Julius Wolff
Das Wildfangrecht
Julius Wolff

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Achtes Kapitel.

Während Christoph Armbruster mit Sorgen und Kümmernissen Trudis wegen beladen war, schuf die nichts davon Ahnende wieder einer anderen gebranntes Herzeleid. In Jakobinen hatte sich der schon lange gehegte Verdacht, daß Trudi ihr den Franz abspenstig machen wollte, allmählich zur festen Überzeugung ausgebildet, und sie fürchtete, daß der von Rechts wegen ihr Zukommende für sie verloren ginge, wenn sie dem nicht tatkräftig vorbeugte. Sie, eine Steineckerin, bei dem einstigen Erben des größten Hofes von einer eingeschlichenen Fremden ausgestochen zu werden, das betrachtete sie als einen unerträglichen Schimpf und sann und sann, was sie wohl tun könnte, sich Franzens Neigung zurückzugewinnen.

Da fiel ihr ein, schon öfter von Liebeszaubern und Liebestränken gehört zu haben, die selbst den Kühlsten zur Leidenschaft entflammen sollten. Aber wie sollte sie zu dergleichen Dingen, von deren Beschaffenheit und Herstellung sie keinen Begriff hatte, hier in Wachenheim gelangen, wo es eine im Ruf des Zaubernkönnens stehende Hexe nicht gab? Nein, eine Hexe nicht, aber einen Hammichel von Gimmeldingen! der war der rechte Mann dazu. Er war in allerhand wunderbaren Künsten bewandert, und so gut er dem Weine nach Wunsch und Belieben Gehalt und Geschmack zu geben wußte, verstand er sich vielleicht auch darauf, einen kräftig anregenden Liebestrank zu brauen. Ob er's aber tun würde? Ach, für Geld tat der alte Sünder alles, mischte ihr am Ende, wenn sie's verlangte und bezahlte, auch ein feines Pülverchen, das, nicht für Franz bestimmt, noch eine ganz andere Wirkung hätte als Herzensneigung zu erwecken.

Entschlossen trat sie den Gang zu Hammichels Wohnung an, wo sie deren Inhaber zu ihrer Freude allein fand und mit einem lüsternen Blicke die Gläser, Tiegel und Retorten streifte, die dort auf dem Herde oder in langer Reihe auf einem Wandbrett standen.

»Ei, ei! das schöne, reiche Steineckertöchterchen kommt zu mir armem, altem Krüppel?« begrüßte sie der Erstaunte. »Was gibt's denn? ist der Neue wieder trübe geworden? das kann doch nicht sein.«

»Nein, der Neue ist nicht trübe geworden, Hammichel,« erwiderte Jakobine, »aber ich bin zu Tode betrübt um einer Sache willen, in der du mir vielleicht helfen kannst, wenn du willst.«

»Und was wäre das für eine Sache?« fragte der Alte, sich in der Hoffnung, dabei einen fetten Bissen erhaschen zu können, schon die Lippen leckend.

»Ja, –« begann sie nun stockend, »ich – ich bin mit dem Franz in Mißstimmigkeit geraten, – weiß selber nicht wie und hab keine Schuld daran. Er hat sich ganz von mir abgewandt und behandelt mich mordsschlecht, und – da wollt ich dich angehen, ob du nicht ein Mittel wüßtest, wie ich wieder in Rück und Schick mit ihm komme.«

»Aha! soso! hm!« machte Hammichel und rieb sich überlegsam das stoppelige Kinn, –»wieder in Rück und Schick mit ihm kommst. O ja, da wüßt ich schon Rat, natürlich! Da könnt ich dir wohl helfen. Was meinst du, Jakobinchen, wenn wir ihm einen Liebestrank eingäben?«

»Ja, ja, einen Liebestrank! so dacht ich's mir grade,« rief das Mädchen frohlockend aus. »Hast du einen?«

»Haben! haben! etwas so Kostspieliges hält man sich nicht auf Vorrat,« bedeutete sie der alte Schlaufuchs wichtigtuerisch. »Was denkst du denn? ein richtiger Liebestrank muß, wenn er Sukzeß haben soll, aus vielen auserlesenen Substanzen nach verschiedenen Rezepten fein und behutsam per magicas artes destilliert, dispensiert und präpariert werden.« Diese hochtrabenden Ausdrücke hatte er von dem verbummelten Wandergenossen seiner Spielmannsfahrten aufgeschnappt und brachte sie gern an, um aus ihnen das Licht seiner geheimen Wissenschaften leuchten zu lassen.

