Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Dalinda erzählt Rinalden die Geschichte Ginevra's (1–74). Rinalds Ankunft am schottischen Hofe und sein Sieg über Ginevra's Feind (75–92).
1 | Bei allen andern Thieren dieser Welt, Ob sie nun friedlich sich des Lebens freuen, Ob eins das andre feindlich überfällt, – Nie wird der Mann das Weib mit Krieg bedräuen. Der Bär streift mit der Bärin treugesellt, Und ruhig liegt die Löwin bei dem Leuen; Kein Leides fügt der Wolf der Wölfin zu; Nie fürchtet vor dem Stiere sich die Kuh. |
|
2 | Welch eine Pest denn, welche der Megären Hat so das menschliche Gemüt verstimmt, Daß man von Gatten immerdar die schweren Schmähwort' und zänkisches Gekeif vernimmt, Zerkratzte Backen, Beulen, und die Zähren, Davon das eheliche Lager schwimmt? Und nicht von Thränen bloß; denn auch mit Blut Hat manchmal es benetzt die blinde Wut. 123 |
|
3 | Mich dünkt, als ob er nicht nur Unrecht treibe, Nein, frevle wider Gott und die Natur, Wer mit den Händen sich am schönen Weibe Vergreift, und krümmt' er ihr ein Haar auch nur. Wer aber Gift ihr reicht, wer aus dem Leibe Die Seele jagt mit Messer oder Schnur, Daß der ein Mensch sei, glaub' ich ewig nicht; Ein Teufel ist's mit menschlichem Gesicht. |
|
4 | Als solche seh ich jene Räuber an, Die eben vor Rinald geflüchtet waren, Die jenes Mädchen führten in den Tann, Wo man von ihr nie wieder hätt' erfahren. Zuletzt hab' ich erzählt, wie sie begann Die Ursach ihrer Not zu offenbaren Vor ihrem Retter und getreuen Hort, Und fahre so in der Geschichte fort: |
|
5 | Das Mädchen sprach: »Ich muß dir Kunde geben Von einer Grausamkeit und Frevelthat, Wie in Mycenä, Argos oder Theben Kein Mensch grausamer sie begangen hat. Und wenn dem Lande, wo wir ärmsten leben, Die Sonne nicht wie andern Ländern naht, So glaub' ich, daß sie ferne bleibt aus Grauen, Um nicht ein so grausames Volk zu schauen. 124 |
|
6 | »Daß Menschen grausam gegen Feinde sind, Hat man zu jeder Zeit oftmals erfahren; Den aber tödten, der nur sorgt und sinnt, Dir wohl zu thun, das schändet selbst Barbaren. Indeß damit ihr volles Licht gewinnt, Weshalb man also meinen jungen Jahren Den Garaus machen wollte, werd' ich kund Dir alles thun, den Anlaß und den Grund. |
|
7 | »Vernimm, mein Herr, in zartem Alter schon Hatt' ich den Dienst bei der Prinzeß begonnen, Wuchs auf mit ihr und hatte nah am Thron Mir guten ehrenvollen Platz gewonnen. Da unterwarf mich Amor seiner Frohn, Mein Loos beneidend und des Friedens Wonnen, Daß mir so schön kein Ritter, kein Galan Zu sein schien wie der Herzog von Alban. |
|
8 | »Weil er nicht abließ, Liebe mir zu schwören, War auch in meiner Brust die Lieb' erwacht. Man kann das Antlitz sehn, die Rede hören, Jedoch ins Herz zu schaun hat keiner Macht. Vertrauend, liebend ließ ich mich bethören Und nahm ihn in mein Bett und gab nicht Acht, Daß ich von allen Kammern im Palaste Ginevra's Heiligtum aufschloß dem Gaste. 125 |
|
9 | »Hier schlief sie meistentheils und hatte hier Die theuersten von ihren Kostbarkeiten. Aus dieser Kammer aber konnten wir Auf den Balkon hinaus ins Freie schreiten. Da ließ ich meinen Freund herauf zu mir; Von dort ließ ich die hänfne Leiter gleiten; Ich ließ sie vom Balkon mit eigner Hand, So oft ich Sehnsucht ihn zu sehn empfand. |
|
10 | »Denn so viel Male ließ ich ihn ins Zimmer, Als mir Ginevra dazu Freiheit ließ, Die stets ihr Lager wechselte, wann immer Das Wetter schwül war oder Frostwind blies. Kein Mensch gewahrte je den dreisten Klimmer; Denn jene Seite des Palastes stieß An eine Gasse mit verfallnen Katen, Den Menschen weder Tags noch Nachts betraten. |
|
11 | »So, manchen Tag und manchen Monat währte In Heimlichkeit das süße Minnespiel. Immer noch wuchs die Liebe; mich verzehrte Ein innres Feuer ohne Maß und Ziel. Ich war so blind, daß nie ich Argwohn nährte, Er liebe wenig nur und heuchle viel, Obschon ich den Betrug des ränkevollen An vielen Zeichen hätt' erkennen sollen. 126 |
|
