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Erstes Lied von Helgi dem Hundingstöter.

Quida Helga Hundgsbana en Fyrri.

1

Zu 1. Ar var allda kann auch heißen: im Urzeitalter, vor langer, langer Zeit, wie es denn nicht selten als Anhubformel gleich der unserer Märchen »Es war einmal« steht. Hier indes wird meine Auslegung unausweichlich gefordert, weil dem Dichter der Vers aus Helg. Hörvards 6, 5 vorschwebt: Aurn gol arla, das rief der Adler in der Frühe, w. s. in deiner Geburtsstunde.

Das Grauen des Morgens begrüßten Adler,
Und heiliger Tau fiel vom Himmelsgebirge
In der Stunde, da Helgi, den Herzensstarken,
Borghild gebar in der Burg zu Bralund.

2

Nacht im Gemach ward's. Es nahten die Nornen,
Erlosten dem Erdling die Lebenslänge,
Unerreichten Ruhm als Führer im Felde
Und höchstes Lob als Länderbeherrscher.

3

Sie spannten so fest die gesponnenen Fäden,
Daß die Mauern Bralunds zu brechen drohten,
Entwickelten weit das goldne Geweife
Und maschten es auf in der Mitte des Mondsaals.

4

Sie woben es an dem West- und Ostrand
Des Fürstengebiets. Doch von einem der Fäden
Schlang die Norne die Schleif' um den Nordpunkt
Und ließ ihn da haften ewig haltbar.

5

Zu 5. Den Vater Helgis, Sigmund, vom Stamme der Wölsunge, die nicht selten auch Ylfinge, deutsch Wülfinge, Welfen, genannt werden.

Da ängstigte eines den Ylfingensprossen
Und die Frau, die den Sohn ihm zur Freude geboren:
Im Baum vor der Burg, nach Beute hungrig,
Hockten zwei Raben; der eine ruhkste
Dem andern ein Wort zu: »Ich weiß, ich weiß was:

6

Zu 6. Freie, aber formerfüllende und anschauliche Wiedergabe von nu er dagr komin: unser Tag ist gekommen.

Bald braucht 'ne Brünne der Sohn des Sigmund;
Er deckt uns den Tisch. Kaum einen Tag alt.
Schaut er so scharf wie mit Schützenaugen.
Er wird auf der Walstatt den Wölfen gastlich
Ihr Mahl bereiten. Wir mögen uns mitfreun!«

7

Zu 7. Itrlauk. Schon Rigsmal erwähnte mehrmals die heidnische Taufe. Sie war in der Regel verbunden mit der Namengebung, navn-festa, letztere mit Geschenken und Besitzzueignungen für den Täufling. Auch Hörvards. Helgi, als ihm Swawa seinen Namen beilegt, fragt sogleich nach dem zu erwartenden Godengeschenk. Hier nun folgt diese Namengebung nebst Geschenken und Grundbesitzverleihungen in der nächsten Strophe. Auch berichtet Völsunga S. mit unserem Liede übereinstimmend und selbst in einzelnen Wörtern zusammentreffend Cap. 15 Sigmundr var þa kominn frá orrostu ok gekk međ einum lauk i mot sini synum, ok hermeđ gefr hann honum Helga nafn etc. Sigmund war aus der Schlacht gekommen und ging mit einem Lauch seinem Sohn entgegen und gab ihm hiermit den Namen Helgi usw. Dann folgt auch dort die Schenkung von Hringstad, Solfiöll und eines Schwertes zur »Namensfestigung«.

Unser Dichter hat die Wunder gemeldet, welche sich zugetragen in der Geburtsstunde eines nachmals weltberühmten Helden. Den königlichen Vater läßt er eigens aus einer Schlacht heimeilen, um die Namengebung und Ausstattung mit Erbgütern zu vollziehen. Trotzdem scheint sein Text die übliche Taufe unerwähnt zu lassen. Meint er, daß an einem so verheißungsvollen Königskinde der heilige Brauch unterblieben sei? Keineswegs. Ebenso selbstverständlich, als ihm die Wasserweihe des Knaben ist, weiß er sie auch seinen Zuhörern. So begnügt er sich, sie diesen eben nur andeutend in die Vorstellung zu rufen in der wortkargen Kürze der eddischen Dichtweise, indem er einer Nebenhandlung gedenkt, die als zugehörige Vorbereitung allbekannt war.