»Wie lange Zeit gebrauchst du, mir den Trank zu beschaffen?« fragte Jakobine.

»Eine Woche mindestens,« erwiderte Hammichel. »Aber mein Tausendschönchen, dazu bedarf es nicht allein vieler Mühe und Geduld, sondern auch seltener und teurer Medikamente, die ich mir erst aus der lateinischen Küche, will sagen aus der großen Apotheke in Speyer besorgen muß.«

»Geduld hab ich nicht viel, aber deine Mühen und Kosten will ich dir vergüten,« sprach Jakobine und griff in die Tasche. »Hier hast du zehn rheinische Gulden, und wenn dein Mittel den gewünschten Erfolg hat, geb ich dir noch einmal so viel.«

»Allen Dank!« sagte der zu jedem Dienst Bereite, das Geld vergnügt einsteckend, »ich werde keinen Fleiß sparen und mein Bestes tun, damit du auf deine Rechnung kommst. Sobald ich das Fluidum fertig habe, schick ich's dir durch Kaschper. Davon gibst du je dreizehn Tropfen auf ein Glas deinem Ungetreuen in Wein zu trinken, und nimm einen etwas kräftigen, nicht zu jungen, auch keinen Jungfernwein. Wenn du nun merkst, daß der Trank anfängt zu wirken und Franz zärtlich und zutulich wird, darfst du nicht spröde sein, sondern mußt ihm hübsch aufmunternd entgegenkommen, verstehst du?«

»O daran soll's nicht fehlen,« versicherte Jakobine mit einem Lächeln, das schon vorausempfundene Liebeslust verriet.

»Nun noch eine Frage,« fing Hammichel wieder an. »Ist's Bürgermeisters Trudi, um derentwillen du mit Franz mißstimmig geworden bist?«

»Freilich! Die hergelaufene Würzburgische ist's, die sich zwischen mich und ihn drängt,« zischte die Eifersüchtige.

»Konnt's mir denken,« sprach Hammichel, »hab's ja in den Spinnstuben gesehen, wie er sie charmierte. Aber die soll dir den Franz nicht wegfischen, mein Püppchen, verlaß dich auf mich!«

Froh und zufrieden ging Jakobine von hinnen.

Als sie fort war, höhnte der alte Giftmischer ihr nach: »Du dummes Ding! was deine blitzenden Augen und lockenden Lippen nicht vermögen, das sollen meine Tropfen zuwege bringen? Nun, das Blut wollen wir dem Burschen wenigstens aufrühren und ihm ein Räuschlein eintrichtern, das ihn kirr und willig macht. Wenn die liebestolle Närrin dann ein bißchen nachhilft, tut er ihr vielleicht zu Gefallen, wonach sie giert. Dann kommt er nicht mehr los von ihr, und ich krieg meine rheinischen Gulden, hihi!«

