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Ich hatte vor einigen Jahren (so erzählt ein englischer Reisender) mehrere Geschäftsverbindungen in Süd-Carolina, die mich zwangen, das Land zwischen Savannah und Charleston nach verschiedenen Seiten zu durchstreifen und die Gastfreundschaft der Plantagenbesitzer in Anspruch zu nehmen. Einst ritt ich gegen Abend am Rande eines ausgedehnten Sumpflandes hin, welches von allen Seiten von Fichtenwäldern umgeben war, durch die eine Menge sich kreuzender Wege nach allen Richtungen führte. Die herrlichen hohen schlanken Stämme wölben sich hier in ihren Gipfeln zu einem dichten Laubdach und verhindern dadurch so sehr den Nachwuchs des Unterholzes, daß man überall ohne Weg und Steg durch diese Forsten reiten kann. Aber in den Sümpfen wechselt undurchdringliches Gebüsch mit tiefem, ödem Moorgrund. Hier sucht der entflohene Sklave eine vorläufige Zuflucht vor seinen Verfolgern, bis ihm eine günstige Gelegenheit zu weiterem Entkommen geboten wird, oder er schließt sich auch wohl einer Bande an, die von diesen Schlupfwinkeln aus die Plantagen gefährdet und mit gemütloser Grausamkeit Rache nimmt durch Mord und Brand für die Unbilden, die ihnen und ihren schwarzen Brüdern zugefügt wurden. Es gibt aber auch Zeiten, wo ein einsamer Ritt am Rande dieser verrufenen Sümpfe nicht ohne Gefahr ist, und ich war daher froh, als nach einigen Stunden mein Weg seitab in den Wald führte. Mein Pferd schien von gleichen Gefühlen beseelt, und in der Hoffnung des bald überstandenen Tagemarsches setzte es sich in Galopp und trug mich, zwischen den hohen Baumstämmen rechts und links ausweichend, rasch meinem Ziele zu. Wenigstens glaubte ich dies anfangs. Erst als die Dunkelheit hereinbrach und der Wald noch immer sein Ende nicht erreicht hatte, ward ich aufmerksam. Ich hielt an, um meinen Kompaß zu Rate zu ziehen. Rings um mich her herrschte die tiefste Stille, ein Schweigen in der Natur, das ich nur allzu wohl kannte. Es war nicht die friedliche Ruhe des Abends, sondern das erwartungsvolle Schweigen der Natur vor dem Ausbruch eines Sturmes. Mein Kompaß überzeugte mich überdies, daß ich in falscher Richtung geritten war. Meine Lage wurde unangenehm, denn wenn mich auch ein Nachtquartier im Freien nicht schreckte, so wußte ich doch, wie gerade in diesen Gegenden der lauernde Feind des gelben Fiebers fast jeden Europäer ergreift, der in den bösen nächtlichen Ausdünstungen dieser Niederungen sich erkältet. Deshalb suchte ich mich so rasch als möglich zu orientieren, und eilte in etwas veränderter Richtung vorwärts. Die Dunkelheit nahm aber so schnell zu, daß ich genötigt war, Schritt zu reiten und bald meinem klugen Tiere die Wahl des Weges überlassen mußte. Schon rauschten die ersten Windstöße durch die Gipfel der Bäume, als ich vor mir in einiger Entfernung ein Licht zu erblicken glaubte, das hinter den Baumstämmen bald verschwand bald wieder auf einen Augenblick zum Vorschein kam. Laut wiehernd begrüßte das kluge Tier, das mich trug, den gastlichen Herd. In der Tat erreichte ich nach wenigen Minuten das Ende des Waldes und hielt gleich darauf unter den hohen Nußbäumen, welche ein einsames Haus versteckten, vor dem ein lustiges Feuer emporloderte.
