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Entsagung.

Dieser ängstlichen Spannung der Gemüther machte die unerwartete Ankunft des Obersten von der Hardt ein Ende. Er mußte den Kriegsschauplatz verlassen, indem ihm ein schwerer Hieb den rechten Arm gelähmt hatte. Noch trug er ihn in einer Binde, und da einige Sehnen durchschnitten waren, so war es leider gewiß, daß er für immer unbrauchbar sein würde. Durch diesen Unfall wurde die Freude über seine Ankunft einigermaßen gedämpft. Er selbst ertrug das Unglück mit der Resignation eines Mannes, der an die Schläge des Schicksals gewöhnt ist. Er war ein hoher, starkgebauter Mann, seine edlen Züge trugen den ruhigen Ernst, den er auch in den verzweifeltsten Lagen seines Kriegerlebens nie verlor. Jetzt gab er sich ganz der Freude des Wiedersehens hin. Die steife Förmlichkeit, welche in anderen vornehmen Familien herrschte, war aus dieser verbannt. Er umarmte Gattin und Tochter sehr zärtlich und wurde von diesen wiederum mit der aufrichtigsten Freude empfangen. »Sieh! wer steht denn da noch?« sagte er dann, als ihm der Graf entgegen trat, »ist das nicht Vetter Albrecht? Sein Sie mir willkommen in Eschenthal, Vetter, das ist recht, daß Sie mir meine Frauenzimmer gehütet haben! Na kommt, Kinder, hinein in die Zimmer, daß ich es mir bequem mache.«

Auf dem Hausflur war das ganze Gesinde zusammengeströmt, um ihren verehrten Herrn zu sehen. Er grüßte sie alle freundlich. Auch Döppner stand unter ihnen und richtete sich kerzengerade, als der Oberst an ihm vorüberging. »Was Henker, guter Freund,« sagte der Oberst, als er ihn erblickte, »wie kommst Du hierher? Trägst eine respektabele Uniform, sie hat uns manchmal warm gemacht!«

»Es ist der Diener des Rittmeisters, guter Mann,« sagte die Baronin, als sie die Verlegenheit des armen Burschen gewahrte, »den Du uns als Kriegsgefangenen herschicktest.«

»Ach so! Was macht denn der wackere Degen, lebt er noch? Er hatte eine tüchtige Schlappe bekommen.«

»Er ist gänzlich wieder hergestellt, verläßt aber selten sein Zimmer,« erwiederte die Baronin etwas zurückhaltend, und Emiliens Gesicht, welches auf einen Augenblick die Freude über des Vaters Ankunft belebte, zeigte plötzlich wieder den Ausdruck eines traurigen Ernstes. Die Familie war jetzt in dem großen blauen Wohnzimmer angekommen. Dem Baron mußte das Wesen seiner Tochter auffallen, und fast erschrocken fragte er: »Was in aller Welt ist aber mit Dir vorgegangen, meine Emilie? Du bist ja gar nicht mehr das heitere, muntere Ding wie sonst! Man sollte Dich ja für einen Mann halten, so gottergeben siehst Du aus!«

Emilie wurde blaß und roth, schluchzend warf sie sich an ihres Vaters Brust und stürzte dann hinaus, um ihrem gepreßten Herzen in der freien Natur Luft zu machen. Unter der großen Linde am Teiche setzte sie sich nieder und ließ ihren strömenden Thränen freien Lauf.

»Was ist das?« sagte der Oberst, und sah ihr lange staunend nach. Jetzt erfuhr er von seiner Gemahlin alles, was der geneigte Leser schon weiß. Seine Stirn legte sich in düstere Falten, während er schweigend zuhörte. Als sie geendet hatte, ging er noch eine ganze Weile sinnend auf und nieder, dann blieb er vor seiner Gemahlin stehen und sagte:

»Gutes Weib, Du hast ganz so gehandelt, wie ich es von Dir erwarten konnte. Es kann nie etwas aus dieser Geschichte werden, das ist gewiß. Wie sich nur der Rittmeister so etwas einfallen lassen konnte! Ich habe zwar alle Achtung vor ihm als Soldat, das werde ich jedoch nie zugeben, daß meine Tochter einen Bürgerlichen heirathet, und sollte sie darüber gar keinen Mann bekommen, denn zwingen werde ich sie nie zu einer Heirath. Vor allen Dingen muß jedoch der Rittmeister aus dem Hause.«

