Julius Wolff
Das Wildfangrecht
Julius Wolff

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Sechzehntes Kapitel.

Das Frühmahl bei Armbrusters verlief am nächsten Morgen stiller als sonst. Christoph sowohl wie Madlen saßen da, als hätten sie über Nacht das Reden verlernt, und die Mädchen tauschten mehrmals einen verwunderten Blick, mit dem eins das andere fragte: was haben denn nur die Eltern, daß sie so ernst und rückhaltig sind? jedes dachte: es muß ihnen etwas im Kopfe liegen, was wir nicht wissen und vielleicht nicht wissen sollen. Mit dieser Annahme täuschten sie sich nicht, aber schwerer als im Kopfe lag es den beiden Alten im Herzen, was sie heut so schweigsam machte.

Der Bürgermeister hatte seiner Frau gestern nachmittag seine Unterredung mit dem Freiherrn mitgeteilt, und danach waren beide übereingekommen, ihrer Pflegetochter nun doch endlich zu sagen, was sie so nahe anging, denn jetzt konnte jeden Tag der Faut auf dem Abtshof erscheinen. Darauf mußte sie vorbereitet sein. Dann hatten sie beratschlagt, wer von ihnen die heikle Aufgabe übernehmen sollte, Trudi einzuweihen, ob Madlen unter vier Augen oder Christoph im Beisammensein aller vier. Sie hatten sich für letzteres entschieden und beschlossen, daß Christoph ihr die Sachlage so darstellen sollte, als handelte es sich um nichts besonders Wichtiges.

So blieb er denn nach Beendigung des Morgenimbisses gegen seine Gewohnheit noch am Tische sitzen und fing wie ganz beiläufig an: »Nun kann ich euch auch erzählen, was gestern mein alter Freund, der Reichsfreiherr, von mir gewollt hat. Es betrifft dich, liebe Trudi. Unser Pfalzgraf hat das Wiederinkrafttreten eines alten, verschollenen Rechtes, des Wildfangrechtes, anbefohlen, wonach jeder Fremde, der in die Pfalz einwandert und sich ein Jahr lang hier aufhält, ihm oder einem seiner Vögte hörig und leibeigen werden soll. Nächstens wird es ein Jahr, daß du bei uns bist; dann wird dir der Faut seine Hand entgegenstrecken und dich als Hörige des Freiherrn von Remchingen in der Pfalz willkommen heißen.«

Die Eröffnung schien keinen tiefen Eindruck auf Trudi zu machen. »So?« sagte sie gelassen, »das ist ja ein merkwürdiges Recht. Da ich aber als Heimatlose dank eurer Liebe und Güte hier in der Pfalz zu Gaste bin, muß ich mich auch des Landes Brauch und Ordnung fügen, und was ist denn da schlimmes dabei? Meine Eltern waren als Altarleute des Klosters Bronnbach auch Hörige, und das hat ihr Glück in keiner Weise beeinträchtigt. Der Vater mußte jede Woche einen Tag Frondienst tun, und das kann ich auch. Ob ich nun in eurem oder in einem freiherrlichen Wingert arbeite, macht ja weiter nichts aus, als daß ihr dann meine geringen Leistungen für den Tag entbehren müßt. Aber der Freiherr hat mir ja gestern versprochen, mir zu helfen, wie und wo er nur könnte; vielleicht kann er mich von dem Wildfangrecht frei machen.«

»Nein, das kann er leider nicht; sonst würd er's gern tun,« erwiderte Christoph.

Trudi fragte kleinlaut: »Aber er wird mich doch nicht von euch wegnehmen und auf seine Burg bringen lassen? das wäre mir schrecklich.«

»Das glaube ich nicht; in diesem Punkt wird er sich gewiß wohlwollend und gnädig zeigen,« meinte der Bürgermeister.

»Nun, dann wäre ja alles glatt und eben, wenn ihr mich trotzdem bei euch behalten wollt,« sprach Trudi. »Nur,« setzte sie traurig hinzu, »ich – ich muß mich vor euch schämen, denn – ich bringe euch damit Unehre ins Haus.«

»Aber Trudi! – Unehre!« sagte Madlen. »Sind denn deine Eltern in Unehre geraten, weil sie Altarleute des Klosters waren?«

»Nein, sie waren von allen, die sie kannten, hoch geachtet.«

»Nun also! Du bist und bleibst unsere liebe Tochter, wenn du auch dem Gesetze nach ein Wildfang werden oder nur so heißen mußt,« suchte Madlen sie zu beruhigen, was ihr auch vollständig gelang.