Es war Wasser auf Hammichels Mühle, denen auf dem Abtshofe, wo man sich wohl schon Hoffnung auf den reichen Bauernsohn machte, einen Possen spielen zu können, und er hatte Jakobinen nicht zu viel versprochen, als er ihr gesagt hatte: die Trudi soll dir den Franz nicht wegfischen, dafür laß mich sorgen! Er hätte ihr ja mit wenig Worten einen schlagenden Beweis für die Unmöglichkeit dieser Verbindung geben können, wenn er sie in das Wildfangrecht eingeweiht hätte, denn daß sich der protzige Gersbacher eine Hörige als Schwiegertochter gefallen ließe, war ganz undenkbar. Aber diesen Trumpf wollte er für den besten Stich im Spiel noch in der Hand behalten. Vorerst wollte er die leichtgläubige Jakobine bei dem Handel mit dem Liebestranke schröpfen; genügte der erste nicht, so würde er einen zweiten und dritten brauen und sich immer höher von ihr bezahlen lassen. Nach Speyer brauchte er deshalb nicht zu wandern. Später wollte er ihr aber auch das aus dem Wildfangrecht herzuleitende Ehehindernis als eine von ihm gemachte Entdeckung hinstellen und seinen Lohn dafür fordern. Bis jetzt war er der einzige in Wachenheim, der von der bevorstehenden Wiedereinführung dieser pfalzgräflichen Gerechtsame wußte, und er hütete sich wohlweislich, seine Kenntnis davon voreilig auszuplaudern. Mit der Drohung, dies zu tun, hielt er den Bürgermeister am Bändel und konnte ihm vielleicht doch noch ein Schweigegeld abpressen, ehe der ergangene Befehl öffentlich bekannt gegeben wurde. –

Franz Gersbacher wunderte sich nicht wenig, als ihn Wilm Steinecker eines Tages bei seiner Arbeit im Weinberg aufsuchte und ihm sagte, er käme im Auftrage seiner Schwester, die ihn um eine Unterredung bitten ließe. Dieses seltsame Anliegen machte Franz stutzig, und er wußte im Augenblick nicht gleich, was er darauf erwidern sollte. »Was will Jakobine von mir?« fragte er mürrisch.

»Sie will sich mit dir über das Zerwürfnis aussprechen, das zwischen euch eingetreten ist und zu dem sie keine Ursach finden kann,« erklärte ihm Wilm.

»Ich weiß von keinem Zerwürfnis,« entgegnete Franz, »wir haben keinen Streit miteinander gehabt.«

»Sie grämt sich und behauptet, du wärest seit dem Winter so kurios gegen sie, behandelst sie geringschätzig und wegwerfend,« sprach Wilm.

»Ich bin nicht anders gegen sie als gegen alle Mädchen.«

»Nun, eine Ausnahme wirst du wohl gelten lassen müssen,« bemerkte Wilm mit besonderem Nachdruck.

Franz hob die Schultern und gab auf diese Anspielung keine Antwort.

»Du kannst es meiner Schwester nicht verdenken, daß sie wissen will, wie sie mit dir dran ist,« fuhr Wilm noch entschiedener fort.

»Welchen Zweck soll das haben?«

»Welchen Zweck?« – In Wilms dunklen Augen wetterleuchtete es, aber er hielt an sich und schlug einen sanfteren Ton an. »Franz, das Mädchen hat dir nichts zuleide getan; warum willst du ihr die Bitte verweigern? Jakobine legt großen Wert darauf, sich mit dir zu verständigen. Also komm, sprecht euch aus und einigt euch! Das wird nicht allzuschwer halten, wenn der gute Wille dazu vorhanden ist.«

Franz sah ein, daß ihm hier kein Sträuben und kein Vorwand zu einer rund abschlägigen Antwort half, und wenn er denn um eine Auseinandersetzung mit Jakobine nicht herumkommen sollte, so mochte sie auch je eher je lieber stattfinden, damit er die peinliche Erörterung so bald wie möglich hinter sich hatte.

»Wann will sie mich sprechen?« fragte er trocken.

»Heut abend, morgen abend, wann's dir paßt.«

»Wo?«

»In unserm Garten in der Laube, da seid ihr ganz allein, niemand hört und stört euch.«

»So komm ich heut, eine Stunde nach Feierabend.«

»Gut! die Botschaft wird Jakobine freuen. Soll ich ihr deinen Gruß bestellen?«

»Meinetwegen!« brummte Franz.

