Julius Wolff
Das Wildfangrecht
Julius Wolff

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Neunzehntes Kapitel.

Hammichel schwankte, ob er von der Anwesenheit des Meiers in der Stadt reden oder schweigen sollte und welches von beiden das Einträglichste für ihn wäre. Schwieg er und bewog auch Ebendorffer dazu, so behielt er diesen fest am Zügel, konnte ihn zu allerhand zeitvertrödelnden Unternehmungen verleiten und für seine aufopferungsvolle Beteiligung daran einen ausgiebigen Lohn fordern. Dann mußte er aber auch Jakobinen gegenüber den Mund halten, konnte ihr nicht weismachen, daß es nur von ihm abhinge, was mit Trudi geschähe und verstopfte sich damit eine Einnahmequelle, aus der er noch weidlich zu schöpfen gedachte. Nun fragte es sich noch, ob der Bürgermeister schweigen oder das anspruchsvolle Begehren des Bronnbachers an die große Glocke hängen würde, und das war für Hammichel ganz unberechenbar. Er kraute sich verzweifelt hinter den Ohren, weil er sich keinen Rat wußte, wie er aus diesem Zwiespalt herauskommen sollte. An den Knöpfen seines Wamses wollte er sich die Entscheidung über sein Tun oder Lassen nicht abzählen, sondern mit seinem alle Möglichkeiten abwägenden Spürsinn das Richtige zu treffen suchen. Aber er verwickelte sich mit seinen unschlüssigen Spekulationen wie in den Maschen eines ihm über den Kopf geworfenen Netzes und hörte dabei fortwährend Jakobinens rheinische Gulden klirren. Das klang ihm sehr lockend, doch ihm war so, als stünde in der Schrift: der Geiz ist die Wurzel alles Übels. Das glaube ich nicht, sprach er vor sich hin; ich bin der Meinung, daß die Dummheit die Wurzel alles Übels ist, die Dummheit. Geiz hin, Geiz her! auch das kleinste Stück Geld soll man nicht verschmähen. Darum sei klug, Hammichel, und geh – und geh zu Jakobinen wegen ihrer schönen rheinischen Gulden!

Also ging er zu Jakobinen und berichtete ihr von der Ankunft des Meiers, dessen Absichten auf Trudi er, je nach Jakobinens Wunsch, fördern oder vereiteln könnte. Sie möchte nur sagen, ob es ihr lieber wäre, daß Trudi hier in der Stadt hörig würde oder daß sie der Meier mit sich fortnähme. Für seine Mitwirkung zur Erreichung des einen wie des andern Zieles stellte er seine bestimmten, aber verschiedenen Preise und überließ ihr die Wahl.

Jakobine erklärte, das eine wäre ihr so gleichgültig wie das andere, denn die Würzburgerin könnte ihr so wie so nicht mehr ins Gehege kommen, ob sie nun hier oder in der Ferne hörig würde.

Hammichel gab ihr zu bedenken, daß es doch das Sicherste wäre (weil das Vorteilhafteste für ihn), wenn Trudi ganz aus Wachenheim verschwände, denn solange sie hier am Orte bliebe, würde Jakobine niemals Ruhe vor ihr haben. Aber heute drang er mit seinen Vorspiegelungen nicht durch und fürchtete schon, daß ihm die Steineckerin mißtraute und sich nicht mehr von ihm betrügen lassen wollte. Sehr verdrießlich über seinen Abfall drückte er sich endlich und wußte nun, daß er diesmal doch eine Dummheit begangen hatte und Schweigen das Gescheitere gewesen wäre. Binnen längstens zwei Tagen würde die Anwesenheit Ebendorffers in ganz Wachenheim bekannt sein, und damit verlor er seinen ausschließlichen Einfluß auf diesen, den wiederzugewinnen es eines angestrengten Nachdenkens bedurfte.

Jakobine dagegen sah bald ein, daß Hammichel recht gehabt hatte und Trudis Entfernung von hier das beste Mittel zu ihrer völligen Beruhigung wäre. Sie bereute die vorschnelle Ablehnung seines Beistandes und beeilte sich sie zurückzunehmen, womit sie ihren Bruder beauftragte, nachdem sie ihm von der Botschaft des alten Unterhändlers Mitteilung gemacht hatte. Wilm ging bereitwillig wie immer auf ihre Wünsche ein und versprach ihr, sich mit Hammichel und durch ihn auch mit Ebendorffer in Verbindung zu setzen, um die Überantwortung der Würzburgerin an letzteren mit den beiden gemeinschaftlich und eifrig zu betreiben.

