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Wer einen Engel mißt, der wein' mit mir!
III. Nacht. V. 128.
An Arthur Onslow.
Des Müden süßes Heil, balsamischer Schlaf! Ach, gleich dem Menschen wandert er behende Des Glückes Lächeln nach, vergißt des Grams; Vom Schmerz flieht er auf schnellen Flaumenschwingen, Und deckt das Aug', das keine Thräne sengt. Ich wache – kurz und schwer (wie immer) war Mein Schlaf: wie selig die, so nicht mehr wachen! Doch wehe auch, befehdet Traum das Grab! Auf streb' ich aus der Träume wildem Meer', Wo scheiternd die verzweiflungsvolle Seele Im Wogenkampf' der Schreckensbilder trieb, Beraubt des Steuers der Besonnenheit. Sie faßt es nun, doch Qual lößt Qual nur ab, Und (herber Tausch!) noch bitt'rer ist die neue; 4 Der Tag zu kurz für meine Pein; und Nacht, Im Zenith selber ihres düstern Reiches, Noch gegen meines Schicksals Farbe Sonnenschimmer. Nacht, schwarze Gottheit! von dem Eibenthrone Streckt sie in strahlenloser Herrlichkeit Ihr bleiern Zepter auf die Welt im Schlummer. Dies Schweigen, o wie todt! wie tief dies Dunkel! Das Auge schaut, das Ohr erlauscht kein Seyn; Die Schöpfung schläft: als steh' der Riesenpuls Des Lebens in der Pause der Natur. Erhabne Paus'! Prophetin ihres Endes! Und laß' die Prophezeiung Wahrheit seyn: Geschick! den Vorhang senk'; ich kann nicht mehr verlieren. O Still' und Finsterniß, ihr ernste Schwestern! Du Zwillingspaar der alten Nacht, das aus Dem zarten Keim' des Geist's Vernunft erzieht, Und auf Vernunft den Entschluß baut, (die Säule Der ächten Menschenherrlichkeit) seyd hold! Ich bring' euch meinen Dank im Grab', in ihm, Das euer Reich; es sinke dort als Weiheopfer Vor euerm düstern Altar dieser Leib. Doch was seyd ihr? – O du, vor dem entflohen Der Urzeit Stille, als die Morgensterne 5 Die junge Bahn des Erdballs jubelnd grüßten; O du, deß Wort aus dichter Finsterniß Den Funken, Sonne, schlug, o zünde Weisheit Mir in dem Geist, im Geiste, der zu dir Sich flüchtet, seinem Schützer, seinem Schatz, Wie Geiz zu seinem Gold, indessen And're schlummern. Durch's dichte Dunkel der Natur und Seele, Die Doppelnacht, send' des Erbarmens Strahl, Mir Licht und Labsal. Leite mein Gemüth, (Das gerne weit von seinem Jammer flöhe) Durch's bunte Spiel von Leben und von Tod, Und hauch' aus jedem Zug der Szenerei Das Edelste der Wahrheit in sein Inn'res! Beseele meinen Wandel wie mein Lied; Lehr' meine beßte Einsicht weise seyn, Und Gradheit lehre meinen besten Willen; Und pflanz' in meine Brust den festen Schluß, Der Weisheit treu die alte Schuld zu lösen. Laß nicht die Schale deines Zorns, ergossen Auf dies verfehmte Haupt, vergeblich strömen! Eins schlägt die Glocke. Nur der Zeit Verlust Bezeichnet uns ihr Seyn; d'rum lieh der Mensch Ihr eine Zunge weis'. Wie Engelsruf Empfind' ich ihn, den feierlichen Schall. 