Drei alte Negerinnen schürten die Glut und schäumten von Zeit zu Zeit den über den Flammen hängenden Kessel ab. Ihre abschreckend häßlichen Gesichter wurden von dem Feuer wunderlich grell beleuchtet, die tiefe Dunkelheit umher, der Widerschein der Glut im dichten Laube der alten Nußbäume, alles vereinigte sich, die Gruppe zu einer der seltsamsten zu machen, die ich je gesehen habe.
»Guten Abend, Herr! Steigt ab, und seid mir willkommen!« rief vom Hause her eine tiefe Baßstimme, »und du, Tom, nimm dem Herrn das Pferd ab!«
Ein etwa zwölfjähriger Negerknabe sprang herzu, und im nächsten Augenblick schüttelte mir die breitschultrige, wohlbeleibte Gestalt des Pflanzers mit einem abermaligen »Willkommen!« die Hand. »Ihr kommt zu rechter Zeit, Herr, der Sturm wird bald losbrechen, – und heda, ihr Weiber, macht euch herein mit euerm Kessel, löscht das Feuer, und nach dem Abendbrot geht niemand aus! Wohl gemerkt, sonst –«
Er begleitete das letzte Wort mit einer entsprechenden Gebärde, wendete sich dann zu mir und führte mich in sein Haus. – Es war eine kleine bescheidene Wirtschaft, in die mich der Zufall geführt hatte. Mit etwa zwanzig Schwarzen, von denen er die Hälfte seinem wohlhabenderen Nachbar abgemietet hatte, baute der Besitzer Baumwolle und führte heut allein das Regiment, weil sein Sohn auf Wache war.
Die Plantagenbesitzer müssen nämlich bei der großen Anzahl der Schwarzen ohne Unterlaß vor einer Empörung auf der Hut sein. Jeden Augenblick steht daher eine Anzahl Europäer unter den Waffen, und jeder Weiße ist verpflichtet, an diesen oft überaus lästigen Wachen teilzunehmen.
Die Frau des Besitzers lag krank in einem jener beliebten Schaukelstühle, die durch ganz Nordamerika das notwendigste Möbel des Luxus geworden sind. Während die Mahlzeit bereitet wurde, frug sie mich, wie oft ich schon das Fieber gehabt hätte?
»Ich? Oh, ich habe es noch nie gehabt«, antwortete ich, erschreckt über die Voraussetzung, als müsse es sich von selbst verstehen, daß man vom Fieber einige Male befallen worden sei.
»Ich möchte wohl in Eurem Lande leben«, seufzte die Frau, »denn hier gibt es keinen Weißen, der nicht von dieser Krankheit geplagt würde, und wir alle gehen daran zugrunde.«
Es war mir lieb, daß dem Gespräch ein Ende gemacht wurde, indem ein Neger das Abendbrot ankündigte. Mein Wirt vergaß bei der Tafel bald allen Kummer und zeigte die ganze Liebenswürdigkeit eines amerikanischen Pflanzers, dessen höchstes Glück in der Bewirtung seiner Freunde besteht. Er schwor beim vierten Glase, daß er mich unter vierzehn Tagen nicht wieder ziehen lasse, und es bedurfte meiner ganzen Standhaftigkeit, ihm die Notwendigkeit meiner Weiterreise einleuchtend zu machen. Indessen tobte draußen der furchtbarste Orkan. Blitz folgte auf Blitz, das Rollen des Donners brach nicht ab, und der Sturmwind schlug gegen die Fenster des Hauses und rüttelte an dem ganzen Gebäude, als wolle er es aus seinen Fugen heben und davontragen. Zuweilen schien es mir, als ob ich durch das Toben des Gewitters eine menschliche Stimme vernähme, ja endlich glaubte ich sogar das Klopfen an der Haustür zu bemerken. Ich teilte dies dem Wirte mit, der eben eine lange Geschichte erzählte, wie er im vorigen Jahre eine Jagd auf drei entlaufene Sklaven mitgemacht hatte. Der Diener ward hinausgeschickt, um sich zu überzeugen. Nach wenigen Minuten trat er in Begleitung eines jungen Negers ins Zimmer, der zitternd vor Frost und durchnäßt bis auf die Haut an der Tür stehen blieb, aus seinen Kleidern einen Brief hervorsuchte und diesen, der halb zerweicht war, abgab.
