Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Roland sucht Angelica und beschließt nach Ebuda zu fahren (1–17). Er hört die Geschichte der Olympia von Holland (18–56) und befreit ihren Verlobten Herzog Biren von Seeland aus der Gewalt des Friesenkönigs Cimosco, welcher eine Feuerwaffe besitzt (57–87). Roland versenkt die Feuerwaffe im Meer und segelt nach Ebuda (88–94).
1 | Wohin kann Amor nicht die Herzen bringen, Der unbarmherz'ge, tückische Tyrann, Wenn er in Rolands Brust mit seinen Schlingen Die Treu und Ritterpflicht ersticken kann? Er, so gewissenhaft in allen Dingen, Der Hort der Christenheit, der weise Mann, Er hat, von eitler Liebe ganz besessen, Den Ohm, sich selbst und vollends Gott vergessen. |
|
2 | Ich kann's ihm nicht verargen; ich bin froh, Find' ich für meine Schwachheit solch ein Muster; Denn träg zum Guten bin ich ebenso, Zum Bösen desto muntrer und robuster. Er also, ganz in Schwarz gekleidet, floh, Und nichts von Sorg' um die verlassnen wußt' er Und ritt hinüber, wo Hispaniens Scharen Und Afrika's im Feld gelagert waren. 240 |
|
3 | Gelagert, aber wie! die meisten blieben Da, wo sie vor dem Regen sich gedeckt, Zu zehnen, zwanzigen, zu vier und sieben, In Dörfern, Büschen hier und dort versteckt. Und alles schläft von Mühsal aufgerieben, Theils auf die Hand gestützt, theils langgestreckt. Sie schlafen, und er könnte viel' erlegen, Doch zückt' er nicht ein einzig Mal den Degen. |
|
4 | Denn Roland hätt' in seiner tapfren Weise Schlafendes Volk zu tödten stets verschmäht. Er wandelt suchend auf und ab im Kreise, Ob er die Spur des Fräuleins nicht erspäht, Und trifft er einen wach, so seufzt er leise, Beschreibt sie, Kleidung, Aussehn und Gerät, Und bittet, daß man ihn zu Dank verbinde Und sage, wo er die vermißte finde. |
|
5 | Kaum war die Morgensonne durchgedrungen, Durchwandert' er das Lager weit und breit. Und sicher war er vor Belästigungen, Unkenntlich durch sein morgenländisch Kleid. Auch daß er nebst französisch andre Zungen Zu reden wußte, war ihm jetzt nicht leid; Denn afrikanisch sprach er trotz den Mohren, Als wär' er selbst in Tripolis geboren. 241 |
|
6 | Drei Tage lang verweilte Roland dort, Um sie zu suchen, nicht zu andern Zwecken. Durch Städte dann und Dörfer zog er fort, Nicht bloß soweit sich Frankreichs Gau' erstrecken, Auch in Auvergne sah er jeden Ort, In der Gascogne jeden kleinen Flecken; Von den Picarden ging's nach Aquitanien, Von der Bretagne bis ins Land Hispanien. |
|
7 | November war es, um die Jahreszeit, Wo ihrer laub'gen Tracht beraubt sich sehen Die armen Bäum' und fröstelnd sich ihr Kleid Ausziehen müssen, bis sie nackend stehen, Und Vogelschwärme flüchten langgereiht; Da fing er an der Liebsten nachzugehen, Und durch den ganzen Winter ruht' er nie, Und auch im neuen Frühling sucht' er sie. |
|
8 | So eines Tages, wandernd durch die Welt, Kam er zu einem Flusse, der geschieden Bretagner Volk von den Normannen hält Und nach dem nahen Meer hinwallt in Frieden; Doch heut, von Regenguß und Schnee geschwellt, Sah man mit weißem Schaum ihn brausend sieden, Und das Gewässer hatte von den Jochen Die Brück' entführt, die Straßen unterbrochen. 242 |
|
9 | Graf Roland also kam an diese Stelle Und sucht' ob irgendwo ein Weg sich fand, (Da er nicht Schwalbe war noch auch Forelle,) Der ihn hinüberführ' an jenen Strand. Da siehe kam ein Nachen durch die Welle, An dessen Steuer eine Jungfrau stand; Die winkt', als ob sie mit ihm reden wollte, Doch sah man, daß der Kahn nicht landen sollte. |
|
10 | Vielleicht besorgt vor unwillkommner Fracht, Ließ sie den Kahn das Ufer nicht berühren. Als Roland sein Anliegen vorgebracht, Sie mög' ihn mit dem Kahn hinüberführen, Sprach sie: »Für keinen ist mein Boot gemacht, Der mir nicht erst gelobt mit heil'gen Schwüren, Den Kampf zu kämpfen, den ich fordern werde, Den besten und gerechtesten der Erde. |
|
11 | »Begehrt ihr also hilfreich mich zu sehn Und wollt durch mich an jenen Strand gelangen, So sagt mir zu, ihr wollt nach Irland gehn, Bevor der nächste Monat ist vergangen, Dem König von Hibernien beizustehn, Deß Flotte schon zu rüsten angefangen, Ebuda zu zerstören mit Gewalt, Die schlimmste Insel, die das Meer umwallt. 243 |
