|
Warum ist Epiktet vergnügt im Sklavenkleid?
Ist nicht Aesop ein Knecht? Was macht ihn so erfreut?
Kein Purpur schmückt ihr Haar, der goldnen Sklaven Menge
Macht ja um sie herum kein königlich Gepränge!
Kein Volk verhungert ja zu ihrer Wollust nicht!
Wo reimt ein Lohnpoet auf sie ein Lobgedicht?
Wo stellt ein Heldenlied der Welt sie zum Exempel?
Wo schmückt ihr Marmor wohl, zum Dank, Fortunens Tempel?
Arm, unerkannt, im Staub, von allem Schimmer bloß
(Ihr reichen Thoren hört's!) sind sie beglückt und groß.
War dieß Polykrates? Wer zeigt mir doch die Thronen,
Wo Laster, Sorg' und Harm der Fürsten Ruhe schonen?
Nehmt dem geschminkten Glück den prahlerischen Schein,
Der König wird ein Sklav', der Reiche dürftig seyn.
Wo Tugend und Verstand mit Armuth sich verbinden,
Da, Freundin, wohnt die Ruh', da wirst du Ruhe finden.
Den Pöbel wundert dieß. Ich bin nicht groß, nicht reich,
Ein jeder Erdensohn ist mir an Stande gleich,
Kein König weiß von mir, auch bin ich überhoben
Mäcenen und August, wie mein Horaz, zu loben;
Mein Wissen runzelt nicht die immer freie Stirn,
Auf meine Lehren schwört kein Schüler ohne Hirn:
Kein Journalist befiehlt dem Erdkreis mich zu lesen,
Und schützet mein Gedicht vor Heringslak und Käsen;
Kurz, ohne Glück und nach dem Maß der Großen klein,
Sollt' ich glückseliger als alle Großen seyn?
Dieß faßt der Pöbel nicht, er wird mich rasend nennen,
Und, so gesund ich bin, mir Nieswurz zuerkennen.
Er kennt die Güter nicht, die der in sich verschließt,
Deß Sinn von Leidenschaft und Wahn gereinigt ist;
Des Weisen Göttlichkeit, das himmlische Vergnügen,
In stete Harmonie Verstand und Herz zu wiegen;
Die Schätze der Natur, die der allein besitzt,
Den die Vernunft gelehrt, wie sie der Weise nützt;
Die Ehre, die sich nie den Edeln wird versagen,
Die ihren Ruhm mit sich in bess're Sterne tragen;
Dieß, Freundin, unser Glück, begreift der Pöbel nicht,
Und lacht, wenn ein Boeth von Glück im Kerker spricht.
Komm, Freundin, dir allein, und denen die dir gleichen,
Versucht mein Pinsel sich, das Vorbild zu erreichen,
Das ihm Horaz entwarf. Den Weisen mal' ich dir,
Schön, frei, im Purpurschmuck, gekrönt mit Ruhm und Zier,
Und kleiner nur als Gott: ihn soll ein Crösus sehen,
Sehn soll er ihn, und ihm den Vorzug zugestehen!
Der Weise nur ist schön. Was auch der Tejer singt,
Kein Kleobulus ist, dem hier der Streit gelingt,
Wenn sich Aesop ihm stellt. Hipparchia soll sagen
(Wer wagt's, des Ausspruchs Recht den Schönen abzuschlagen?)
Ob, vor dem weichen Reiz des wächsernen Bathyll,
Ihr, bucklicht, klein und alt, ein Krates nicht gefiel?
Jung, angenehm, geliebt von artigen Narcissen,
Ergab sie sich aus Wahl des Weisen kalten Küssen.
Gefiel nicht Sokrates, und glich doch dem Silen?
Narciß! dein Spiegel lügt, der Weise nur ist schön!
Wie arm ist Crassus nicht, den wir für glücklich preisen?