»Von wem kommst du?« fragte der Wirt.
»von Obrist Smith; ich soll morgen Antwort zurückbringen.«
Mein Wirt entfaltete mühsam das durchnäßte Papier und entzifferte die halb verschwommenen Zeilen, dann befahl er, für den Boten zu sorgen und meinte, wenn ich nun einmal fest entschlossen sei, morgen meinen Weg fortzusetzen, so treffe sich die Gelegenheit allerdings gut, denn der Bote könne mir zugleich als Führer dienen.
Als ich am nächsten Morgen dankend von meinem freundlichen Wirte schied, stand bereits mein neuer Begleiter, mit einer schweren Bürde beladen, neben meinem Pferde, aber ich war erstaunt über die Umwandlung, welche die kurze Nachtruhe in dem Schwarzen hervorgebracht hatte. Statt des an allen Gliedern zitternden, vom Regen triefenden, schlottrigen Gesellen stand jetzt die jugendlich-kräftige Gestalt eines zwanzigjährigen Mannes vor mir, der trotz seiner schweren Bürde so leicht einherschritt, als ginge er leer. Unser Weg führte anfangs durch wohlbebaute Baumwollpflanzungen hin, in denen bereits unter Aufsicht eines Europäers die Sklaven meines Wirtes arbeiteten. Sie riefen meinem Begleiter so heiter Lebewohl zu und sahen meist so gut gehalten aus, daß ich anfing, meine bisherigen Ansichten über die Sklaverei etwas zu ändern.
Mein Schwarzer schien so vergnügt, plauderte anfangs mit meinem Pferde, dem er alle erdenklichen Schmeichelnamen beilegte, und versuchte endlich auch, wenn auch mit einiger schüchterner Zurückhaltung, mit mir ein Gespräch anzuknüpfen. Ich wußte, wie ungern die Pflanzer es sehen, wenn der Fremde lange Unterhaltungen mit ihren Sklaven hat, und eingedenk der Gastfreundschaft, die ich genossen, und der, die ich von dem Besitzer meines Schwarzen zu genießen hoffte, ließ ich ihn schwatzen, ohne viel zu antworten. Wie alle Neger sprach er sehr ruhmselig von sich selbst, erzählte, wie ihn sein Herr zwei Jahre vermietet habe, und für jedes Jahr 40 Dollar Miete für ihn bekommen habe. Freilich ein sonderbarer Stolz, über den sich traurige Betrachtungen anstellen lassen, gleichwohl deutete er hier doch auf ein gewisses Ehrgefühl, auf ein Streben nach Auszeichnung, das in seiner Grundlage selbst vielen Europäern nicht immer innewohnt.
Bald aber wurde unser Gespräch durch die Schwierigkeit des Weges abgebrochen. Denn kaum hatten wir den Wald erreicht, als die Verwüstungen des gestrigen Unwetters sich überall sichtbar machten. Hier sperrten große Massen umgestürzter Baumstämme unseren Pfad, dort hatte sich der feucht-niedrige Grund in einen sumpfigen, schlammigen Pfuhl oder in einen kleinen See verwandelt, aus dem die gewaltigen Gipfel der zerbrochenen Fichten wie Inseln hervorragten, und es bedurfte aller Vorsicht, aller Ortskenntnis meines Führers, um hier nicht zu verunglücken. Nicht ohne Verwunderung sah ich den Eifer, ja die hastige Eile, mit der er vorwärtsdrang und jedes Hindernis zu überwinden suchte. Die Hitze des Tages ward immer drückender, mein Pferd war mit Schaum bedeckt, obgleich ich doch nur langsam vorwärts kam, und ich selbst war durch die bloße Bewegung des Tieres schon so warm geworden, daß ich von Zeit zu Zeit dicke Schweißtropfen von der Stirn wischen mußte, aber mein Schwarzer eilte mit seiner schweren Bürde immer vorwärts, und als der Weg wieder etwas besser wurde, forderte er mich sogar auf, zu traben. Das war mir denn doch ein wenig zu viel.