|
12 | »Wißt, hinter Irland liegt ein Eiland zwischen Viel andern Inseln, das Ebuda heißt, Das durch Gesetze seine räuberischen Bewohner auf Piratenfahrt verweist, Und jedes Weib, das sie erbeuten, tischen Sie einem Unthier auf, das es verspeist; Denn täglich kömmt das Thier, und täglich bringen Sie ihm ein schönes Weib, es zu verschlingen. |
|
13 | »Kaufleut' und Kaper streifen weit und breit Und schaffen Vorrat, und die schönsten grade. Nun rechnet: eine täglich all die Zeit, Wie viele starben schon an dem Gestade! Wenn ihr nicht ganz der Lieb' abtrünnig seid, Wenn Mitleid wohnt in euch und milde Gnade, Dann freut euch unter die erwählt zu sein, Die sich so segensvollem Werke weihn.« |
|
14 | Noch ehe sie zu Ende sprach, verlangte Roland dabei zu sein in erster Reih'; Wenn ihm zur Kund' unwürdiges gelangte, Konnt' er's nicht hören und ward heiß dabei. Auch dacht' er an Angelica und bangte, Daß sie in jenes Garn geraten sei; Hatt' er sie doch gesucht in allen Ecken Ohn' eine Spur von ihr je zu entdecken. 244 |
|
15 | So sinnverwirrend war ihm dies Vermuten, Daß alle Plän' er aufgab und sofort Beschloß nach besten Kräften sich zu sputen, Um hinzukommen an den Schreckensort. Die zweite Sonne sank nicht in die Fluten, Da hatt' er schon ein Fahrzeug, ging an Bord Unweit Sanct Malo, ließ die Anker lichten Und nach Sanct Michels Berg das Steuer richten. |
|
16 | Brieux und Landrilier ließ er zur Linken Und streifte der Bretagner hohen Strand. Dann sah er bald die weiße Küste blinken, Von der man England Albion hat genannt, Der Wind, der Süd war, fing jetzt an zu sinken, Und plötzlich zwischen Nord und West entstand Ein solcher Sturm, daß sie genötigt waren Mit nackten Raen vor dem Wind zu fahren. |
|
17 | So weit sie in vier Tagen vorgedrungen, So weit warf sie ein einz'ger Tag zurück. Am Strande wär' ihr Schiff wie Glas zersprungen, Drum suchten sie in hoher See ihr Glück. Vier Tage blies der Wind aus vollen Lungen, Am fünften pfiff er ein gelindres Stück Und trieb in die Gewässer die Galere, Wo sich Antwerpens Strom ausdehnt zum Meere. 245 |
|
18 | Als die Verschlagnen in der Mündung waren Und das zerzauste Schiff das Land gewann, Da kam aus einer Ortschaft angefahren Vom rechten Ufer her ein alter Mann, Ein hochbetagter, nach den weißen Haaren Zu schließen, und verbindlich frug er an Mit Grüßen, die er an den Grafen wandte, (Weil er in ihm das Haupt der Schar erkannte,) |
|
19 | Und lud ihn Namens seiner Herrin ein, Daß ihn sie heimzusuchen nicht verdrieße; Er werd' ein Fräulein finden, schön und fein, Das ganz von Huld und Anmut überfließe, Und das auch gern, sollt' es ihm lieber sein, Zu ihm an Bord zu kommen sich entschließe; Und sicher thu' er ihr den Dienst so gern Wie vor ihm schon so viele edle Herrn. |
|
20 | Kein Ritter, der zu Wasser oder Land Eintreffe, weigre sich hier zu verweilen, Um über jenes Fräuleins Trauerstand Zu reden und Ratschläg' ihr zu ertheilen. Dies hörend war der Graf flugs bei der Hand, Ans Ufer ohne Zeitverlust zu eilen, Und gütig wie er war und ritterlich, Vertraut' er dem bejahrten Führer sich. 246 |
|
21 | Nach einem Schloß folgt' ihm der Paladin, Und als er dort treppaufwärts war gegangen, Empfing ein Fräulein, tief in Trauer, ihn. Von Trauer zeugten die benetzten Wangen Und Kammern, Hallen, Säl' und Gallerien; Denn alles war mit schwarzem Tuch verhangen. Sie neigte sich und lud ihn zücht'ger Weise Zum Sitzen ein und sprach betrübt und leise: |
|
22 | »Vernehmt daß ich des Grafen Tochter war In Holland, der mich so ins Herz geschlossen, (Obwohl die Mutter Söhn' ihm auch gebar, Denn noch zwei Brüder hatt' ich als Genossen,) Daß er auf meine Wünsche immerdar Mit einem Ja antwortet' unverdrossen, Und froh genoß ich meinen Mädchenstand, Bis einst ein Herzog kam in unser Land. |
|
23 | »Herzog von Seeland war er und verlangte Nach Spanien in den Mohrenkrieg zu ziehn. Schönheit und Jugendglanz, darin er prangte, Und Liebe, die so mich bezwang wie ihn, Bewirkten bald, daß er mein Herz erlangte, Zumal, nach dem was äußerlich erschien, Ich glaubt' und glaub', (und glaub', ich glaube richtig,) Er liebte mich und liebt mich noch aufrichtig. 247 |