Zwar für schwer vereinbar mit der angeführten Stelle der Völs. S. erachte ich die Vermutung des Kommentators in der K. E. Derselbe beruft sich darauf, daß im runischen Alphabet ein Zeichen für G nicht vorhanden war, deshalb für diesen Buchstaben immer stellvertretend ein K gesetzt worden sei. So, meint er, habe sich irrtümlich lauk eingeschlichen statt laug, Feuchtigkeit, Wasser, insbesondere Badwasser und geradezu Bad; itr-laug bedeute mithin auserlesenes, heiliges Bad.

Der Verfasser der Völs. S. beweist eine bemerkenswerte Sprachgewandtheit. Nach den von ihm teils in Strophen und Versen angeführten, teils in Prosa aufgelösten, aber oft noch Alliteration und Spuren von Rhythmus bewahrenden Fragmenten, müssen ihm die Eddalieder meistens vollständiger und korrekter als uns vorgelegen haben. Die an sich so plausible Korrektur laug für lauk hätte sich doch auch ihm wohl aufgedrängt, wenn ihm nicht die Sitte, bei der Taufe und Namengebung den Lauch zu verwenden, vollkommen geläufig gewesen wäre. Eben dies aber beweist deutlich seine Wendung ok hermeđ gefr. usw., d. i. mit des Lauchs allbekannter Verwendung gab er usw.

Gleichwohl ist jener Kommentator sachlich auf richtiger Spur. Es ist nicht nötig, itr-lauk anders als streng nach der Schreibart auszulegen: auserlesener Lauch. Unterstützt von Völs. S. beweist unsere Stelle, daß es Brauch war, das Taufwasser zu weihen mit einem Kraut oder Baumzweig, welchem Wunderkräfte zugeschrieben wurden. Speziell ein Lauch, also ein zwiebelartiges Gewächs, braucht dasselbe nicht gewesen zu sein; denn laukr bezeichnet nicht bloß den im nordischen Altertum sehr beliebten, als Gegengift auch als Liebesmittel verwendeten Knoblauch und die Zwiebel, sondern jedes stattliche Gewächs, in der Zusammensetzung sogar Bäume. –

Noch erinnert sei, daß man das Taufwasser aus heiliger Quelle zu schöpfen oder »lauteren Himmelstau«, Regen, als solches zu verwenden pflegte. Vielleicht beziehen sich eben darauf 1,₃ und ₄ unseres Liedes hnigo heìlog vötn af himinfiöllom.

Den Fürsten des Heiles erhofften die Völker;
Die Männer glaubten an glückliche Zeiten.
Heim vom Heerzug kehrte der König
Um selbst seinem Sohn mit erlesenstem Lauche
Das Wasser der Weihe wirksam zu machen.

8

Zu 8. Vgl. die Beschreibung Helg. Hörv. 9.

Zum Namen Helgi gab er ihm Hringstadt,
Sonnberg, Schneeberg und Sigarsfelde,
Ferner Hochzaun und Himmelsaue;
Auch schenkt' er dem Bruder Sinfiötlis
Ein blinkendes Schwert, Blutwurm heißend.

9

Am liebenden Busen erwuchs das Bübchen
Zum erlauchten Sprossen, umleuchtet von Anmut.
Gern verteilt' er Gold an die Tapfern
Und spendet' als Prinz schon ohne zu sparen
Für vergossenes Blut blanke Ringe.

10

Als fünfzehn Jahre der Junker zählte,
Da ließ ihn nicht länger lechzen der König
Nach dem Schlachtgewühl. Erschlagen wurde
Von seiner Hand der grausame Hunding,
Der so Land und Leute schon lange bedrängt.

11

Später heischten die Söhne Hundings
Vom Sohne Sigmunds Rotgoldringe,
Sonst hätten sie tapfer den Tod des Vaters
Und großen Reichtums Raub zu rächen.

12

Doch der Männergebieter weigerte Buße,
Nicht minder Sühngeld für den Entseelten.
»Erwartet vielmehr ein Wetter, von Speeren
Ein graues Gewölk und Odins Grimm.«

13

Die trotzigen Krieger zogen zum Treffen
Nach der Flur, die bestimmt war am Flammenberge. Vgl. die Prosaeinleitung zu Grotta söngr.
Nicht länger gefristet blieb Frodis Friede;
Das Land durchheulten, nach Leichen hungrig,
Des grollenden Sturmgotts graue Hunde. Die Wölfe Odins.

