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Wir zählen seit Kathrinentage
Den fünften Abend erst, und gleichwohl sind bereits
Die Sachen unsrer vier Verliebten allerseits,
Für solche kurze Zeit, in einer feinen Lage!
Zwei Clelien, (dem Schwindelgeist sey Dank,
Der in die Zofen und die Ammen
Gefahren!) beide liebeskrank
Für einen Guido; und zwei Guido's, voller Flammen
Für eine Clelia; und, alle auf einmal
Der Himmel weiß in welchen Gartensaal
Von zwei Lauretten, deren keine
Der andern sich versieht, auf eine
Verdächt'ge Zeit, bestellt! – Wie endlich dieß
Sich ohne Wunderwerk und ohne Aergerniß
Entwickeln soll, ist schwer zu fassen.
Das Aergerniß insonderheit,
(Wiewohl die schwarze Zunft der Bauny's und Garassen
Die Feigenblätter uns zu ganzen Körben beut)
Das Aergerniß der werthen Christenheit
Macht meinen Dichtermuth erblassen.
Indessen, da die Sachen schon so weit
Gekommen sind, ist keine Möglichkeit,
Als ihnen ihren Gang zu lassen.
Die Heilige (ihr sey dafür der Kiel geweiht,
Womit wir dieses Werk verfassen!)
Wird in der Noth, womit uns Teufel Amor dräut,
Uns hoffentlich nicht stecken lassen.
Bekannter Maßen war in jener Ritterzeit,
Die, seit wir mit Cervantes lachen,
Zu nichts mehr taugt, als Mährchen draus zu machen,
Die Heimlichkeit in Liebessachen
Ein Punct, woran der Männer Ehre lag.
Man wurde gleich beim Ritterschlag
Dazu in Eid und Pflicht genommen;
Es war der schönste Zug, der einen wackern, frommen,
Großherz'gen Mann von adligem Gemüth
Von einem Mammeluck und Heiden unterschied;
Und selbst die Bastardart vom echten Ritterbunde,
Die Höflinge im langen Ringelhaar,
Bei denen Sinibald und Guido zünftig war,
Behielten vom Gesetz der alten Tafelrunde
Dieß, wenigstens als Aberglauben, bei:
Daß, Damengunst sorgfältig zu verbergen,
Die erste Pflicht verliebter Ritter sey.
Die Noth allein gab den getreuen Zwergen
Und trauten Brangiens ein Privilegium.
Man frag' uns also nicht, warum
Zwei Freunde, die sich sonst wohl größre Opfer brachten,
Aus ihrem Liebesglück sich ein Geheimniß machten!
Auf diesen Punkt war selbst ein Galaor so stumm,
Als der verschwiegenste von Lanzelots Gefährten.
So platt auch dieß in unsern aufgeklärten,
Von keinem Vorurtheil des Alterthums beschwerten
Und rein vom Staub der Vorwelt abgekehrten
Rauschgoldnen Zeiten scheinen wird,
In jener rohen Welt, in die wir uns verirrt,
War die Cultur noch nicht so hoch gestiegen:
Wer Amors Farbe trug, war ein getreuer Hirt',
Und jeder Glückliche – verschwiegen.
Doch, ohne länger um den Brei
Herum zu gehn, zu unserm Doppelpaare!
Was also zwischen Dame Clare
Und ihrem Fräulein, seit der kleinen Meuterei,
Die jene mit dem Herrn im langen blonden Haare
Im Dunkeln angelegt, verhandelt worden sey,
(Wiewohl der Autor sich darüber
Nicht ausgebreitet hat) ermißt
Ein Jeder leicht von selbst, dem diese Art von Fieber,
Woran Rosinchen litt, schon vorgekommen ist.
Sie will und will auch nicht; und dennoch – kurz, sie wollte
Wohl gerne, wenn nur nicht so ein – ich weiß nicht was,
Just hier, durch sein Gepoch ihr ohne Unterlaß
Zu sagen schien', ein armes Mädchen sollte
Nicht wollen, was es will. Doch, (wie es immer geht,
Wenn mit dem Feind von außen ein Verräther
Im Herzen selbst sich in geheim versteht)
Ein wenig früher oder später
Erfolgt, wie frisch man auch zur Wehre sich gesetzt,
Die Uebergabe doch zuletzt.