|
24 | »Viel Tage zwang ihn böser Wind zur Ruh, Ein böser Wind für andre, mir gedeihlich, Für andre vierzig Tage, mir ein Nu, So schwangen sie zur Flucht die Flügel eilig. Wir sprachen uns – wir hatten Zeit dazu – Und schworen uns einander hoch und heilig, Den Ehebund beim nächsten Wiedersehn Mit feierlichem Festbrauch einzugehn. |
|
25 | »Kaum segelte Biren hinaus ins Weite, (Denn so wird mein geliebter Freund genannt,) Als Frieslands König, dessen Reich die Breite Nur eines Flusses trennt von unserm Land, Um mich für seinen Sohn und Erben freite, Den einz'gen, den er hatt', – er hieß Arbant, – Und Männer, die bei ihm am meisten galten, Absandt', um mich beim Vater anzuhalten. |
|
26 | »Ich aber, weil ich nie die Treu' und Pflicht Verleugnen kann, die ich Biren verpfändet, (Und könnt' ich es, die Lieb' erlaubt mir nicht Zu wollen, daß ich könnte, was mich schändet,) Ich, das Geschäft zu stören, das schon dicht Am Ziele war und nahezu beendet, Ich sprach zum Vater, eh ich Frieslands Erben Heiraten würde, woll' ich lieber sterben. 248 |
|
27 | »Mein guter Vater, der nur Freud' empfand, Wenn ich mich freut', und nie mich quälen wollte, Wies auch sofort dies Bündniß von der Hand, Damit ich nur nicht länger weinen sollte. Der stolze Friesenkönig aber fand Beleidigt sich und zürnt' ihm nun und grollte Und fiel ins Land und führte blut'gen Strauß, Bis in der Gruft verschwand mein ganzes Haus. |
|
28 | »Er ist so stark, daß ihn in Zaum zu halten In unsren Tagen niemand sich vermißt; Nichts hilft es Kraft und Klugheit zu entfalten; So groß im bösen Thun ist seine List. Und eine Waffe führt er, die den Alten Fremd war und (außer ihm) den Neuern ist, Ein eisern Rohr, zwei Ellen, wenn ihr's meßt, In das er Staub und eine Kugel preßt. |
|
29 | »Mit Feuer, hinten wo das Rohr sich schließt, Berührt er eine kaum sichtbare Ritze, Ganz ähnlich wie der Arzt die Ader spießt, Um Blut zu lassen, mit der Messerspitze; Worauf mit Knall hervor die Kugel schießt, Daß man wohl sagen mag, es donnr' und blitze, Und wie der Wetterstrahl zerschlägt, zerschellt, Verbrennt, durchbohrt sie alles in der Welt. 249 |
|
30 | »So schlug er zweimal die auf unsrer Seite, Und meine Brüder traf sein tückisch Erz; Dem ersten jagt' er schon im ersten Streite Die Kugel durch den Panzer und das Herz; Im zweiten Kampfe hatte sich der zweite Zur Flucht gewendet, aber hinterwärts Aus weiter Ferne traf ihn noch das Rohr, Und aus der Brust drang vorn der Ball hervor. |
|
31 | »Mein Vater, der in einer Burg sich wehrte, Dem letzten Zufluchtsort in unsrer Not, Indeß der Feind ringsum das Land verherte, Fand auf dieselbe Art durch ihn den Tod; Denn als er von der Runde wiederkehrte, Für alles sorgend, was der Fall gebot, Traf mitten vor die Stirn ihn der verruchte, Der aus der Ferne her sein Opfer suchte. |
|
32 | »Vater und Brüder waren mir entrissen, Und Hollands Erbe fiel in meine Hand. Der Friesenkönig, eifrig und beflissen, Da festen Fuß zu fassen, wo er stand, Ließ mich und meine Unterthanen wissen, Er werd' in Ruhe lassen Leut' und Land, Wofern ich wolle, was ich erst nicht wollte, Daß sein Arbant mein Gatte werden sollte. 250 |
|
33 | »Ich aber, – nicht so sehr aus Haß und Wut, Die ich im Herzen wider jenen hegte, Der meiner Brüder, meines Vaters Blut Vergoß und unser Land in Asche legte, Als weil ich den zu kränken nicht den Mut Besaß, dem ich so oft zu schwören pflegte, Mit keinem andern zum Altar zu gehn, Bis ich aus Spanien ihn zurück gesehn, – |
|
34 | »Ich gab zur Antwort: Schmerz, den ich empfinde, Verhundertfältigt, ich ertrag' ihn schon; Verbrennt mich, streut die Asch' in alle Winde, Ich will es lieber noch als euren Sohn. – Da bat mein Volk, daß ich mich überwinde; Sie baten mich und fingen an zu drohn, Daß man die Burg und mich ausliefern werde, Bevor mein Trotz das ganze Land gefährde. |
|
35 | »Als sie durch ihre Bitten nichts erzielten Und sahn daß ich der Drohung widerstand, Vertrugen sie sich mit dem Feind und spielten Die Burg und mich den Friesen in die Hand. Die nun, die weitrer Kränkung sich enthielten, Versprachen mir das Leben und mein Land, Wofern ich nur den harten Sinn erweiche Und am Altar die Hand Arbanten reiche. 251 |