Die Baronin stimmte dieser Meinung bei und erfuhr zu ihrer Freude, daß der Gefangene ganz dem Oberst überlassen war; denn dazu hatte sie Wilhelm zu sehr schätzen gelernt, als daß sie ihn gleichgiltig dem Schicksale der übrigen Kriegsgefangenen hätte preisgeben können. Wilhelm wurde gebeten herunter zu kommen. Mit klopfendem Herzen erschien er; denn er glaubte Emilien in der Gesellschaft zu treffen, doch athmete er wieder freier auf, als er sie nicht erblickte. Die Baronin hatte ihn seit dem Auftritte in ihres Neffen Zimmer nicht wieder gesehen, und erschrak jetzt fast vor seiner Blässe und dem leidenden Aussehn. Mit Anstand grüßte Wilhelm die Anwesenden und sagte dann zum Baron: »Herr Oberst, vor allen Dingen sage ich Ihnen meinen aufrichtigsten Dank für die Rettung meines Lebens, welches ich nur Ihrer Auszeichnung und der sorgsamen Pflege hier im Schlosse zu verdanken habe; obgleich es vielleicht besser gewesen wäre, wenn ich mich auf dem Schlachtfelde verblutet hätte.«

»Lassen wir das, junger Mann, das sind vergangene Dinge. Ich will Ihnen auch keine Vorwürfe machen über Ihre Liebschaft mit meiner Tochter, denn Ihr letztes Benehmen hat mich wieder mit Ihnen ausgesöhnt; übrigens bin ich aber ganz der Meinung meiner Gemahlin. Sie fühlen gewiß selbst, daß Ihr fernerer Aufenthalt hier im Schlosse allen peinlich sein muß, daher gebe ich Ihnen hiermit Ihr Ehrenwort zurück, Sie sind frei!«

Ein Strahl der Freude durchzuckte Wilhelms blasses Gesicht. Schon längst hatte er sich wieder nach Thaten gesehnt, und jetzt wurden seine Wünsche so unvermuthet erfüllt.

»Sie verbinden mich aufs Neue durch Ihre Großmuth,« entgegnete er dann, »ich wünsche Ihnen von Herzen, daß Ihre Tochter mich vergessen möge und einst die Freude Ihres Alters werde. Ich finde vielleicht bald meine Ruhe auf dem Bette der Ehre.«

»Diese trüben Gedanken finde ich jetzt ganz natürlich, aber sie vergehn auch wieder, bester Rittmeister,« meinte der Oberst mit vornehmer Miene, welche Wilhelm verletzte; »Sie werden noch manches Mädchen finden, welches Ihnen gefällt und besser für Sie paßt. Sie kommen jetzt wieder in das buntscheckige Soldatenleben hinein, welches Ihnen so viel Zerstreuung bieten wird, daß Sie nicht Zeit haben werden, an alte Liebesgrillen zu denken. Morgen früh werden zwei Pferde für Sie und Ihren Burschen bereit stehen, behalten sie dieselben als einen Beweis meiner Achtung.«

Wilhelm seufzte und vermochte kaum zu danken für ein Geschenk, welches ihm doch gerade sehr gelegen kam. Bald entfernte er sich wieder, zugleich Abschied nehmend von diesen Leuten, denen er viel zu danken hatte, deren Vorurtheile ihn aber auch wieder grenzenlos unglücklich machte. »Was für Menschen sind dies!« rief er aus, als er aus seinem Gartenstübchen angekommen war, »ich kann sie nicht begreifen! Ihre angeerbten Meinungen von Vorzügen der Geburt, ihr Adelstolz gilt ihnen mehr, als das Glück ihres Kindes! O Emilie, wärst du in niedriger Hütte geboren, wärst du die Tochter eines Hirten, wie glücklich wäre ich! Nichts stände meiner offenen Werbung entgegen; aber so darf ich ja nicht einmal das Geringste thun, dich mir zu erringen, es könnte ja scheinen, als wollte ich mich eindrängen in eine Familie, welche den Bürgerlichen verschmäht! – Und diese Menschen sind meine Wohlthäter! – Ich kann sie nicht hassen, die mir mein Liebstes entreißen! – Ha, wäret Ihr Rabeneltern, wäret Ihr Niederträchtige, ich würde alles daransetzen, Euch die Tochter zu entreißen!« –

