Sagen aus der Steiermark
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Die Meixnerstube bei Gleichenberg

Der Wanderer, der auf der Straße von Feldbach nach Bad Gleichenberg unterwegs ist, kann in der »Klausen« links am Berghang eine Vertiefung im Felsen erblicken, die allgemein »die Meixnerstube« heißt.

Einst wußte ein armer Bauer namens Meixner, der auf den Gleichenberger Höhen zu Hause war, vor Elend und Not nicht aus noch ein. Selbst des Nachts ließ ihn die Sorge um das tägliche Brot nicht zur Ruhe kommen, und er zermarterte sein armes Gehirn nach einem Ausweg aus den quälenden Sorgen. Wie er sich nun eines Nachts wieder schlaflos auf seinem Lager wälzte, geschah es, daß plötzlich ein uraltes Männlein mit eisgrauem Haar, zerfurchtem Gesicht und listig blinzelnden Augen in der Stubenecke zum Vorschein kam und lautlos an sein Bett heranhuschte. Meixner glaubte zu träumen und rieb sich die Augen. Da wisperte das Männlein: »Wenn du mir einen Gefallen erweisen willst, soll all deine Not ein Ende haben, und ich will dich mit den Deinen reich und glücklich machen. Ich werde dir einen Schatz geben, um den dich selbst Fürsten beneiden sollen. Du mußt nur in die Klausen hinuntergehen und auskundschaften, wo der Graf sein neues Schloß zu erbauen gedenkt. Morgen um Mitternacht werde ich wieder zu dir kommen, damit du mir das Gehörte mitteilen kannst; dann sollst du deinen Lohn empfangen.«

Der Bauer führte den Auftrag getreulich aus und berichtete in der nächsten Nacht dem Kobold, was er in Erfahrung gebracht hatte. Der Graf beabsichtigte, sein Schloß am linken Berghang oberhalb der Felsenhöhle zu erbauen und es zu gleicher Höhe mit dem gegenüberliegenden Bergrücken aufzuführen. Daher auch der heutige Name »Gleichenberg«.

Nachdem Meixner seinen Bericht beendet hatte, forderte ihn der Kobold auf, mitzukommen und den versprochenen Lohn in Empfang zu nehmen. Er schritt, mit einem brennenden Bergmannslämpchen versehen, voraus und führte den Bauern durch Nacht und Nebel zu der Felsenhöhle am linken Berghang. Hier mußte er feierlich versprechen, von dem, was er nun sehen werde, kein Sterbenswörtchen verlauten zu lassen. Auch dürfe er die Höhle nie wieder betreten, deren Schätze Tag und Nacht von Kobolden bewacht würden. »Nur in der Christnacht von elf bis zwölf«, setzte das Männchen hinzu, »ist keine Wache vorhanden; denn da haben wir Zwerge anderes zu tun. Aber hüte dich trotzdem, etwa zu versuchen einzudringen; es könnte dein Verderben sein.«

Meixner schwor hoch und teuer, das Gebot des Kleinen zu erfüllen. Nun gingen sie in die Höhle hinein, wanderten einen langen Gang entlang und kamen schließlich zu einer Felsspalte, aus der heller Lichterglanz erstrahlte. Wie geblendet blieb das Bäuerlein beim Eingang des vor ihm liegenden Saales stehen. Welche Pracht tat sich vor ihm auf! Armdicke Goldstangen hingen von der Decke herab; edelsteinglitzernde Säulen strebten zum Gewölbe des Saales empor; faustgroße Diamanten erglänzten an den Wänden. Ein munteres Volk von Zwergen und Heinzelmännchen saß und lag auf den silbernen Tischen und Bänken und trieb mit heiterem Geplauder sein neckisches Wesen auf den marmornen Fliesen des Saals.

Sobald die Kleinen den großen fremden Menschen erblickt hatten, verstummten sie und schauten ihn groß an. Nachdem aber Meixners Begleiter erzählt hatte, welchen Dienst ihnen der Mann erwiesen habe, kamen sie freundlich herbei, zeigten dem staunenden Bauern ihre Schätze und Vorratskammern, die mit Gold und Kostbarkeiten bis oben gefüllt waren, und schleppten endlich goldene Krüge mit edlem Wein und silberne Schüsseln voll mit leckerer Speisen herbei und nötigten ihren Gast, wacker zuzugreifen. Ein altes, dickes Heinzelmännchen erzählte scherzhafte Streiche und Schnurren aus seinem Koboldleben. Und in angeregter, gemütlicher Unterhaltung verrann Stunde um Stunde, so daß Meixner alle seine drückenden Sorgen vergaß. Nun aber schlug die Stunde des Abschieds, und der Bauer sollte noch die versprochene Belohnung erhalten.

