich manche Stirne falten,
Daß Sinibald, der doch zwei helle Augen hat,
Mit Claren an Laurettens Statt
So lange sich am Fenster unterhalten
Und seinen Irrthum nicht gemerkt,
Da doch Figur und Ton und andre Nebensachen
Vermuthlich ihn nicht sehr darin bestärkt.
Ein Nasenrümpfer wird vielleicht mit schiefem Lachen
Die Wahrheit der Legende gar
Aus diesem Grund verdächtig machen.
Allein, fürs Erste, ist aus dem Berichte klar,
Daß damals just die Nacht entsetzlich dunkel war:
Dazu kam noch ein Nebel, dick zum Greifen,
Der (wie ein Blinder weiß) die Formen zu ersäufen
Und zu verschwemmen pflegt. Dasselbe gilt
Vom Tone, der im Nebel schwillt
Und dumpfer wird. Auch ward besagten Nebels wegen
Frau Clarens Kopf (der freilich den Verstoß
Bei vollerm Lichte hätt' entdecken mögen)
So eingepackt, daß kaum noch einer Linse groß
Davon zu sehen war; und weil sie, klüglich, bloß
Mit halber Stimme sprach, den Horchern zu entgehen,
(Denn immer ließen hin und her
Sich Leute, die des Weges gingen, sehn)
So half auch dieß zur Täuschung so viel mehr.
Nicht minder ist vor allen Dingen
Der Umstand noch in Anschlag mit zu bringen,
Daß Sinibalden nicht der leiseste Verdacht
An eine Irrung kam, und daß Laurettens Züge
Viel Eindruck eben nicht auf seinen Sinn gemacht.
Thut Alles dieß dem Leser kein Genüge,
So sehn wir nicht, was uns zu glauben hindern mag,
Daß Satanas, der in der Nähe lag,
Mit blauem Dunst des Junkers Aug' umzogen;
Und weil sich (Alles wohl erwogen)
Nicht leugnen läßt, daß diese Art,
Von Schwierigkeiten los zu kommen,
Die leichtste ist und viel Philosophie erspart,
So bleib' es denn dabei! – Doch jedem Frommen
Sein Recht, kein Wort davon zu glauben, unbenommen!
Kaum hatte Sinibald, berauscht von seinem Glück,
Sich selbst und sein Entzücken heim getragen,
So hörte man vom Thurm die eilfte Stunde schlagen.
Nicht lange drauf, so fügt es das Geschick,
Daß Guido, der von einem Hochzeitschmause
Mit einem kleinen Hieb sich leise heimwärts schlich,
Von ungefähr bei Cleliens Gartenhause
Vorüber ging. Auf einmal, da er sich
Der Mauer naht, bedünkt ihn, eine Stimme
Zu hören, die gar sanft und zephyrlich
An seinem Ohr vorüber schwimme
Und ihn beim Namen ruf'. Er blieb verwundert stehn
Und sah sich um und glaubte nichts zu sehn.
»Sind Sie's?« ruft's abermal aus einem niedern Fenster.
Mein Guido (der kein Mann war, der Gespenster
In seinem Credo führt) spricht Ja und schaut empor
Und glaubt, so viel als durch den Flor
Des Nebels möglich ist, ein Mädchen zu erblicken.
»Ei, ei, (so fährt sie fort, vertraut sich auszudrücken)
Nach Ihrem gestrigen Entzücken
Wer hätte das zu Ihnen sich versehn?
Ein Andrer würde hier seit zehn Uhr Wache stehn,
Und Ihnen muß man einen Boten schicken.
Es ist ihr Glück, daß mir's an Muße fehlt,
Sonst hätt' ich Sie nach Würden ausgeschmählt.
Jetzt hab' ich kaum das Nöthigste zu sagen.
Mein Fräulein will's auf Ihre Ehre wagen.
Sie stellen (flüstert sie geheimnißvoll ihm zu)
Sich morgen Mitternachts, wenn alle Welt zur Ruh
Gegangen, hier vor unserm Garten
(Nur etwas pünktlicher, als Sie gewohnt sind) ein:
Die Thür wird unverschlossen seyn,
Und Clelia im Saale Sie erwarten.
Die Noth entschuldigt uns. – Man ruft mir – ich muß fort.
Genug, mein Herr, Sie wissen Zeit und Ort
Und werden, schmeichl' ich mir, Laurettens Eifer loben.«
Mit diesem Worte wird das Fenster zugeschoben,
Und Guido hört und sieht nichts weiter mehr.
Er denkt: Mir ist der Kopf doch nicht von Weindunst schwer?
Bei meiner Ehr', ein drollig Abenteuer!
Ein Guido, seh ich wohl, ist einmal zum Befreier
Der Dame ausersehn; und was kann ich dafür,
Wenn jener Langsame die goldne Zeit versäumte?
Ein andrer übernimmt mit Freuden seine Pflicht!
Und kurz – wofern' ich anders nicht
Das Alles aus dem Stegreif wachend träumte –
So wag' ich's auf mein unverschämt Gesicht!
Es ist der erste Handel nicht,
Aus dem es mich heraus gezogen.
Dem Tapfern bleibt die Braut! – Was meine Pünktlichkeit
Betrifft, die hat noch nie ein schönes Kind betrogen.
Ich weiß – Dank sey der großen Eiligkeit
Des Kammermädchens! – Ort und Zeit
Und komm' um Mitternacht unfehlbar angeflogen!
Indem er so sich mit sich selbst bespricht,
Faßt er, so gut beim matten Licht,
Das hier und da von fern durch Fensterscheiben bricht,
Ihm möglich ist, von Gasse, Haus und Garten
Figur und Lage ins Gesicht
Und wandert dann nach Haus, in ruhigem Erwarten
Des Ausgangs, der ihm stets, er glücke oder nicht,
Für eine Winternacht Kurzweile gnug verspricht. |