Auf seine Schätze stolz, verachtet er den Weisen,
Der seine Güter stets, wie Bias, bei sich trägt,
Und nie von Dieben träumt, wenn er des Schlummers pflegt.
Doch, Crassus, richte selbst, wem wird der Preis gehören?
Dem, welcher kummerfrei des Goldes kann entbehren,
Der weiter nichts bedarf, als was ihm Gott beschied,
Und nicht nach seinem Glück durch alle Meere zieht?
Wie, oder dem, der stets von Wünschen überfließet,
Und immer mehr begehrt und weniger genießet,
Je mehr ihm Peru zollt? Hier ist das Urtheil leicht!
Der Weise darbet nie, er hat sein Ziel erreicht.
Sein ruhend Herz empört kein Wunsch, noch mehr zu haben,
Die ganze Welt ist sein. Wem sind des Frühlings Gaben?
Wem ist des Sommers Pracht? Wem strahlt des Himmels Heer?
Den Thoren nicht, für die ist alles öd und leer.
Der Weise kann allein der Zwecke Band ergründen,
Und überall den Stoff zu seinem Glücke finden.
Schweigt nur zu seiner Ehr', ihr Bave unsrer Zeit,
Behaltet euer Lob und eure Ewigkeit.
Der Weise ist vergnügt, die Tugend still zu üben,
Sie krönt mit Himmelsglanz die Seltnen, die sie lieben.
Liebt ihn ein Redlicher, wünscht ein entfernter Freund:
»O! wäre mein Geschick mit seinem doch vereint!«
So reizt ihn keine Sucht sich Lorbern zu erringen;
Ihr Helden, theilet sie mit euern Dichterlingen!
Der niemals welke Kranz, den uns die Tugend flicht,
Der ist uns Lohns genug, kennt gleich die Welt uns nicht.
Den Schimmer, der uns selbst in unsern Augen weihet,
Den jede schöne That durch unsre Seele streuet,
Du, Freundin, kennest ihn, ihm gleicht kein Lobgesang,
Kein Lorber, kein Triumph, kein Ordensband, kein Rang.
Der Vorsicht würdig seyn, die mütterlich uns führet,
Dem schönen Vorbild nahn, das jetzt die Sterne zieret,
Sich selbst der spätsten Welt zum Musterbild erhöhn,
In seiner eignen Brust dieselbe Tugend sehn,
Die mit Verwundrung man im Sokrates erblicket,
Die uns an Plinius, an Fannien entzücket:
O dieß Bewußtseyn zahlt kein Ruhm der ganzen Welt,
Kein Weihrauch, kein Altar, den auch der Thor erhält.
Der Weise nur ist frei, auch wenn ihn Ketten drücken,
Oft leichter noch als die, womit uns Fürsten schmücken.
Die Seele bindet nichts als Wahn und Leidenschaft;
Die stürzen sie vom Thron, sonst keine äußre Kraft.
Hervor, ans Tageslicht, ihr Anti-Epikteten,
Der Thorheit Hausgesind', und schüttelt eure Ketten!
Ist Harpagon wohl frei, den sein tyrannisch Geld
Mit unsichtbarem Netz an sich verstricket hält?
Gleich dem, womit Vulcan das schöne Paar umwunden,
Als er sein Ehgemahl in Mavors Arm gefunden.
Ist Stentor nicht ein Sklav', der Bodmers Trefflichkeit
Mit beiden Augen sieht, und doch aus Neid verschreit?
Was er am Milton schilt, wird er am Griechen loben:
Er schweigt von Halle's Lob, und Neukirch wird erhoben.
Schreib' göttlich wie Horaz, find' auf der Alten Spur
Mit Hagedorns Gefühl die reizende Natur;
Bist du sein Schüler nicht, er wird gebietrisch tadeln,
Nur seine Jüngerschaft kann matte Reime adeln!