14

Niedergehauen hatte Helgi
Den Alf und Eyolf, Hörvard und Havard,
Die Söhne Hundings, ihr Heergesinde
Vor dem Sieger das Weite zu suchen gezwungen.
Nun saß der Feldherr am Adlerfelsen.

15

Zu 15. Der Name Logafiöll, Feuergebirge, und die unverkennbar aus der Erinnerung an einen Ausbruch etwa des Hekla geschöpfte Lichtmalerei, verraten den isländischen Dichter, welcher daheim gewonnene Anschauungen auf den dänischen oder skandinavischen Schauplatz der Handlung überträgt, ohne sich daran zu stoßen, daß außer auf seiner Heimatinsel auf altgermanischem Boden tätige Vulkane nicht vorhanden sind.

Da entfuhren dem Feuerberg Funkengarben
Und dem glühenden Gleische blendende Blitze.
Er sah in der Höhe, gen Himmel blickend,
Helmgerüstete Reiterinnen
In blutumperleten Panzerhemden,
Die Spitzen der Speere umsponnen mit Licht.

16

Zu 16. þrymr var alma, da gab es Gedröhn der Ulmen, d. i. der Ulmenschäfte der Speere. Möglich ist die Auslegung: Helgis Krieger zollten auf diese Weise dem lustverheißenden Vorschlage des Führers Beifall. Vgl. Tacitus Germ. 11. si placuit, framas concutiunt. Wahrscheinlicher indes ist ein Zeichen des Unwillens der Walküren gemeint, da Sigrun in der folgenden Strophe befiehlt, das Dröhnen der Schilde verstummen zu lassen.

Von der Walstatt aus, umwimmelt von Wölfen,
Richtete frank der Held eine Frage
An die fliegenden Fraun aus der südlichen Flur:
»Seid ihr geneigt, mit den Siegesgenossen
Die Nacht zu schlafen?« Da schlugen sie dröhnend
Wider die Schilde die Schäfte der Speere.

17

Doch Högnis Tochter befahl vom Hengst aus,
Den Schall der Schilde schweigen zu lassen.
So fuhr sie dann fort, zum Fürsten gewendet:
»Andre Geschäfte sind uns beschieden,
Als mit Brünnenbrechern Gebräu zu trinken.

18

Mein Vater befiehlt mir, zu folgen als Gattin
Des grimmen Granmar grausamem Sohne;
Doch dieser Hödbrod, o Helgi, dünkt mir
Ein König nur von Katzenkühnheit.

19

Mich zu holen naht er nach wenigen Nächten,
Wenn du nicht inzwischen zum Zweikampf ihn forderst
Oder mich entführst dem fürstlichen Vater.
Ob er den Isung auch umgebracht hat,
Nicht du, o Fürst, brauchst ihn zu fürchten.
Laß toben den Sturm der stählernen Schwerter
Und starrenden Lanzen; sonst sterb' ich lieber.«

20

Da sandte Boten alsbald der Gebieter
Über Land und Meer, Mannen zu werben,
Mit Gold in Fülle, Väter und Söhne
Zum Waffenwerke willig zu stimmen.

21

»Bescheidet sie, eiligst sich einzuschiffen,
Um, wann alles besorgt ist, segelfertig
Von Brännös Gestad' in die See zu stechen.«
Dort weilte der Herrscher, bis hundertweise
Von Hedinsey sein Heervolk ankam.

22

Von Stavensnäs und Stöndö kamen
Die goldumschimmerten Schiffe gesegelt.
Da fragte Helgi den wackeren Hörleif,
Ob er die Mannen zählend gemustert.

23

Ein Fürstensprößling sprach da zum andern:
»So schnell sind nimmer die Schnabelschiffe
Alle zu zählen, die ausgezogen
Mit ihren Matrosen von Traunos Küste,
Durch den Jorfasund sie jenseits umsegelnd.
Zwölf Hunderthaufen verlässiger Leute
Brachten sie her. Anderthalb so viele
Von den Tapfern des Königs stehn in Hatûn.
So bereit als entschlossen sind wir zur Schlacht.«

24

So befahl nun flugs der Flottengebieter,
Von den Decken der Schiffe die Dächer von Zelttuch
Hinwegzuziehn, damit erwachend
Der Soldbewilliger Kriegsgesinde
Und die tüchtigen Führer des Tages Anbruch
Bemerkten und flink empor an den Masten
Die Segel hißten im Hafen von Warin.
Da rauschte Geruder, da rasselte Eisen,
Und schallend stießen die Schilde zusammen,
Derweil das Wasser die Wikinge schlugen.