|
36 | »In solcher drohenden Bedrängniß kannt' ich Kein Mittel mich zu retten als den Tod; Doch ohne Rache sterben – das empfand ich Viel bittrer als die erst bestandne Not. Viel sann ich, doch zu meinem Zorne fand ich, Daß nur Verstellung noch mir Hilfe bot: Ich that als ob ich wünsch' und darauf brenne, Daß er vergeb' und Tochter jetzt mich nenne. |
|
37 | »Von vielen, die im Dienst gewesen waren An unsrem Hof, wähl' ich zwei Brüder aus, Von großer Klugheit, tapfer und erfahren, Vor allem aber ächt und treu durchaus, Weil sie mit uns seit ihren Kinderjahren Aufwuchsen, als gehörten sie ins Haus, Und mir so gut, daß sie gering es schätzen, Ihr Leben für mein Heil aufs Spiel zu setzen. |
|
38 | »Mit diesen pfleg' ich Rat; sie sind bereit Mir beizustehn; der eine geht nach Flandern Und rüstet dort ein Schiff; zu gleicher Zeit Halt' ich in Holland noch zurück den andern. Da, während schon die Boten weit und breit Zur Hochzeit ladend auf den Straßen wandern, Wird ruchbar, daß Biren an Spaniens Küste Zur Fahrt nach Holland die Galeren rüste. 252 |
|
39 | »Ich hatt' ihm nach dem ersten Treffen zwar, In dem mein ältrer Bruder war geblieben, Von unsrer großen Drangsal und Gefahr Durch einen raschen Boten schon geschrieben; Doch eh er mit der Rüstung fertig war, Hatt' uns der Feind zu Paaren schon getrieben; Biren daher, um uns zu helfen, fuhr In See, bevor er alles dies erfuhr. |
|
40 | »Der König läßt, als er die Kund' empfangen, Den Sohn allein das Hochzeitsfest begehn; Er selbst, mit seiner Flott' in See gegangen, Trifft, schlägt, verbrennt, zerschmettert den Biren Und nimmt, Gott sei's geklagt, ihn selbst gefangen. Wir aber hören nicht, daß dies geschehn; Arbant wird mir vermählt und hofft, er finde Bei mir sein Lager, wann die Sonne schwinde. |
|
41 | »Ich hatte hinterm Vorhang an der Wand Den treuen Freund versteckt, der sich nicht rührte, Bis mein Gemal erschien, und eh Arbant Sich legen konnt' und eh er Unrat spürte, Die Axt erhob und mit so starker Hand Den Hieb nach seinem Hinterkopfe führte, Daß er die Sprach' ihm raubt' und auch die Seele, Ich sprang hinzu und schnitt ihm durch die Kehle. 253 |
|
42 | »So wie der Stier fällt an der Metzgerbank, Fiel der unsel'ge Jüngling. So bewiesen Wir dem Cimosco unsren blut'gen Dank; Cimosco nennt man den verruchten Friesen, Durch den mein ganzes Haus in Trümmer sank, Der mich zur Schwiegertochter wollt' erkiesen, Damit er Holland desto fester kette, Und der vielleicht auch mich getödtet hätte. |
|
43 | »Eh man uns störe, nahmen wir in Eil, Was hohen Wert hat bei geringer Schwere; Dann ließ mein Freund an einem hänfnen Seil Mich aus dem Fenster rasch hinab zum Meere, Allwo der andre Bruder mittlerweil Schon harrte mit der flandrischen Galere. Die Ruder tauchten ein, die Segel wallten, Und so entkamen wir durch Gottes Walten. |
|
44 | »Ich weiß nicht ob der Friesenkönig mehr Vor Schmerz erstarrt', ob mehr von Zorn entbrannte, Als Tags darauf bei seiner Wiederkehr Er den Verlust, der ihn betraf, erkannte. Stolz auf den Sieg kam er mit seinem Heer Und mit dem Herzog, den er übermannte, Und meint', er finde hochzeitlichen Schmaus, Und fand nun schwarz und grabesstill das Haus. 254 |
|
45 | »Schmerz um den Sohn, Haß wider mich verlassen Ihn keinen Augenblick bei Tag und Nacht. Weil aber Rache Luft giebt, wenn wir hassen, Und Trauer Todte nicht lebendig macht, Gebeut er seiner Trauer sich zu fassen Und, statt auf Seufzer und Geschrei bedacht, Zu grübeln mit dem Hasse, wie der Flücht'gen Man habhaft werden kann und wie sie zücht'gen. |
|
46 | »Die Freunde, die an meinem Hause hingen, Und jeden Freund der Brüder, die zur Hand Mir bei dem Werke meiner Rettung gingen, Verfolgt er mit Gefängniß, Mord und Brand. Und auch Biren wollt' er ums Leben bringen, Weil, mich zu kränken, schlimmres kaum sich fand, Doch fiel ihm ein, wenn er ihn leben lasse, Hab' er ein Netz, womit er leicht mich fasse. |
|
47 | »Er setzt ihm nämlich eine schnöde, harte Bedingung: daß nach eines Jahres Frist Schimpflicher Tod im Kerker ihn erwarte, Wofern er durch Gewalt nicht oder List, Durch Freunde, Vettern, kurz durch jede Karte, Die auszuspielen ihnen möglich ist, Zur Haft mich bringe, so daß ihn zu retten Sie keinen Weg als mein Verderben hätten. 255 |