Ueberwältigt von dem Sturm seiner Gefühle warf er sich auf das Sopha. Lange Zeit mochte er schon in dumpfem Hinbrüten dagesessen haben, als Döppner zu ihm eintrat. Mitleidig sah er seinen Herrn an, strich sich seinen schon tüchtig wiedergewachsenen Schnäuzer, und sagte dann:

»Herr Rittmeister, nehmen Sie's mir meinswegen nicht übel; aber mir kommen jetzt manchmal so wunderliche Gedanken. Ich wollte, daß wir meinswegen lieber in ein verwünschtes Schloß gekommen wären, als wie hierher. Herr Rittmeister , wenn ich Sie so manchmal ansehe; denn möcht ich wohl sagen – –«

»Na, laß nur gut sein, ehrlicher Bursche, ich weiß, daß Du es treu mit mir meinst. Packe nur unsere Sachen zusammen, morgen geht es hier fort.«

»Das ist mir meinetwegen so lieb, Herr Rittmeister, als wenn ich Sie wieder vor der Schwadron sähe; denn nicht für ungut, Herr Rittmeister, Sie können in keiner Festung so trübselig aussehen, als hier.«

»Wirst mich auch bald wieder vor der Schwadron sehen; denn es geht grades Weges wieder zu den Kameraden.«

Döppner konnte das erst nicht begreifen, als es ihm aber nach und nach klar wurde, da konnte er sich nicht mehr halten. Bedeutsam strich er sich seinen Bart und sagte dann vergnügt:

»Herr Rittmeister, ich bin zwar Nettchen recht gut, und sie mir meinswegen auch, aber jetzt gehe ich doch vergnügt weg, und wenn ich mir nicht einmal an den blauen Bohnen, die auf dem Schlachtfelde wie Schneeflocken umherfliegen, den Magen verderbe, so denke ich sie mir noch zu holen, wenn ich einmal auf den Gedanken kommen sollte, zu heirathen.«

Geschäftig ging er dann sogleich daran, die Mantelsäcke zu packen und egal zu schnüren, daß sie die Pferde nicht drückten, dann ließ er sich von seinem Freund Joseph die Pferde zeigen, die seinem Herrn bestimmt waren. Er kannte längst alle im ganzen Stalle, und war sehr zufrieden, als er hörte, daß die beiden Rappen künftig seine Pfleglinge sein würden. Er kosete und schwatzte mit den Thieren, als wären es seine ältesten Freunde.

»Höre, Joseph! der hier mit dem kleinen Stern, den muß mein Herr reiten, der sieht stolzer aus. – Sieh einmal, wie ihm die Augen blitzen! Ha, und die Ohren spitzt der Spitzbube, als wenn er's schon wüßte, daß er meinen Rittmeister tragen sollte.«

Liebkosend streichelte er ihm dann das glänzende Haar, hob die Hufe auf, um nach dem Beschlag zu sehen, paßte die Sättel auf und probirte jedes Riemchen, ob es auch taktfest sei. Als er alles zu seiner Zufriedenheit gefunden hatte, suchte er sich sein Nettchen auf, um mit ihr noch den Rest der Zeit zu verschwatzen und Plane für die Zukunft zu schmieden. Die wurde jedoch sehr niedergeschlagen, als sie von der Abreise hörte, und nur erst, als ihr Döppner mit seinen theuersten Schwüren gelobt hatte, wiederzukommen und sie heimzuführen, wurde sie etwas beruhigt.