12 | »Da plötzlich kam er als Ginevra's neuer Liebhaber, wenn ich gleich nicht sagen kann, Ob dies erst damals anfing, ob das Feuer Vor meiner Liebe schon zu glühn begann. Gieb Acht wie frech er war, wie ungeheuer Die Macht war, die er über mich gewann: Mich zog er ins Vertraun, und ohne Röte Verlangt' er, daß ich hilfreich Hand ihm böte. |
|
13 | »Wohl, sagt' er, sei die Liebe nicht die wahre Und werde nie der unsern ähnlich sein; Er borge nur, um jene zum Altare Zu führen, der Verliebtheit äußern Schein. Denn wenn nur erst Ginevra ihm willfahre, So willige der König freudig ein, Da er an Herkunft und erlauchtem Stande Der erste nach dem König sei im Lande. |
|
14 | »Wenn ich ihm helf' und wenn es sich begebe, Daß ihn sein Herr annehm' als Schwiegersohn, Wodurch er sich auf einen Platz erhebe, So hoch man steigen könne nächst dem Thron, So werd' er mir den Dienst, so lang' er lebe, Gedenken und verheiße reichen Lohn, Auch daß vor allen Frau'n, vor seinem Weibe Ich immer ihm die liebste sei und bleibe. 127 |
|
15 | »Ich, ihm zu dienen nur zu sehr bereit Und außer Stand' ihm etwas abzuschlagen, Die nimmer Ruhe hatt' und frohe Zeit, Als wenn ich fand, er habe nicht zu klagen, Ergriff die schickliche Gelegenheit, Ginevren rühmliches von ihm zu sagen, Und strebte eifrig und mit treuem Sinne, Damit sie meinen Liebsten lieb gewinne. |
|
16 | »Mit ganzem Herzen, Gott bezeug' es mir, Mit allem Fleiß war ich ans Werk gegangen; Nichts aber half, ich konnte nie von ihr Für meinen Herzog ein'ge Gnad' erlangen; Denn alle Lieb' und zärtliche Begier Ginevra's nahm ein andrer schon gefangen, Ein edler Ritter schön und ehrenreich, Der aus der Fremde kam in dieses Reich. |
|
17 | »Mit einem Bruder, aus Italien, war Er an den Hof gekommen, noch als Knabe. Bald sah man, daß Britanniens Ritterschar Im Waffendienst kaum seines Gleichen habe. Der König liebt' ihn und bewies es klar; Denn bald beschenkt' er ihn mit reicher Gabe, Mit Schlössern, Gütern und Vogtei'n der Krone Und stellt' ihn neben seines Reichs Barone. 128 |
|
18 | »Dem Vater war er wert, mehr als dem Vater Der Tochter, dieser Ritter Ariodant, Weil er so tapfer war, (denn Wunder that er,) Und mehr noch weil sie ihn voll Liebe fand. Nicht der Vesuv und nicht Siciliens Krater, Nicht Troja hat so lichterloh gebrannt, Wie sie das Herz des Ariodant im Stillen Von Liebe lodern sah um ihretwillen. |
|
19 | »Dies nun, daß sie ihr Herz an den verlor Und liebt' ihn treu mit redlichem Gemüte, Verschloß für mein Gesuch Ginevra's Ohr; So daß dem Herzog keine Hoffnung blühte. Im Gegentheil, je mehr ich sie beschwor, Ihr Herz für ihn zu rühren mich bemühte, Um so verächtlicher und bittrer schien Sie Tag für Tag verhärtet wider ihn. |
|
20 | »Ich hatte häufig meinem Freund empfohlen, Sich abzuwenden von dem eitlen Plan; Bei jener, sagt' ich ihm, sei nichts zu holen, Denn andrer Liebe sei sie unterthan, Und ich gestand dem Herzog unverholen, Daß Ariodant es jener angethan Und daß die See mit allen ihren Fluten Kein Fünkchen lösche so gewalt'ger Gluten. 129 |
|
21 | »Der Herzog (Polineß wird er genannt) Hatt' alles dies oftmals von mir vernommen, Und als er selbst mit Augen sah und fand, Sein Werben sei verhaßt und unwillkommen, Geschah es, daß nicht nur die Liebe schwand, Nein, daß ein andrer ihm zuvorgekommen, War diesem übermüt'gen solch ein Dorn, Daß gänzlich er umschlug in Haß und Zorn. |
|
22 | »Und zwischen der Prinzeß und ihrem Theuern Beschloß er Zwist zu sä'n und bittren Streit, So daß die alte Freundschaft zu erneuern Unmöglich würde, und zur selben Zeit Wollt' er Ginevren Schimpf, so ungeheuern, Anthun, der an ihr haft' in Ewigkeit. Doch wollt' er nicht, daß von dem bösen Plane Ich oder irgendwer ein Wörtchen ahne. |
|
23 | »Dalinda, sprach er eines Tags zu mir, (Denn so werd' ich genannt,) du weißt ja, Liebe, Die Wurzel eines Baumes, den man vier- Und sechsmal abhaut, treibt doch neue Triebe: So läßt auch meine störrige Begier, Obschon gefällt von jenem schweren Hiebe, Nicht ab zu keimen, sondern nach wie vor Strebt sie nach dem ersehnten Ziel empor, 130 |
|