»Nein, Freund, hier wollen wir vielmehr rasten und unser Mittagmahl verzehren, wir kommen wohl noch vor Nacht nach Hause.«
Etwas bestürzt, wie es schien, hielt mein Begleiter gleichfalls an, warf aber doch seine Bürde von sich und half mir beim Absteigen.
Ein so auffallender Arbeitseifer bei einem Neger mußte doch wohl seinen besonderen Grund haben, und in der Tat durfte ich auf dessen Enthüllung nicht allzu lange warten.
Als ich dem Schwarzen einen Becher Wein eingeschenkt hatte, sprang er wie begeistert in die Höhe und rief: »Massa, Massa, Herr, heut abend ist meine Hochzeit!«
»Wie, deine Hochzeit?«
»Ja, Herr, wenn wir zeitig genug nach Hause kommen, oh, und wir werden bei Sonnenuntergang eintreffen, ich weiß es!«
Er sprang bei diesen Worten umher, wie ein Schulknabe, der eine Brezel geschenkt bekommen, und benahm sich vor Ausgelassenheit wirklich wie ein Kind.
»Und wer ist deine Braut?« frug ich, um ihn nur wieder zur Ruhe zu bringen.
»O Herr, es ist die schönste der Schwarzen in ganz Carolina, oh, sie ist schön wie die Sterne und lieblich wie der Mond in einer Frühlingsnacht.«
»Ich zweifle an ihrer schwarzen Schönheit nicht«, erwiderte ich lächelnd, »aber ich fürchte, durch deine Beschreibung wird sie für mich nicht kenntlich werden.«
»Nun Herr, sie ist die Tochter des alten Nero und war früher auf dem Hühnerhofe des Herrn, als aber der alte Nero gehenkt wurde, weil er den Aufseher gestochen hatte und davongelaufen war, kam sie in die Küche, und dort hilft sie jetzt dem Koch. O Herr, sie ist schön wie eine Blume und mild wie die Taube des Waldes.«
»Gut«, rief ich, »packe auf, sattle das Pferd und laß uns weitereilen, ich will deiner Sehnsucht kein Hindernis abgeben.«
Mit unglaublicher Schnelligkeit waren diese Vorkehrungen getroffen, und der Neger trabte elastischen Schrittes unter seiner schweren Bürde vor mir her, bis wir nach einigen Stunden wieder bebautes Land und bald darauf eine gut unterhaltene Straße erreichten. Hier fand sich auch ein Wirtshaus, und um meinem armen Tiere etwas Ruhe zu gönnen, hielt ich an und trat in das Gastzimmer, während der Neger sich draußen an der Tür niedersetzte.
Im Zimmer fand ich zu meiner Überraschung eine Familie deutscher Auswanderer. Ich redete sie an und erfuhr, daß sie vor fünf Jahren nach Carolina eingewandert seien, weil man ihnen einen sehr hohen Tagelohn für ihre Arbeiten zugesichert hatte. Einer der größeren Grundbesitzer hatte den Versuch machen wollen, mit freien Arbeitern gegen die Sklavenbesitzer zu konkurrieren. Und der Versuch war über alle Erwartung gelungen, die Arbeiter befanden sich wohl, und der Besitzer machte gute Geschäfte.
»Aber warum sind Sie jetzt im Begriff, unter solchen Umständen das Land wieder zu verlassen?« frug ich erstaunt.
»Ei, Herr, weil hier jeder verachtet wird, der sich durch seiner Hände Arbeit nährt«, antwortete mir der Mann. »Sehen Sie, die Leute haben sich hier daran gewöhnt, daß der Arbeiter ein Sklave sei, und überall begegnet man uns mit Verachtung. Deshalb wollen wir jetzt nach Norden, wo es keine Schwarzen gibt und wo Arbeit nicht schändet sondern ehrt.«
Ich mußte dem Manne recht geben und glaube in der Tat, daß in den wenigen Worten, die er zu mir sprach, das ganze Geheimnis verborgen liegt, warum die Sklavenstaaten nicht so gedeihen wie die andern.