Was ist der reiche Mops? der, seiner Freiheit satt,
Des Königs Sklav' zu seyn, das Land verlassen hat,
Wo seine Ahnen einst am Feldbau sich ergetzten,
Der Sonnen Ankunft sahn, und selber Bäume setzten.
Die unschuldsvolle Lust, die auf dem sichern Land
Ein Cyrus, Xenophon, ein weiser Cato fand,
Wird ihm gemein und alt; die Neuheit muß das kleiden,
Was ihn ermuntern soll. Ihr unerkauften Freuden,
Gefolg der Seelenruh', ihr Töchter der Natur,
Beneidet von der Kunst, euch fühlt der Weise nur!
Mops eilt, der Haine Lied, der Frühlingsbäche Rauschen,
Um Wälschlands Sängerin und Bälle zu vertauschen:
Er eilt, der goldne Narr, aus dem verhaßten Wald
Voll Sehnsucht nach der Stadt; sein halbes Erbgut strahlt
An ihm, an Liverei, an Pferden und Carossen;
Nun schimmert er bei Hof, folgt als Trabant den Großen,
Und ist in seinem Wahn der Glücklichste der Welt,
Wenn einst ein Seitenblick des Fürsten auf ihn fällt.
In mancherlei Gestalt muß hier sein Gold zerrinnen,
Er ist des Hofes Spott, ein Raub der Tänzerinnen.
Wer glaubt, daß dieß Gepräng, dieß herrschende Gesicht,
Dieß sklavische Gefolg, uns einen Knecht verspricht?
Doch ist Photin ein Knecht, dem Will' und Freiheit fehlen.
Wann war wohl je der Hof die Wohnstatt freier Seelen?
Sein Fürst sey ein Tiber; doch höre den Photin,
Er ist mehr als Trajan, ihm weichet Antonin.
Dem Sklaven bleibet kaum des Denkens Willkür eigen.
Wie ein Chamäleon muß er die Farben zeigen,
Die ihm der Vorwurf gibt, er ist nur Widerschein,
Und was er redet, wird des Fürsten Echo seyn.
Und du, vor welchem sich so viele Völker bücken,
Den Weisen blenden nicht die Kronen, die dich schmücken;
Es sey Domitius, daß Fürsten vor dir knien;
Die halbe Welt dient dir, du einer Sängerin.
Der Weise herrscht allein, ein König der Begierden;
Um seine Scheitel glänzt die Würde aller Würden,
Die Triebe dienen ihm, gebunden vom Verstand,
In deren Fesseln sich manch Weltbezwinger wand.
Des Weisen heitre Stirn und nie erhitzte Wangen
Sind stets von Seelenruh' und stiller Freud' umfangen;
Sein königlicher Geist gebietet dem Gefühl,
Und läßt sein folgsam Herz den Lüsten nie zum Spiel;
Und wagt es die Begier, die Ketten abzuschütteln,
So zähmet die Vernunft sie bald mit härtern Mitteln.
O Freundin, welch ein Bild! welch eine Hoheit krönt
Den Weisen, der vom Glück nicht einen Strahl entlehnt!
Ihn übertrifft nur Gott an Trefflichkeit und Wonne,
Er ist der Gegenglanz der schöpferischen Sonne;
Gleich Gott, schöpft er aus sich die Freude, die ihn nährt,
Bei der er leicht den Schaum der Erdenlust entbehrt.
Auch uns, o Freundin, ist dieß hohe Glück vergönnet!
Dieß bürgt uns unser Herz, der Trieb, der in uns brennet,
Der tugendhafte Trieb zu wahrer Trefflichkeit,
Der unverwandte Blick nach jener Ewigkeit,
Wo unsre Hoffnung blüht; dieß redliche Bestreben
Der Vorsicht, die uns führt, der Tugend treu zu leben;
O! glaube, solch ein Herz, und solch ein Herz allein,
Hat innern Werth genug, um stolz darauf zu seyn! |