24 | »Nicht nach der Lust; mir liegt nicht viel daran; Nur weil ich gern obsieg' in einer Wette, Und was ich nicht in Wahrheit haben kann, Mir doch einbilden möcht', als ob ich's hätte. Ich will, so oft du mich empfängst fortan, Wenn die Prinzeß entkleidet liegt im Bette, Daß du den Anzug, den sie abgelegt, Anziehn und tragen sollst, wie sie es pflegt. |
|
25 | »Wie sie die Haare trägt und jede Zier, Ahm' alles nach und alles so beschicke, Daß du ihr gleichst. So komm heraus zu mir Auf den Balkon und laß herab die Stricke. Dann komm' ich mit der Einbildung zu dir, Daß ich sie selbst in ihrem Kleid erblicke; Und so, vielleicht, durch solchen Selbstbetrug, Zerstör' ich die Begierde leicht genug. |
|
26 | »So sprach er. Ich, mir selbst entfremdet schon, Ganz sinnlos, war so blind, mir nicht zu sagen, Daß dies, was er erbat mit sanftem Ton, Fallstricke waren, die am Tage lagen. Und in Ginevra's Kleidern, vom Balkon Warf ich die Leiter, die ihn oft getragen, Und ward der Arglist eher nicht gewahr, Als bis der Schade ganz geschehen war. 131 |
|
27 | »Mit Ariodanten hatt' er unterdeß Geredet, nach der List, die er erdachte, (Denn Freunde waren sie, eh' die Prinzeß Aus diesen Freunden Nebenbuhler machte.) Es nimmt mich Wunder, sagte Polineß, Daß, während ich dich lieb' und höchlich achte Vor allen meines Gleichen, ich zum Schluß Von dir so üblen Dank einernten muß. |
|
28 | »Ich weiß, die alte Lieb' ist dir bekannt, Ginevra's Lieb' und meine will ich sagen, Und daß bei meinem Herrn um ihre Hand Ich werben will schon in den nächsten Tagen. Warum denn störst du mich? Woher entstand In dir die Sucht nach fremdem Gut zu jagen? Bei Gott, ich hätte mehr Rücksicht für dich, Wärst du an meinem Platz, an deinem ich. |
|
29 | »Und ich, so lautet' Ariodants Bescheid, Bin so erstaunt, kaum trau' ich meinen Ohren. Eh du sie nur gesehn hast, lange Zeit Zuvor hatt' ich an sie mein Herz verloren. Auch weiß ich, daß du weißt, daß weit und breit Nie Liebe wie die unsre ward geboren, Daß sie, um mein zu sein, gern alles giebt; Du weißt, ich weiß es, daß sie dich nicht liebt. 132 |
|
30 | »Weshalb hast du die Rücksicht nicht für mich, Die ich für dich, so sagst du, haben müßte Und wahrlich haben würde, wenn ich dich Von ihrer Neigung vorgezogen wüßte. Als Braut sie heimzuführen hoff' auch ich, Obschon du reicher bist an dieser Küste. Der König hat nicht minder mich geehrt, Und mehr als dich hält mich die Tochter wert. |
|
31 | »O Irrtum! rief der Herzog, welch ein Zeichen Bethörter Liebe, so ganz fehl zu gehn! Du glaubst geliebt zu werden, ich desgleichen; Nun wohl, wir können's am Erfolge sehn. Sag' an, was konntest du bei ihr erreichen? Dann werd' ich mein Geheimniß dir gestehn. Wer beim Vergleich zu kurz kömmt, mag dem andern Platz machen und vor andre Thüren wandern. |
|
32 | »Und wenn du willst, so schwör' ich, bis ans Ende Das zu verschweigen, was du mir erklärst, Und möchte, daß ein Schwur auch dich verbände, Nie kundzuthun, was du von mir erfährst. – So schworen sie und legten ihre Hände Aufs Evangelium, und dann zuerst Begann, nachdem sie sich verpflichtet hatten, Ariodant Bericht ihm abzustatten, 133 |
|
33 | »Und that ihm offen und getreulich kund, Wie seine Sache mit Ginevra stehe Und wie sie ihm gelobt mit Herz und Mund, Daß sie nur ihm und keinem sonst die Ehe Gewähren würd', und daß, wenn diesem Bund Des Königs Widerspruch im Wege stehe, Kein andrer Freier sie gewinnen solle Und einsam sie ihr Leben enden wolle. |
|
34 | »Und seine Hoffnung woll' er nicht verschweigen, Durch Tapferkeit, die er im Kampfe schon Oftmals gezeigt und ferner werde zeigen, Zum Nutzen und zum Ruhm für Land und Thron, So hoch in seines Lehnsherrn Gunst zu steigen, Daß der ihn würdig halten werd', als Lohn Die Tochter heimzuführen, wenn er finde, Daß sich Ginevra gern mit ihm verbinde. |
|
35 | »Dies, sprach er, ist die Stufe, wo ich stehe, Wo, wie ich glaube, noch kein andrer stand. Mehr such' ich nicht als dies und wünsch' und flehe Von ihr kein bünd'ger Liebesunterpfand, Und werd' auch weitres nicht begehren, ehe Gott es gewährt im heil'gen Ehestand. Auch würd' es nutzlos sein, um mehr zu bitten, Denn allen geht sie vor an reinen Sitten. 134 |