Wilm, schon im Begriff zu gehen, machte eine rasche Bewegung, als ob er noch etwas sagen wollte, was dem Ausdruck seines Gesichtes nach nichts Freundschaftliches war. Aber er reichte Franz die Hand und sprach: »Gehab dich wohl!«

»Danke! gleichfalls!«

Franz schaute dem Dahinschreitenden verdrossen nach. Wie wird sich das abspielen? dachte er. Was will sie von mir? mir Vorwürfe machen wegen Trudi? Dazu hat sie kein Recht. Ich habe mich ihr mit keinem Worte verpflichtet, habe mit ihr getändelt wie andere Burschen mit anderen Mädchen auch, und nun hängt sie sich an mich wie eine Klette. Das wird eine liebliche Aussprache werden! Fast reute ihn seine Einwilligung zu dem Stelldichein. Aber dann sagte er sich wieder: so kann's nicht weitergehen, einmal muß es doch zum Klappen kommen, also die Zähne zusammengebissen und durch! damit die Geschichte ein Ende hat. Ich will Trudi frei gegenüberstehen; die will ich und sonst keine! Und der Vater? ach was! verkaufen laß ich mich nicht, bin selber ein Gersbacher, Himmelkreuzdonnerwetter!

Zur festgesetzten Stunde ging er hin.

Es war ein warmer Sommerabend in der Zeit der Rebenblüte, deren köstlicher Duft weit und breit das Pfälzer Land durchströmte.

Franz schritt durch den Garten der dicht berankten Geißblattlaube zu, wo er Jakobinen fand, regungslos, mit niedergeschlagenen Augen seiner harrend. Als er ihr die Hand bot, hob sie den Blick zu ihm, halb Hoffen, halb Bangen darin. »Hab Dank, daß du gekommen bist,« sprach sie leise.

Sie war sehr leicht gekleidet, mit einem Ausschnitt am Halse und in bloßen Armen. In ihrem Haar prangte eine dunkelrote Rose.

Sie setzten sich auf eine Bank, beide befangen, jeder erwartend, daß der andere zu reden beginne. Auf dem Tische stand ein Weinkrug und ein Zinnbecher, nur einer, den Jakobine mit zitternden Händen füllte.

»Hast du keinen Becher für dich?« fragte Franz, um doch etwas zu sagen.

»Nein, ich trinke keinen Wein,« erwiderte sie mit abgewandtem Gesicht.

»Eine Winzerstochter, die keinen Wein trinkt!« lachte er gezwungen. »Seit wann denn nicht? hat ihn Hammichel dir verleidet?« Er nahm den Becher und tat einen Schluck. »Man merkt's, daß der alte Sachverständige beim Bau dieses Weines geholfen hat,« fuhr er dann fort ohne zu sehen, wie Jakobine bei diesen Worten erschrak, »aber er schmeckt gut, süß und feurig, sehr feurig. Was ist's?«

»Goldbächel, nicht mehr jung.«

Franz roch daran. »Viel Blume!« Er trank noch einmal und schüttelte den Kopf. »Merkwürdig!« Dann leerte er den Becher mit einem Zuge, als hätte er großen Durst. Das war jedoch nicht der Fall; er wollte sich Mut trinken.

Jakobine beobachtete ihn gespannt und goß den Becher schnell wieder voll. Dann rückte sie dem arglos Trinkenden näher, schob ihren Arm unter den seinen und fragte: »Franz, was hast du gegen mich?«

»Was soll ich gegen dich haben?« erwiderte er frostig.

»Wir standen früher besser miteinander, du warst sonst freundlicher zu mir, jetzt bist du kalt wie Eis.«

»War ich jemals heiß wie glühend Eisen?«

»Ach nein,« seufzte sie, »ich durfte dich immer dreist anfassen ohne mich an dir zu versengen. Aber jetzt – jetzt tust du ganz fremd mir gegenüber; warum? warum?«

Auf dieses Warum erfolgte keine Antwort.

