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Auf dem Schlosse Eschenthal herrschte nach der Abreise Wilhelm's nicht wie sonst das heitere harmonische Leben. Die Baronin sah ihre liebsten Wünsche vereitelt durch die Tochter, deren Wohl ihr so sehr am Herzen lag, und welche selbst unglücklich geworden war durch die Liebe zu Wilhelm. Oft suchte sie Emilien durch sanfte Vorstellungen und mütterliche Ermahnungen zu bewegen, ihren Wünschen nachzugeben; doch flehte die Tochter dann jedesmal so innig, so rührend um Schonung, daß die Baronin es nicht über sich gewinnen konnte, weiter in sie zu dringen. Das Plätzchen unter der Buche war Emilien jetzt ein Heiligthum. Hier hatte ihr ja Wilhelm seine Liebe gestanden, hier hatte sie so oft mit ihm in der glücklichen Zeit ihres noch verborgenen Einverständnisses traute Stunden verplaudert, hier war sie am glücklichsten gewesen. Dort saß sie jetzt oft lange, lange in tiefe Gedanken versunken, ihr Geist war bei dem Geliebten. Sie malte sich sein ganzes Leben und Treiben, sie folgte ihm bei allen Unternehmungen, wie die Phantasie sie ihr vorzauberte. Oft sah sie ihn vor der Front seiner Schwadron die Seinen zur Kampflust anfeuern, sie sah das Blitzen seiner Augen, sie hörte den Ton seiner Stimme; dann sah sie ihn in der Hitze des Kampfes unter den Säbeln der Feinde, sie sah hundert blitzende Klingen über seinem Haupte gezückt, ein Ausruf der Angst entwand sich ihrer gequälten Brust und brachte sie aus den lebhaften Gebilden ihrer Phantasie in die Wirklichkeit zurück. Einst saß sie auch so, beschäftigt mit ihren Lieblingsgedanken, da stand plötzlich Graf Albrecht vor ihr. Zutraulich setzte er sich neben sie und hob dann an:
»Theuerste Emilie, darf ich Sie einen Augenblick stören?«
»Wann hätten Sie das nicht gedurft, Vetter?«
»Nun gut, Emilie, so will ich denn ganz offen zu Ihnen reden, und die Entscheidung meines Schicksals aus Ihrem Munde vernehmen.«
»Spotten sie meiner nicht, Albrecht, wie sollte ich schwaches Geschöpf dazu kommen, über Ihr Schicksal zu entscheiden!«
»Sie wollen mich nicht verstehen, aber ich muß Gewißheit haben. Dies ewige Schwanken zwischen Tod und Leben, zwischen Himmel und Hölle kann ich nicht länger ertragen. Emilie, Sie kennen meine Liebe, Sie kennen die Wünsche unserer Eltern, darf ich jemals hoffen, daß Sie diesen Wünschen entsprechen werden, daß Sie meine Liebe erwiedern?«
»Könnte Ihnen mit einer Gattin gedient sein, welche einen Andern liebt, welche ihn ewig liebt?«
»Da sei Gott vor! Davon sprach ich auch nicht; aber ich meinte, daß Sie von einer hoffnungslosen Leidenschaft zurückkommen, daß Sie einen Mann vergessen müßten, welcher nie der Ihrige werden kann. Zwischen Ihnen steht die Meinung, welche Jahrhunderte geheiligt haben, zwischen Ihnen steht der Wille der Eltern. O, Emilie, erkennen Sie endlich meine treue Liebe, verstoßen Sie mich nicht, jagen Sie mich nicht in Verzweiflung! Wer weiß denn auch, ob der, an welchem Sie so treu hangen, Ihrer werth ist, ob er nicht vielleicht jetzt –«
»Lästern sie nicht, Vetter! Sie kennen die Liebe nicht, von der Sie so viel reden. Ihre Macht ist älter, als alle Vorurtheile der Menschen, und wen sie einmal mit ihrem göttlichen Feuer entflammte, in dessen Macht steht es nicht mehr, diese Flammen zu verlöschen! Dies sind meine wahrsten, innersten Empfindungen.« Begeisterung strahlte aus ihren Augen, ein höheres Roth färbte ihre Wangen, wie die Priesterin der reinen, keuschen Liebe stand sie vor dem Grafen. Lieblicher war sie diesem noch nie erschienen, als grade jetzt, da sie ihm alle Hoffnung benahm.