|
36 | »Nachdem Ariodant ihm klar beschrieben, Wie er erwarte sich belohnt zu sehn, Sprach Polineß, entschlossen, daß aus Lieben Feindschaft und Haß der beiden soll' entstehn: Weit hinter mir bist du zurückgeblieben, Und sollst mit eignem Mund' es eingestehn; Du sollst die Wurzel meines Glücks erkennen Und mich den einzigen Beglückten nennen. |
|
37 | »Sie spielt mit dir, sie schätzt und liebt dich nicht. Sie füttert dich mit Hoffnung und mit Phrasen, Und deine Liebe, wenn sie mit mir spricht, Erklärt sie für ein aberwitzig Rasen. Ich hab' ein Unterpfand von mehr Gewicht, Daß sie mich liebt, als Wort' und Seifenblasen, Und auf den Eid hin will ich's dir erzählen, Wennschon ich besser thät' es zu verhehlen. |
|
38 | »Kein Mond vergeht, wo sie nicht fünf und sieben Und zehnmal Nachts mich in die Arme schließt Und jenes Glück mir gönnt, das heißem Lieben So süßen Balsam in die Wunden gießt, Mit dem die Possen, welche du getrieben, Sich nicht vergleichen lassen, wie du siehst. Drum mach' mir Platz, versorg' dich anderweitig Und mache mir den Sieg nicht länger streitig. 135 |
|
39 | »Das glaub' ich nicht, versetzt' Ariodant; Ich weiß, daß du dich einer Lüg' erfrechtest Und Dinge fabelst, die dein Hirn erfand, Weil du mich gern um meine Hoffnung brächtest. Doch weil verleumderisch du sie genannt, So will ich, daß du jetzt dein Wort verfechtest; Denn nicht als Lügner bloß, ich will sofort Dich als Verräter zeichnen, hier am Ort. |
|
40 | »Der Herzog drauf: Es scheint mir unverträglich Mit guter Sitte, wenn wir uns entzwein Um Dinge, die ich dir unwiderleglich Beweisen kann durch klaren Augenschein. Und nun erschrak Ariodant unsäglich, Und kalter Schauder rann ihm durchs Gebein, Und hätt' er voll geglaubt, was er vernommen, So wär' er augenblicklich umgekommen. |
|
41 | »Das Herz durchbohrt, todtbleich im Angesichte, Mit bittrem Mund, mit Worten hohl und rauh Versetzt' er: Stell' die köstliche Geschichte, Dies schöne Abenteuer mir zur Schau Und sei gewiß, daß ich auf sie verzichte, Die dir so reichlich mißt, mir so genau. Nur wähne nicht, ich würd' es glauben, ehe Ich selbst es nicht mit diesen Augen sehe. 136 |
|
42 | »Sobald es Zeit ist, werd' ich Nachricht bringen, Sprach Polineß und ließ ihn so allein. Ich glaube, daß zwei Nächte nicht vergingen, So gab er mir das nächste Stelldichein. Um festzuziehen die geheimen Schlingen Ging er zu Ariodant und lud ihn ein, Die nächste Nacht an jenen Häuserecken, Wo niemals jemand weilt, sich zu verstecken, |
|
43 | »Gerade gegenüber dem Altan, Wo er, der Herzog, aufzuklettern pflegte. Ariodant stand aber in dem Wahn, Daß jener seine Neugier nur erregte, Weil er mit meuchelmörderischem Plan An diesem Ort ihm eine Falle legte, Vorschützend, daß er, um ihn hinzuziehn, Das zeigen wolle, was unmöglich schien. |
|
44 | »Er war entschlossen, nach dem Ort zu gehn, So aber, daß ihn keiner leicht besiege, Und daß er, sollt' ein Ueberfall geschehn, Der Uebermacht der Feinde nicht erliege. Nun hatt' er ein Bruder, angesehn Im ganzen Heere, klug und kühn im Kriege, Lurcan genannt, und dem vertraut' er mehr, Als hätt' er ihrer zehn zu Schutz und Wehr. 137 |
|
45 | »Den bat er sich mit Waffen zu versehen Und nahm zur Nacht ihn mit an jenen Ort, Doch ohn' ihm sein Geheimniß zu gestehen; Nicht ihm noch irgendwem sagt' er ein Wort. Er ließ ihn einen Steinwurf seitwärts stehen: Wann ich dich rufe, sagt' er, komm sofort; Doch ehe du mich rufen hörst, begiebst Du dich nicht fort vom Platz, wenn du mich liebst. |
|
46 | »Geh nur, sei ohne Sorge, sprach Lurcan, Und also kam Ariodant, und sachte Verbarg er gegenüber dem Altan In dem verlassnen Hause sich und wachte. Bald kam auch mein arglistiger Galan, Der ob des argen Streichs im Herzen lachte, Und gab das Zeichen, wie er immer pflegte, Mir, die noch immer keinen Argwohn hegte. |
|