|
48 | »Ich that, was möglich war, ohn' in den Rachen Des Wolfs zu fallen, um ihn zu befrein; Sechs Schlösser ließ ich hier zu Gelde machen, Und ob der Kaufpreis groß war oder klein, Ich händigt' alles, um des Herzogs Wachen Mir zu erkaufen, klugen Leuten ein, Zum Theil auch, um dem Wütrich zum Verderben Engländer oder deutsches Volk zu werben. |
|
49 | »Sei's daß den Mittlern dies unmöglich war, Sei's daß sie ihre Pflicht verabsäumt haben, Sie brachten Worte mir statt Hilfe dar Und spotten mein, nun sie das Gold gegraben. Jetzt neigt sich schon zu Ende jenes Jahr, Nach dessen Ablauf nicht Gewalt noch Gaben Zur rechten Zeit mehr kommen, um den Theuern Zu retten und dem schnöden Mord zu steuern. |
|
50 | »Das Blut des Vaters und der Brüder Blut, Es floß um ihn; um ihn bin ich vertrieben; Um ihn verschwand mein bischen Hab' und Gut, Der letzte Unterhalt, der mir geblieben, Ihn zu beschirmen vor des Friesen Wut. Jetzt kann ich nichts mehr thun für meinen Lieben, Als hingehn und in die Gewalt des Bösen Mich selbst ausliefern und Biren erlösen. 256 |
|
51 | »Wenn als mir nichts andres bleibt zu thun, Wenn sonst ich keinen Weg der Rettung sehe, Als dies mein Leben ihm zu opfern, – nun, Dies Opfer meines Lebens, es geschehe. Nur eine Sorge läßt mich noch nicht ruhn, Daß ich den Pact zu fassen nicht verstehe, So bündig nicht, daß, wenn mich der Tyrann In Händen hat, er ihn nicht brechen kann. |
|
52 | »Ich fürchte, hat er erst mich in der Falle Und alles blut'ge Leid mir zugefügt, Daß er Biren nicht freiläßt aus der Kralle Und mich um des Erlösten Dank betrügt. Meineidig ist er, und voll Gift und Galle, So daß mein Tod allein ihm nicht genügt, Und was er mir anthat, wird er dem armen Biren nicht minder anthun, ohn' Erbarmen. |
|
53 | »Der Grund, weshalb ich euch zu wissen that, Was ich erlitt, und allen davon sage, Den Herrn und Rittern, wer dem Schlosse naht, Ist einzig dieser; wenn ich viele frage, Lehrt einer mich vielleicht und giebt mir Rat, Wie ich verhindre, wenn den Gang ich wage, Daß er Biren nicht doch zurückbehält Und meinem Tode seinen Tod gesellt. 257 |
|
54 | »Schon manchen Krieger bat ich mitzugehn, Wann ich mich in die Hand des Friesen gebe, Jedoch mit seinem Wort mir einzustehn, Daß bei dem Tausch kein Anstand sich erhebe Und, so wie ich mich hingeb', auch Biren In Freiheit komm' und ich es noch erlebe Und fröhlich sterbe; denn ich sterbe gern, Bringt nur mein Tod das Leben meinem Herrn. |
|
55 | »Doch find' ich keinen, der mir dies verspricht, Daß er mir Recht und Sicherheit verschaffe, Damit der Feind, vor dessen Angesicht Ich treten will, nicht erst hinweg mich raffe Und dann den Herzog wider Treu' und Pflicht Behalt' in Haft. So fürchtet man die Waffe; Die Waffe fürchtet man, der nichts entgeht, Der nicht der dickste Panzer widersteht. |
|
56 | »Wenn eure Kraft zu kühnem Unternehmen Der mächt'gen Herculesgestalt entspricht, Daß ihr mich geben könnt und wiedernehmen, Wenn der, dem ihr mich gebt, den Handel bricht, Dann bitt' ich euch, ihr wollet euch bequemen Mit mir zu ihm zu gehn. Ich sorge nicht, Wenn ihr mich nur geleitet, daß die Horde, Die mich ermorden wird, Biren ermorde.« 258 |
|
57 | So sprach die Dam' in ihrem Herzeleid Mit manchen Thränen, manchem tiefen Schaudern. Graf Roland aber, der zu keiner Zeit Gewohnt war, wenn es Hilfe galt, zu zaudern, Ergoß sich nicht in Reden lang und breit, (Denn seine Art war niemals viel zu plaudern,) Jedoch versprach er ihr bei seiner Ehre Noch mehr zu thun, als sie von ihm begehre. |
|
58 | So meint er's nicht, daß sie des Gatten wegen Dem Friesen opfern soll ihr junges Blut; Er will sie beide retten, wenn sein Degen Ihn nicht verläßt und sein gewohnter Mut. Noch heute will er fort, dem Feind entgegen; Die Luft ist heiter, und der Wind ist gut; Auch hat er Eile, denn er trägt Verlangen, Nach jenem Schreckenseiland zu gelangen. |
|
59 | Der gute Schiffer fuhr sie hin und her, Als sie sich durch die tiefen Sümpfe wanden. Die Inseln Seelands tauchten aus dem Meer, Die einen tauchten auf, die andern schwanden. Drei Tage fährt der Graf, dann landet er; Sie, die gekränkte Jungfrau, darf nicht landen; Denn Roland will, sie soll des Frevlers Tod Erfahren, eh sie aussteigt aus dem Boot. 259 |