»Gut denn,« sagte er in Verzweiflung, »morgen gehe ich zum Heere, vielleicht macht bald eine mitleidige Kugel meinem armseligen Dasein ein Ende.«
»Das ist ein gotteslästerlicher Wunsch, Vetter! Sie können ja wählen unter den Töchtern des Landes, sehen Sie sich nur um, Sie werden viele finden, mit welchen ich den Vergleich nicht aushalten kann.«
»Sie widersprechen sich, Emilie, haben Sie nicht eben selbst gesagt, daß man nur einmal lieben könnte?«
»Allerdings! Sie glauben aber nicht daran, wie würden Sie es sonst versucht haben, mich zu überreden, wegen der Hoffnungslosigkeit meiner Liebe, meine Liebe aufzugeben?«
»Wohlan, so fahret denn hin, ihr Hoffnungen, ihr lieblichen Bilder, welche mir ein tückischer Dämon vorgaukelte, fahret hin, ihr Freuden dieses Lebens! O Emilie, laß mich noch einmal Deine weiche Hand küssen, noch einmal in Dein holdes Antlitz schauen, daß Dein Bild ewig feststehe in meinem Herzen und mir folge in die Nacht der Verzweiflung!« –
Stürmisch ergriff er ihre Hand und preßte seine brennenden Lippen darauf. Als wollte er ihre Züge auf ewig in sich einsaugen, so starrte er sie dann mit seinen Augen an, in denen ein Feuer brannte, vor welchem Emilie zurückbebte. Wie ein Rasender stürzte er fort, hinaus dem Park in das freie Feld.
Spät am Abend kehrte er zurück, befahl seinem Diener, alles zur morgenden Abreise in Stand zu setzen, und eröffnete dann der Familie seinen Entschluß, Kriegsdienste zu nehmen. Die Baronin wollte das anfangs nicht zugeben, indem sie meinte, Emilie würde doch nicht immer in ihrer Halsstarrigkeit verbleiben. Sie wollte erst noch einen Versuch machen, sie für ihre Wünsche zu gewinnen, doch hinderte Albrecht dies selbst, indem er erzählte, wie er heute das Aeußerste versucht habe, indessen fruchtlos. Jetzt, fügte er hinzu, könnte er es selbst nicht mehr wollen; denn er würde nie ein Mädchen heirathen, welches ihn nur aus Zwang nähme. Trauernd nahmen der Baron und die Baronin am andern Morgen Abschied von ihm, den sie so gern Sohn genannt hätten.
Bereitwillig nahm man ihn bei dem Heere auf, dem es seit der unglücklichen Schlacht, in welcher sich Wilhelm so reichliche Lorbeern errang, sehr an tüchtigen Offizieren fehlte.
Emilien war nach der Abreise ihres Vetters, als wäre ihr eine große Last vom Herzen gewälzt. Es schien ihr, als ständen ihrer Liebe zu Falk jetzt weniger Hindernisse im Wege, als könnte sie jetzt freier an ihn denken und von ihm träumen. Sie glaubte sogar aus einigen Reden der Mutter schließen zu können, daß diese, um ihre Tochter glücklich zu sehen, wohl geneigt wäre, den Wünschen der beiden Liebenden nachzugeben, aber der Vater, der Vater! – Doch sie hatte einmal der Hoffnung Raum gegeben, und so dachte sie denn, daß auch er wohl nachgeben würde. Aber Wilhelm? Ach Gott, was könnte ihm nicht alles zustoßen, bis es ihm vergönnt wäre, wieder zu ihr zu eilen? und glaubte er sie denn nicht auf ewig verloren? O wenn er es doch wüßte! Er sucht vielleicht jetzt grade den Tod, da ihm hier wieder ein Hoffnungsstern leuchtet! So quälte sie sich in ihren Gedanken um den Geliebten. Du kannst ihm ja schreiben, dachte sie oft; aber dann stellte sich wieder ein unübersteigliches Hinderniß in den Weg. Wie sollte sie denn den Brief zum feindlichen Heere besorgen? Doch die Liebe macht ja erfinderisch, und so fand auch sie endlich Mittel und Wege, ihren Zweck zu erreichen.