47 | »Und ich, in einem silberweißen Kleide, Ringsum mit goldnen Borten eingefaßt, Die Haar' in einem Netz von goldner Seide Mit manchem schönen scharlachroten Quast, (Ginevra trug allein solch ein Geschmeide, Sonst keine andre,) trat aus dem Palast Auf den Balkon; der war von solcher Breite, Daß man von vorn mich sah und von der Seite. 138 |
|
48 | »Lurcan inzwischen, den die Sorge trieb, Daß es gefährlich um den Bruder stehe, (Vielleicht auch war's der allgemeine Trieb, Das auszuforschen, wie es andern gehe,) War leis' ihm nachgeschlichen, aber blieb Im tiefsten Schatten, daß ihn keiner sehe, Und nahm im selben Hause seinen Stand, Zehn Schritte kaum getrennt von Ariodant. |
|
49 | »Ich, die von alle dem nichts wußte, trat Auf den Balkon in dem beschriebnen Kleide, Wie ich vorher es schon und öfter that, Dem Herzog, wie mir schien, zur Augenweide. Im Mondlicht sah man deutlich meinen Staat, Und weil auch ich mich wenig unterscheide Von der Prinzeß an Wuchs und an Gestalt, So kam's daß mein Gesicht für ihres galt. |
|
50 | »Auch war vom Platze, wo ich stand, die Strecke Bis zu dem unbewohnten Haus nicht klein. Den beiden Brüdern in der finstren Ecke Bot also Polineß den Augenschein Deß was nicht war. Denk' dir, mit welchem Schrecke Ariodant es sah, mit welcher Pein. Der Herzog kömmt, betritt die schwanken Seile, Die ich ihm schick', und steigt herauf in Eile. 139 |
|
51 | »Ich werf' an seinen Hals mich zum Empfange, Nicht ahnend daß mich fremde Augen sahn, Und küss' ihn auf den Mund, auf Stirn und Wange, Wie ich's bei seinem Kommen stets gethan. Er aber herzt mich stürmisch, wie er lange Nicht mehr gewohnt war, alles nach dem Plan. Der andre, bei dem argen Mummenschanze, Steht jammervoll von fern und sieht das Ganze. |
|
52 | »Und ganz verzweifelnd ist er dran und drauf Gleich auf dem Fleck ums Leben sich zu bringen. Aufs Erdreich stemmt er seines Degens Knauf Und denkt, die Spitze soll ins Herz ihm dringen. Lurcan, der sehr erstaunt der Sache Lauf Verfolgt und Polineß hinauf sich schwingen Gesehn, doch nicht erkannt hat, wer es sei, Sieht, was sein Bruder treibt, und eilt herbei |
|
53 | »Und hindert ihn noch kaum, mit eigner Hand In seiner Raserei sich zu durchbohren. Und wenn er säumte, wenn er ferner stand, So war's zu spät, die Mühe war verloren. Unseliger, verlierst du den Verstand? Mein Bruder, rief er, was? zu jenen Thoren, Die um ein Weib sich tödten, zählst du auch? Hole die Pest sie wie der Wind den Rauch! 140 |
|
54 | »Gieb ihr den Tod, die nicht verdient zu leben; Für bessre Ehren spare deinen Tod. Die Liebe galt, als von den Truggeweben Du nichts geahnt hast; jetzt thut Hassen Not. Mit eignen Augen sahst du doch so eben, Wie sie verbuhlt ist, welcher Schimpf dir droht. Verwahr' dein Schwert, statt es auf dich zu richten, Sie anzuklagen vor des Reichs Gerichten. |
|
55 | »Wie Ariodant sich also unterbrochen Beim schweren Werke sieht, stellt er es ein; Jedoch der Ausgang, den er sich versprochen, Zu sterben, soll nicht aufgegeben sein. Er geht und nimmt ein Herz mit, nicht zerstochen, Nein ganz zerfleischt von namenloser Pein. Doch vor dem Bruder stellt er sich, als kühlte Die Wut sich ab, die er im Anfang fühlte. |
|
56 | »Am Morgen früh, ohn' einem seiner Lieben Ein Wort zu sagen, ritt er fort ins Land, Von tödtlicher Verzweiflung fortgetrieben, Wohin? blieb viele Tage unbekannt. Außer dem Herzog und dem Bruder blieben Unwissend alle, was ihn so verbannt; Am Hof des Königs und an allen Orten Stritt man darüber mit verschiednen Worten. 141 |
|
57 | »Acht Tage waren's, daß uns Zweifel quälte, Da zu Ginevra kam ein Wandrer, der Ihr neues und entsetzliches erzählte, Ertrunken sei Ariodant im Meer Freiwill'gen Todes, den er selbst erwählte, Und nicht durch Sturm und blindes Ungefähr; Er habe von der hohen Felsenzunge Kopfüber sich gestürzt mit jähem Sprunge. |
|
58 | »So sprach der Mann: eh er den Tod erlitt, Sagt' er zu mir, (denn auf dem Wege waren Wir uns begegnet,) Freund, sagt' er, komm mit; Ginevra mag durch dich mein Loos erfahren; Und sag' ihr dann, der Grund zu diesem Schritt, (Den ich vorhab' und du sollst ihn gewahren,) Sei einzig der, daß ich zu deutlich sah. Warum ward ich nicht blind, eh dies geschah! |