6 Vernahm' ich recht, so ist's die Sterbeglocke Der Stunden, die von mir dahin geschieden. Wohin? Zu Jahren vor der Weltenfluth. Es ist das Zeichen, das zur Eile fordert. Wieviel bleibt noch zu thun! Es fährt entsetzt Mein Hoffen auf und meine Furcht; sie schauen Am schmalen Lebensrand hinab – und was? Die Tiefe, die kein Menschenaug' ergründet; Die dunkle Ewigkeit! unfehlbar mein! Und kann die Ewigkeit mir angehören, Dem armen Pfründner einer güt'gen Stunde? Wie arm, wie reich, wie nieder, wie erhaben, Welch Kunstgeweb', welch Wunder ist der Mensch! Wie über Wunder hoch erhaben der, Der so ihn schuf! In unserm Wesen einend Den sonderbaren Kampf des Widerspruchs! Aus mancherlei Naturen reiche Mischung, Erles'ner Bund von weit entfernten Welten! Ein edel Glied der unermeß'nen Wesenkette! Im Weg von Nichts zu Gott der Mittelpunkt! Ein Ätherstrahl, vom Erdenhauch getrübt, Obwohl getrübt, entehrt, noch immer göttlich! Ein bleiches Kinderbild der höchsten Größe! Des Himmels Erb'! des Staubes schwacher Sohn! Hülflos Unsterblicher! Unendliches 7 Insekt! ein Wurm! ein Gott! – Ich bebe vor Mir selbst, und bin im eignen Seyn verloren. Ein Fremdling in der Heimath, wandelt der Gedanke auf und ab, erstaunt, entsetzt, Und wundert seines eignen Wesens sich. Wie schwindelt der Vernunft! O welches Wunder Der Mensch dem Menschen, siegreich bangend, ist! In Furcht von Lust erfüllt, des Wechsels Beute! Was schützt des Lebens Hauch? was löscht ihn aus? Dem Grab entreißt mich keines Engels Arm, Und Engelschaaren fesseln nicht in's Grab. Mehr als nur Ahnung ist's: das All erhebt Als Zeuge sich. Zwar band die Glieder sanft Des Schlummers Macht, indeß mein Geist, im Takte Der Phantasie, auf Zauberfluren schwebte, Durch öde Nacht des Haines trauernd schlich, Von schroffer Felsenspitze fiel, den Pfuhl, Von Schilf umstrickt, in bitt'rer Angst durchschwamm, Sich Klippen aufwärts wand, im Hauch des Sturmes Mit wild erträumten Geisterschaaren fuhr. Doch spricht selbst der verirrte Flug der Seele Den Geist als ein erhabner Wesen aus, Als jenen Staub, den unser Fuß betritt; 8 Erregt, ätherisch, strebend, unbegrenzt, Und fessellos bei'm Sturz des schwereren Gefährten. Selbst stille Nacht verkündet mich unsterblich, Selbst stille Nacht verkündet ew'gen Tag. Für Menschenwohl lenkt Himmelssorge alles; Der dumpfe Schlaf belehrt; der eitle Traum Umgaukelt nicht vergeblich unsern Sinn. Warum die Klage denn um Unverlorne? Warum schleicht der Gedanke gramvoll um Ihr Grab, in glaubenlosem Leid' zerfließend? Sind Engel dort? und schläft im Staub ätherisch Feuer? Sie leben! herrlich leben sie ein Leben, Auf Erden unentzündet, unbegriffen; Und aus dem Aug' voll Liebe träufelt mir Ihr himmlisch Mitleid, mir, mit größerm Rechte Den Todten beigezählt. Hienieden Wüste, Einöde hier: doch wie bevölkert ist, Wie lebensreich das Grab! Hienieden nur Der Schöpfung Trauergruft, das Leichenthal, Der düstre Schatten des Zipressenhains, Und der Erscheinung Land, der nicht'gen Schatten! Auf Erden Alles Schatten, Alles; Wesen Nur über ihr; das Gegentheil glaubt Thorheit. Wie fest das Reich, das keinen Wechsel kennt! 