Dem Bürgermeister lag das trotzige Begehren Ebendorffers schwer im Sinn, und so fest er auch entschlossen war, bei seiner Weigerung zu verharren, verhehlte er sich doch nicht, daß die leidige Angelegenheit mit dem Hinauswerfen des Meiers keineswegs abgetan und erledigt war. Höchst wahrscheinlich würde sich dieser nun an den Reichsfreiherrn wenden, um von ihm einen vogteilichen Befehl zur Auslieferung Trudis zu erwirken. Dem wollte Christoph dadurch vorkommen, daß er dem Freunde einen Besuch abstattete, um ihm die nötigen wahrheitsgetreuen Aufklärungen zu geben und ihn wenigstens zu fragen, was er in der Sache zu tun gedächte.

Es geschah sehr selten, daß sich Christoph Armbruster auf der Wachtenburg sehen ließ, und Dietrich von Remchingen war daher hoch erfreut über das Erscheinen des Jugendgenossen. Er befahl sofort Wein, und als der dies Hörende dagegen Einspruch erhob, sagte er: »Erst einen Trunk, Chrischtoph, Forster Freundstück! dann die Sorgen, die ich dir wieder vom Gesicht lese, und hinterher noch einen Trunk als Sorgenbrecher.«

Wie erstaunte er nun, als er den Anlaß zu des Bürgermeisters Kommen vernahm, den ihm dieser mitsamt den versteckten, ruchlosen Absichten des Meiers in Kürze vortrug. Zunächst gab er seinem Unwillen darüber kräftigen Ausdruck; dann aber lachte er und sprach: »Na, mein Alter, da ziehen wir beide mal wieder einen Strang. Unsere liebe Trudi so einem schuftigen Liederjan überlassen? das fehlte gerade noch!«

»Wenn du darüber lachen kannst, Dieter, so bin ich guten Mutes,« sagte Christoph.

»Ja, Chrischtoph, ich lache vielleicht zu früh,« erwiderte der Freiherr, »denn die Sache hat einen sehr ernsten Hintergrund. Die da drüben jenseits des Rheines können sich leider bei der Zurückforderung Trudis auf ein uraltes Privileg berufen.«

»Ich weiß es,« sprach der Bürgermeister, »und dieser Umstand macht mir die meiste Sorge. Hast du dagegen keine Wehr und Waffe, Dieter?«

»Wenn ich eine hätte, wollte ich den Stoß mit festem Gegenstoß parieren.«

»Dann wäre es vielleicht das Beste, wenn du Trudi schnell hörig machtest, damit sie als pfälzische Leibeigene unter deiner Botmäßigkeit hier bleiben muß und uns nicht entrissen werden kann. Warum zögerst du noch damit?«

»Das Hörigmachen würde uns in diesem Falle nichts helfen, Chrischtoph, und daß ich bis jetzt damit zögerte, hat einen Grund, den ich dir eigentlich verschweigen müßte,« entgegnete der Freiherr. Er erhob sich vom Sessel, tat, wie in einem inneren Widerstreit sich nachdenklich seinen Knebelbart zwirbelnd, einen Gang durchs Zimmer, blieb dann vor Christoph stehen, und mit einem bedeutsamen Blick in dessen Augen sagte er langsam, jedes Wort betonend: »Ich warte auf einen geharnischten Protest aus der Mitte deiner Gemeinde.«

In des Bürgermeisters Zügen malte sich eine große Überraschung. Aber als er etwas darauf erwidern wollte, machte der Freiherr mit beiden Händen eine heftig abweisende Bewegung und sprach: »Zwischen uns nichts weiter darüber, Chrischtoph! Benutze diesen Wink wie du willst und kannst, aber bewahre ihn still in deiner Brust.«

Dennoch konnte der Bürgermeister nicht umhin, seinem ritterlichen Freunde vorzuhalten: »Aber, Dieter, als ich selber vor einigen Wochen in meinem Hause dir dergleichen ankündigte –«

»Bitte!« schnitt ihm der Freiherr das Wort ab, »damals drohtest du mir mit einer offenen, gewaltsamen Revolte, und die darf ich nicht dulden.«

Darauf schwiegen sie eine Weile, bis Christoph die Frage stellte: »Wenn nun der Meier zu dir kommt und mich bei dir verklagt?«

»Dann kann ich ihn nicht, wie du's getan hast, die Treppe hinunterwerfen,« erwiderte Remchingen. »Der Bischof von Würzburg ist ein nicht zu verachtender Gegner, und sein Herr Bruder in Christo, der von Speyer, macht mit ihm gemeine Sache. Die lassen sofort die Werbetrommel rühren und sagen uns die Fehde an.«

»Um eines Mädchens willen?«

»O, die brechen, händelsüchtig wie sie sind, jede Gelegenheit vom Zaune, uns Pfälzern etwas am Zeuge zu flicken; davon könnten wir manch Liedlein singen.«

»Also noch einmal: was wirst du sagen, wenn der Bronnbacher sich nächstens bei dir meldet?« wiederholte der Bürgermeister seine Frage.