25

Schäumend schoß, mit Erlauchten beladen,
Hinaus in die Flut die Flotte des Königs
Und ließ das Land weit hinter sich liegen.

26

Zu kosten bekamen die langen Kiele
Die Schwester des Sturms, die geschwollene Sturzsee,
Und es klangen die Borde wie berstende Klippen,
Die brausend gebrochen die Brandung umbrüllt.

27

Zu 27. a) H. Lüning bemerkt zu var-þat hrönnum hrön þingloga: »Aus dieser verzweifelten Stelle weiß ich so wenig zu machen wie aus den Erklärungsversuchen.« Der Schlüssel steckt im letzten obiger Worte, einem sozusagen parlamentarischen Fachausdruck. Wer zur angesagten Volksversammlung, zum Thing, zu erscheinen versäumte, hieß þinglogr, etwa Sitzungsschwänzer. Davon erhielt das Wort die weiter anwendbare Bedeutung: stelldicheinsäumig: also verneinend, mit eigi, oder wie in unserm Fall mit der Vereinigungsform des Verbums, varþat, nichtstelldicheinsäumig. Wörtlich also: nicht ward den [über Bord schlagenden] Wogen Woge stelldicheinsäumig, d. i. die eine folgte der anderen. – b) Lies stagstiornmaurom nach Rask. stagstiornmarr = Steuertauroß, d. i. Schiff. Danach scheint man auf altnordischen Schiffen das Steuer nicht unmittelbar mit dem Helm geführt zu haben, sondern mittelst zweier Seile, die der Steuermann wie Zügel in den Händen hielt; ähnlich also wie auf den Schiffen der homerischen Zeit mittelst der αλήια. Vgl. Anmerkung zu Ilias XIX, 43 in meiner Übersetzung.

Doch höher noch hissen ließ Helgi die Segel,
Ob auch Sturzflut stetig auf Sturzflut folgte(a);
Denn den Rossen der Flut zu zerreißen die Zügel(b),
Sie unlenkbar zu lähmen, war das Gelüste
Der furchtbar tobenden Tochter Ägirs.

28

Doch die Heermaid Sigrun half aus der Höhe
Und rettete schirmend Mannen und Schiffe.
Den Krallen Rans entriß sie kraftvoll
Des Gebieters Bark mit dem Drachen am Buge
Und lenkte sie landwärts bei Gnipalunde.

29

Dort ankert' er abends auf ruhiger Rhede,
Umschart von den anderen schönen Schiffen;
Denn auch denen schwächte kein Leck die Schwimmkraft. –
Erbangend spähten vom hohen Bühel,
Dem Grabmal Swarins, die grimmen Feinde,
Zu ermessen die Menge und Macht der Gegner.

30

Der gotische Edle Gudmund fragte:
»Wer ist der Feldherr und Volksgebieter,
Der zur Landung führt dies furchtbare Heer?«

31

Sinfiötli, der ständige Sundwart
Mit starker Stimme, hißt' auf die Stenge
Einen roten Schild mit goldenem Rande
Und rief dem Recken rauhe Antwort:

32

»Wann du heimgehst heute abend,
Die Säue füttern und euch zur Suppe
Hündinnen melken, dann magst du melden,
Daß aus östlichem Lande nach Gnipalunde
Zu kämpfen gewillt die Wülfinge kommen.

33

Dem Hödbrod sage, er finde den Helgi
Inmitten der Flotte, den nie in die Flucht noch
Geschlagenen Herrscher, den Helden, der häufig
Den Geiern ihr Mahl gab, indes du müßig
Die den Mühlstein drehenden Mägde küßtest.«

Gudmund.

34

Zu 34. Vgl. zu dieser Strope Völs. S. C 1–13 und die »wilde Mär« im 13. Gesang meiner Sigfridsage.

Du hast, o Heerfürst, wenig beherzigt
Der Ahnen Lehre und leitende Sprüche,
Da du lügend lästerst erlauchte Männer.
Du fraßest früher nach Wolfsart Wildfleisch,
Du brachtest um die eigenen Brüder;
Entmenscht sog dein Mund ohne Mitleid Wundblut;
Du verkrochst dich, von allen verabscheut, im Erdloch.