So war die Aufklärung Trudis, mit der Christoph so lange gezögert und vor der er sich mitsamt Madlen so sehr gefürchtet hatte, über Erwarten leicht und glimpflich vonstatten gegangen, und das Ehepaar war froh, daß Trudi die Sache so ruhig und gleichmütig auffaßte.

Ammerie hatte den Erörterungen bis jetzt still zugehört, hatte mit großen, bangen Augen immer von einem zum andern, auf ihren Vater, ihre Mutter und Trudi geblickt und dabei nur einen Gedanken gehabt, dem sie nun, als die anderen schwiegen, mit den Worten Ausdruck verlieh: »Was wird Franz sagen, wenn er das erfährt?«

Da zuckte Trudi zusammenschreckend auf und erbleichte. Die beiden Alten sahen sich betroffen an, und von keinem erfolgte sogleich eine Antwort.

Es war Ammerie aus ihrem warmen, teilnahmsvollen Herzen unwillkürlich herausgefahren, und sich sofort inne werdend, welcherlei Empfindungen sie mit der vorschnellen Frage geweckt hatte, wollte sie ihre Unvorsichtigkeit gern wieder gut machen, gab sich die Antwort darauf selbst und sprach: »Ach, ich weiß schon, weiß ganz genau, was Franz sagen wird, Trudi. Er wird dich mit den altbeliebten pfälzer Redensarten anlachen, mit denen er dich in der letzten Spinnstube hier über das Weinverschütten tröstete: Kehr' dich nicht dran! Mach' dir nichts draus! Denn der bleibt dir treu und läßt dich nicht sitzen, darauf will ich schwören, drauf wetten, drauf Gift nehmen!«

»Aber Ammerie!« rief Trudi in größter Verlegenheit.

»Du denkst wohl, die Eltern wissen immer noch nichts? frag sie mal!« schnurrte Ammerie munter drauf los. »Dann wirst du auch hören, daß sie ganz meiner Meinung sind und –«

»Damit hast du ausnahmsweise einmal recht, du dummer Grashupf!« unterbrach Christoph die Schwatzhaftigkeit seiner Jüngsten. »Der Franz ist ein kreuzbraver Bursch, und wenn er Trudi sein Wort gegeben hat, so hält er's auch.«

Er kannte Florian Gersbachers strenge Ansicht in dieser Beziehung, hegte nicht die geringste Hoffnung auf dessen Nachgiebigkeit, wollte jedoch Trudi nach der Verkündigung ihrer Hörigkeit nicht auch noch den Glauben an ein künftiges Liebesglück nehmen.

Trudi aber schlug sich die Hände vor das Gesicht und schluchzte: »Er kann doch keine Hörige heiraten!«

Madlen, die neben ihr saß, legte den Arm um ihre Schultern und sprach: »Sei getrost, mein Kind! Wahre Liebe überwindet alles im Leben, was immer es den Menschen auch bringen mag.«

»Wohlgesprochen, Madlen!« fiel Christoph ein. »Auch Dieter hat gestern einen guten Ausspruch zu mir getan. Er sagte: Bis ins Herz hinein soll das Wildfangrecht nicht greifen, das laß ich nicht zu. Und zu dir selber, Trudi, hat er gesagt, du könntest auf ihn bauen. Und Remchingen ist nicht ein Mann, der unbedacht und leichtsinnig ins Gelag hinein redet.« Danach erhob er sich und begab sich in seine Amtsstube.

Auch Madlen verließ das Zimmer, um nach ihrer Wirtschaft zu sehen, und die beiden Mädchen machten sich daran, den Frühstückstisch abzuräumen.