Frau Clare (die den Beutel voll Zechinen,
Von dem ihr wißt, gewissenhaft verdienen,
Vielleicht verdoppeln will) hielt' ihre Hand dafür
Ins Feuer, daß der junge Herr Rosinen
Wie seine Augen liebt. »Und was für Ungebühr
Ist denn am Ende drin, den lieben Mann, der ihr
So augenscheinlich von der heiligen Kathrinen
Unmittelbar zum Ehgemahl'
Erkoren ward, in einem Gartensaal
Bei Nacht (weil's doch bei Tag nicht schicklich ist) zu sprechen?
Herr Guido hat ein viel zu ehrliches Gesicht,
Sich eines Unfugs zu erfrechen;
Und allenfalls bin ich mit einem Licht'
Im Cabinet zur Hand und stelle mich zur Wehre,
(Nur schrei' Sie laut genug) sobald ich schreien höre.«
So kräftig unterstützt, hielt unsrer Heldin Muth
Sich immer noch, wiewohl nicht ohne Schwanken,
Bis gegen Abend ziemlich gut.
Zwar sprach sie kaum ein Wort, schien immer in Gedanken
Und hörte nur, wie halb im Schlafe, was
Die taube Tante sprach, jedoch bald roth, bald blaß,
Wenn ihr getroffnes Herz ein Wort zum Vorwurf machte,
Wobei vielleicht die Alte gar nichts dachte:
Doch rief der Amme Wink und Blick
Den Muth von Zeit zu Zeit in ihre Brust zurück.
Allein, als nun Frau Kunigunde,
Nach einem Rosenkranz, der gar kein Ende nahm,
Zu Bette kroch, und nun die zwölfte Stunde
Wie ein Gespenst heran geschritten kam,
Entfiel dem guten Kind' auf einmal alle Stärke;
Sie fühlte sich an allen Nerven lahm,
Ihr schlug das Herz als wie vor einem Werke
Der Finsterniß. Sie war sich selbst deßwegen gram
Und hätte doch so zwischen Gehn und Bleiben
Die ganze Nacht geschwebt, wenn nicht, trotz ihrem Sträuben,
Die Amme, der davon der Kopf ein wenig warm
Geworden war, mit nervenvollem Arm
Die Widerspenstige auf ihrer Lagerstätte
Umfaßt und eines Zugs, zwei hundert Schritte lang
Durch manchen finstern Bogengang
Bis in den Gartensaal davon getragen hätte.
Frau Clare hatte hier auf einem Ruhebette
Die holde Last kaum abgelegt,
Und, unter manchem Kuß, mit Schelten und mit Dräuen
Ihr etwas Ruh' und Kühnheit eingeprägt:
Als plötzlich sich die Thüre regt,
Und ziemlich rasch (wie Mars zu Aphroditen
Erwartet eilt) ein feiner junger Mann,
Den man, bei schwachem Licht durch alte Florgardinen,
Für Sinibalden halten kann,
Herein fliegt und voll Feuers sich Rosinen
Zu Füßen wirft. Die Amme, ohne sich
Recht nach ihm umzusehn, entwich
Ins Cabinet, indeß, vom Schein betrogen,
Der junge Herr, als ein willkommner Gast,
(Wie er nicht zweifeln kann) doch etwas ungezogen
Rosinens beide Knie umfaßt;
Und, um so schnell als möglich sich der Last
Der Dankbarkeit und Sehnsucht zu entladen,
In Wort und Werk sich, leider! so beträgt,
Wie nur ein Faun mit taumelnden Mänaden
Im dicksten Hain sich kurz zu fassen pflegt.
Der Leser wittert schon, (wir können sicher wetten)
Daß Guido, gestern von Lauretten
(Durch einen Irrthum zwar) auf diese Zeit bestellt,
Beim Mondschein, der nur schwach die Mitternacht erhellt,
Die rechte Thür, den rechten Garten,
(Der an Rosinens gränzt) und auch den Saal verfehlt,
Wo Clelia und Amor ihn erwarten.