Nicht so glücklich war Falk. Es kämpften in ihm Liebe und Pflicht. Er hatte Emiliens Gestalt durch das schon hereinbrechende Halbdunkel im Park wandeln sehen. Mächtig zog es ihn hinunter, um den bittersüßen Kelch zu leeren, ihr ein ewiges Lebewohl zu sagen; aber handelte er damit nicht Unrecht gegen die Geliebte selbst? Regte er dadurch nicht Emiliens Leidenschaft von Neuem an? Er war ja ohne alle Hoffnung! Bald wünschte er, daß sie ihn recht bald vergessen möge, damit er sich nicht als den Zerstörer ihrer Ruhe anzuklagen hätte; dann aber hätte er ihr wieder zürnen können, wenn sie je eines Andern Gattin geworden wäre. Und war er es denn, der sich anzuklagen hatte? Waren es nicht ihre Eltern, welche sie Beide unglücklich machten? So philosophirte er im Widerstreit seiner Gefühle, bis es ihn doch endlich zu mächtig drängte, wenigstens noch einmal in ihrer Nähe zu athmen. Unbemerkt ging er hinunter in den Park, er wollte sie versteckt belauschen, sich ihr geliebtes Bild noch einmal recht fest einprägen, er wollte den Pfeil, der sein Herz verwundete, bis ins Leben hineindrücken, und dann im unendlich süßen Wehe langsam verbluten. Er wollte Emilie nicht vergessen, weil er es nicht konnte! Aber er fand sie nicht mehr im Park, sie mußte schon wieder, von ihm unbemerkt, ins Schloß zurückgekehrt sein. Traurig schlich er nun wieder zurück auf sein Zimmer, und verbrachte den Abend in trüben Gedanken. Es mochte schon spät sein, als Döppner noch zu ihm eintrat mit einem Zettelchen an ihn in der Hand, was er, wie er sagte, von Nanetten zur Besorgung erhalten habe. Es war von Emilien. Hastig forderte er Licht und las dann:

 

»Mein einzig Geliebter!«

»Der Wille meiner Eltern trennt uns; aber sie können mir nicht gebieten, meine Liebe zu vergessen! Bei meinem Gotte habe ich es gelobt, nie einem Andern anzugehören, als Dir, diese Ueberzeugung nimm mit Dir, indem Du von hier scheidest. Ich sah Dich nicht wieder seit jenem Tage; aber ich ehre Deine Entsagung, denn die Ehre gebot sie Dir. Du kannst ja nicht kalt geworden sein in Deiner Liebe! – Nein ich kann es nicht glauben, daß Deine Schwüre Heuchelei gewesen wären! – O Wilhelm, Wilhelm, wenn Du mich doch getäuscht hättest! – Nein, fort ihr trüben Gedanken! Deine Liebe ist ja mein einziger Trost! Ich bin ja nur ein schwaches Geschöpf, ich bin ja nicht stark genug, ohne die Ueberzeugung von Deiner treuen Liebe zu leben! Ist denn auch alle Hoffnung so gänzlich verloren? Kann nicht die Zeit vieles ändern und uns günstiger werden? Du erzähltest mir einst in trauten Stunden von einem Traum, den Du, ich weiß nicht wo, einmal gehabt hättest, und behauptetest dann, mich dort ganz natürlich gesehen zu haben, lange bevor Du mich kanntest. Wenn Dir nun damals der Traumgott den Schleier der Zukunft gelüftet hätte, und auch das Ende wahr würde? O nach dem schwächsten Halmen greift ja der Versinkende, wenn er keine Rettung mehr sieht! Es ist eine trügerische Hoffnung; aber ich habe ja keinen andern Halt!« –

»Ob wir uns wiedersehen, das steht bei Gott! – Auf ihn will ich vertrauen. Lebe wohl, mein ewig, mein einzig Geliebter! Leb' wohl!«

 

Ich will es nicht versuchen, Wilhelm's Gefühle zu schildern, kein Schlaf beruhigte sein aufgeregtes Gemüth, und die Morgenröthe, die letzte, welche er hier erleben sollte, fand ihn noch wachend auf seinem Lager. Döppner kam und meldete, daß die Pferde bereit wären, und still sah man, eine halbe Stunde später, unsern Helden die Stätte verlassen, wo sein Theuerstes zurückblieb.


