Sagen aus der Steiermark
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Das Rasenkreuz in Weichselboden

Am Fuß des Hochschwab liegt ein von hohen, steilabfallenden Bergen umschlossener Gebirgskessel, der Weichselboden, der durch seine wilde Naturschönheit bekannt ist. Regen und Tauwetter schwemmen alljährlich Unmassen von Gestein und Geröll zu Tal, so daß der Talboden sich von Jahr zu Jahr zu verkleinern scheint. Der höchste der umliegenden Berge ist der Hochschwab, von dem sich ein niedriger Vorberg, der Hochedel, gegen das Tal hin erstreckt. Auf dieser Voralpe breitet sich eine ebene, völlig kahle Fläche aus, die nur an einer Stelle mit dem saftigsten Grün in Form eines Kreuzes bewachsen ist.

Vor vielen Jahren lebte in Weichselboden ein Bauer, der als der wohlhabendste in der ganzen Gegend galt. Er nannte ausgedehnte Waldungen und saftige Almen sein eigen, seine Ställe enthielten das schönste Vieh weit und breit, und auf seiner Holzschwemme förderte er alljährlich viele tausend Stämme Holz die Salza hinunter, die manchen glänzenden Taler ins Haus brachten. Die Schränke seiner Frau waren vollgepfropft mit dem schönsten Linnen, gar manches kostbare Schmuckstück erglänzte am Hals der stolzen Großbäuerin, wenn sie sonntags mit ihrem behäbigen Gatten zur Kirche fuhr. Man munkelte auch von einer großen Truhe voll blinkender Gold- und Silbermünzen, die unter dem breiten Bett in der Schlafstube des Bauern stehen sollte. Was der Talbauer, wie der Hausname war, nun anfaßte, das glückte ihm. So lebte er viele Jahre froh und glücklich mit den Seinen, bis eines Tages das Unglück hereinbrach.

Das Hochwasser, daß alljährlich zum Schwemmen des Holzes diente, blieb aus, das zum Abschwemmen geschlagene Holz verfaulte in den Wäldern, eine böse Seuche raffte einen großen Teil des Viehbestandes hinweg, und so traf den Bauern Schlag auf Schlag; die Taler rollten aus dem Haus, Schulden hielten ihren Einzug, bis er endlich als armer Mann Haus und Hof verlassen mußte. In seiner Verzweiflung wandte er sich an den Teufel, der im Frühjahr auf dem Hochedel sein Unwesen trieb. Der Teufel kam, und der Bauer schloß mit ihm seinen Handel ab. Er sollte soviel Geld erhalten, als er brauchte, um seine Wirtschaft wieder zu erwerben und zur Blüte zu bringen. Dafür wollte der Teufel nach einem Jahr auf dem Hochedel die Seele des Bauern holen; doch stellte dieser die Bedingung, daß der Teufel sie nur dann bekäme, wenn er das heben könne, was der Bauer mitbringe. Dies schien dem Satan annehmbar; er gab dem Bauern zehntausend Taler und verschwand, seiner Sache sicher.

Vergnügt entfernte sich der Bauer, ließ das Geld durch den Pfarrer segnen, damit es sich nicht am Ende zu Kohle verwandle, und war binnen Jahresfrist wieder der reiche Talbauer. Der Jahrestag, an dem der Teufel seine Schuld einfordern wollte, rückte immer näher heran. Doch der Bauer bewahrte seine Ruhe. Er ließ ein großes hölzernes Kreuz zimmern, nahm es auf die Schultern und begab sich damit getrost auf den Hochedel. Grinsend erschien der Teufel und wollte ihn sogleich mit sich nehmen, aber lächelnd sagte der Bauer: »Hoho, erst mußt du die Bedingung erfüllen. Heb einmal das auf, was ich da mitgebracht habe.« Als der Teufel das Kreuz erblickte, fuhr er wie vom Blitz getroffen zurück; denn das Kreuz ist für den Höllischen eine Qual, und er darf es nicht berühren. Voll Wut darüber, daß ihn sein Opfer überlistet habe und ihm die anscheinend sichere Beute entgangen sei, fuhr er heulend über die Felsen hinab und davon.

Als der Bauer sein Kreuz aufnehmen wollte, war es nirgends zu sehen.

Dafür prüngte auf dem kahlen Felsen, an jener Stelle, wo er es niedergelegt hatte, ein anderes Kreuz, vom schönsten, saftigsten Rasen gebildet, und dieses ist auch heute noch zu sehen. Fröhlich kehrte der Bauer zu den Seinen zurück und lebte noch viele Jahre glücklich und zufrieden.

Der Teufel hingegen kann sich in seiner Wut, um sein Opfer gekommen zu sein, nicht genug tun und versucht jedes Jahr zu Frühlingsbeginn, das Geröll von den Bergen ins Tal hinunterzustürzen und den Weichselboden zu zerstören.

 


 


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