Das eine Gut des Barons lag ganz an der Gränze des benachbarten Königreichs, und in dessen Nähe hatte schon den ganzen Sommer der Krieg getobt. Um noch einigermaßen dort Ordnung zu erhalten und zu retten, was zu retten war, wollte jetzt der Baron den Haushofmeister Gille, welchen er sich bis aufs Aeußerste treu und ergeben wußte, dorthin schicken. Emilien schien dies eine passende Gelegenheit, ihr schon lange gehegtes Vorhaben auszuführen. Sie nahm zwar zuerst Anstand, sich dem Haushofmeister anzuvertrauen, indessen wußte sie ja keinen andern Rath, und der alte Gille hatte ja von jeher eine so besondere Anhänglichkeit zu ihr gezeigt, daß sie fest überzeugt war, ihr Geheimniß würde bei ihm sicher sein. Zudem war er ja grade zu dem Geschäft am tauglichsten, da er als alter Soldat gewiß am ersten Mittel finden würde, dem Rittmeister ihr Briefchen in die Hände zu spielen. Als sie ihn daher eines Tages allein traf, wie er im Teiche die Fischkasten nachsah, ob sie nicht verschlammt wären, da ging sie auf ihn zu und redete ihn an: »Nun, Meister Gille, Ihr macht wohl erst noch einmal die Runde, ehe Ihr Euch von Euern Pflegebefohlenen trennt?«
»Ja, gnädiges Fräulein, dem Daniel muß man auf die Finger sehen, sonst kümmert er sich nicht viel um die Teiche. Ich werde ihm seinen Dienst noch einmal recht einschärfen, sonst kann ich die schönen Fischkasten im Schlamme suchen, wenn ich wieder komme; denn man kann nicht wissen, wie lange das dauert.«
»Also meint Ihr, daß Ihr lange ausbleiben werdet? Freilich Eure Noth werdet Ihr schon haben auf Harpt.«
»Ja wohl, ich weiß schon wie das geht. Im Kriege spaßen die Soldaten nicht, da kommen alle Augenblicke Requisitionen, Einquartierungen, Nachzügler und solch Gesindel, was dem Heere nachzieht wie ein Schwarm Aasvögel.«
»Und wenn nun gar die Feinde kommen,« meinte das Fräulein.
»Die machen's meist auch nicht ärger als die Freunde, beide nehmen, was sie bekommen können, und wenn sie einem nicht das Haus über dem Kopfe anstecken, so kann man schon zufrieden sein.«
»Nun so arg werden sie's doch nicht machen, es giebt doch auch gewiß viel wackere Männer bei den Feinden.«
»O ja, Einige wohl. Da war ja hier der Herr Rittmeister im Frühjahr. Das war ein braver Herr; aber leider giebt es nur nicht viel solche.«
Emilie wurde blutroth, als Gille Falk's erwähnte, sie glaubte er müßte es ihr ansehn, daß sie ihn nur soweit hätte haben wollen. Jetzt war die beste Gelegenheit da, und doch wußte sie nicht, wie sie es anfangen sollte, ihm den Auftrag mit guter Manier beizubringen; aber sie faßte sich ein Herz und sagte:
»Wolltet Ihr mir wohl einen Gefallen thun, Gille?«
»Alles, was Sie verlangen, gnädiges Fräulein.«
»Seht, hier habe ich einen Brief an den Rittmeister Falk, könntet Ihr es wohl möglich machen, den zu besorgen?«
»Warum nicht? Ich gehe für Sie durch's Feuer, gnädiges Fräulein, warum nicht auch einmal ins Lager der Feinde? Mit solchen Sachen weiß ich schon Bescheid.«
»Aber schweigen müßt Ihr können.«
»Schön, schön; ich verstehe. Stumm, wie hier meine Fische.«
»Gut, bester Gille, ich verlasse mich auf Eure Klugheit.«
Der Haushofmeister fühlte sich nicht wenig geschmeichelt durch das Vertrauen, was ihm Emilie schenkte, und er gelobte sich im Stillen, seine ganze Schlauheit aufzubieten, um diesem Vertrauen zu entsprechen.
Ungefähr eine Woche später brach Meister Gille von Harpt auf, den Auftrag seiner jungen Herrin auszurichten. Der Feind stand einige Meilen von da in einem verschanzten Lager. Guten Muthes trat er seine Wandrung an. Er kannte recht gut die Schwierigkeiten, welche es hatte, in das Lager, dem der Feind gegenüber stand, so weit vorzudringen, daß er dort den Rittmeister aufsuchen könnte; daher hatte er sich eine Kriegslist ausgesonnen, von welcher er den besten Erfolg hoffte. Er hatte auf Harpt noch einen einzigen Hammel als ganzen Viehbestand gefunden, und diesen beschloß er dem Interesse der beiden Liebenden zu opfern; denn daß das feine Briefchen, welches ihm anvertraut war, ein Liebesbrief sei, daran hatte er keinen Augenblick gezweifelt. Er kannte ja das ganze Verhältniß von A bis Z, obgleich er sich, als ein kluger Mann, nie darüber ausließ. Ihn dauerte es herzlich, daß die beiden Leutchen so von einander gerissen waren; denn nichts hätte er lieber gesehen, als die Vereinigung des schmucken Rittmeisters und des schönen Fräuleins.