|
59 | »Wir standen just, wo Irland gegenüber Ins Meer hinaus die schroffen Klippen stehn. Bei diesen Worten sah ich ihn kopfüber Vom Felsen springen und zu Grunde gehn. Ich ließ ihn in der See und lief herüber, Um dir zu hinterbringen was geschehn. – Ginevra, mit verstörtem Angesichte, Saß da, halbtodt, und hörte die Geschichte. 142 |
|
60 | »O Gott, was that und sprach sie, als sie nieder Aufs Bette sank im stillen Schlafgemach! Sie schlug den Busen und zerriß das Mieder Und that den goldnen Haaren Schimpf und Schmach, Und immer sprach sie jene Worte wieder, Die Ariodant vor seinem Ende sprach, Daß er nur deshalb sich im Meer begrabe, Deshalb, weil er zu klar gesehen habe. |
|
61 | »Durchs Land ging das Gerücht mit lautem Schalle, Daß jener sich aus Schmerz das Leben nahm. Des Königs Auge tropft', es weinten alle, Ritter und Frauen, als die Kunde kam. Doch kaum erfuhr der Bruder von dem Falle, So war er wie ertränkt von Weh und Gram; Und nahe war er dran, sein Schwert zu ziehen, Wie jener, und dem Bruder nachzufliehen. |
|
62 | »Stets wiederholt' er und er blieb dabei, Ginevra sei's, die ihn ums Leben brachte, Daß nichts als jene schnöde Buhlerei, Die er mitansah, ihn verzweifeln machte, Bis solcher Schmerz und solche Raserei Der Rachsucht in der Brust Lurcans erwachte, Daß er's gering anschlug, statt Huld und Gnaden Des Volks und Königs Haß auf sich zu laden. 143 |
|
63 | »Und vor den König, als von Menschen eben Der Saal am vollsten war, trat er und sprach: Vernimm, o Herr, wenn Ariodant das Leben Sich selbst geraubt hat, weil das Herz ihm brach, So ist es deiner Tochter schuldzugeben; Durch tiefen Schmerz beim Anblick ihrer Schmach, Als er sie thun sah, was die Zucht verbot, Ward lieber als das Leben ihm der Tod. |
|
64 | »Er liebte sie, und ich gesteh' es gern; Denn niemals war unedler Wunsch ihm eigen. Durch treue Dienste hofft' er seinem Herrn, Daß ihrer Hand er würdig sei, zu zeigen. Doch, während er des Laubes Duft von fern Nur einsog, sah er einen andern steigen, Steigen auf seinen Baum und die ersehnte Frucht pflücken, die er selbst unnahbar wähnte. |
|
65 | »Und nun erzählt' er, wie er in der Nacht Ginevra auf dem Söller wahrgenommen, Wie sie die Leiter warf, und wie dann sacht Ein Buhle kam, der flugs hinaufgeklommen. Den hab' er nicht erkannt; in falscher Tracht Und mit verstecktem Haar sei er gekommen; Dann schloß er, was er sag', im Waffenstreit Aufrecht zu halten, sei er stets bereit. 144 |
|
66 | »Denk' dir des Vaters Kummer und Entsetzen, Als man die Tochter solcher Dinge zieh, Wozu bei ihr den Hang vorauszusetzen, Ihm nie in Sinn kam, auch im Traume nie. Auch wußt' er, daß er nach des Reichs Gesetzen (Wofern ein Krieger nicht Partei für sie Nehm' und Lurcan als Lügner überführe) Sie richten müss' und ihr der Tod gebüre. |
|
67 | »Herr, dies Gesetz ist wohl nicht neu für dich. Wonach dem Tode Frau und Magd geweiht ist, Die in den Ruf kömmt, sie verschenke sich An einen Mann, mit dem sie nicht verfreit ist: Sie stirbt, wenn nicht, bevor der Mond verstrich, Ein Ritter zur Verteidigung bereit ist, Der dem Verleumder nachweist, daß sie frei Von Schuld und nicht des Todes würdig sei. |
|
68 | »Der König ließ Proclam' ins Land ergehen (Weil er an ihre Schuld nicht glauben kann,) Und will Ginevra's Hand und reiche Lehen Dem geben, der sie löst aus diesem Bann. Noch aber scheint kein Ritter aufzustehen Zum Zweikampf; einer blickt den andern an; Denn gar zu furchtbar ist Lurcan in Waffen, Kein Krieger hat mit diesem gern zu schaffen. 145 |
|
69 | »Das Unheil hat gewartet, bis Zerbin, Ihr Bruder, ferne sei, wann dies geschähe. Der muß zum Unglück jetzt die Welt durchziehn, Wo er sich schmückt mit mancher Siegstrophäe. Ja, hätten wir in unsern Grenzen ihn, Den tapfern, oder nur in solcher Nähe, Wo er von allem zeitig Kunde hätte, Er käme bald, daß er die Schwester rette. |