Die Sonne ging noch lange nicht zur Rüste, als wir das Ziel unseres Tagemarsches, die Plantage des Obristen Smith erreichten, ein schönes, großartiges Anwesen. Alles zeugte von Wohlhabenheit und vom Geschmack des Besitzers. Ich eilte, meine Empfehlungsbriefe abzugeben, und ward auf das freundlichste empfangen. Neger in stattlichen Livreen wiesen mir mein Zimmer an, und als ich den Staub der Reise abgeschüttelt hatte, eilte ich hinab in den Empfangsraum, um mich meinem neuen Wirte persönlich vorzustellen. Ich fand ihn in Gesellschaft mehrerer Herren, unter denen auch ein Geistlicher der anglikanischen Kirche war. Alles atmete die Behaglichkeit und den Komfort eines guten englischen Hauses, wenn auch der Ton des Gespräches und der Inhalt der Unterhaltung nicht ganz mit dem Luxus harmonierte, welchen die Einrichtung des Hauses zeigte; denn sie hielten die Mitte zwischen denen der kleineren englischen Pächter und derjenigen von etwas verwilderten Fuchsjägern. Pferde, Hunde, Sklaven und Baumwolle waren die Hauptgegenstände, von denen man sprach. Ich wandte mich an den Geistlichen und erzählte ihm, mit welcher Sehnsucht und Freude mein heutiger Führer die Hochzeit zu erwarten schien.
»Das wußte ich«, rief lachend der Wirt dazwischen, »drum schickte ich den Burschen gestern den weiten Weg. Ich möchte nicht jeden meiner Sklaven mit solchem Auftrag in jene Gegend senden, denn nicht jeder würde zurückkommen. Aber, nicht wahr, Mr. Edward, Sie machen die Zeremonie noch vor Tische ab, damit wir nachher beim Glase nicht gestört werden?«
»Sehr gern«, entgegnete der Geistliche, und indem er sich zu mir wandte, setzte er hinzu: »Vielleicht wohnen Sie der Feierlichkeit bei, da Ihnen unser Land noch neu ist, denn von den übrigen Herren darf ich wohl keinen bemühen?«
»Um Gottes willen nicht, Mr. Edward«, riefen fast zu gleicher Zeit sämtliche Herren dazwischen.
»Nun, so lassen Sie uns gehen«, sagte der Geistliche etwas ernst, und als ob er das laute Lachen seiner Freunde entschuldigen wollte, fügte er auf dem Wege nach der Kirche hinzu: »Die Herren sind gegen die Trauungsfeierlichkeiten bei Sklavenhochzeiten etwas gleichgültig, weil durch den häufigen Verkauf und Wechsel der Schwarzen die Zeremonie allerdings etwas illusorisch ist.«
»Wieso?« frug ich überrascht, »trennt man denn zuweilen so feierlich geschlossene Ehen durch Verkauf des einen Teils wieder?
»Jawohl, mein Herr, man tut dies sogar grundsätzlich. Unsere Verhältnisse sind derartig, daß die Existenz der Plantagenbesitzer sich nicht vereinigen läßt mit dem Familienleben der Schwarzen.«
»Aber auf diese Weise leben ja die Gatten nach deren Verkauf zeitlebens getrennt?«
»Wohl, aber man macht ihnen Hoffnung, nach einigen Jahren guter Führung sie wieder zu verheiraten und verhindert dadurch nicht nur die allzu rasche Vermehrung der Neger, sondern gewinnt auch ein Mittel, ihren Fleiß anzuspornen. Es wird natürlich jede Ehe für aufgelöst erklärt, sowie ein Verkauf des einen Gatten erfolgt.«
Wir waren bei diesen Worten an der Kapelle angekommen und fanden hier auf der einen Seite die Braut mit einigen anderen Negerinnen, sämtlich in weißen baumwollenen Kleidern und auf das lächerlichste aufgeputzt, auf der andern Seite dagegen den glücklichen Bräutigam mit einigen anderen Sklaven. Die Zeremonie bot nichts Bemerkenswertes dar, es war die gebräuchliche Trauungsformel der englischen Kirche. Doch bemerkte ich, daß eine der Negerinnen während der Trauung ein Band vom Kleide der Braut löste und dem Bräutigam zusteckte.