Ohne sich lange zu besinnen, nahm er also den Hammel, den letzten seines Stammes auf dem Gute, ja in der ganzen Umgegend, an eine Leine und hoffte, daß er ihm den Weg bahnen werde, um dem Rittmeister den Trost zu bringen, den ihm gewiß der Brief von der Geliebten geben würde. Er selbst steckte sich in einen Bauernkittel und pilgerte voll der besten Hoffnung dem feindlichen Lager zu. Ihm wurde zwar etwas schwul zu Muthe, wenn er daran dachte, wie kurz man mit Spionen umzuspringen pflegte, unwillkürlich griff er sich nach dem Halse, als ob er schon in der Schlinge säße. – Doch, dachte er wieder, was ist es denn weiter, wenn man nun auch aus purer Gefälligkeit einen Brief besorgt? und das braucht ja noch nicht einmal Einer zu wissen, wenn ich nur mit guter Manier an den Rittmeister kommen kann. Sie werden gewiß keine Umstände machen, mich einzulassen, wenn ich ihnen den hübschen Braten da bringe. Mit solchen Gedanken schlug er sich herum, bis er zur ersten Vorpostenlinie gekommen war und ihm ein lautes »Halt! wer da!« entgegengerufen wurde. Zugleich trat ein bärtiger Husar hinter einem Busche hervor und hielt ihm die Mündung seines Karabiners entgegen.
»Thut nur erst das Ding da weg, Herr Husar,« sagte Gille mit bäuerischer Manier, »sonst kann ich Euch nicht Rede stehen; denn wenn ich so' ne Flinte sehe, da wird mir immer ganz wibbelwabbelig.«
Ein spöttisches Lächeln überflog das Gesicht des Husaren, doch ließ er gutmüthig die Mündung seines Karabiners etwas mehr zur Erde sinken und sagte dann:
»Wo kommst Du Haase denn her mit Deinem Hammel, und wo willst Du hin?«
»Ich komme aus dem nächsten Dorfe da, und will ins Lager, um meinen Hammel zu verhandeln; denn ich dachte, den Herrn Soldaten würde es wohl an Fleisch fehlen, wie uns am Gelde.«
»Hoho, Freund Bauer, da reitest Du auf 'nen dicken Irrthum, wenn Du denkst, daß es uns an Lebensmitteln fehlt. Wir verproviantiren uns selbst, das geht im Feindes-Lande ganz prächtig, und da braucht man nicht erst lange Geld, um Euch das Vieh abzuhandeln. Siehst Du, da kommt schon wieder ein Trupp an. Guck einmal, was für nette Thierchens sie vor sich hertreiben, mag auch wohl eins aus Deinem Stalle mit dabei sein.«
Meister Gille drehte sich um, und sah wirklich einen Haufen Soldaten daher kommen, welche Kühe, Schweine, Schafe, Ziegen, kurz alles, was sie hatten auftreiben können, mit sich schleppten, und in der Freude über ihren guten Fang allerhand ausgelassene Späße trieben. Als sie unsern Gille erblickten, kamen sogleich einige herangelaufen, und einer nahm ihn beim Schopfe und sagte:
»Du Bauer, kennst Du das Sprichwort nicht: Gleich und gleich gesellt sich gern? Siehst Du, Esel, Dein Bock da wittert schon, daß wir Zippen bei unserm Koppel haben, und da kann's ihm kein ehrlicher Kerl verdenken, wenn er gern hin möchte.«
»Ach Gott, Herr Soldat, 's ist ja 'n Hammel.«
»Ei was, Bock oder Hammel, das ist uns ganz egal, wenn er gebraten ist, schmeckt man's nicht mehr. Her den Strick! Was? Du willst nicht loslassen? Her, sag ich, Du Schafsgesicht, oder ich schlage Dich in das Gesicht, daß Deine verfluchte Kommißseele zum Teufel gehen soll!«
Widerstrebend ließ Meister Gille den Strick mit dem Hammel fahren; und als ihm der Soldat, indem er das Thier fortführte, noch spottend zurief: »Siehst Du, Du Esel! Dein Schaf ist klüger als Du, das geht ohne viel Federlesens wohin es gehört.« Da kochte sein altes Soldatenblut in ihm auf, und beinahe hätte ihn sein Zorn hingerissen, eine Unvorsichtigkeit zu begehen; als er sich noch zur rechten Zeit besann, daß er hier durch Schimpfen nur das Uebel ärger mache. Obgleich ihm nun an dem Hammel nicht sehr viel lag, so war ihm die Geschichte doch höchst unangenehm; indem er jetzt durchaus nicht wußte, wie er seinen Brief anbringen sollte. Unschlüssig stand er noch da, als ihn der Husar, welcher dem ganzen Handel ruhig zugesehen hatte, aus seinem Sinnen mit den Worten weckte:
»Siehst Du, Bauer, hatte ich es nicht gesagt, unsere Leute verproviantiren sich immer selbst; damit Du doch aber etwas für Deinen Hammel hast, so will ich Dir einen guten Rath geben: Packe Dich hier schnell fort und geh ruhig nach Hause, sonst —« hier schlug er drohend auf seinen Karabiner. Doch Gille zögerte immer noch, er wollte nicht unverrichteter Sache abziehen, und beschloß daher kurz und gut, dem Husaren seinen Brief anzuvertrauen.