Zum Unglück' hatt' er auch, aus einem wenig zarten
Gefühl, Cupido's Glut mit bacchischer vermählt
Und, um das Abenteur recht glorreich zu bestehen,
Auf alle Fälle sich mit Cypernwein gestählt.
Das Fräulein glaubt vor Scham und Schrecken zu vergehen,
Im ersten Manne, dem ihr junger Busen schlug,
Der so viel Zärtlichkeit im schönen Auge trug,
Der sich mit ihr auf ewig zu verbinden
So heilig schwor und ihres Lebens Glück
Zu machen fähig schien – im ersten Augenblick,
Wo ihr Vertraun in ihm die reinste Glut entzünden,
Ihn ganz verengeln soll – den frechsten Faun zu finden.
Der Abfall war zu stark und schien bei einem Haar
Sie in ein Steinbild zu verwandeln.
Doch Guido, der so leicht nicht zu erschrecken war,
Vermeinte noch gar ritterlich zu handeln,
Indem er alle Schuld auf seine Rechnung nahm.
Er hielt's für einen Rest von jugendlicher Scham,
Wo nicht für einen Wink, noch mehr sich zu erlauben;
Und, eh sie zu sich selber kam,
Gelang es ihm, den Arm um ihren Leib zu schrauben
Und einen Kuß dem schönsten Mund zu rauben.
Die Unthat facht auf einmal Heldenglut
Und Heldenkraft in allen Adern
Des frommen Mädchens auf; sie windet sich mit Wuth
Aus seinem Arm', und fängt so gräßlich an zu schreien,
Daß Dame Clar' aus ihrem Hinterhalt
Wie eine Furie mit Schimpfen und mit Dräuen
Heraus stürzt, gegen den vermeinten Sinibald
Dem Fräulein eine Faust zu leihen,
Von welcher Guido schon fünf scharfe Klauen fühlt,
Eh' er die Hand entdeckt, die in Gesicht und Locken
Ihm, wie ein Maienschnee in Blüth' und Zweigen, wühlt.
Rosine rennt davon. Herr Guido, halb erschrocken,
Halb lachend, läßt ein Drittel seiner Locken
In Clarens Händen, sucht, vollkommen abgekühlt,
Die Thüre, ohne Licht in Sachen zu begehren,
Und gibt der guten Frau, die vor Erstaunen kaum
Zu Athem kommt, durch sein Entfliehen Raum,
Sich die Begebenheit (wo möglich) zu erklären.
Indeß der Zufall hier den armen Villador
(Der Alles dieß nun wird entgelten müssen!)
Durch seinen besten Freund (zwar ohne Schuld und Wissen)
So schlimme Dienste that, ging, leider! unterm Flor
Der Mitternacht, zwei hundert Schritte weiter
Mit Sinibalden selbst ein andrer Irrthum vor.
Auch diesem ward der Mond zum ungetreuen Leiter
Indem er Cleliens Thür, die an Rosinens stieß,
Im Dunkeln ihn, statt dieser, wählen hieß.
Sein Schicksal war auch jetzt, zu spät zu kommen:
Und hätte Guido im Entfliehn
Vor lauter Eile nicht den falschen Weg genommen,
So traf er unterwegs auf ihn.
Mein Sinibald, voraus in Wonne schon zerflossen,
Kommt an den Ort eilfertig angeschossen,
Wo ihm die Himmelsthür geöffnet stehen wird,
Sieht eine Gartenthür' halb offen vor sich stehen,
Und, ohne viel sich umzusehen,
Dankt er's der Liebe, die ihn leitet, und – verirrt,
Indem er bei Rosinen einzugehen
Vermeint, in Cleliens Gartensaal.
Noch regt sich nichts, und Lunens matter Strahl,
Der mit der Nacht nur schwach und sterbend kämpfet,
Wird durchs bemalte Glas der Fenster so gedämpfet,
Daß Sinibald die Hand zum Auge machen muß.