Später erzählte man mir, daß dies geschehe, weil die Schwarzen glaubten, durch dies Mittel die Trennung der Ehegatten zu verhindern.
Kaum hatte die Gesellschaft die Kirchtür hinter sich, als sie sich der ausgelassensten Freude hingab. Bald ertönte Musik, und ich sah mit Vergnügen dem Tanze im Freien eine Zeitlang zu. Die Braut war wirklich für eine Negerin sehr schön, und ich begriff jetzt die poetischen Übertreibungen, mit denen der glückliche Bräutigam mir heute früh ihre schwarzen Reize geschildert hatte.
»Wollt ihr uns Hungers sterben lassen wegen einer Negerhochzeit?« rief uns der Wirt von der Veranda des Hauses zu, und wir eilten zu Tische.
Alle diese Umstände würden meinem Gedächtnisse längst unter der Masse anderer Eindrücke entschwunden sein, hätte nicht drei Monate später der Zufall mich zum Zeugen eines entsetzlichen Ereignisses gemacht, das durch seine grauenvolle Entwicklung für immer meiner Seele eingeprägt bleiben wird.
Ich befand mich damals auf der Rückreise von New-Orleans nach Boston mit vielen anderen Passagieren an Bord eines Dampfschiffes, das in den meisten Hafenstädten landete, um Waren und Menschen abzusetzen und aufzunehmen, wir hielten zwei Tage in Savannah, und ich blickte vom Schiffe öfters hinüber nach den grünblauen Waldungen, in denen ich mich vor einigen Monaten umhergetrieben hatte.
Die Unterhaltung an Bord war meist sehr lebhaft, die Passagiere aus dem Norden debattierten mit ihren südlichen Nachbarn oft heftig über die Sklavenfrage und waren meist die entschiedenen Gegner des neuen Gesetzes, wonach die entlaufenen Sklaven, auch wenn sie das Gebiet der freien Staaten betreten haben, von den Behörden festgenommen und ausgeliefert werden müssen. Unsere Reisegesellschaft wuchs in Savannah bedeutend an; mehrere Pflanzer hatten in Süd-Carolina Sklaven gekauft und führten sie auf dem Schiffe nach Charleston.
Sei es, daß man den unglücklichen Gegenstand des Streites nicht erst den Augen der Passagiere bloßstellen wollte, oder waltete irgendein anderer Grund ob, genug, die Schwarzen wurden während der Nacht, kurz vor dem Lichten der Anker, aufs Schiff gebracht. Als ich am nächsten Morgen auf dem Verdeck saß und mit mehreren anderen Reisenden die köstliche Frische der Seeluft einatmete, während das Schiff mit dem günstigsten Winde rauschend die blauen Wellen teilte, entstand plötzlich auf dem Vorderteile ein bedeutender Lärm. »Ein Schwarzer, ein Schwarzer!« riefen mehrere Stimmen wild und bunt durcheinander.
»Was gibt's?« rief der Kapitän in unserer Nähe, aber in demselben Augenblick schleppten bereits die Matrosen einen sich nach Kräften sträubenden Neger herbei. Die ganze Gesellschaft auf dem Schiffe lief zusammen. Alle drängten sich in dichtem Kreise um den Unglücklichen. Alles schrie, fluchte, lachte; es war augenblicklich eine Szene der wildesten Verwirrung.