Sinfiötli.

35

Du warst auf Warö Weissagevettel,
Erlogst dir listig zum Lohne Schmuckwerk.
Du nähmest zum Gatten nie einen andern
Von den Männern allen in Maschenhemden
– Sagtest du damals –, als Sinfiötli.

36

Die verderblichste Dirne warst du damals,
Die keckste Hexe von allen Walküren,
Der Argen Ärgste in Odins Halle.
Um deinetwillen, verdammtes Weibsbild,
Zerhieben sich alle einherischen Helden.
Auf Näslag warfst du neun Wölfe,
Und ich verbrach die Zeugung der Brut.

Gudmund.

37

Nicht du wardst Vater der Fenriswölfe,
Der ältsten von allen nach meiner Erinnrung.
Längst eh' du gelangtest nach Gnipalunde,
Hatten bei Thorsnäs Thursentöchter
Dich gelegt und gelähmt zum leidigen Halbmann.

38

Dir, dem Kuckuckskinde des Königs Sigar,
Diente zum Dache das Dickicht des Waldes;
Dein Wiegenlied war der Wölfe Geheul.
Alles Elend wurde dein Erbteil,
Als du die Brust deinem Bruder zerfleischtest.

Sinfiötli.

39

Du bist hochberühmt durch Hexenränke.
Du wurdest bei Brávall als brünstige Stute
Gezügelt im Lauf mit goldenem Zaume,
Das willige Holdchen des Hengstes Grani.
Ich habe dich manchmal müde geritten
Berge hinauf und hinunter, du Nachtspuk,
Und nicht selten dazu dich nüchtern gesattelt.

Gudmund.

40

Für den liederlichsten der Lotterbuben
Galtest du, Gollners Geiße melkend.
Dann verlarvtest du dich, mit Lumpen behangen,
Als Riesenrange. Scheint's dir geraten,
Dich mit mir noch mehr zu messen im Schimpfen?

Sinfiötli.

41

Erfreulicher wär's mir, am Frekasteine
Zum Gerippe die Raben dich reißen zu sehen,
[Als dich heimziehn zu lassen, um heute abend]
Die Säue zu füttern und euch zur Suppe
Die Hündin zu melken. Hels Dämonen
Mögen mit dir sich messen im Maulkampf.

Helgi.

42

Bei weitem besser euch beiden stünd' es,
Mit Waffenwerk zu bewirten die Aare,
Als einander zu necken mit nutzlosen Worten,
Obwohl in der Brust beim Brünnenbrechen
Nicht ungeziemend auch Zorn sich einstellt.

43

Zu 43. moïnn ursprünglich Schlange, mit jörd, maerr, akr verbunden, Gold, steht schließlich auch ohne diese Zusätze für Gold, wie ebenso heiþ und heiþr, eigentlich Helligkeit, Glanz. So sagt unsere Stelle mit hafa markat a moïns heiþ nur: sie haben gemerkzeichnet mit Goldglanz, daß usw. Der alte Dichter durfte voraussetzen, daß seine Zuhörer vertraut seien mit der Sitte berühmter Helden, ihre Haupttaten, z. B. die Erlegung eines Drachen, mit eingelegten Goldlinien auf dem Schilde zu verzeichnen, daß also jene Andeutung genügen werde, den Schild und solche die Wappen einleitenden Bilder in ihre Vorstellung zu rufen. Dem heutigen Leser gegenüber muß man minder wortkarg sein.

Nicht huldvoll grüß' ich die Granmarsöhne,
Doch nenn' ich sie neidlos namhafte Helden.
Was mit schimmerndem Gold auf ihren Schilden
Verzeichnet steht, erzählt's bezeugend,
Daß sie das Schwert nicht schwächlich schwingen.«

44

Zu 44. Die Eile des Rittes wird glücklich und naturgetreu ausgemalt mit dem zerspaltend auf dem Wege des Reiters wegflatternden Nebel, der den Wiesen das Aussehen großer Weiher gibt. Gleichwohl ist die naheliegende und ungezwungene Auslegung meiner hier sehr wortscharfen Übersetzung dem nur philologischen, aber nicht aus der Naturanschauung schöpfenden Scharfblick der bisherigen Erklärer entgangen. – Eine der Walküren heißt Mist. Weil nun die Walküren durch die Luft reiten, soll mistar marr das Meer, welches sie auf Flugrossen durchsegeln, also die Luft, bedeuten. Der Vers meine also nur: die Luft erbebte vom raschen Ritt. Andere wieder nehmen marr für Mähre, Pferd. – In welchem große Strecken weit schlechterdings undurchdringlichen Nebel die bisher verbreitetste Übersetzung der Edda den Leser tappen läßt, davon hier ein Pröbchen:

Der Mist Roß schütterte, wo die Männer fuhren.