»Franz, hast du mich gar nicht mehr lieb?«

Er schwieg noch immer. Da schlang sie den runden, weichen Arm um seinen Nacken, schmiegte sich an ihn und girrte: »Früher hast du mich manchmal geküßt, nun schon seit langem nicht mehr. – Franz! Lieber! komm her! versuche ob meine Lippen nicht noch ebenso frisch und mollig sind wie – wie damals.« Und ehe er sich dessen versah, brannte ihr Mund auf dem seinen.

Er konnte sich ihrer nicht erwehren, sie ließ ihn nicht los. Dann hob sie den Becher, nippte daran und bot ihn ihm dar: »Trink! trink auf mein Wohl! trink aus!«

Er tat nach ihrem Geheiß wie unter einem unwiderstehlichen Bann. Ihre Augen waren dicht vor den seinen und blinkten voll Sehnsucht und Verlangen. Fest drückte sie ihn an ihre Brust, die ihm aus dem Ausschnitt des Kleides voll und weiß entgegenschimmerte, und küßte ihn mit einer Inbrunst, die ihn hinriß, ihre Küsse mit gleicher Glut zu erwidern. Er wußte nicht, wie ihm geschah, er sollte sich abkühlen mit dem erquickenden Wein, griff zum Becher und trank ihn aus. Immer wieder füllte ihn Jakobine, und immer wieder leerte ihn Franz. »Recht so!« jubelte sie, »trinke dir Liebe! aus Rebenblut quillt Herzenslust!«

Ja, das Herz schlug ihm ungestüm. Er hielt die üppige Gestalt des Mädchens in seinen Armen, nicht mehr Herr seiner selbst. Nun setzte sie sich ihm aufs Knie, umwand und umstrickte ihn noch enger und fester. Ihre Wange lag an seiner, er hörte ihren fliegenden Atem, fühlte ihre schmeidigen Glieder und wie sie in lodernder Leidenschaft zitterte und bebte.

Plötzlich richtete sie sich auf, packte ihn, sah ihn durchbohrend an und flüsterte: »Franz, versprich mir, schwöre mir, daß du dir die andere – die Würzburgische aus dem Sinn schlagen und mein sein willst wie ich dein mit Leib und Seele, ganz – ganz –«

Da – »Trudi!!« schrie er in Angst und Schrecken auf. Ihm schwindelte der Kopf, ihm perlte die Stirn, und als er sich von der ihn Umklammernden befreien wollte, spürte er, daß er auf dem Sitze wankte und taumelte. Mit einem Ruck schüttelte er sie von sich ab und sprang empor. »Jakobine! was ist das?« rief er mit gewaltsamer Aufbietung seiner ihm fast entschwundenen Denkfähigkeit. »Das geht nicht mit rechten Dingen zu. Unselige, was hast du in den Wein gemischt? Du hast mich berauscht, du willst mich berücken und verführen, zu tun, was mich mein Leben lang reuen würde.« Zorn und Empörung gaben ihm die Geistesgegenwart zurück, und vor Aufregung keuchend schloß er: »Mit uns ist's aus für immer; ich verabscheue dich!«

Jakobine erwiderte kein Wort, und er konnte ihre Züge nicht mehr deutlich erkennen, weil es mittlerweile tief dämmerig in der Laube geworden war. Er sah nur noch, daß sie, wie zu einer Bildsäule erstarrt, bewegungslos an einem Pfosten lehnte. Eilends verließ er sie und schwankte unsicheren Schrittes heimwärts. –

Auf dem väterlichen Gehöft saßen die Seinigen noch im Freien und betrachteten ihn, wie er in so haltlosem Zustande daherkam, sehr erstaunt. Scheu grüßend drückte er sich an ihnen vorbei, und in seiner Kammer schnell entkleidet, warf er sich stöhnend ins Bett, wo ihn ein bleierner Schlaf überfiel und seine quälenden Gedanken mit schneller Betäubung erstickte.

