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Zufriedenheit war stets die Mutter unsers Glückes. |
Haller. |
Wie liebenswürdig ist der ungeschminkte Geist, An dem kein Afterschein unächter Künste gleißt; Der eigenthümlich schön und nicht zu viel gezieret, Zu jeder Wahrheit weich, vom Irrthum unverführet, Der Unschuld gleicht, die, nur von keuscher Scham bemalt, Den ausgesuchten Putz der Hoffart überstrahlt. Ihr Seelen ohne Kunst, euch hab' ich mir vor allen Zu Schülern ausersehn, euch wünsch' ich zu gefallen! In euch, und däuchtet ihr Sophisten noch so klein, Fließt ohne Widerstand die leichte Wahrheit ein. Kein blödes Hirngespenst, das vor gelehrte Blicke Oft dicke Nebel streut, hält euern Sinn zurücke Die Wahrheit einzusehn, die mancher ohne Frucht In mottenvollem Staub bei später Lampe sucht. Wenn dort ein Pansophus, vor lauter Kunst und Wissen, Sokratens Kunst verlernt, und glaubt sie leicht zu missen; Lehrt euch der Weiseste, wie nichts der Weise weiß, Und spornt nach besserm Ziel den unverdross'nen Fleiß. Ja, wohl hat er gelehrt, der Griechen erste Zierde; Wie glücklich, wenn ihn noch die Nachwelt hören würde! 156 Der du der Schöpfung Bau im ersten Plan gesehn, Und die Gesetze fandst, wornach sich Welten drehn, O Newton, sprich für mich, du kennest unsre Gränzen, Und drangst so weit als uns noch matte Strahlen glänzen: Sprich selbst, wie oft hielt dich der innern Schwere Zug, Der größten Geister Loos, zurück vom kühnen Flug? Du großer Verulam, der mit erhabnen Blicken Das ganze Feld umfing, wo wir nur Blumen pflücken, Du Leibnitz, du o Bayl', ihr sahet unsre Nacht, Und habt oft insgeheim, wie Sextus, uns verlacht.Ist Sextus der Skeptiker, Sextus Empirikus. Der kleine Wahrheitskreis, den unser Geist umfasset, Gleicht nur dem matten Glanz, der dort im Thal erblasset, Wenn einsam, über uns, der Mond, in Duft gehüllt, Mit ungewissem Licht die Mitternacht erfüllt. Die Farben wechseln stets, die uns die Dinge malen, Begriffe, die uns jetzt in vollem Lichte strahlen, Verdunkeln sich sogleich, sobald man sie zerlegt. Wer ist der uns erklärt, wie sich der Körper regt? Wie aus der Wesen Quell sich unsre Kräfte nähren? Wer kennet die Natur des Stoffes und des Leeren? Wer mißt die Schöpfung aus? wer gibt dem fernsten Strahl Ein undurchdringbar Ziel? Wer faßt der Geister Zahl? Wer mißt die stete Zeit? Wer jener Sterne Leben, Die sich so oft verschönt aus ihren Trümmern heben? Wer zählt die Federn ab, durch die der Himmel Lauf In seinen Kreisen bleibt? wer lös't die Knoten auf, Die Sextus, Karnead und Zenon uns gebunden, Und die oft Leibnitz selbst zerschnitten, nicht entwunden?Zenon, der Skeptiker (zum Unterschiede von dem Stoiker) witzig, scharfsinnig und beredt, der Urheber der Dialektik und Sophistik, wird hier angeführt wegen der Widersprüche, die er mit vieler Spitzfindigkeit in dem empirischen Realismus nachwies. Man war nämlich im Philosophiren auf den großen Knoten gestoßen, ob die Wahrheit der Erkenntniß ihren Grund habe in dem Denken durch Vernunft, oder in den Wahrnehmungen der Sinne, in dem erkannten Gegenstand oder in dem Erkennenden, in der Natur der Dinge oder der Natur der Seele. – Karneades von Kyrene, erst Stoiker, dann Akademiker, bemerkte, daß jede Vorstellung ein doppeltes Verhältniß haben müsse, eins zum Object, und eins zum Subject. Nach Sextus Empirikus, der sich ebenfalls gern in diesem Kreise bewegt, war er der Erste, der eine Theorie der Wahrscheinlichkeit aufstellte. Leibnitz suchte jenes Problem zu lösen durch seine prästabilirte Harmonie, welche die Gemeinschaft und Wechselwirkung des Geistigen und Materiellen, der Seele und des Körpers erklären sollte, aber nicht erklärt. Doch ach! wie leicht entbehrt man diese Wissenschaft, Prodikus, der mit so vieler Beredsamkeit die Wollust der Tugend aufopfern lehrte, war, dem Philostratus zufolge, selbst geldgierig und wollüstig. – – Daß Brutus durch seinen Tod das schönste Leben verdunkelt habe, und daß seine letzten Reden bei Plutarch und Dio Cassius von Vorurtheil, Scheintugend und Verzweiflung zeugen, war stets Wielands Meinung. Verwünschtes Vorurtheil! du Mutter unsrer Pein! Getäuscht vom Vorurtheil sitzt Mops auf seinem Kasten, Gott, Schöpfer unsers Glücks, du Quell von Welt und Zeit, Erkennt, Unsterbliche, den Zweck der Ewigkeit Wer mit so hellem Blick der Dinge Wesen mißt, |