»Ich wollte gern gehen, sagte er, aber ich habe man noch was auf dem Herzen.«
»Ei was, pack Dich, sag ich! Ich bin kein Pfaffe, bei dem Du beichten kannst.«
»Beichten will ich auch nicht, aber... sagt einmal, kennt Ihr nicht einen Herrn Rittmeister Falk? Er steht auch bei den Husaren.«
»Ei den kennt Jeder, aber was willst Du bei dem?«
»Ich habe da so ein kleines Briefchen an ihn, seht einmal, wollet Ihr den wohl besorgen?«
»Was hast Du mit dem Rittmeister zu schaffen? Wer bist Du und von wem kommt der Brief?«
»Ach, Herr Husar, das sind viel Fragen auf einmal. Da nehmt nur den Brief und hier habt Ihr auch was für Eure Mühe. Das sind Privatangelegenheiten mit dem Brief, die beißen Keinen.«
»Na, gieb her, Bauer, ich sehe Du hast Grips. Werd's schon ausrichten. Nun mach aber auch, daß Du fortkommst!«
Das ließ sich jetzt Meister Gille nicht zweimal sagen; er nahm Schritte, als hätte er Meilenstiefel angehabt, und langte glücklich wieder auf Harpt an.
Schmunzelnd besah der Husar den blanken Thaler und sagte dann so vor sich hin: »Der Kerl war doch so ganz dumm nicht, auch muß ihm das Geld wohl nicht so dünne sitzen, wie er erst meinte. Wer weiß, was das für'n Kerl war, für 'nen Bauer sah er so ein bischen zu pfiffig aus; aber was geht's mich an, ich bestelle meinen Brief und damit basta.«
Wilhelm war wo möglich in noch trüberer Stimmung aus der Residenz zurückgekehrt, als er dahin ging, und was auch Moritz aufbieten mochte, seinen Freund den Freuden dieser Erde wieder zugänglich zu machen, es war vergebens. Zu allem Uebel kam auch noch, daß Falk in der Residenz von neuem mit dem Baron von Solm in Collision gekommen war. Dieser Mensch, aller Niederträchtigkeiten voll, hatte es lange noch nicht vergessen, was ihm der jetzige Rittmeister einst als Student gethan hatte, und so war sein einziges Sinnen nur darauf gerichtet, wie er seinem Feinde am empfindlichsten schaden könne. Er stand als Hauptmann bei einem Infanterieregiment, hatte aber seinen Aufenthalt in der Residenz unter allerhand Vorwänden bis dahin zu verlängern gewußt. Jetzt traf er mit Wilhelm ziemlich gleichzeitig beim Heere ein, und der Zufall fügte es so, daß ihm bald die beste Gelegenheit ward, unserm Falk einen argen Streich zu spielen. Er sah nämlich den Husaren mit dem Briefe vom Meister Gille, als er den Rittmeister aufsuchen wollte; einige Fragen an denselben reichten hin, ihm den Stoff zur schwärzesten Verläumdung zu geben; und eine Stunde darauf hinterbrachte er dem Prinzen, der Rittmeister Falk stehe in geheimem Briefwechsel mit dem Feinde. So kam es denn, daß Wilhelm, als er nach Lesung des Briefes sich eben den frohesten Hoffnungen für die Zukunft hingab, vor ein Kriegsgericht citirt wurde, vor welchem er sich nur dadurch rechtfertigen konnte, daß er, so weh es ihm auch that, Emiliens Brief der Oeffentlichkeit preis gab.