9 Hier ist des Daseyns Knospe, Dämmerung, Das Grauen unsers Tags und seine Pforte. Verschlossen bleibt des Lebens Bühne noch, Nur Tod, der starke Tod er hebt des Riegels Masse, Er sprengt die dichte Scheidewand aus Thon, Und giebt uns Daseyns-Embrionen frei. Denn ferner liegt dem ächten Leben kaum, Als wir, der Keim, der fremd dem Lichte, noch Nicht Embrio, in seinem Vater schlummert. Ihm gleichen wir, bis wir die Schale brechen, Die Schale aus Azur, die uns umgiebt, Und ein in's Leben gehn, der Engel Leben, (O Wonne!) und der Menschen Leben auch. Doch scharrt der Mensch, der Thor, den Geist hier ein; Begräbt die Himmelshoffnung seufzerlos; Und knüpft, der Erde Sklav' und unter'n Mond gefesselt, Den Wunsch am Boden an, da ihm der Himmel Doch Schwingen gab, Unendlichem zu nahen, Es zu erreichen, wo vom holden Lebensbaume Zunächst der Gottheit Thron, Unsterblichkeit Der Seraph pflückt. Wie glüht in goldnen Trauben Der Himmelswonne Füll' an Ihrem vollen Strahl, Für den Gerechten reifend, dort, wo kein 10 Minutenlang Jahrhundert gilt, und Zeit Und Schmerz und Wechsel und der Tod vergeh'n! Vermag die Flucht von dreimal zwanzig Jahren Die Ewigkeit aus Menschensinn zu drängen, Unsterbliches zu hüllen in den Staub? Der Geist, der, für Unsterblichkeit geschaffen, Die Flammenkraft auf ernstes Spiel vergeudet, Und wie die Bühne hier ihn schreckt, ihn reizt, In Wellen des Entzückens wogt, der Angst, Er gleicht dem Meer, das wilder Sturm empört, Die Feder fortzuweh'n, die Fliege zu ertränken. Wen trifft mein Tadel? Mich wirft er zu Boden. Wie war mein Herz verhärtet von der Welt! Wie selbstbestrickt war mein gesunk'ner Geist! Der Raupe gleich, wie war ich eingesponnen In weich Geweb' der niedern Phantasie, Daß der umhüllte Sinn dem Traum erlag, Dem sanften Traum von ew'ger Erdenlust, Und seine Schwinge sank, des Firmaments vergessen! Uns frommen kann der Nacht Gesicht, (ich sang's) Doch wacher Traum bringt Weh. Wie träumte ich Unmögliches! (Vermöchte Schlaf wohl mehr?) Von steter Lust in steten Wechselkreisen! Von sichern Freuden auf der Brandung Woge! Und ew'gem Sonnenschein im Lebenssturm! 11 Die Szenerei gemahlter Wonnen hing So reichlich um die Mittagsträume her! Und Lust um Lust in grenzenloser Ferne! Da rief der Tod, der rastlos mit der ehr'nen Zunge Millionen jeden Tag zum Mahle heischt. Ich fuhr entsetzt empor, und fühlte mich verloren. Wohin nun meines Wahnsinns Prachtgeschmeide? Die spinnumwebte Hütte mit zerfallnen Mauern Aus mürbem Lehm ist gegen mich Pallast! Der Spinne dünnster Faden ist ein Seil, Ein Tau, verglichen mit dem zarten Band, Das an der Erde Glück den Menschen knüpft; Denn es vergeht am leisen Hauch der Luft. O Wonnestunden ungestörten Glücks! Voll ohne Maas! und dauernd ohne Schranken! Des Glückes Stätigkeit ist höchstes Glück. Könnt ihr, so reich an Lust, ihr Ende fürchten, Dann saugt der gräßliche Gedank' sie auf, Und scheucht das Paradies aus lichten Räumen. Gesichert ruht ihr ob der Sphären Kreisen, Aus deren Schwindeltanz Verderben thaut Im trüben Wechsel auf der Erde All. Hier geht mit Anderm jede Stunde schwanger, Und mit dem Bessern selten; selbst das Beste Ist sterblicher als des Geschicks gemein Erzeugniß. 