Der Freiherr zuckte die Achseln. »Hat er Bekannte und Ratgeber in Wachenheim?«

»Ei ja! einen, – Hammichel von Gimmeldingen.«

»Hammichel, den jämmerlichen Wicht wird er nicht als Parlamentär vorschicken, und sollt' er mir auf eigene Faust mit seinem Bettelbriefe kommen, – Vorspann leist' ich ihm nicht gegen dich.«

»Das wollt' ich nur wissen, Dieter!« sprach Christoph freudig, »und damit bin ich zufrieden, mehr verlang' ich nicht.« Er stand auf, hielt dem Getreuen sein noch halb volles Glas entgegen und schloß: »Mit diesem Sorgenbrecher dank' ich dir!«

Dann schied er von dem alten Freunde und wandelte den Burgberg viel getroster hinab als er ihn hinauf gestiegen war.

Auf dem Abtshofe fand er Franz Gersbacher vor, der im Gespräch mit Madlen und den beiden Mädchen deren begreifliche Erregung über das schändliche Verlangen des Bronnbachers zu dämpfen bemüht war. Christoph ermahnte die vier, sich zu gedulden, die Gefahr würde vorübergehen und der Meier bald wieder aus der Stadt verschwinden. Das wäre auch die Meinung des Freiherrn, von dem er eben herkäme. Sie könnten also der Zukunft leichten und frohen Herzens entgegensehen. Er sagte wohlbedacht das alles so ruhig und bestimmt, daß sie sich auch wirklich von ihm beschwichtigen ließen.

Madlen folgte jedoch ihrem Mann in seine Stube, wo sie unter vier Augen mehr von seiner Unterredung mit dem Freiherrn zu hören wünschte. Christoph erzählte ihr denn auch ausführlich davon, aber gerade das, was sie wissen wollte, worauf seine Vertrauensseligkeit fußte, sagte er ihr nicht. Remchingens geheimen Wink verschwieg er auch ihr.

Ammerie ließ verständigerweise Trudi bald mit Franz allein. Diese rückten nun dichter aneinander, sprachen sich unter dem befreienden Eindruck von Christophs Sicherheit gegenseitig Hoffnung zu und kamen überein, ihre Trauung und Auswanderung so lange zu verschieben, bis sie annehmen konnten, daß der nichtswürdige Mensch, der Meier, dem pfälzischen Gebiet den Rücken gekehrt hätte, damit er nicht etwa ihren Spuren folgen und sie auch an ihrem künftigen Wohnorte noch belästigen könnte.

Den Abend zuvor, ehe Christoph auf die Wachtenburg ging, saßen Ebendorffer und Hammichel wieder in der goldenen Traube, und der Meier beichtete dem die Ohren spitzenden Alten die ihm seitens des Bürgermeisters zuteil gewordene schnöde Behandlung.

»Hab' ich Euch doch vorausgesagt, daß dies ein Schlag ins Wasser sein würde,« log ihm Hammichel keck ins Gesicht.

»Ihr mir vorausgesagt? mit keinem Worte!« schnob ihn Ebendorffer an.

»Ich hab' Euch vor dem eigenwilligen, selbstherrlichen Wesen Armbrusters gewarnt.«

»Dessen weiß ich mich nicht zu erinnern.«

»Tut mir leid, aber abgeraten hab' ich Euch von dem Gange,« behauptete Hammichel in aller Seelenruhe.

Ebendorffer war schlechter Laune, und der Wein floß nicht so reichlich wie gestern, Hammichels Glas blieb oft längere Zeit leer. Um bei seinem heute so knausrigen Freihalter wieder besseres Wetter zu machen, hub der über seine Maßnahmen längst mit sich Einige nach einem scheinbar tiefsinnigen Schweigen an: »Ihr braucht wegen dieses einen Mißerfolges nicht gleich das Maul hängen zu lassen wie ein Lohgerber, dem die Felle weggeschwommen sind, Herr Ebendorffer. Kein Baum fällt auf den ersten Hieb.«

»Diese Holzknechtweisheit hör' ich auch nicht zum ersten Male,« brummte der Meier.