|
70 | »Der König sucht' inzwischen Wissenschaft Durch andre Proben als den Kampf der Speere, Ob jene Klage wahr, ob lügenhaft, Und ob man ihren Tod mit Recht begehre; So nahm er ein'ge Kammerfraun in Haft, Die wissen müßten, wenn sie schuldig wäre, Und wurd' auch ich verhaftet, dann fürwahr War ich und war der Herzog in Gefahr. |
|
71 | »Und heimlich schlich ich in derselben Nacht Vom Hofe fort, um Polineß zu sehen, Und zeigt' ihm, würd' auch ich dingfest gemacht, So sei es leicht um ihn und mich geschehen. Er lobte mich, daß ich den Fall bedacht, Und redete mir zu, aufs Land zu gehen, Auf seiner Schlösser eins, nicht weit von hier, Und gab zwei Leute zur Begleitung mir. 146 |
|
72 | »Du hast vernommen, Herr, durch welche Proben Sich meine Lieb' ihm zeigte, treu und wahr, Und ob er mich zu lieben und zu loben Verpflichtet wäre, das erkennst du klar. Nun höre, welche Löhnung ich erhoben, Wie groß der Preis so großer Dienste war, Und sag', ob's für ein Weib noch Hoffnung giebt, Geliebt zu werden, weil sie selber liebt. |
|
73 | »Undankbar, falsch und grausam wie er ist, Mistraut' er meiner Treue doch am Ende. Dem Fuchse bangte, daß ich seine List Und Tücke doch dem König eingestände. Er schützte vor, er woll' auf kurze Frist, Bis die Erbitterung des Königs schwände, Fortschaffen mich an einen sichern Ort, – Fortschaffen aber wollt' er mich durch Mord. |
|
74 | »Er hieß die Führer, die er mitgesandt, Mich tödten in den schauerlichen Hainen, Zum Lohn dafür, daß er mich treu erfand. Du hörtest mich im Thale schrein und weinen, Sonst wär' sein Spruch vollstreckt durch Mörderhand. Da sieh, wie Amor handelt an den Seinen.« So gab Dalinda Auskunft dem Rinald, Indeß sie weiter ritten durch den Wald. 147 |
|
75 | Kein Abenteuer konnt' ihm lieber sein Als sie zu finden, die ihm die Geschichte Ginevra's so erzählte, daß sie rein Vor ihm erschien in ihrem wahren Lichte. Er hatte zwar gehofft sie zu befrein, Selbst wenn man sie mit Recht der That bezichte, Doch kühner nahm er jetzt für sie Partei, Nachdem er fand, daß sie verleumdet sei. |
|
76 | Die Stadt des h. Andreas ist St. Andrews in Schottland. | Er ritt des Wegs nach Sanct Andreä Stadt, Wo sich der ganze Hof schon eingefunden; Dort findet jener große Zweikampf statt, Zu dem Ginevra's Kläger sich verbunden. Und weiter geht's, Rinald wird nimmer matt, Bis er dem Ziele naht auf wenig Stunden; Schon nah am Ziele trifft er einen Mann, (Ein Knappe war's,) der neues melden kann: |
77 | Daß endlich sich ein fremder Ritter fand, Den Zweikampf für Ginevra zu bestehen, Sein Wappen und er selber unbekannt, Denn ganz verhüllt pfleg' er einherzugehen, Und keiner noch, seit er sich dort befand, Hab' ihn entblößten Angesichts gesehen. Sein Knappe selbst, der doch mit ihm gereist Erklär' und schwör', ich weiß nicht wie er heißt. 148 |
|
78 | Ein schneller Ritt von kurzer Dauer brachte Sie vor die Mauer bald und unters Thor, Wo sich Dalinda ein'ge Sorge machte; Doch blieb sie, weil Rinald ihr Beistand schwor. Das Thor war zu, und ihn, der es bewachte, Befragte drum Rinald: was stellt dies vor? Und hörte, alles Volk, Mannsleut' und Frauen, Sei draußen, um dem Kampfe zuzuschauen, |
|
79 | Den vor dem andern Thor der Stadt Lurcan Ausfechte mit dem unbekannten Ritter Auf ebnem und geräum'gem Wiesenplan, Und schon im Gange sei das Kriegsgewitter. Geöffnet ward dem Herrn von Montalban, Und hinter ihm verschloß der Mann das Gitter. Die Stadt war leer, Rinald ist bald hinaus Und läßt Dalind' im ersten Fremdenhaus |
|
80 | Und rät ihr ohne Furcht dort zu verweilen, Bis er sie abzuholen Zeit gewinnt. Dann sprengt er fort, um auf den Platz zu eilen, Wo beide Krieger voll beschäftigt sind Hieb' einzusammeln oder auszutheilen. Lurcan war der Ginevra bösgesinnt, Und auch der Ritter auf der andern Seite Hielt wacker sich im selbsterwählten Streite. 149 |
|