12 Ein jeder Augenblick führt seine Sichel, Wetteifernd mit der Riesensens' der Zeit, Die Reiche in dem weiten Schwung' entwurzelt; Indeß der Augenblicke Schaar mit kleiner Waffe Im engern Kreis der süßen Häuslichkeit Der Erdenwonne schönste Blüthen mäht. Glück! Erdenglück! – o stolzes Wort und eitel! Verhüllter Hochverrath an Gottes Schluß! Tollkühner Eingriff in das Recht des Himmels! Ich drückte Schattenbilder an die Brust; In Luft zerfloßen sie! O daß ich dies erwogen, Eh' ich die Arme innig um sie schloß! Dann trüg' mein Herz so tiefe Wunden nicht! O Tod! du großer Herr des Alls! dein ist Die Kraft, die Reiche tilgt und Sterne löscht. Die Sonne selbst strahlt nur, weil du's vergönnest, Du drängst auch sie dereinst aus ihrem Kreis? Warum erschöpfest du, so reich an hohem Raube, Partheiisch dein Geschoß auf nieder Ziel? Was triffst du mit Erbitt'rung mich, nur mich? O unersättlich gier'ger Bogenschütze, Genügte dir an einem Opfer nicht? Dein Pfeil flog dreimal, dreimal sank mein Glück; Und dreimal, eh sich dreimal füllt' des Mondes Sichel. 13 O Cinthia, warum so bleich? klagst du Um deines armen Nachbars Loos? bekümmert dich, Daß menschlich Leben in des Kreislaufs Wirbel, Den ew'gen Wechsel deiner Bahn besiegt? Wie schwindet mein erborgtes Glück dahin! Die wandelbare Huld, Fortuna's Lächeln! Nicht so der Tugend sich'rer, selbst errung'ner, Der Sonnenstrahl der ächten Seligkeit. Verwaist ist jede frohe Regsamkeit, Mag ich auch Ort und Stund' und Stellung wechseln. Gedanke! o geschäftiger Gedanke! Für meines Herzens Frieden zu geschäftig! Von stiller Nacht geführt, durchschleicht er leise Der Vorzeit dunkle Thür', dem Mörder gleich, (Zum Mörder wird er mir!) und irrt verarmt Und wild in freundlicher Vergangenheit; Den Kummer sucht er auf mit irrem Sinne, Und sieht nun öd die Gegenwart, und sieht die Geister Geschiedner Freuden; welche volle Schaar! Ich klage um des frühern Schicksals Schätze Um welkes Labsal lieblicher Erquickung; Es ängstigt mich die einst so liebe Wonne; Und was einst Freude war, wird nun zur Wunde. 14 Doch warum Klage? Klage um den Einen? Erhebt die Sonn' ihr Flammenhaupt nur mir, Dem Einzelnen? sind alle And're Engel? Mein Schmerz gilt tausend Tausenden, dem Menschenloose. Das Schicksal lieh in irgend einer Form Der Mutter Weh'n den Weibgebohrnen allen Des Schmerzens Kind und Erbe ist der Mensch. Krieg, Hunger, Pest, Volkane, Sturm und Flamme Und Bürgerkrieg, und mit dem Dreierz um Den Busen, Tirannei, berennt den Menschen. Der Gottheit Bild, des Tags enterbt, vergißt, In's Bergwerk eingesenkt, der Sonne hier; Unsterblich, wie ihr stolzer Unterdrücker, Sind Jene dort, die wund am ew'gen Ruder rasseln, Und pflügen Winterflut, Verzweiflung erntend; So Manche, für den harten Herrn, in Waffen Entnervt, verstümmelt in der heißen Schlacht, Erbetteln mit den halben Gliedern Brod, Ein bitter Brod, (im Land', das tapfer sie gerettet!) Weil der Tirann, weil es sein Günstling will. Unheilbarkeit und Noth (ein grausam Paar!) Sie sah'n erbarmungslos die hoffnungslose Menge Zugleich, und zum Asile wird das Grab. Ha! Leichen speien ächzende Spitäler! 