Armand (Strubberg, Friedrich)
Die Rache des Mestizen
Armand (Strubberg, Friedrich)

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Kriegsgefahr

Auf das Betreiben von Worth wurden im westlichen Florida große Versammlungen der weißen Siedler abgehalten, in denen man den Vorfall von Tallahassee leidenschaftlich besprach. Man rief zu den Waffen, um Tallihadjo zu züchtigen. Viele hielten die Gelegenheit für günstig, den Häuptling von seinem Grund und Boden zu vertreiben und die Grenze der Weißen weiter in das Gebiet der Indianer vorzuschieben. Sie hofften, dabei selber für sich ein gutes Stück Land zu erobern.

Auch nach Georgia drangen die Gerüchte von feindseligen Vorbereitungen gegen Tallihadjo, fanden dort aber eine ganz andere Stimmung als in Florida. Die Grenzbewohner Georgias lebten mit dem Häuptling in besonders freundlichen Beziehungen, da er es seit jeher gewesen war, der in den Streitigkeiten der Indianer und Siedler vermittelt und manchen Weißen vor der grausamen Rache der Wilden bewahrt hatte. Nach dem letzten Feldzug unter Jackson war nach jahrelanger Unruhe und steter Gefahr ein Zustand friedlichen Verkehrs und Handels eingetreten, um so größer waren Unmut und Besorgnis über die Absichten der Floridaner.

Der alte Arnold tat sofort alles, um diesen Kriegszug zu verhindern. Nicht allein aus persönlicher Zuneigung zu Tallihadjo, sondern auch weil er dessen Einfluß auf die anderen Stämme kannte und in ihm einen Bürgen für Ruhe und Ordnung an der Grenze sah. Mit seinem Sohn Frank und mit Ralph Norwood ritt er von Pflanzer zu Pflanzer und sammelte Unterschriften für einen gemeinsamen Protest gegen einen Krieg mit Tallihadjo.

In wenigen Tagen hatten sie über hundert Unterschriften beisammen, durch die sich die Unterzeichneten verbindlich machten, selbst mit Waffengewalt ein Vorgehen gegen den Häuptling zurückzuweisen. Mit dieser Liste begaben sie sich in ein Settlement am Apalachicolafluß, wo die letzte entscheidende Zusammenkunft der Kriegshetzer angesetzt war. Sie kamen eben dazu, als der Abmarsch für den übernächsten Tag festgesetzt wurde. Die Erklärung des alten Arnold nahmen die Kampflustigen mit Johlen auf. Sie sprachen den Georgiern jede Berechtigung ab, sich in ihre Angelegenheiten zu mischen, und schwuren mit großprahlenden Reden, sie würden es mit den Georgiern ebensogut aufnehmen wie mit den Rothäuten.

Herausfordernde Blicke trafen Frank und Ralph, die sich beide furchtlos, die Waffen in Bereitschaft, unter der Menge bewegten. Mutig wiesen sie alle Anfeindungen zurück. Ihr Auftreten wirkte schließlich doch recht herabstimmend auf die Kriegsschreier, die es auf einen Zusammenstoß mit den Georgiern doch nicht ankommen lassen mochten.

Als nun der alte Arnold noch auf einen Stuhl stieg und klipp und klar eine Entscheidung forderte, ob Krieg sein solle oder nicht, und von keinerlei Bedingungen etwas wissen wollte, da entschied sich nach vielem Hin und Her schließlich eine große Stimmenmehrheit gegen den Krieg, und der Tag endete mit einer lärmenden Friedensfeier in einer Kneipe.

Mit dem wohltuenden Gefühl, dem Recht zum Sieg verholfen, den indianischen Freund beschützt und von sich und seinen Nachbarn eine drohende Gefahr abgewandt zu haben, schlug der alte Arnold mit seinen beiden jungen Begleitern den Weg nach dem Lager Tallihadjos ein. In der Frühe des zweiten Tages langten sie dort an und waren sehr erstaunt, die Hütten verlassen und kein Zeichen für die Anwesenheit von Menschen mehr vorzufinden. Auch auf den Weiden waren keine Pferde.