Sie besorgten dies schweigend. Ammerie warf zuweilen einen verstohlenen Blick auf Trudi, weil sie diese leise seufzen hörte. Sie wollte ihr um den Hals fallen und sie um Verzeihung bitten, aber sie hatte ja nichts Böses getan. Die Frage nach Franzens Verhalten lag doch jetzt so nahe, daß sie sich jedem in der Familie aufdrängen mußte. Ammerie war es auch keineswegs so außer allem Zweifel, was er zu Trudis Hörigkeit sagen und ob er sich wirklich selber nicht daran kehren würde, wie er es damals Trudi bei Lutzens Prophezeiung geraten hatte. Zwar traute sie seiner Liebe genug Stetigkeit zu, um unlöslich an Trudi zu hangen, allein es griffen ihres Erachtens auch nicht abzuweisende Verstandesgründe und Zukunftssorgen in den Abschluß dieser Verbindung sehr mitbestimmend ein. Durfte die Frau, die später einmal als Bäuerin auf dem großen Gersbacherhofe gebieten sollte, eine Hörige sein? und wenn, wie doch zu hoffen, der Storch dem jungen Paare Kinder brächte, waren die halb frei und halb unfrei? Mit solchen weitschichtigen Betrachtungen zerbrach sich Ammerie ihren achtzehnjährigen Brausekopf, als ob sie auf die Erledigung dieser noch in der Ferne schwebenden Dinge einen maßgebenden Einfluß hätte. Da nun alles Schwanken und Zaudern ihrem lebhaften und resoluten Wesen durchaus zuwider war, wollte sie noch heute der Ungewißheit ein Ende machen, und dazu gab es nur ein Mittel, – Franz mußte heran.

Ohne Aufschub und ohne Trudi etwas davon zu sagen stahl sich Ammerie aus dem Hause und lief schnurstracks nach dem Gersbacherhofe, wo sie Franz zu sprechen verlangte. Der war auf Arbeit im Wingert. Also nun dahin trotz des ziemlich weiten Weges. Dort traf sie ihn.

»Franz, du mußt gleich zu uns kommen; Trudi will dich sprechen,« stieß sie atemlos vom raschen Gehen heraus.

»Was ist denn?« fragte Franz erschrocken, »ist Trudi krank?«

»Sie denkt nicht dran, ist putzmunter, hat dich lieb, sehnt sich nach dir, will dich sehen, dich sprechen, dich küssen, was weiß ich, was sie alles will! komm nur, komm schnell mit!« sprudelte die Erregte hastig auf ihn ein.

»Aber hat denn das solche Eile?« fragte Franz noch einmal.

»Nein, das nicht,« erwiderte Ammerie.

»Nun, so komm' ich heut nachmittag, jetzt kann ich hier nicht fort,« sagte Franz.

»Ist's auch sicher?«

»Ja!«

»Gut!« und weg war sie. –

Trudi war es sehr lieb, den Vormittag allein zu sein, um ungestört über ihre Zukunft nachdenken zu können. Das tat sie nun auch, und dabei kam ihr das Lästige und Kränkende, das ihr die Wandlung in ihrem Dasein aufzwang, zum Bewußtsein. Nicht die Arbeit, die man ihr zumuten könnte, scheute sie. Mehr fürchtete sie sich vor ihrer möglichen Einsperrung in die Burg, wo sie dann den Nachstellungen des Junkers ausgesetzt sein würde. Aber auch dieses Fährnis war es nicht, was ihr die meisten Sorgen verursachte. Das war etwas anderes, tiefer Eindringendes. Sie sollte ihre Freiheit verlieren, sich unter das Joch der Abhängigkeit beugen und, wenn sie nicht als Dienende auf die Burg geholt wurde, im Hause des Bürgermeisters unter Verhältnissen weiterleben, in denen sie fortan nicht mehr eine den Familiengliedern Gleichstehende war, sondern sich noch eine Stufe unter den Knechten und Mägden fühlen mußte. Wohl hatte sie's dankbar empfunden, mit welcher Behutsamkeit die beiden Armbrusters, Mann und Frau, sich bemüht hatten, ihr die Veränderung leicht und erträglich darzustellen. Aber das half ihr nicht über die Bitternis ihrer künftigen untergeordneten Stellung hinweg, in deren Abschätzung die Wachenheimer, die einen mitleidig, die anderen schadenfroh, auf sie herabsehen würden, und das noch vielleicht zum rücksichtsvoll ihr verschwiegenen Verdruß der lieben, guten Alten. Gerade diese Erwägung, in welche mißliche Lage ihre Verwandten durch sie gerieten, drückte sie fast schwerer als ihre eigene Erniedrigung. Einen Augenblick dachte sie an Flucht; aber wohin? überall in der Pfalz würde man sie ergreifen und in die Fesseln des Wildfangrechtes schlagen. Ihr fiel Lutz Hebenstreits düstere Prophezeiung wieder ein, mit der er also doch recht behalten sollte, denn das Unheil war ja nun eingetroffen. Hörig und leibeigen! hörig und leibeigen! das ging ihr beständig im Kopfe hin und her wie das ruhelose Ticktack des Pendelschwunges einer Uhr. Und mitten in diesen Kampf, der sie durchwogte, trat nun noch die folternde Frage: was wird Franz tun? wird er sich von ihr lossagen oder an ihr festhalten? Der Entscheidung hierüber sah sie wie einem Richterspruch über Leben und Tod entgegen. –