15 Und Schaaren ächzen vor der Todespforte! Und Schaaren, einst im Schoos des Glücks gepflegt, Erflehen nun die kalte Hand des Mitleids! Und flehen (was entsetzlich ist) vergeblich! Hieher, ihr weiche Kinder des Vergnügens! Die modischer Besuch schon klagen läßt, Besuchet hier und ruht euch aus von Lüsten; Erleichtert, gebend, euch das Joch des Überdrußes. Doch – Virtuosen in der Unverschämtheit – Fühlt Ihr Erröthen nur vor dem, was Recht. Wohl uns! ergriffe nur das Leiden Solche! Doch Klugheit schützt und Tugend rettet nicht; Der Krankheit Gift drängt sich zur Nüchternheit, Zur Unschuld Züchtigung; und wilder Lärm Verfolgt zur dichten Nacht den Freund der Ruhe. Des Menschen Vorsicht selbst zeugt oft Gefahr, Und seines Hüters Sturz zerschmettert ihn. Dem Namen untreu wird Glückseligkeit! Es giebt der eigne Wunsch nicht was wir wünschen. Wie ferne oft, wornach wir heiß uns sehnen, Vom Ziel der Sehnsucht, von Glückseligkeit. Natur herbergt auf Rosenpfad den Schmerz, Und treue Freundschaft selbst verletzt durch Irrthum. Auch wenn das Unglück feiert, wie viel Leiden! Und wie viel Fehde ohne einen Feind! 16 Doch mangeln Feinde nie dem besten Menschen. Ach! endlos ist des Menschenjammers Reihe, Des Seufzens Kraft vergeht, nicht Stoff zum Seufzen. Welch kleinen Theil des Balls aus Erd' und Wasser Besitzt der Mensch! der Rest ist Wüste, Fels, Einöde, eisig Meer und glüh'nder Sand; Der Ungeheuer wilder Aufenthalt, Voll Stacheln, Gift und Tod. O düst're Erdenkarte! Doch düst'rer ist's, daß sie des Menschen Bild! So eng begrenzt die Wonne ihres stolzen Eigners Auf's weitumfassende Gebiet des Jammers, Wo tiefe Unruh' tost, laut Klage heult, Und Leidenschaft den gift'gen Stachel führt, Die gier'ge Pein zerfleischt des Lebens Sitz, Und dräu'nden Rachen das Verderben öffnet. Doch, wer bin ich, der ich mich selbst betraure? Des Greises wie des Kindes Hoffen ruht Auf fremdem Beistand: Liebe uns zu lehren – Sie wird uns erste Lehre der Natur, wie letzte. Des Selbstlers Herz ist seiner Qualen werth. Wenn bess'rer Schmerz uns beugt, erhöht er uns, Und selbstbewußte Tugend mildert Pein. Die Tugend wie die Klugheit heischt von mir, 17 Dem innern Drang die zweite Bahn zu öffnen; Ihn theilend nur scheuchst du des Kummers Strom. So nimm denn, Welt, der Thräne heil'ge Schuld. Wie trüb' erscheint die Menschenlust dem Geiste, Der weiter steht, als einer Stunde Raum! O wer du seyst, dem Jubel füllt die Brust, Verlangst du, daß ich deines Glücks mich freue? Ich weiß, du willst es so – dein Stolz begehrt's. Dein Stolz verzeih', was dein Gemüth bedarf, Den segenvollen Tadel eines Freundes. Du armer Glücklicher! durch Blindheit selig: Die Thorheit schaukelt dich in stetes Lächeln. Erkenne, Lächler! die Gefahr der Lust; Denn deine Freude wird des Kummers Bothe. Das Unglück steigert, strengem Gläub'ger gleich, So wie du Frist verlangst, auch seine Ford'rung; Es flicht die Geißel aus vergang'nem Glück', Dich quälender mit Doppelweh zu treffen. Lorenzo, dich umschmeichelt jetzt das Glück; Dein frohes Herz hüpft zum Sirenenliede. Du bist mir lieb, o wähne mich nicht rauh; Nicht dämpfen will ich deine Lust, sie sichern. Glaub' nicht die Furcht dem Sturme nur geweiht; Sei vor des Schicksals Lächeln auf der Huth. Ist furchtbar Himmels Zorn? Gewiß! er ist's; 18 Doch furchtbar auch ist er in seiner Huld. Sie ist hienieden Prüfung nur, nicht Lohn, Ein Ruf zur Pflicht, nicht Lösung von der Sorge; Sie sollt' uns, gleich dem Leiden, kräftig wecken, Daß wir in Quell und Folge sie versteh'n; Mit unserm Werth' gewogen, uns erschüttern; Sollt' bändigen