Dieses Verschwinden deutete darauf hin, daß der Häuptling sich zum Krieg vorbereitet hatte. Arnold beschloß, der Spur der Wilden zu folgen. Das war leicht möglich, da die Tiere, die sie mit sich führten, eine breite Fährte hinterlassen hatten. Sie verlief durch eine seichte Furt des Flusses bis zu einer großen Lichtung mitten im Wald, aber von dort aus verteilte sie sich strahlenförmig nach allen Himmelsrichtungen und verlor sich für die Augen der drei Reiter.

Diese waren zu gut mit den Listen der Indianer vertraut, um nicht nach kurzer Überlegung die Verfolgung als zwecklos aufzugeben. Sie wußten, daß die Fährten irgendwo auf weiten Umwegen wieder zusammentreffen würden, aber auch nur eine einzelne im Auge zu behalten, würde fast unmöglich sein. So schlugen sie den Heimweg ein.

Mutter Arnold empfing sie mit freudigem Willkommen und hörte mit Zufriedenheit, daß die Kriegshetzer aus Florida nachgegeben hatten. Nach dem Abendbrot saß das Ehepaar mit dem Sohn und dem Gast auf der Bank vor dem Hause, als aus dem dunklen Wald eine Gestalt auftauchte und auf die Einzäunung zuschritt. Bald erkannten sie Tallihadjo. Arnolds Freude und Überraschung war groß. Er eilte dem Häuptling entgegen, begrüßte ihn herzlich und führte ihn zur Bank, wo er ihn neben sich Platz nehmen ließ. Aufmerksam hörte der Indianer seinem Bericht über die Begebenheiten der letzten Tage zu.

»Du bist der Leopard, der die Antilope gegen die hungrige Schar seiner Brüder in Schutz nimmt«, sagte er. »Deine Freundschaft ist so selten wie der weiße Büffel. Der Zorn des Großen Geistes liegt schwer auf meinem Volk. Tallihadjo wollte ihm sein Land opfern und es den Weißen überlassen. Darum zog er mit seinem Stamm davon und verbarg seine Fährte.«

»Du wolltest dein rechtmäßiges Eigentum aufgeben, ohne es zu verteidigen?«

»Welches Stück Land bis weit hinauf über die großen Seen im Norden war das Eigentum des roten Mannes? Der Große Geist nimmt ihm ein Stück nach dem andern und gibt es den Weißen, weil er ihnen mehr gewogen ist. Einst wird das Gebein des letzten Indianers an den eisbedeckten Bergen des fernen Westens in der Sonne bleichen. Die Seminolen aber werden vorher in den Sümpfen Floridas sterben.«

»Niemand darf euch euer Land nehmen! Das hat euch unsere Regierung im letzten Friedensschluß zugesagt!«

»Haben die Weißen nicht nach jedem Landraub, den sie an uns begingen, Frieden geschlossen und ihn gleich wieder gebrochen, sobald es sie wieder nach mehr Land gelüstete? Der rote Mann hat nur eine einzige Zunge, der weiße aber zwei! Darum ist mein weißer Bruder so selten wie das Raubtier, das die Antilope nicht würgt, sondern gegen seine Brüder verteidigt. Sein Herz ist groß und gut.«

»Zieh nun wieder in dein altes Lager!« wehrte Arnold ab. »Wir Georgier wollen dort keinen anderen Nachbarn. Wir werden dich gegen jeden verteidigen, der dich angreift, und wir sind stärker als die Männer aus Florida. Der Friedensschluß mit deinem Volk soll gehalten werden! Mein Sohn Frank denkt ebenso wie ich und wird dir treu bleiben, auch wenn ich schon lange gestorben sein werde. Und Ralph, der Sohn deines ältesten weißen Freundes Norwood, steht dir ja noch viel näher durch die Bande des Blutes.«

Der Häuptling stand auf und reichte allen die Hände wie zum Abschluß eines Vertrages.

»Die Freundschaft des Seminolen ist unvergänglich und seine Dankbarkeit ewig wie die Wogen des großen Wassers, die Floridas Küste bespülen!«

Einige Augenblicke später war er lautlos in der Dunkelheit verschwunden.


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