Mit Jubel wurde er von seinen Kameraden empfangen, als er im Bivouak ankam. Sein Chef empfing ihn mit Auszeichnung, und freute sich, in ihm einen so tapfern Offizier wieder zu gewinnen. Er erhielt seine erste Schwadron wieder. Viele von den Braven, welche mit ihm schon in so manchem Gefechte gestritten hatten, fand er nicht mehr, viele jedoch sah er auch wieder, und manchen mit dem Ehrenzeichen der Tapferkeit geschmückt. Alle riefen ihm ein donnerndes Hurrah entgegen, als er zum ersten Male vor ihrer Front erschien. Langsam ritt er die Reihe hinunter, sprach mit jedem alten Bekannten ein freundliches Wort, erinnerte sie an ihre früher bewiesene Tapferkeit und äußerte das Vertrauen, daß sie bei nächster Gelegenheit sich eben so brav halten würden. Den jüngeren, erst hinzugekommenen empfahl er, sich ihre Kameraden zum Muster zu nehmen und nie hinter diesen zurückzubleiben. Die Veteranen fühlten sich geschmeichelt, und indem sie hernach in müßigen Stunden den jüngeren Kameraden von ihren Großthaten erzählend, mehr noch als wirklich geschehen war, auftischten, verbanden sie sich gleichsam für die Zukunft zu noch größeren Anstrengungen, um nicht als Ruhmredige zu erscheinen. Es herrschte ein sehr guter Geist in der Schwadron, und jederzeit rechtfertigten sie das von ihrem Rittmeister in sie gesetzte Vertrauen. Dieser, obgleich rastlos in seinem Dienst, war stets still und in sich selbst verschlossen. Sein bleiches Gesicht zeigte den Ausdruck eines trüben Ernstes, welchen die Meisten als eine Folge seiner Krankheit ansahen; Einer nur wußte den Schmerz Wilhelm's zu würdigen, und dieser Eine war sein Freund Schlegel, welcher während der letzt verflossenen Zeit auch Rittmeister geworden war und die zweite Schwadron kommandirte.

Seit Wilhelm's Zurückkunft hatten sich die beiden Freunde immer enger aneinander geschlossen. Oft, wenn sie im trauten Gespräche zusammen saßen, versuchte es Moritz, ihn zu trösten und sein Gemüth dem Frohsinn wieder zugänglich zu machen, doch wollte ihm dies nimmer gelingen. Es gab für Wilhelm keine Freude mehr auf dieser Welt, nur wenn es in die Schlacht ging, dann blitzten seine Augen in höherem Feuer, dann hob sich seine Gestalt und Todesverachtung thronte auf seinem Antlitz. Wie ein Rasender stürzte er sich in die feindlichen Reihen und seine wackere Schwadron ihm nach. Tod und Verderben brachte sein funkelnder Säbel über Alles, was ihm Widerstand leistete; er suchte den Tod, aber dieser schien ihn zu fliehen. Wo er war, da war der Sieg. Mit ehrfurchtsvoller Bewunderung sahen seine Untergebenen auf ihn, sie glaubten ihn stich- und schußfest; denn keine Kugel traf ihn und keine Klinge konnte ihn verwunden. Seine Vorgesetzten zeichneten ihn aus, seine Brust wurde allmälig mit Orden bedeckt, aber der äußere Glanz und die errungenen Lorbeeren konnten ihm die innere Ruhe nicht zurückgeben. Auf den gefährlichsten Posten wurde der Rittmeister Falk gestellt; denn Alle waren überzeugt, daß, wenn menschliche Anstrengungen das Erwartete möglich machen könne, er es gewiß thäte. Oft machte ihm Moritz Vorstellungen, sein Leben nicht so tollkühn bei jeder Gelegenheit preis zu geben. Wehmüthig lächelnd schüttelte er dann sein Haupt, reichte dem wohlmeinenden Freunde die Hand und sagte: »Laß mich gewähren, Moritz, Du weißt ja, was mich treibt! Ich kann nicht anders, das Leben ekelt mich an, und süß ist ja der Tod auf dem Schlachtfelde.«