den Aufruhr der Natur, Und ihre Freuden reinigen durch Zucht, Daß wir, umarmend, sie nicht selbst erwürgen, Und nicht zu Schlimmerm noch als bloßem Elend, Verkehren ihren Reiz. Empörte Freuden Erheben sich, den Feinden gleich im Bürgerkriege, Dem zornentflammten Busenfreunde gleich, In gift'gem Wüthen gegen uns're Ruhe. Wahr' dich vor dem, was Glück die Erde nennt, Vor allen Freuden wahre dich, nur die Nimm an dein Herz, die nimmer sterben können. Wer nicht auf die Unsterblichkeit sie baut, Mag noch so warm an seiner Freude hängen, Er spricht ihr doch das Todesurtheil selbst. Mit dir starb meine hin, o mein Philander! Dein letzter Seufzer nahm den Zauber weg; Und ihren Glanz verlor die nackte Erde. Wohin versank der Schimmer ihrer Thürme, Wohin der Berge Gold? Hernieder alles 19 Zu kahler Wüste Nacht, zum bangen Thränenthale. Todt ist der große Zauberer! Du armes Erblichnes Stück verstoßner Erd' im Dunkel! Wie grenzenlos von gestern unterschieden. So nahe dir dein heiß geliebtes Hoffen! (Das schwer errungene Kleinod!) Wie warm Erglühte Stolz auf deiner Purpurwange! Bei Gott! erhab'ner Stolz auf edlen Ruhm. Doch innen trieb des Todes leiser Keim (Der schlaue Untergraber voll Verrath!) Sein düster Werk, und deiner Plane spottend, Winkt' er dem Wurm, die blüh'nde Rose anzunagen, Nicht welk bevor sie sank, Minutenraub! Des Menschen Vorsicht ist bedingt nur weise, Lorenzo! Weisheit wird zur Thorheit oft, Im Augenblick, da ihre Huldidee Dem Mutterschoos der Seele sich entwindet. Wie schwach das Aug' auf Gegenwart begrenzt; Den nächsten Augenblick verhüllen Wolken, So dicht wie die den jüngsten Tag bedecken; Vergeblich spähen und verkünden wir. In Theilchen ist der Zeitraum ausgemessen, Und jedes Theilchen bindet, eh' es sich Zum Strom des Lebenssandes mischt, Geschick Durch heil'gen Eid. es nimmer anzudeuten: 20 »Wo Ewigkeit beginnt.« Was möglich ist Darf nach Naturgesetz gleich wirklich werden; Kein Vorrecht herrschet in des Menschen Stunden. Hebt sich aus unsrer Brust ein kühn'rer Wahn, Als unser Traum vom nächsten Morgenroth? Wo ist dies Morgen? Ach! in and'rer Welt. Für Schaaren ist dies wahr, das Gegentheil Für keinen sicher; und doch bauen wir Auf solch Vielleicht, auf dieses Ohngefähr, Durch Lügen so berüchtigt, wie auf Demantfelsen. Der Hoffnungen Gebirg; doch spinnen wir Der Plane ewiges Geweb, als läg's Bei uns, die Schicksalsschwestern zu besiegen, Und sterben, mit des Lebens Zukunft schwanger. Philander hatte auch kein Sterbekleid Bestellt; es zu bestellen keinen Grund; Versagt blieb Warnung ihm: wie viele fallen, Wie er so plötzlich, doch so sicher nicht! Wie er so schnell, doch Jahrelang gewarnt! Bewahre dich vor höchstem Erdejammer, Lorenzo! vor dem langsam schnellen Tod. Wie schrecklich der besonnene Überfall! Sei weise heut'; nur Raserei vertagt's; Ein Tag beschönigt stets des andern Schuld, Bis Weisheit aus dem Leben weggedrängt. 