|
60 | Am Ufer nimmt er Rüstung, Lanz' und Schwert Und steigt auf einen Streithengst, einen grauen, Dänisch Geblüt, in Flandern aufgenährt, Nicht eben flink, doch mächtig anzuschauen. In der Bretagne blieb sein eignes Pferd, Als er beschloß dem Meer sich zu vertrauen, Sein Güldenzaum, so schön und stark und klug, Der alle Pferde, außer Bajard, schlug. |
|
61 | Er kömmt nach Dortrecht und er findet Brücke Und Thor von einer starken Schar bewacht; Denn Herrschaft gleicht sich stets in diesem Stücke, Sie ist, zumal die neue, voll Verdacht. Auch hatte man gehört, aus Seeland rücke Mit Schiffen und mit großer Heeresmacht Heran und sei von Dortrecht nicht mehr fern Ein Vetter des gefangnen jungen Herrn. |
|
62 | Der Graf läßt nun dem Friesenkönig sagen, Ein fremder Ritter steh' am Thor, bereit Auf Lanz' und Degen sich mit ihm zu schlagen, Jedoch mit diesem Pact auf Ehr' und Eid: Er werde sie, die den Arbant erschlagen, Ausliefern, wenn er unterlieg' im Streit; Sie sei nicht fern von hier in sichren Händen, Und jeden Augenblick könn' er sie senden. 260 |
|
63 | Der König aber solle sich verpflichten, Wenn er im Kampfe der Besiegte sei, Auf den gefangnen Herzog zu verzichten, So daß er gehen möge frank und frei. Der Bote läuft, dem König zu berichten; Doch dieser, der in seiner Barbarei Der Ritterbräuche ganz unkundig ist, Sinnt nur auf Trug, Verrat und Hinterlist. |
|
64 | Er denkt, wenn er nur erst den Ritter habe, Hab' er auch sie, die ihm den Sieg vergällt, Wofern man wirklich sie zur Übergabe Mitbrachte, wie der Diener ihm bestellt. So schickt er dreißig Mann im raschen Trabe Durch eins der andern Thor' ins freie Feld Und heißt sie einen Weg im Bogen nehmen, Bis sie dem Ritter in den Rücken kämen. |
|
65 | Volana ist eine der Mündungen des Po. | Der falsche hält ihn hin durch glatte Worte, Bis er erkennt, die Reiter sind zur Hand; Dann kömmt er selbst und reitet durch die Pforte Mit dreißig andern in das offne Land. So wie das Wild und dessen Zufluchtsorte Der kluge Jäger rings mit Garn umspannt, Wie bei Volana um die Fisch' und Wogen Der Fischer lange Netze zieht im Bogen, 261 |
66 | So hat der König hier, damit die Beute Ihm nicht entschlüpft, schlau alles vorbedacht; Denn lebend will er ihn, nicht anders, heute Und denkt, die Sache sei gar leicht gemacht. Den ird'schen Blitz, der schon so viele Leute Getödtet, hatt' er gar nicht mitgebracht; Der schien in diesem Fall ihm nicht vonnöten, Wo es zu fangen galt und nicht zu tödten. |
|
67 | So wie die ersten Vögel in der Falle Der Vogler schont, auf größren Raub erpicht, Und sich von ihrem Lockeruf und Schalle Noch mehr Gefangne für sein Netz verspricht, So rechnete der Fries' in diesem Falle. Doch Roland rechnet sich zu denen nicht, Die auf den ersten Zug sich fangen lassen; Er sprengt den Kreis, womit sie ihn umfassen. |
|
68 | Recht mitten in des Königs Reiterei Jagt er den Speer und spießt von jenen Recken Den ersten auf, den zweiten Mann dabei, Den dritten, vierten jetzt, als wären's Wecken. Sechs Männer steckt er so in einer Reih An einen Schaft, und mehr daran zu stecken Fehlt nur der Platz; so stößt er mit der Spitze Nur noch den siebten todt von seinem Sitze. 262 |
|
69 | So sehen wir an Gräben und Kanälen Den Schützen, der die armen Frösche spießt Und einen nach dem andern ohne Fehlen Bald durch den Bauch, bald durch den Rücken schießt, Und erst wenn sie ihr halbes Dutzend zählen, Vom Pfeil sie abzustreifen sich entschließt. Bei Seite warf der Graf die schwere Lanze Und schritt nun mit dem Schwert zum Waffentanze. |
|
70 | Die Lanze brach, nun wird das Schwert gebraucht, Das nie versäumt, was er ihm aufgegeben. Bei jedem Hieb und jedem Stoß verhaucht Ein Reiter oder Mann zu Fuß das Leben. Wohin es trifft, da wird in Rot getaucht Was grün war oder blau und gelb noch eben. Cimosco flucht, daß er sein Rohr und Feuer Nicht bei sich führt; nie war es ihm so theuer. |
|