»Wo bist du, Wonne meines Lebens,
Wo bist du?« ruft er leis', allein er ruft vergebens,
Und leere Luft verschlingt den warmen Kuß,
Den, ohne daß er sie erblickte,
Sein Mund auf Cleliens gehoffte Lippen drückte.
In unmuthsvollem Wahn (selbst einem Tantalus
Kaum zu verzeihn) daß sie vielleicht Versteckens spiele,
Durchtastet er vom Boden bis zur Diele
Den ganzen Saal mit Fuß und Hand und Kopf:
Allein ein Bettgestell mit einem sammtnen Pfühle,
Ein halb zerbrochner Blumentopf,
Ein kleiner Tisch und drei geflochtne Stühle
In etwas krüppelhaftem Stand
War Alles, was sich hier von dichten Körpern fand.
Von Clelien keine Spur! –Wo säumt sie? seufzt beklommen
Mein Sinibald. – »Geduld! raunt ihm der Genius
Der Hoffnung zu: sie kommt gewiß, sie muß
Nun alle Augenblicke kommen.
Erwartung, Freund, verlängert den Genuß,
Und, auch getäuscht, hat man doch etwas vorgenossen!«
Der Genius hat Recht! und also – weil er muß,
Wird vor der Hand sich zur Geduld entschlossen.
Er wirft sich auf den Pfühl und wartet unverdrossen:
Doch, wie er just so lang gewartet hat,
Als ein Secundenrad gebraucht sich umzudrehen,
Wird ihm die Zeit schon lang, däucht ihm die Lagerstatt
Ein Nesselnbett; es treibt ihn, aufzustehen
Und durch die Thür, des ew'gen Wartens satt,
Ob sie denn noch nicht kommt, zu sehen.
Er hält den Athem an und lauschet: nicht ein Blatt
Kann im Gebüsche sich bewegen,
So flattert ihr mit zweimal schnellern Schlägen
Sein taumelnd Herz aus seiner Brust entgegen.
»Wie? abermal getäuscht! Treibt man wohl gar nur Spiel
Mit mir? Und könnten so die frömmsten Augen lügen?
Weg, Satan! – Athmet nicht aus allen ihren Zügen
Der reinste Sinn, das zärtlichste Gefühl?
Unmöglich kann der Engel mich betrügen!
Sie ist die Unschuld selbst. – Allein
Kann nicht vielleicht die Magd bestochen seyn,
Mir eine Falle hier zu stellen?« –
Was bilden nicht in solchen Fällen
Verliebte sich als möglich ein?
Nachdem er dergestalt sich eine gute Weile
Gequält, däucht' ihm, daß Jemand durch den Gang,
Der um den Saal sich schneckenförmig schlang,
Mit flücht'gen Schritten herwärts eile.
Zum deutlich Sehn gebrach's an Licht,
Allein sein Ohr betrog ihn dieß Mal nicht.
»Sie ist's! Sie ist's! So grazienmäßig streichen
Am Boden hin nur Engel ihres gleichen!«
Denkt er und springt mit offnem Arm' hervor
Und drückt an seine Brust – o Wonne sonder gleichen!
Wen anders als – Lauretten hoch empor,
Die (ohne gar zu rasch dem Irrthum' auszuweichen,
Der den verliebten Herrn betrog)
Die eine Hand mit halb verbiss'nem Lachen
Ihm vor die Lippen hielt, um keinen Lärm zu machen,
Und in den Saal ihn mit der andern zog.
Halt! nicht so rasch, mein Herr! Erkennen Sie Lauretten!
Spricht sie, indem sie sich, wiewohl ein wenig spät,
Aus seinen Armen lachend dreht.
Wie, wenn wir Mädchen nun nicht mehr Gewissen hätten,
Als junge Herrn Behutsamkeit?
Ein feines Unglück hätt' im Schirm der Dunkelheit
Aus Allem dem entstehen können! –
»So? – schmeichelt dieß Laurettens Eitelkeit?
Den Dieb macht freilich oft bloß die Gelegenheit,
Und wie das Oel ist, muß die Flamme brennen.
