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An der Straße, die von Neudorf über den Übersprung nach Oppeln führt, stand früher ein Gasthaus, in dem durchfahrende Fuhrwerksleute einzukehren pflegten. Die Gastwirtsfrau hatte einen bösen Mann, dessen Seele eines Tages der Teufel holte. Steif und starr blieb der Leichnam plötzlich auf der Diele liegen. Die erschrockene Frau sandte sofort nach dem Arzt. Als dieser eintraf, lag noch ein zweiter Toter da. Keiner wußte, wie er dahingekommen war. Die Leute bemerkten aber bald, daß er einen Pferdefuß hatte und es der Teufel selbst war. Sie gingen dem Satan mit Weihwasser und Kreuz zu Leibe, da verwandelte er sich in einen Strohhalm.
Die Wirtin ließ nun ihren toten Mann begraben und führte die Wirtschaft allein weiter. Mit der Zeit stellten sich viele Männer ein und begehrten sie zur Frau; denn sie war sehr reich. Sie aber sagte: »Um meines Josel willen (ihres Sohnes) heirate ich nicht mehr.«
Eines Tages erschienen ein paar übel beleumundete Burschen in der Schenke und bedrängten die Frau mit Anträgen. Die Wirtin aber wies sie ab: »Gebt euch keine Mühe, ich habe mein Kind und bleibe dem Josel zu Liebe, was ich bin.«
Da wurden die Burschen wütend und wollten die Frau erschlagen. Doch sie bat, man möge sie um des Josels willen am Leben lassen. Die beiden Burschen mochten wohl auch vor einem Mord zurückzuschrecken, darum heckten sie einen anderen Plan aus, um sich in den Besitz der Schenke zu setzen.
»Gut«, riefen sie der weinenden Frau zu, »wir schenken dir das Leben, aber nur unter der Bedingung, daß du in der Nacht um zwölf Uhr in das Dorf gehst und das Gerippe, das dort vor der Kirche steht, von seinem Platz hebst.« Dieses Knochengerippe stand in schlechtem Ruf: es waren die Überreste eines Ritters, der eine Jungfrau betrogen und verraten hatte und zur Strafe dafür noch nach seinem Tode vor der Kirchentüre stehen mußte, solange, bis ihn jemand erlöste. Das Gerippe war aber versteinert, und niemand konnte es vom Platz rücken oder heben.
Die beiden Burschen hofften, die Frau werde vor Furcht sterben, wenn sie des Nachts das Gerippe anfassen müsse. Sie wollten dann die Schenke übernehmen und den kleinen Josel zum Knecht machen. Als die Wirtin ihrem Ansinnen nicht nachkam, hörten sie nicht auf, die Frau zu quälen, indem sie ihr drohten: »Wir erschlagen deinen Josel, wenn du nicht tust, was wir verlangen.«
In ihrer Not gab sie endlich nach: »Es ist wohl Sünde, was ihr von mir verlangt, aber um des kleinen Josels willen werde ich es tun.« Sie empfahl ihr Kind dem Schutze Gottes und machte sich auf den Weg. Während des Gehens betete sie: »Verzeih mir, Gott, wenn ich unrecht handle, ich tue es um meines Josels willen.«
Nach langer Wanderung kam die Frau zur Kirche. Das Gerippe stand vor der Tür und leuchtete grell in der stockfinsteren Nacht.
»In Gottes Namen denn«, seufzte die Frau und faßte das Gerippe. Und das steinerne Knochengerüst, das bisher noch niemand hatte von der Stelle rücken können, gab nach, herzhaft nahm sie es auf den Rücken und trug es betend um die Kirche.
Als sie es aber auf den alten Platz stellen wollte, umschlang das Gerippe sie mit seinen Knochenarmen und raunte ihr hohl in die Ohren: »Ich erwürge dich, wenn du mich nicht in die Kirche trägst und dreimal mit mir um den Altar gehst.« Die arme Frau erschrak heftig, aber es blieb ihr keine Wahl.
»Um meines Josels willen folge ich dir«, stöhnte sie ergeben und trug das Gerippe in die Kirche.
Bei ihrem Eintreten erhob sich ein eisiger Wind, der in der Kirche wild herumfegte und alle Bänke durcheinanderwarf. Die Frau ahnte die Nähe des bösen Geistes und trug zitternd unter beständigem Beten das Gerippe um den Altar. Hinter diesem stand ein schwarzer Sarg, in dem eine Jungfrau aufrecht saß, die in einem Buche las; auf dem Kopf trug sie einen Kranz von schwarzen Rosen.
Immer heftiger tobte der Sturm, er fauchte und raste in alle Winkel und wehte der geängstigten Frau kalt ins Angesicht. Aber sie ließ sich trotzdem nicht beirren und legte mit dem Gespenst auf dem Rücken den Weg um den Altar dreimal zurück. Als sie das drittemal vor der Jungfrau stand, erglänzte diese in weißem Licht und streckte sich aus, der Sargdeckel fiel über ihr nieder. Gleichzeitig wurde der Ritter auf dem Rücken der Witwe immer leichter und leichter, bis nur mehr ein Häufchen Asche übrig blieb. Der Sturm in der Kirche legte sich, und der Mond ging auf. In Schweiß gebadet, trat die Witwe den Heimweg an.
Zu Hause traf sie die Burschen, wie sie sich über die Tische und Bänke lümmelten; denn sie glaubten sich schon im Besitz der Wirtschaft, da die Frau drei Tage weggewesen war. Als sie nun gesund und heil bei der Tür hereintrat, fielen die beiden Gauner vor Schreck zu Boden.
Die Witwe aber lebte nun mit ihrem Josel in Frieden und wurde sehr alt. Die Schenke stand noch mehr als hundert Jahre; ein Blitzstrahl hatte sie schließlich eingeäschert.