71 | Man soll das Rohr ihm holen, ruft er laut Mit droh'ndem Ton; doch soll es ihm nicht frommen; Denn wer die Stadt erreicht mit heiler Haut, Der wagt nicht wieder vor das Thor zu kommen. Als nun der Friesenkönig um sich schaut Und alles flieht, da wird auch ihm beklommen. Er eilt zum Thor, die Brück' emporzuziehn, Doch allzu rasch folgt ihm der Paladin. 263 |
|
72 | Der König wendet um, und Roland kann Das Thor gewinnen, ohne drum zu raufen. Der König flieht, den andern weit voran, Dank seinem Roß, das schneller ist im Laufen. Der Graf sieht das geringe Volk nicht an, Er will den Frevler tödten, nicht den Haufen; Wenn nur sein Gaul sich hurtiger erwiese: Der scheint wie lahm, geflügelt scheint der Friese. |
|
73 | Von Gass' in Gasse flieht der Fürst und macht Sich unsichtbar; doch kehrt er bald mit neuer Und bessrer Wehr zurück; denn rasch gebracht Ward ihm das hohle Eisen und das Feuer. In einen Winkel duckt er nun sich sacht Und lauert, wie der Jäger, der mit treuer Und tapfrer Meut' und mit gesenktem Spieße Harrt, daß der Eber aus dem Dickicht schieße, |
|
74 | Der Felsen stürzt und Aeste bricht entzwei, Und da, wohin sein stolzes Haupt sich richtet, Denkt man, von seinem Lärm und Toben sei Der Berg geborsten und der Wald vernichtet. Cimosco steht und zielt, damit nicht frei Der Graf vorbeikömmt, eh er Zoll entrichtet. Jetzt kömmt er, und der Schütze nähert bloß Dem Rohr das Feuer, und der Schuß geht los. 264 |
|
75 | Von hinten blitzt es auf, wie wenn's gewittert, Vorn in die Lüfte kracht der Donnerknall; Die Mauern beben, und die Erde zittert, Der Himmel dröhnt furchtbaren Widerhall. Der glühn'de Pfeil, vor welchem stets zersplittert, Was in den Weg ihm tritt, und kömmt zu Fall, Sauset und zischt, doch wider Wunsch und Hoffen Des Meuchelmörders hatt' er nicht getroffen. |
|
76 | War's Übereilung oder die Begier Den Feind zu tödten, was ihn fehlen machte, War es sein Herz, das wie die Espe schier Zittert' und auch die Hand zum Zittern brachte, Oder die Gnade Gottes, welcher hier Des vielgetreuen Kämpfers Haupt bewachte, Der Schuß fuhr in des Pferdes Bauch, das nieder Zu Boden fiel, und nie erstand es wieder. |
|
77 | Zur Erde stürzt das Roß und stürzt der Reiter, Doch jenes drückt sie, dieser streift sie bloß; Denn leicht und sicher springt empor der Streiter, Als wüchsen Kraft und Atem durch den Stoß; Wie einst in Libyen immer kampfbereiter Antäus aufstand von der Erde Schooß, So von der Erd' erhob sich Roland wieder, Und schier verdoppelt schien die Kraft der Glieder. 265 |
|
78 | Wer je das Feu'r vom Himmel fallen sah, Das krachend niederfährt aus Jovis Händen, Und dort einschlagen, wo Salpeter nah Bei Kohl' und Schwefel liegt in festen Wänden, – Kaum hat's getroffen, kaum noch ist es da, Und Erd' und Himmel stehn in Flammenbränden; Die Mauern bersten, der Granit zerschellt, Und Felsen fliegen bis zum Sternenzelt, – |
|
79 | Der denke sich, daß so, als er die Erde Im Fall berührt, auffuhr der Paladin, Mit so furchtbarer gräßlicher Geberde, Daß Mars im Himmel bebte, säh' er ihn; Darob entsetzt der Friese seinem Pferde Die Sporen gab und schwenkte, um zu fliehn; Doch Roland folgt' ihm nach mit solcher Eile, Als lauf' er um die Wette mit dem Pfeile. |
|
80 | Und was ihm erst zu Pferde nicht gelungen, Gelingt, nun er auf eignen Füßen steht: Er läuft so schnell, – was helfen Schilderungen? Ihr glaubt es nicht, solang' ihr es nicht seht. Er holt ihn ein; der Degen, hochgeschwungen, Trifft auf den Helm, und durch das Eisen geht Der scharfe Hieb und spaltet Kopf und Kinn, Und zuckend auf die Erde stürzt er hin. 266 |
|
81 | Da, horch, erhebt sich in der Stadt umher Ein neuer Lärm und Schall geschwungner Klingen. Der Vetter des Biren kam mit dem Heer, Um Hilfe dem gefangnen Freund zu bringen, Und weil der Thorweg offen stand und leer, Hatt' er beschlossen in die Stadt zu dringen, Die so vor Roland bebt und sich entsetzt, Daß keiner sich dem Einmarsch widersetzt. |
|
82 | Die Bürger flüchten, eh sie nur gesehn, Wer jene sind, geschweige daß sie frügen. Dann, als sie merken, daß es des Biren Seeländer sind, wenn Sprach' und Kleid nicht trügen, Wollen sie Frieden, alles zugestehn, Der Hauptmann soll nur über sie verfügen: Gegen die Friesen, die ihm seinen Herrn Gefangen halten, helfen sie ihm gern. |
|