Mein Irrthum, schönes Kind, war deine Sicherheit!
Doch, sage, wo, um aller Heil'gen willen!
Das Fräulein bleibt? mir springt das Herz vor Ungeduld!
Was hindert sie, die Hoffnung zu erfüllen,
Die du mir gabst? An wem, Laurette, liegt die Schuld?«
O, sicher nicht an Cleliens gutem Willen!
Ihr Herzchen klopfte nicht mit minder Ungeduld,
Als Ihres, gnäd'ger Herr, nach dieser Geisterstunde.
Mir ist's zu hoch, ich muß es frei gestehn,
Wenn hier nicht Zauberei im Spiel' ist; denn im Grunde
So haben Sie sich ja kaum ins Gesicht gesehn.
Unfehlbar wirkt an Ihrem Liebesbunde
Der Himmel selbst, und so wird Alles herrlich gehn!
Indessen fällt auf diesem Erdenrunde
Der böse alte Greif, von dem
Ich Ihnen neulich sprach, uns äußerst unbequem.
Der machte sich, kraft seiner Vormundsstelle,
Von Langem her ein kleines Haussystem,
Das nicht in unsers paßt. Nun weiß ich nicht, von wem
(Wenn nicht vom Satan in der Hölle)
Der Alte Wind bekam, es spinne in geheim
Sich etwas Widrigs an. Er ließ sich zwar nichts merken,
Und (in der Sicherheit vermuthlich, uns zu stärken)
War er bei Tische heut so süß wie Honigseim;
War tändelnd, schmeichelhaft und steckte seinen Rüssel
(Die Brille drauf) in jede kleine Schüssel,
Um mit dem Besten stets das Fräulein zu versehn.
Allein, wie's nun um Schlafengehn
Zu thun war, denken Sie! so zog der Molch den Schlüssel
Von Fräuleins Kammer ab und schloß sie lachend ein.
Es soll zeither bei Nacht nicht gar zu sicher seyn,
Sprach er, indem er noch ein Schlößchen vorzulegen
Beschäftigt war. – Der alte Bösewicht!
Ich hätt' ihn gleich erdrosseln mögen,
Ein solches schelmisches zähnfletschendes Gesicht
Zog er dabei! – Das Beste war indessen,
Daß er an meiner Kammerthür
Das Nämliche zu thun vergessen.
Doch trau' ich seinem Schlaf nicht viel; und sollt' er hier
Uns unversehens überraschen,
O Jemini! das gäb' ein garstig Spiel!
Eh möchte mich ein Krokodill'
Im Bad', als er bei Ihnen, mich erhaschen!
Drum, gnäd'ger Herr, (um Sie mit einem Wort
Von unsrer Noth zu unterrichten)
Den Hochzeitplan des Unholds zu vernichten,
Bleibt uns kein andrer Rath, als – von Palermo fort!
Das Fräulein muß vor übermorgen flüchten!
Wir wissen einen sichern Ort,
Um unsern Lauf dahin zu richten.
Auf Ihren Beistand wird gezählt; doch, wie und wann,
Ist, was ich selbst noch nicht bestimmen kann;
Das muß ich noch vor allen Dingen
Mit Clelien zuvor ins Reine bringen:
Und sollte morgen mich der alte Pantalon
Verhindern, Ihnen in Person
Auf Ihrem Zimmer aufzuwarten,
So kommt ein Brief von mir und unser Plan dabei;
Nur übersehen Sie die schlechte Schreiberei!
Laurette spricht's, begleitet ihn zum Garten
Hinaus, drückt ihm die Hand, wünscht angenehme Ruh'
Und schließt die Thür' ihm vor der Nase zu;
Und Alles dieß (aus Furcht, daß er zu lange weile)
In solchem Sturm' und Drang von Eile,
Daß Sinibald, der vor Bedürfniß glüht,
Sein Herz durch Reden zu entladen,
Mit einem »Gute Nacht, Ihr Gnaden!«
Er weiß nicht wie, sich auf der Gasse sieht.
Freund Guido hatt' indeß auf seinem Pfühl, so gut,
Als wäre nichts begegnet, ausgeruht.
