Sagen aus Schlesien
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Der Schlachtenbaum

Wenn der Wanderer auf der Heerstraße von Vohenstrauß nach Wernberg in der Richtung von Ost nach West zieht, befindet er sich auf dem Grat eines langgestreckten Bergrückens, der zu beiden Seiten ziemlich steil abfällt. Da nun, hart an der Straße, zu linker Hand, steht ein einsamer Baum, eine Steinlinde, vor sich einen kleinen Teich, vielmehr Pfuhl, im Rücken einen Einödhof; hier weht der Wind Tag und Nacht, Sommer und Winter, in kalten Strömen, oft in der Stimme des heulenden Sturmes oder des grollenden Donners, und ewig bewegt sich das Laubdach des Baumes und teilt den Schauer des frierenden Wanderers. Darum heißt es hier: beim kalten Baum. Dieser steigt an achtzig Fuß empor und beugt seine Krone dankbar über das Wasser, das ihn nährt und tränkt. Er war ein Doppelbaum und steht nur mehr zur Hälfte. In dem Stamme ist eine Nische ausgefault, groß genug, um mehrere Menschen aufzunehmen. Sibylla Weis hat ihn gepflanzt, den Baum, den niemand kennt, und gleich einer Vala von ihm ausgesagt, daß, wenn einst sein Ast stark genug sein wird, um einen geharnischten Reiter mitsamt dem Rosse zu tragen, die Feinde aus Ost und West in zahllosen Heersäulen hier zusammentreffen werden. Dann werden sie sich eine Schlacht liefern, und bis zur Mitternachtsstunde soll das Würgen währen, wovon so arges Blutvergießen gegen Norden hin entsteht, daß es die Mühle im Tale bei Lind treibt. Davon heißt der Baum auch Schlachtenbaum. Die Rosse der Türken aber werden den Boden bedecken, so weit das Auge reicht, und den Greuel einer Pest verbreiten, wie sie die Welt noch nicht gesehen. Alles Volk und Vieh fällt ihr zum Opfer. Zuletzt wird ein Hirt heranziehen aus weiter Ferne und in dem Baume Wohnung nehmen, seine zahlreiche Nachkommenschaft aber das öde Land aufs neue bevölkern und fortan in seligem Frieden und Wohlstande besitzen.

 


 


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