Jetzt hörte eine Zeit lang das Scharmütziren in kleinen Attaquen auf, die ewigen Neckereien hatten ein Ende und es trat eine Zeit der Ruhe ein; doch war es eine Unheil verkündende Ruhe, wie das Schweigen der Natur vor dem Ausbruche eines heftigen Unwetters. Die Truppen wurden mehr concentrirt, Verstärkungen herangezogen, und alles bereit gehalten, mit jedem Augenblicke loszuschlagen. In den ersten Tagen vermied jedoch der Feind eine entscheidende Schlacht, bis beide Heere, des Herumziehens müde, sich in einer großen Ebene aufstellten. Es war ein herrlicher Sommermorgen, in ihrem vollen Glanze tauchte die Himmelskönigin empor und beleuchtete die langen Reihen der kampflustigen Krieger. Es ist ein ergreifender Anblick, wenn die Reihen der Männer in ihrem buntesten Waffenschmuck in den Kampf ziehen, der für jeden der Todeskampf sein kann. Hörbar klopft auch dem Muthigsten das Herz in der Brust, er steht ja an den Pforten der Ewigkeit; doch fest und entschlossen sieht er mit düsterem Blick auf die Reihen der Feinde. Den Feigen erkennt man leicht an dem blassen, verzerrten Gesicht, an dem verzweifelnden Blick in die Wolken und den schlotternden Knieen. Hier sieht man die Führer mit flatterndem Federbusch in kurzem Galopp die Reihen hinuntersprengen, mit geübtem Auge die Ordnung des Ganzen musternd, dort hört man Einen mit feuriger Rede die Seinen zum Muthe und zur Tapferkeit entflammen; Alle erkennen die Wichtigkeit des Tages. Da donnerte das Geschütz, sechs Batterieen spieen Verderben in den Feind, welcher nicht minder furchtbar seine Antwort zurückgab. Hochauf wirbelte der Pulverdampf und lagerte sich dann wie eine Wolke über die Ebene hin. Sausend durchschnitten die Kugeln die Luft und lichteten furchtbar die Reihen, wo sie einschlugen. Vorzüglich that eine Batterie auf dem linken Flügel der Feinde dem rechten Flügel des Königs, welcher in eigener Person die Schlacht leitete, bedeutenden Schaden. Hier entbrannte aber auch der Kampf zuerst am heftigsten. Auf einer Anhöhe hinter dem Centrum hielt der König, umgeben von seinen Adjutanten. Bald sah er sich genöthigt, dem rechten Flügel, welcher anfing zu wanken, Hilfe zu schicken. Jetzt wurde der Kampf allgemein. Das Centrum rückte vor und gewann einige Vortheile. Das Husarenregiment, dessen erste Schwadron der Rittmeister Falk führte, hielt am Fuße des Hügels, von welchem der König das Schlachtfeld übersah. Als durch das Zurückweichen des feindlichen Centrums einige Verwirrung bei demselben entstand, da erhielt dies Regiment den Befehl, diese zu benutzen, und sie durch einen raschen Angriff vollständig zu machen. Im sausenden Galopp stürzte es sich auf den Feind, warf die Kavallerie desselben über den Haufen, prallte jedoch an einem Infanteriequaré, von dem es mit mörderischem Feuer empfangen wurde, zurück. Dies Quaré war die Stütze des Feindes, es stand unerschütterlich; aber es mußte gesprengt werden, wenn der Sieg errungen werden sollte. Die Husaren sammelten sich wieder zum erneuerten Angriff; denn sie hofften durch ihren Muth auch das Unmögliche möglich zu machen, und es gelang auch durch die rasende Todesverachtung eines Einzigen. Beim zweiten Sturm auf das Quaré sah man den Rittmeister Falk im gestreckten Galopp, einige Pferdelängen seiner Schwadron voran, dahinfliegen, als wollte er allein den Wald der blinkenden Bajonette durchbrechen. Keine Kugel traf ihn, es war, als schütze ihn eine höhere Macht; doch als er vor den Mündungen der Gewehre ankam, und mit dem furchtbaren Anlauf die Reihe zu durchbrechen hoffte, da bäumte sich sein edles Roß hoch in die Höhe, es erhielt einen Schuß in die Brust, mit gewaltigem Sprunge setzte es noch über zwei Glieder der Feinde hinweg und stürzte dann zusammen. Hierdurch entstand eine augenblickliche Verwirrung auf der Stelle und eine Oeffnung in dem Quaré. Rasend hieb der Rittmeister um sich, seine Husaren stürmten ihm nach in die Lücke, und in fünf Minuten sah man nur noch die Reste der Feinde in verworrener Flucht über die Ebene dahineilen. Die feindliche Schlachtordnung war in der Mitte durchbrochen, die beiden Flügel hielten sich nicht mehr lange; ein vollständiger Sieg war erfochten. Falk hatte seine That unter den Augen seines Königs vollbracht. Als das Regiment vom Verfolgen des Feindes zurückkehrte, wurde Wilhelm zu ihm beschieden und huldreich empfangen. »Sie haben heute den Preis der Tapferkeit errungen, braver Rittmeister,« sagte der König, »mögen Sie auch als Verkünder des Sieges, an dem sie so großen Antheil haben, nach der Residenz eilen, und dort in den Lustbarkeiten des Hofes eine Erholung von den Anstrengungen und Beschwerden des Krieges finden.« Wilhelm fühlte sich geehrt durch diese Auszeichnung und entfernte sich.