»Wir müssen eben etwas anderes, Klügeres erfinden, als mit dem halsstarrigen Bürgermeister zu paktieren.«

»Sehr richtig! mir ist bekannt, daß hier in der Vorderpfalz den höchsten Befehlich der Reichsfreiherr von Remchingen auf der Wachtenburg hat. Dem werd' ich aufs Dach steigen und ihm meine besiegelte Vollmacht unter die Nase halten,« sagte Ebendorffer großspurig.

»Und dann von der Wachtenburg mit ebenso langer Nase wieder abziehen, wie vom Abtshofe,« spottete Hammichel. »Der Freiherr hilft Euch nicht, weil er viel zu dick Freund mit dem Bürgermeister ist. Und in Junker Ulrich, seinem sehr liebedurstigen Sohne, werdet Ihr erst recht einen Gegner finden, der Euch die Jungfer Trudi streitig macht, weil er sie selber besitzen und als Hörige auf die Burg haben will.«

»Auf die Burg haben will?« begehrte Ebendorffer wild auf.

»Jaja!«

»Den Teufel auch! Hammichel, was machen wir da?«

»Nichts wäre zu machen, wenn ich mir nicht etwas ausgedacht hätte, das Euch mit einem Sprunge zum Ziele bringt, sofern ihr Courage habt, Herr Vinzenz Ebendorffer,« sprach der Alte.

»Heraus damit, Herr Hammichel von Gimmeldingen!« rief der Meier und goß ihm flugs das Glas bis an den Rand voll.

»Sagtet Ihr mir gestern nicht,« fuhr Hammichel fort, »Ihr wäret hergeritten auf einem Pferde, das Ihr als flott und tüchtig in jeder Gangart lobtet?«

»Jawohl, kreuz und quer bin ich mit ihm auf der Suche umhergejagt.«

»Ist Euer Roß stark genug, um in scharfem Ritt auch zwei tragen zu können?«

»Ei, das will ich meinen! aber was wollt Ihr damit?« fragte nun Ebendorffer verwundert. »Soll ich Euch etwa zu mir in den Sattel nehmen, daß wir beide selbander nach Heidelberg zum Pfalzgrafen reiten, weil mir der Obervogt nicht helfen will?«

»Mich alten Wurm sollt Ihr nicht vor Euch in den Sattel nehmen, aber ein schönes Mädchen, und nicht nach Heidelberg zum Pfalzgrafen, sondern an den Rhein zur nächsten Fähre mit ihm reiten, und das in sausendem Galopp,« erwiderte Hammichel und packte den andern am Arm, als müßte er ihn aus dem Schlafe rütteln. »Wie gefällt Euch das, Herr Klostermeier von Bronnbach?«

»Hammichel, Ihr seid ein verfluchter Kerl!« rief Ebendorffer und blickte den Alten verdutzt an. »Auf eine Entführung seid Ihr aus? ist das Euer Ernst?«

»Natürlich ist's mein Ernst! aber schreit nicht so!« flüsterte Hammichel, »die Türen schließen nicht gut hier im Hause.«

»Mensch! wie darf ich das wagen unter der scheinenden Sonne.«

»Die Sonne soll's nicht sehen, aber bei Nacht und Nebel schafft Ihr's.«

»Und der Weg?«

»Ist gar nicht weit und nicht zu verfehlen. Ihr müßt ihn nur vorher ein paarmal ausprobieren, damit Ihr oder Euer Gaul ihn auch im Dunkeln wiederfindet. Auch den Fährmann müßt Ihr dingen, daß er zu nächtlicher Stunde bereit ist.«

»Ein toller Handstreich wär es, – aber weiter! laßt mich hören –«

»Still!« gebot Hammichel. »Ich werde den Plan in allen Einzelheiten ausbrüten, ihn Euch fix und fertig vorlegen und als Helfer bei dem Unternehmen einen guten Gesellen mitbringen, der Grütze im Hirn und Haare auf den Zähnen hat. Dann reden wir mehr davon.«

»Aber ordentlich eins trinken wollen wir darauf,« sprach der Meier vergnügt, erhob sich und rief dem Wirte draußen zu, einen besseren Wein aufzutischen.

»Nur eins noch!« fing Hammichel wieder an. »Ich brauche Geld, muß den Torwart stempeln, daß er nachts die Rheinpfort offen läßt; sonst kommt Ihr nicht aus der Stadt hinaus.«

»Wieviel wird dazu nötig sein?« fragte Ebendorffer.