»Können Sie mir sagen, was eigentlich hier vorgeht?« frug ich einen ältlichen Herrn, der gleich mir hinter dem dichten Kreise der Neugierigen stand.
»Wohl, mein Herr; während der Nacht hat sich ein Schwarzer auf das Schiff geschlichen und bis jetzt verborgen gehalten, er sagt, seine Frau sei unter den Sklavinnen, die im unteren Raume liegen.«
Mehr konnte ich nicht verstehen, denn bereits verwandelte sich unter den Passagieren der Streit in wahren Tumult. Die aus den nördlichen Staaten riefen einmal über das andere: »Unmenschlich, grausam, tyrannisch usw.«, während ihre Gegner mit: »Verführer, Empörer, Maulmacher u. dgl.« antworteten. Es war eine Szene, wie ich sie in Amerika selbst bei höchst aufregendem Streite nie wieder erlebt habe.
Endlich gewann der Kapitän so viel Raum, daß er Ruhe gebieten konnte, und zu meinem Erstaunen gehorchte man.
»Sie mögen ganz Recht haben, meine Herren«, sagte er mit vieler Ruhe, »wenn Sie von Menschenrechten und dergleichen sprechen, das habe ich nicht zu untersuchen; aber Sie werden auch einsehen, daß ich als Kapitän an die nun einmal bestehenden Gesetze gebunden bin. Ändern Sie diese Gesetze, ich bin zufrieden damit; aber solange dies nicht geschehen ist, wird keine Gewalt der Erde mich dahin bringen, daß diese an Bord meines Schiffes verletzt werden. Der Schwarze ist entsprungen, und ich bin verpflichtet, ihn im nächsten Hafen der Behörde zu überliefern. Und wer hat dagegen etwas einzuwenden?«
Bei dieser kräftigen Rede hatte sich der Kreis um den Neger allmählich erweitert, aber wer beschreibt meinen Schreck, als ich in dem Unglücklichen plötzlich den jungen Mann erkannte, dessen Hochzeit ich vor wenigen Monaten beigewohnt hatte. In demselben Augenblick erkannte er auch mich, stürzte sich plötzlich zu meinen Füßen, umklammerte meine Knie, und mit dem Tone der tiefsten Verzweiflung rief er:
»O Herr, Herr, rettet mich! Ich will ja Euer Sklave sein und arbeiten treu bis in den Tod, aber trennt mich nicht von meinem Weibe, meinem geliebten Weibe! O Herr, habt Erbarmen mit meinem Unglück!«
Nicht sowohl die Worte als vielmehr der Ton der Stimme hatten etwas so furchtbar Ergreifendes, Nervenerschütterndes, daß auch die rohesten unter den Umstehenden verlegen zur Erde sahen.
Ratlos blickte ich um mich und suchte in den Augen des Kapitäns irgendeinen Hoffnungsstrahl. Starr hing der Blick des Negers an meinen Lippen, mir war, als sollte ich ein Todesurteil sprechen. Lautlos stand um mich her der Kreis der Passagiere, es war eine feierliche Stille.
Da wischte der Kapitän eine Träne aus seinem Auge, und mich bedeutsam anblickend, schüttelte er traurig den Kopf.
»Armer, armer Mensch«, rief ich unwillkürlich, »ich kann dich nicht retten!«
»Nein«, sagte feierlich der Kapitän, »Sie können es nicht, keiner von uns kann es, er ist dem Gesetz verfallen, und das ist stärker als wir. Bringt den Unglücklichen hinab, aber bindet ihn nicht unnötig fest, er kann hier nicht entschlüpfen.«
Man schaffte ihn fort. –
Ich will kurz sein, denn noch steht vor meinem Gedächtnis zu lebhaft die Katastrophe. Nach einer Stunde fand man den Neger in seinem Blute schwimmend auf dem Boden seines Gefängnisses liegen. Er hatte sich den Hals durchschnitten.
Die Moral aber über den Zustand der Sklavenstaaten mache ein jeder sich selbst.