Man führte ihn in eine der Vorratskammern, und er durfte vom Gold und von all den herrlichen Dingen nehmen, was ihm gefiel und was er nur tragen konnte. Da stopfte das glückliche Bäuerlein alle Rocktaschen, alle Hosensäcke voll, sogar der Hut mußte herhalten. Mit vielen Dankesworten verabschiedete es sich dann und schleppte keuchend seine goldene Last heimwärts.

So war der arme Meixner plötzlich ein reicher Mann geworden. Aber auch ihm wurde der leicht gewordene Reichtum, wie dies so oft im Leben der Fall ist, zum Unsegen. Er ließ seine armselige Behausung niedereißen und an ihrer Stelle ein großes, schönes Haus erbauen, er schaffte Pferde und Wagen an, nahm Dienstleute auf kümmerte sich aber um keine Arbeit mehr und ließ Äcker und Wiesen verunkrauten. Er führte ein flottes Leben und dachte: »Wozu soll ich mich noch plagen, habe ich doch Geld genug!«

Inzwischen ging der Graf daran, seinen schon längst geplanten Schloßbau auszuführen. Er ließ Steine und anderes Baumaterial auf die Höhe des Berges schaffen, was nicht geringe Mühe verursachte. Man begann mit dem Ausheben der Grundfesten, aber eines Nachts wurden alle Steine von unsichtbarer Hand über den Abhang gewälzt und ins Tal geschleudert. Dies wiederholte sich einige Male, bis der Graf zur Einsicht kam, daß höhere Mächte den Schloßbau an dieser Stelle nicht duldeten. Die im Berge hausenden Kobolde wollten eben nicht, daß fremde Hände auf ihrem Grund und Boden, den sie nun schon jahrhundertelang bewohnten, ein Heim errichteten. Heute noch sieht man an der Fahrstraße große Steine und Felsblöcke liegen, die damals von den Zwergen vom Berg herabgeschleudert wurden.

So ließ denn der Graf auf dem gegenüberliegenden Felsenhang seine Burg erbauen, das Schloß Gleichenberg, das noch bis vor kurzem mit seinen Türmchen und den Erkern weithin über die Lande ragte.

Fünf Jahre hindurch führte Meixner ein von Arbeit und Sorgen unbeschwertes Dasein. Aber eines Tages war die Geldlade, die seinen Reichtum enthielt, leer. Einen Augenblick starrte er verblüfft in das Nichts, aber bald erheiterte ein pfiffiges Lächeln seine verdüsterten Mienen. Die Christnacht, dachte er, würde seine Rettung sein. Und je näher die Zeit des Weihnachtsfestes kam, desto besser wurde seine Laune.

Als die sehnlichst erwartete Nacht gekommen war, machte er sich zeitig an' Abend auf den Weg zur Felsenhöhle. Der Kobold hatte ihm doch gesagt, daß in dieser Nacht zwischen elf und zwölf die Schätze unbewacht seien. Es gelang ihm, zur bestimmten Stunde den Saal und die Vorratskammer zu betreten, die wirklich unbewacht und koboldleer vor ihm lagen. In aller Eile raffte er zusammen, was er erwischen konnte, steckte sich die Taschen zum Platzen voll und konnte sich schließlich mit der schweren Last nur keuchend und mühsam zum Ausgang schleppen. Da – er mochte kaum mehr zwanzig Schritte vom Ziele weg sein – begann eine ferne Turmuhr die zwölfte Stunde zu schlagen.

Erschrocken hörte es der Bauer. Was soll er beginnen? Den Schatz wegwerfen und wieder ein armer Mann werden? – Nein, nimmermehr! Nur vorwärts, er muß es schaffen! Da, da ist der Ausgang! – Aber 0 weh! Ein Krachen geht durch den Berg, ein Brausen zieht durch den Raum; der Ausgang ist verrammelt, und kein Auge sah jemals mehr den Meixner. Nur sein Name lebt weiter in der »Meixnerstube«.

 


 


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