Sie ließen gen Sonnheim Solheim tail, vermutlich nur Bezeichnung der Westrichtung. Nach dort, wohin die Sonne heimgeht.den Sauser und Säumnicht,
Ihre hurtigen Hengste, hastig rennen
Durch tauige Täler, beschleiertes Tiefland.
Vor den rasenden Reitern verstockten zerrissen
Die Nebelmare der Niederungen.

45

Zu 45. Hniflungom bedeutet hier vielleicht nur: Nebelreiter, könnte sich aber auch auf die finsteren Gesichter der Unheilsboten beziehen.

Sie trafen den Herrscher im Tor des Hofes
Und gaben ihm Nachricht, genaht sei der Feind.
Den Helm auf dem Haupte, trat Hödbrod heraus.
Er sah den Söhnen den raschen Ritt an.
»Was härmt euch? Nennt es, ihr Nibelunge.«

46

»Die See durchschneidend auf schnellen Kielen
Mit langen Rahen, ragenden Masten
Und glatten Rudern, voll glänzender Schilde,
Ist hierher gesteuert an unsre Gestade
Des Wülfingenherrschers gewaltiges Heer.

47

Schon landeten fünfzehn Fähnlein; an Bord sind
Im Tieff des Sundes noch siebentausend.
Die walgestaltigen Wogengänger
Mit blauen Bugen und blinkendem Goldschmuck
Liegen vor Anker bei Gnipalunde.

48

Zu 48. benlogi, einer von den schier unzähligen Ausdrücken für Schwert.

Wo Helgi des Heeres Hauptmacht versammelt,
Steht ohne Aufschub sein Angriff bevor.

Hödbrod.

Unverzüglich sattelt und zäumet Renner,
Zu den Obersten eilt nach den Ansageorten.
Du, Spürwolf, jage nach Sparinsheide,
Ihr, Melnir und Mylnir, nach Mittenwalde.
Nicht einen Mann laßt müßig zu Hause
Hocken am Herd, dessen Hand noch Kraft hat,
Die Wundenflamme flackern zu lassen.

49

Den Högni beruft und die Söhne Ringis,
Auch Atli, Yngvi und Olf, den Alten,
Die so gern wie zum Fest ins Gefecht sich begeben.
Wir wollen den Wölsungen Widerstand leisten.«

50

Ein wilder Wirbelsturm war die Begegnung
Der Framen und Schilde am Frekasteine.
Der vorderste stets von den fechtenden Fürsten
War da Helgi, der Hundingstöter,
Der Held mit dem hartgemuten Herzen,
So flink im Vorsprung als faul zum Fliehen.

51

Als das Lanzengerassel am lautesten lärmte,
Da schwebte vom Himmel die Helmbewehrte
Hernieder, den Helden in Hut zu nehmen,
Und Sigrun, die sonst so versehrend als möglich
Zu lenken pflegte den Flug den Flitzpfeils,
Wo er schnell zerschneidet das Mark des Mannes, –
Dieselbe Sigrun sagte nun Helgi:

52

Zu 52. Im Text steht Aegis. Aber der Name des Meergottes, der als solcher 27 erwähnt wird, kann hier nur irrtümlich eingeschlichen sein. Strophe 19 sichert meine Korrektur.

»Du stützende Säule des Stammes Yngwi,
Du sollst unversehrt deiner siegreichen Krieger
Und des Lebens dich freu'n. Du erlegtest den Fürsten,
Der niemals wich, dem unnahbaren Wütrich
Isung tapfer dennoch den Tod gab.

53

Dir, o Gebieter, gebührt als Beute
Mit den Rotgoldringen die Braut und ihr Reich.
Wie unversehrt am Siege, o Herrscher,
So labe dich nun am Landbesitze
Mit Högnis Tochter. Dem harten Tagwerk
Folge des Friedens erfreulicher Schluß.«


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