Nachmittags kam Franz. Auf dem Hofe begegnete ihm der Bürgermeister, den er auszuforschen suchte: »Ist etwas vorgefallen, Onkel? Trudi will mich sprechen.«

»Trudi will dich sprechen? wer hat dir das zugetragen?«

»Ammerie.«

»Natürlich, Ammerie!« lächelte Christoph und sagte ernst hinzu: »So geh nur hinein zu Trudi. Magst' s von ihr selber hören, was sie dir mitzuteilen hat.«

Er weiß noch nichts, sagte sich Christoph, als Franz ins Haus getreten war. Das wird eine traurige Auseinandersetzung werden; soll mich wundern, womit sie enden wird.

Ammerie hatte, hinter dem Vorhang eines Fensters versteckt, Franzens Ankunft erlauert, und eine Gänsehaut überlief sie, als sie ihn im Gespräch mit ihrem Vater sah, wobei es doch herauskommen mußte, daß sie ihn heimlich und ohne Auftrag hergelockt hatte. Sie hütete sich wohl, mit ihm zu Trudi ins Zimmer zu gehen und wagte auch nicht, am Schlüsselloch zu horchen. Aber sie bereute ihren Anschlag nicht, denn Trudi mußte Klarheit haben, und die konnte ihr nach Ammeries heiligster Überzeugung niemand so schnell und sicher wie sie verschaffen, indem sie ihr den Franz zu hochnotpeinlicher Vernehmung zur Stelle lieferte. Sie war also sehr zufrieden mit sich und tat sich auf ihre findige Eingebung und rasche Entschlossenheit viel zugute.

Franz schien die Sache nicht recht geheuer. Trudi mußte ihm doch etwas Wichtiges mitzuteilen haben, worüber Onkel Christoph nicht mit der Sprache heraus gewollt hatte. Beklommenen Herzens stieg er die Treppe hinan und klopfte an die ihm wohlbekannte Zimmertür der beiden Mädchen. Trudis Stimme war es, die ihn eintreten hieß.

Die dort einsam Sitzende fuhr erschrocken auf, als sie ihn so völlig überraschend vor sich sah. Zögernden Schrittes kam sie ihm entgegen und suchte in seinen Augen zu lesen, was ihn hergeführt haben möchte. Ebenso wie er war sie auf eine trübselige Nachricht gefaßt.

Er umfing sie traut und innig und begann: »Du wünschtest mich zu sprechen, Liebste?«

»Das zwar nicht,« erwiderte sie, den Zusammenhang sofort erratend, »aber ich freue mich, daß du gekommen bist, denn ich habe allerdings mit dir zu reden. Bitte, nimm Platz.«

Als beide saßen, offenbarte Trudi dem Geliebten, nicht mit Seelenruhe, aber doch mit Seelenstärke, das sie unentrinnbar treffende Los, hörig und leibeigen werden zu müssen.

Franz hatte von einem Wildfangrechte noch niemals etwas gehört, wollte Trudi kaum Glauben schenken und war geneigt, das alles für einen unbegreiflichen Irrtum zu halten. Fragen auf Fragen stellte er an sie, aber ihre Antworten liefen immer auf das gleiche hinaus: es ist so, und nichts ist daran zu ändern.