81 | Sechs Ritter, ganz in Eisen angethan, Waren zu Fuß mit ihnen im Gehege, Und vorne hielt der Herzog von Alban Auf mächt'gem Gaul, daß er des Amtes pflege Als Reichsconstabler, welchem Feld und Plan In Hut gegeben war und Weg' und Stege. Und nun Ginevra in Gefahr zu schauen Lacht' ihm das Herz und zuckten stolz die Brauen. |
|
82 | Rinald kömmt vorwärts zwischen Meng' und Menge, Und Bajard macht ihm Bahn, das gute Roß; Wo man sein Kommen hört, die Donnerklänge, Da öffnet schleunig sich der Menschentroß. Rinald im Sattel ragt aus dem Gedränge Recht anzuschauen wie ein Heldensproß. Dann hält er vor dem König, und die Leute Drängen heran, zu sehn, was es bedeute. |
|
83 | »Erlauchter Herr,« sprach der von Montalban, »Das Ende dieses Kampfgerichts verfüge. Denn wer auch fällt, es wär' nicht wohlgethan, Wenn einer dieser zwei den andern schlüge. Im Recht glaubt einer sich und lebt in Wahn Und weiß nicht daß er lügt und spricht doch Lüge. Der Wahn, der in die Hand das Schwert ihm gab, Hat seinen Bruder fortgelockt ins Grab. 150 |
|
84 | 84 »Der andre dort weiß nicht um diese Dinge; Er hat aus Menschenlieb' und Edelmut, Weil hohe Schönheit sonst zu Grunde ginge, Sich bloßgestellt der mörderischen Wut. Ich bringe Rettung für die Unschuld, bringe Das Gegentheil für den, der böses thut. Ruf nur, bei Gott, die Kämpfer erst vom Felde, Dann schenke dem Gehör, was ich dir melde.« |
|
85 | Der Nachdruck dieses Manns, der nach dem reichen Und würd'gen Aussehn hohen Ranges war, Bewog den König durch Befehl und Zeichen Einhalt zu thun dem kriegerischen Paar. Vor ihm und den Baronen und desgleichen Vor allen Rittern und der andern Schar Brachte Rinald den Trug ans Licht der Sonnen Den Polineß verräterisch gesponnen. |
|
86 | Erhärten wollt' er mit den Waffen dann, Daß alles Wahrheit sei, was er berichte. Man rief den Herzog, und er kam heran, Jedoch mit ganz verstörtem Angesichte. Im Anfang leugnete der freche Mann; Da sprach Rinald: »Wohlan, der Ausgang richte.« Bewaffnet waren sie, der Platz bereit, Und so verlor man weiter keine Zeit. 151 |
|
87 | Was gäben Volk und König heute nicht, Daß in dem Kampf Ginevra's Schale sänke! Gott, hoffen alle, bring' es jetzt ans Licht, Daß man mit Unrecht ihre Ehre kränke. Für grausam, stolz, auf Hab' und Gut erpicht Galt Polineß, unredlich, voller Ränke, So daß es keiner für ein Wunder hielt, Hätt' er Ginevren diesen Streich gespielt. |
|
88 | Der Herzog stellt sich auf; sein Herz ist schwer Und zittert in der Brust, bleich ist die Wange. Beim dritten Blasen senkt er seinen Speer, Und auch Rinald stürmt vorwärts bei dem Klange. Um schnell den Tanz zu enden, trachtet er Die Brust ihm zu durchbohren mit der Stange, Und Wunsch und Ausgang stimmen überein: Der halbe Speer fährt in die Brust hinein. |
|
89 | Gespießt am Schafte fliegt er auf die Erde Mehr denn sechs Ellen weit von seinem Thier. Im Augenblick springt auch Rinald vom Pferde, Löst ihm den Helm und öffnet das Visier. Der aber fleht mit kläglicher Geberde, Auf weitern Kampf verzichtend, um Quartier, Und beichtet, so daß Fürst und Hof es hören, Die Frevel, die ihn selber jetzt zerstören. 152 |
|
90 | Er kam nicht bis zum Schlusse, denn inmitten Des Wortes schwand das Leben, schwand der Ton. Der König aber, als der Sieg erstritten, Ginevra sicher war vor Tod und Hohn, Vergaß in seinem Glück, was er gelitten. Als hätt' er erst verloren seinen Thron Und würde nun ins Reich neu eingesetzt, So ehrt' er ganz allein Rinalden jetzt. |
|
91 | Und als er beim Enthelmen ihn erkannte, (Er hatt' ihn nämlich früher schon gesehn,) Da pries er Gott, der solchen Mann ihm sandte, Um ihm in seinen Nöten beizustehn. Der andre Ritter, jener unbekannte, Der, für Ginevra in den Kampf zu gehn, Herbeigekommen war mit Schwert und Lanze, Stand mittlerweil beiseit und sah das Ganze. |
|
92 | Der König bat ihn sich zu offenbaren, Und wenn den Namen nicht, doch sein Gesicht, Denn ohne schuld'gen Lohn von hinnen fahren, Für seine gute Absicht, dürf' er nicht. Auf vieles Bitten hob er von den Haaren Den Helm empor und bracht' ans Tageslicht Was ich im folgenden Gesang berichte, Wenn mehr ihr hören mögt von der Geschichte. 153 |