Als Wilhelm in sein Quartier zurückkehrte, fand er seinen Freund Moritz in der heitersten Stimmung. Mit fröhlichem Ungestüm sprang ihm dieser entgegen.

»Willkommen, Bruder Major,« rief er, »sollst sehn, lieber Junge, ich werde bald noch stolzer auf Deine Freundschaft!«

»Hoho, nicht so hastig, lieber Moritz,« entgegnete Wilhelm lächelnd, »mit dem Major ist's nichts.«

»Was Teufel, bist Du denn gleich Oberst geworden? Da, nimm meine Gratulation gleich doppelt.«

»Nein, Freund, versteig Dich nicht zu hoch! Du siehst in mir nach wie vor den Rittmeister Falk.«

»Nun das gesteh' ich,« meinte Schlegel mit langem Gesicht, »die gepriesene Anerkennung des Verdienstes in unserm Heere mag auch der Henker holen! Ich will wetten, Bruder, wenn Du so ein gewichtiges Von führtest und ein halb Schock Ahnen auszahlen könntest, so wärest Du jetzt etwas anderes; aber so geht es, wenn ein feines Herrchen mit dem Von nur von weitem einmal Pulverdampf riecht, so wird ein Aufhebens davon gemacht, als wäre es, Gott weiß was; aber wenn unsereiner, so wie Du, ein feindliches Quarré sprengt und den Weg zum Siege bahnt, da heißt es: ›Das war brav, bester Rittmeister, und wenn Sie so fortfahren, so können Sie auch bleiben, was Sie sind!‹ – Ist das nicht erbaulich?«

»Ereifere Dich nicht, Moritz, Deine Freundschaft für mich macht Dich ungerecht! Habe ich nicht schon mehr erlangt, als ich je hoffen konnte, und was war es denn auch weiter, als mein braver Rappe mit mir in die Bajonette setzte.«

»Ja ja, nun möchtest Du wieder gar zu gern das ganze Verdienst Deinem braven Rappen zuschreiben; aber ich habe es wohl gesehen, wie Du dem armen Thiere mit scharfer Klinge auf die Croupe hiebst, daß es verzweifelt mitten in die Feinde hineinsetzte, während die andern Herrn Offiziere von und von, wohlweislich ihre Husaren voran jagen ließen.«

»Daß Du doch so versessen darauf bist, den Adel bei jeder Gelegenheit anzugreifen, es thut sich auch mancher von ihnen hervor, und Du weißt ja selbst, wie viel wackere Offiziere es giebt, welche ihre Ahnen bis zu den Kreuzzügen hinaufzählen. Die Begünstigung des Adels hat auch ihr Gutes. Das Verdienst der Väter berechtigt ihn zu Ansprüchen, im Allgemeinen genießt er eine bessere Erziehung, er wird dadurch schon vorbereitet zu den höheren Kreisen, in welchen er einst leben und wirken soll, er –«

»Gut, gut, ich kenne Deine Ansichten darüber; aber wenn nun ein Bürgerlicher sich auch tüchtige Kenntnisse erwirbt, ein brauchbarer Mann wird, sich auszeichnet, hat er da nicht dieselben Ansprüche?«

»Das läßt sich nicht läugnen! Unsere Verdienste werden ja auch anerkannt.«

»Anerkannt, aber nicht gewürdigt und belohnt.«

»Auch das. Werde ich nicht jetzt als Siegesbote nach der Residenz geschickt, und ist diese Auszeichnung nicht Belohnung genug für mein geringes Verdienst?«

»Nein, nicht genug; aber es ist etwas, und zwar so viel, daß ich Dich jetzt wieder eine gute Zeit verliere, darum komm, Brüderchen, ich habe hier einige alte Rüdesheimer erwischt, die sollen uns den Abschied versüßen.«

Somit ließen es sich die Freunde tüchtig munden, Moritz vertrank seinen Aerger, Döppner erhielt Befehl, alles zur baldigen Abreise seines Herrn in Stand zu setzen, und ein Paar Stunden später eilte Wilhelm der Residenz zu.



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