Da stand er auf. Langsam und bestimmt wie einer, der weiß, was er will, und seinen Entschluß gefaßt hat, sprach er: »Wenn dem so ist, so zieh ich mit dir fort, in ein anderes Land, wo dieses verwünschte Recht keine Geltung hat.«

Auch Trudi erhob sich. Ein traumhaft seliges Gefühl durchrieselte sie. Er wollte fortziehen mit ihr, mit ihr! Dennoch sagte sie unsicher noch und schüchtern: »Du kannst doch um meinetwillen nicht Heimat, Eltern, Haus und Hof verlassen.«

»Alles in der Welt verlaß ich um deinetwillen, nur dich selber nicht!« rief er und umschlang die Geliebte so fest, als wäre schon jemand da, der sie ihm entreißen wollte.

»Franz, mein Franz! das ist mir Himmelsbotschaft!« jubelte sie mit strahlenden Augen. »Aber Franz, besinne dich doch: warum denn fortgehen? wir können ja auch hier bleiben; meine Hörigkeit hat nicht viel auf sich und soll uns nicht hindern, uns lieb zu haben und miteinander glücklich zu sein.«

Er machte sich von ihr los, trat einen Schritt zurück und sprach mit dumpfem Ton, der ihm aus schwerem Herzen kam: »Hier bleiben können wir nicht; mein Vater duldet keine Hörige auf dem Gersbacherhofe.«

Trudi erbebte; die Arme hingen ihr schlaff am Leibe nieder, und wie gelähmt flüsterte sie: »Ich hab's ihnen doch vorausgesagt. Wir müssen scheiden, Franz! scheiden für immer.«

Stolz hob er den Kopf. »Scheiden? wer spricht von Scheiden? Wir bleiben zusammen, hier oder dort, wo es auch sei. Können wir uns in Wachenheim den Herd nicht bauen, so gibt's auch anderswo Steine, und Stroh zum Dache finden wir überall. Wir haben ja jeder ein Paar gesunde Arme; nicht wahr, mein Herzenslieb?«

Sie drückte ihm die Hand, daß er ihre Kraft fühlte. Er zog sie wieder an sich und küßte sie lange, lange auf den zuckenden Mund. Das war wie ein stummer Treuschwur, der keines Wortes mehr bedurfte.

»Ich gehe jetzt, um mit meinem Vater zu reden,« sagte er, »tu den Deinigen kund, was wir uns gelobt haben.«

Noch ein kurzer, stürmischer Abschied, dann ging er festen, dröhnenden Schrittes hinaus. –

Das war nun das Ende vom Liede, das traurige Nachspiel zu dem freudigen Einklang zweier Herzen, die untrennbar aneinander festhalten wollten. Das Bekenntnis Franzens von dem bestimmt zu erwartenden, heftigen Widerspruch seines Vaters fiel auf Trudis kaum wieder aufgelebte Hoffnung wie ein scharfer Nachtfrost im Frühling auf die Reben, der ihnen erbarmungslos die zarten Knospen tötet. –

Jetzt steckte Ammerie den Kopf zur Tür herein und fragte vergnügt: »Na, hab' ich's recht gemacht? Aber du weinst ja! Trudi! was ist denn?« rief sie und warf sich über die Freundin her. »Sprich doch! läßt Franz dich im Stich?«

»Nein, er bleibt mir treu.«

»Siehst du? ich wußte es ja. Aber –?«

»Aber sein Vater leidet nicht –« Tränen erstickten ihre Stimme.

»Sein Vater! wenn's weiter nichts ist! Den Alten wollen wir schon zur Vernunft bringen, den krieg' ich auch noch herum und mach' ihm die Hölle heiß wie der Deibel einer armen Seele,« sprach mit beneidenswertem Selbstvertrauen die in keiner Lage um einen trutzigen Scherz verlegene junge Bürgermeisterstochter. Sie hockte sich vor Trudi nieder, streichelte ihr die feuchten Wangen und redete ermutigend so lange auf sie ein, bis die Verzagte ihren beruhigenden Vorstellungen wieder zugänglich wurde.


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