Am Morgen erwachte er mit schwerem Kopf, doch mit klarer Erinnerung. Da machte er sich die bittersten Vorwürfe über das, was er getan, wozu er sich hatte verleiten lassen, und verwünschte den Tag und die Stunde, wo er sich so schmählich vergessen hatte. Als er zum gemeinsamen Frühmahl erschien, fragte ihn sein Vater, der für einen ehrlichen Rausch Nachsicht und Verständnis hatte, mit gemütlichem Ton: »Nun erzähle mal, Fränzel, wo du dir den großen Affen gekauft hast, den du gestern abend auf runde Füß mit nach Hause brachtest.«

Sein Bruder Steffen blinzelte ihm belustigt zu, die Mutter aber schaute ernst und besorgt darein, denn ihr ahnte nichts Gutes.

»Ich will's euch sagen,« erwiderte Franz, noch immer verstört und verbissen. »Die Jakobine hatte mich zu sich bestellt, um sich – um mir einen Verspruch abzulisten. Mit gemanschtem Wein hat sie mich betrunken gemacht und –« Er stützte den Ellenbogen auf den Tisch und preßte die Faust gegen die brennende Stirn.

»Na, und –? was ist geschehen?«

»Nichts ist geschehen, nichts, als daß es nun aus ist mit uns, rein aus. Ich nehme sie nun und nimmer zum Weib.«

Gersbacher maß seinen Ältesten mit einem kalten, finstern Blick. »Ich hab's mit dem Steinecker ausgemacht, daß ihr ein Paar werden sollt, und dabei bleibt's« sprach er streng.

»Mit mir ist nichts ausgemacht, Vater! und ich denk, dabei hab ich auch ein Wort mitzureden,« entgegnete Franz gereizt. »Ein Mädchen, das sich mit verfluchten Teufelskünsten einen Mann ergattern will, taugt nicht zu einer Gersbacherfrau. Und wenn ich den Schurken, den Hammichel zwischen die Finger kriege, sollen ihm die Knochen im Leibe knacken,« fügte er wutknirschend hinzu.

»Hammichel?«

»Ja, Hammichel! wer sonst als er hat das Zeug zusammengerührt, das mir das Blut in den Adern sieden machte und mich der Besinnung beraubte? Wollt ihr euch von dem Lumpenkerl eine ins Haus schmuggeln lassen, die mit dem unter einer Decke steckt und zu solchen Mitteln greift, um eure Tochter zu werden? ich nicht! ich nehme sie nicht, und wenn sie mir alle Weinberge der Pfalz zur Mitgift brächte!«

»Du wirst sie nehmen, sag ich dir!« tobte Gersbacher und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.

»Und ich sage dir: ich nehme sie nicht

»Willst du dich gegen mich auflehnen, Bursch?« schrie der Alte mit drohenden Augen.

»Ja, das tu ich! beim Freien geh ich meinen eigenen Weg und lasse mir von niemand einen andern vorschreiben, auch von dir nicht, Vater!« schleuderte ihm der Sohn trotzig ins Gesicht.

Gersbacher erhob sich und stampfte, die Hände auf dem Rücken, mit hochrotem Kopf in der Stube heftig auf und nieder. Auch Agnete stand auf, ging an ihren Mann heran und sagte beschwichtigend: »Nur gemach, lieber Alter! wir wollen unsern Sohn doch nicht drängen, eine zu heiraten, die er nicht mag. Hättest du dir statt meiner eine andere aufzwingen lassen?«

Gersbacher stutzte bei dieser verfänglichen Frage, blieb mitten im Zimmer stehen und stierte schweigend vor sich hin.

Eine dumpfe Stille herrschte. Die andern drei wagten kaum zu atmen und hingen bei stockendem Herzschlag an den Lippen des mit einem Entschluß ringenden Bauern. Endlich kam kurz und hart aus seinem Munde der Bescheid: »Ich hab mein Wort gegeben und nehm's nicht zurück.«

Franz schnellte vom Stuhle empor und stieß wild heraus: »Ich hab keins gegeben und geb auch keins!«

Dann stürzte er hinaus und warf die Tür krachend hinter sich zu.


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