»Ich kenn den Mann, hab' schon manchen Schoppen mit ihm ausgestochen und denke, daß er's für zehn Gulden tun wird, billiger gewiß nicht,« erwiderte Hammichel.

»Hier habt Ihr fünfzehn,« sprach der Meier. »Was Ihr davon erübrigt, soll Euer sein.«

»Bedanke mich bestens,« sagte der Alte und steckte das Geld gierig ein.

Dann tranken sie weiter, bis die neue Flasche Hammichel'schen Machwerks leer war, verhielten sich aber ziemlich schweigsam, in ihren Gedanken mit der geplanten Entführung beschäftigt. –

Wie ein Lauffeuer hatte sich die Kunde von der Ankunft eines würzburgischen Abgesandten, der Trudi in ihre Heimat zurückholen sollte, durch die ganze Stadt verbreitet. Der Traubenwirt hatte mit seinem Gaste, der schon eine starke Zeche bei ihm auf dem Kerbholz hatte, überall geprahlt und dessen Absichten jedem offenbart, der ihn danach fragte. Christoph Armbruster selber hatte seinen Freunden, die des ausgesprengten Gerüchtes wegen bei ihm anklopften, die nicht abzuleugnende Tatsache unumwunden eingeräumt und ihnen zugleich von den unablässigen, schändlichen Angriffen des Meiers auf Trudis jungfräuliche Ehre gesagt, wie es die vor ihm Flüchtige, daheim hart Bedrängte schon am ersten Tage ihres Hierseins Madlen aus angsterfülltem Herzen anvertraut hatte.

Infolgedessen bemächtigte sich der gesamten Einwohnerschaft Wachenheims eine große Erregung, und wunderbarerweise ergriffen alle Schichten der Bevölkerung heftig Partei gegen Ebendorffer und waren entschlossen, Trudis Auslieferung an ihn unter keiner Bedingung zuzulassen.

Diese Einmütigkeit des Widerstandes hatte jedoch sehr voneinander abweichende Beweggründe.

Die Anhänger Armbrusters hielten in unverbrüchlicher Treue zu ihm und stellten sich ihm zum Schutze Trudis zur Verfügung, während seine Feinde danach strebten, daß Trudi hier in der Stadt hörig und leibeigen würde, weil sie dem Bürgermeister diese Demütigung aufpacken wollten. Darum machten auch sie entschieden Front gegen den Meier, der ihnen ihre böswillige Absicht durch die Wegführung Trudis nicht durchkreuzen sollte.

Gersbacher und Lutz waren die lautesten Rufer im Streit für Armbruster, wiegelten ihre Gesinnungsgenossen auf und wollten dem würzburgischen Eindringling handgreiflich zu Leibe gehen und ihn mit Schimpf und Schande aus der Stadt vertreiben. Den Grund zu dem scheinheiligen Einverständnis der Gegner mit ihrer eigenen Meinung durchschauten die ehrlichen Verteidiger des von jenen Gehaßten vollkommen und gaben ihnen anzügliche Reden zu hören und geballte Fäuste zu sehen.

Der Bürgermeister hatte Mühe, die aufeinander platzenden Geister im Zaune zu halten und den offenen Aufruhr zu verhindern, vor dem ihn Dietrich von Remchingen so ernstlich gewarnt hatte. In seinem Innern aber war er froh darüber, denn so bereitete sich allmählich in der Bürgerschaft die rechte Stimmung vor, die zur geschickten Benutzung des ihm vom Freiherrn heimlich erteilten Winkes erforderlich war. Sobald diese Stimmung zu einer besonnenen Kundgebung und einem wohlerwogenen Beschlusse reif war, konnte er einen auf Trudis Schutz abzielenden Antrag im Gemeinderat stellen oder besser noch von den Freunden und Vorkämpfern seiner gerechten Sache stellen lassen. Aber wer von ihnen würde ohne seine Anregung auf diesen klugen Gedanken kommen? –

Vinzenz Ebendorffer war durch Hammichel vor der in der Stadt gegen ihn anschwellenden Gärung gewarnt und ließ sich deshalb auf den Straßen nicht mehr blicken. Am Tage ritt er gewöhnlich zwischen Wachenheim und dem Rheine hin und her, und abends saß er mit seinem geschäftigen Berater in der goldenen Traube beim Wein, wo nun noch ein dritter mit den beiden im Bunde war.


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