Der leichte Riß, den Amor seinem Herzen
Im Dunkeln beigebracht, mit Morpheus Zaubersaft
Beträufelt, hatte (statt zu brennen und zu schmerzen)
Ihm gegentheils den schönsten Traum verschafft.
Erfrischt durch Schlaf und Traum sprang er nun desto freier
Vom Lager auf, mit aller Jugendkraft
Und Wohlgestalt und all dem raschen Feuer
Von einem, den Urgande zum Befreier
Bezauberter Infanten auserkor.
Indessen sagt ihm doch sein Dämon nichts zuvor:
Als, eben da er auszugehen
Begriffen ist, ein kleiner Mohr
Nach Guido fragt, ihm (wie sich's findet,
Er sey es selbst) ein Briefchen überreicht
Und wieder unversehns aus seinen Augen schwindet.
Der Anfang wenigstens, denkt Guido lächelnd, gleicht
Dem ersten Act von einem Abenteuer,
Wenn's nicht vom gestrigen vielleicht
Der zweite ist. Laß sehn! – Mit einem Dreier
Gesiegelt und mit einem Krähenfuß
Geschrieben – das verspricht – Und dennoch wollt' ich wetten,
Die Hand, die dieß gekratzt, ist eine schöne Hand!
»Mein Herr, wenn Clelien von einem Eheband,
Das ihr verhaßter als die Hölle ist, zu retten,
Nach einem Wagestück Sie so gelüstig macht,
Als ich, die dieses schreibt, die Dintenkleckse hasse:
So finden Sie sich diese Nacht
Um zwei Uhr in der engen Gasse,
Die unser Haus (das sich durch Thürmchen kenntlich macht)
Vom Chor der Peterskirche scheidet,
Zu einer Wasserfahrt gerüstet und gekleidet,
Bei unsrem Kammerfenster ein.
Herab zu kommen soll dann unsre Sorge seyn;
Ein schönes Betttuch ist dazu bereits zerschnitten.
Indeß – (verzeihn Sie, wenn die Noth
Uns unbescheiden macht im Bitten)
Bestellen Sie sogleich ein wohl versehnes Boot,
Das ungesäumt uns nach Salerno bringe;
Denn, sind wir dort, so sind wir aus der Schlinge.
Wir zweifeln nicht, mein Herr, den Auftrag recht genau
Besorgt zu sehn, und unsre liebe Frau
Verleihe nur, daß Alles wohl gelinge!«
So muß, denkt Guido, unsre Frau,
Wie dieß zusammen hängt, ein wenig besser wissen,
Als ich! – Was ist zu thun? – Ich werde folgen müssen,
Da, wie es scheint, das Glück mich nun einmal bestimmt,
Der Mann zu seyn, für den die Clelia mich nimmt.
Von mir soll keine Dame sagen:
Ich hätte mich bedacht, den Hals für sie zu wagen.
Vielleicht ist Alles nur auf Muthwill' abgesehn:
Genug, ich nehm's für Ernst; und ist (wie zu vermuthen)
Das Fräulein hübsch genug, um mit ihr durchzugehn,
So folg' ich ihr durch Feuer und durch Fluten!
Das Glück begünstigte die Unbesonnenheit,
Und Alles ging nach Wunsch. Ein Fahrzeug lag bereit,
Sie stündlich nach Salerno über
Zu führen. Zur bestimmten Zeit
Stand auch mein Guido schon dem Fenster gegenüber,
Wo eine Hand wie Schnee ihm bald ein Zeichen gab.
Das Fräulein eingehüllt in mehr als einen Schleier,
Läßt mit Laurettens Hülf' am Betttuch sich herab
Und wird (indeß den alten Freier
Sein Vorlegschloß ganz sicher schnarchen macht)
Von ihrem Amadis beglückt an Bord gebracht!
Nun geht's, als säß' ein Liebesgott am Steuer!
Ein günst'ger Wind von Süd gen Osten bläht
Die Segel auf, und, falls er sich nicht dreht,
So sehn wir zu Salern bald eine Hochzeitfeier. |