21 Vertagung ist der Dieb der Zeit; sie stiehlt Uns Jahr um Jahr, bis alle Jahre schwanden, Und stellt das Hochgeschäft der Ewigkeit Der Gnade eines Augenblicks anheim. Wie seltsam das, wär' es alltäglich nicht. Noch seltsamer, daß es alltäglich ist! Im Wunderreich des Menschenwahns erringt Die Palme der: »daß wir des Lebens Bahn »Beschreiten wollen;« dennoch weilen wir Stets an der Schwelle der Geburt. Zwar schmeicheln Wir alle selbst uns an mit dem Gedanken, Dereinst die Kinderschuhe abzulegen; Und borgen auf dies Hoffen, dieses Erbtheil, Mit Stolz schon baares Lob, zumal das eigne; Wir jauchzen Beifall unserm künft'gen Selbst; Welch trefflich Leben, immer ungelebt! Die Zeit in unsrer Hand ist Spielgeld für Die Thorheit; was die Zukunft birgt an Zeit. Das theilen wir der Weisheit günstig zu; Was Vorsatz werden soll, wird nachgesetzt; – Die Thorheit selber muß der Thoren lachen, Und kaum vermag die Menschenweisheit mehr. Versprecher stets, der leidige Vertager, Verspricht er sich durch alle Lebensstufen. 22 Der Jüngling ruht zuweilen wohl behaglich In edler Selbstzufriedenheit, um sich Ganz unbesorgt, als frommer Sohn nur wünschend, Sein Vater möge weiser seyn. Mit dreißig Jahren Erfaßt den Menschen Ahnung seiner Thorheit; Mit vierzig kennt er sie, den Lebensplan verbessernd; Mit fünfzig schilt er schmählichen Verzug, Den klugen Vorsatz zur Vollziehung treibend; In aller Herrlichkeit des Geist's beschließt Er und beschließt; dann stirbt er, stets derselbe. Warum? Weil er sich für unsterblich hält. Für sterblich halten alle Menschen alle, Nur nicht sich selbst; sich selber nur alsdann, Wenn unverseh'ner Sturm des Schicksals plötzlich Bangen Durch ihre wunde Herzen treibt; doch wie Durchschnitt'ne Luft, so schließen ihre wunde Herzen Sich bald; und keine Narbe ließ der Pfeil. So wie die Schwinge nicht die Wolke narbt, Getheilte Wellen nicht des Kieles Furche, So stirbt im Menschenherz des Tod's Gedanke. Wir senken ihn mit jener inn'gen Thräne, Die auf geliebte Leichen weint Natur, In ihre Gruft. Kann ich Philanders je 23 Vergessen? Nein! das wäre wunderbar. O volles Herz! – und wollt' ich es ergießen, Zu kurz wär', länger noch, die längste Nacht, Mein mitternächtlich Lied vernähm' die Lerche. Der muntern Lerche Ruf weckt früh' den Morgen; Des Schmerzes schärfsten Dorn tief in der Brust, Möcht' ich durch wache Melodien erhellen Die Nacht, wie du, o süße Nachtigall! Und ruf' den Sternen zu, mich anzuhören; Die Sterne sind mir taub, nur deinem Liede lauschend. Doch sey nicht eitel; dich besiegen Lieder, Die zauberisch durch ferne Zeiten tönen. In Schatten eingehüllt, von Nacht umschlossen, Sing' ich die Glutbegeisterten so oft Den stillen Stunden vor, den Schmerz zu mildern, Aus Jammers Hand entwendend mein Gefühl! Ihr flammendes Entzücken reißt mich hin, Doch faß' ich nicht die Flamme der Begeist'rung. Im Dunkel, doch nicht blind, wie du, o Mäonide! Wie Milton, du! ach trüg' mich euer Flug! Der deine, du, der uns Homer gegeben! Den Menschen sangst auch du, Unsterblichkeit Des Menschen singe ich: oft drängt mein Lied 24 Sich aus den engen Schranken dieses Lebens; Was als Unsterblichkeit kann noch mein Herz erfreuen? O daß einst Pope den Gegenstand verfolgt, Dem Pfade treu vom Dunkel zu dem Lichte! O daß er auf dem Feuerfittich aufgestiegen Und schwebend in der Höhe, die mich stürzt, Unsterblichkeit des Menschen auch gesungen! Wie selig wär' der Mensch! und ich gelößt! |