83 | Der Friesenkönig und sein ganzer Troß War diesem Volke stets verhaßt geblieben, Theils weil er ihren alten Herrn erschoß, Theils weil die Sieger Raub und Frevel trieben. Roland, als Freund der beiden Theile, schloß Den Frieden ab, der Bund ward unterschrieben, Und nun vereint erschlug man oder band, So viel der Friesen sich am Orte fand. 267 |
|
84 | Zu Boden rissen sie die Kerkerpforten, Und nach den Schlüsseln ward nicht erst gelangt. Kaum hat Biren dann mit beredten Worten Dem Grafen für den großen Dienst gedankt, So geht es mit Geschwadern und Cohorten Zum Schiffe, wo Olympia harrt und bangt. Olympia war der Name, den sie führte, Der nach dem Recht dies Inselreich gebürte. |
|
85 | So große Ding' erwartete sie nie, Als sie den Grafen zum Geleitsmann wählte; Ihr war's genug, durch eigne Trauer die Zu endigen, die ihren Gatten quälte. Das ganze Volk begrüßt' und ehrte sie; Die Zeit gebräche, wenn ich euch erzählte, Wie nun Biren sie herzt' und jene ihn Und beide dankten vor dem Paladin. |
|
86 | Sie auf den Sitz des Vaters zu erheben Und ihr zu huldigen beschloß das Land, Und dem Biren, an den fürs ganze Leben Die Liebe sie mit harter Kette band, Gab sie die Herrschaft und sich selbst daneben. Biren, schon neuen Sorgen zugewandt, Setzt' über alle Festungen und Güter Der Insel seinen Vetter ein als Hüter. 268 |
|
87 | Er wollte – dieses war sein Plan – zurück Nach Seeland gehn mit dem getreuen Weibe Und, wie er sagt', in Friesland dann sein Glück Versuchen und dort sehen, wie er's treibe; Für den Erfolg bürg' ihm ein Beutestück, Das ihm als Unterpfand in Händen bleibe, Des Königs Tochter, die ihm in der Schar Der Kriegsgefangnen zugefallen war. |
|
88 | Daß Roland den Ritterbüchern zufolge »römischer Senator« war, ist schon angemerkt worden. | Er habe, sagt' er, sie zum Ehgemal Bestimmt für seiner jüngren Brüder einen. Der römische Senator nun empfahl Sich, als Biren in See ging mit den seinen, Und von den Schätzen, die in großer Zahl Erbeutet waren, wollte Roland keinen Als jenes Wurfgeschoß, das mehrgedachte, Das wie der Blitzstrahl flammte, schlug und krachte. |
89 | Dies nahm er, nicht zu eigenem Gewinn, Damit er Nutzen aus der Waffe zöge; Denn stets als feig erschien es seinem Sinn, Wenn man mit Uebermacht des Kampfes pflöge. Wegwerfen wollt' er es, und zwar dahin, Wo nie es irgend wen verletzen möge. Und Pulver auch und Kugeln und was mehr Dazu gehörte, nahm er mit aufs Meer. 269 |
|
90 | Und so, als er auf hohem Meere sich Befand und außerhalb der seichten Gründe Und sah, daß den entfernten Küstenstrich Kein Zeichen, weder rechts noch links, verkünde, Nahm er das Rohr und sprach: »Damit auf dich Nie wieder eines Ritters Mut sich gründe, Und nicht der schlechte sich vermißt mit dir Es gleich zu thun dem guten, bleibe hier! |
|
91 | »O greulich und fluchwürdig Meisterstück, Geschmiedet in des Orcus Dunkelheiten Hat dich Beelzebub, um allem Glück Der Welt durch dich Verderben zu bereiten. Zur Hölle, die dich sandte, kehr' zurück!« So redend ließ er's in die Tiefe gleiten. Der Wind indeß, der in die Segel saust, Trägt ihn zur Insel, wo die Orca haust. |
|
92 | So große Sehnsucht fühlt der gute Held, Zu wissen, ob er sie dort werde finden, Die mehr ihm wert ist als die ganze Welt, Von der getrennt die Stunden freudlos schwinden, Daß er sich nicht zuvor in Irland stellt, Aus Furcht, zu neuem Dienste sich zu binden Und dann hernach zu sagen, o ich Thor, Daß unterwegs ich meine Zeit verlor! 270 |
|
93 | In England nicht noch Irland lief er ein, Und auch in Schottland sucht' er keinen Hafen. So lassen wir ihn ziehn. Ihn führe fein Der nackte Schütze, dessen Pfeil' ihn trafen! Ich muß nach Holland jetzt und lad' euch ein Mit mir zu gehn statt mit dem tapfren Grafen; Euch würd' es schlecht gefallen, wie auch mir, Wenn dort die Hochzeit wär' und ferne wir. |
|
94 | Das Hochzeitsfest war schön und wundervoll, Jedoch so schön und wundervoll mit nichten, Wie das in Seeland (sagt man) werden soll. Auf dies indessen mögt ihr nur verzichten; Denn neues Unheil braut des Schicksals Groll, Das Fest zu stören, wie ihr die Geschichten Im folgenden Gesang vernehmen sollt, Wenn folgenden Gesang ihr hören wollt. 271 |