Armand (Strubberg, Friedrich)
Die Rache des Mestizen
Armand (Strubberg, Friedrich)

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In Bedrängnis

Nach einer rasenden Fahrt hatten die wilden Wasser das Boot mit den Flüchtlingen in ein Dickicht getrieben, wo es festsaß. Mit Tagesanbruch sahen sie sich im Walde, doch die Wasser fielen bereits. Eve und der Neger trugen das Kind und Eloise auf trockenes Land hinauf.

Eine mühselige Wanderung begann, Eloise konnte sich kaum aufrecht erhalten. Doch endlich winkte eine Siedlung, es war das Haus Frank Arnolds. Frank und Eleanor nahmen sich der Erschöpften sofort liebevoll an. Eleanor bereitete für Eloise und das Kind ein Lager und nötigte sie, sich zu legen.

Frank sandte sofort einen seiner Neger als Boten an seinen Vater, damit er die Schreckensnachricht erführe. Er selber wollte das Haus jetzt nicht verlassen, da es ungewiß war, ob die Wilden nicht weitere Überfälle verüben würden. Gegen Mittag hatte sich Eloise wieder so weit gefaßt, daß sie aufstehen konnte. Niemand ahnte den wahren Grund ihres Schmerzes, und sie konnte nicht darüber sprechen. Obwohl sie vom Tode Montclards überzeugt war, betete sie um ein Wunder, das ihn gerettet haben möchte. Immer wieder sah sie nach der Tür, als ob sie sich nun bald öffnen und Montclard hereintreten müßte.

Man saß am Mittagstisch, als die Tür aufging und Ralph Norwood ins Zimmer trat. Mit einem Schrei des Entsetzens stierte Eloise den Totgeglaubten an. Wie schützend legte Eleanor den Arm um sie, Frank aber sprang auf.

»Es tut mir leid, aber ich lebe noch«, sagte Ralph herausfordernd. »Entschuldigen Sie mein Eindringen, aber meine Frau befindet sich gegen meinen Wunsch hier bei Ihnen!«

Es machte Frank Mühe, sich zu beherrschen.

»Nur aus Rücksicht auf Ihre Frau gebe ich Ihnen nicht die Antwort, die Sie eigentlich verdienten! Ich habe Ihre Frau, die Schreckliches durchgemacht hat, aus Menschlichkeit aufgenommen ...«

»Ich bin gekommen, meine Frau zu holen«, unterbrach ihn Ralph.

»Sehen Sie denn nicht, wie angegriffen sie ist«, mischte sich Eleanor ein. »Lassen Sie sie noch ein paar Tage bei uns, bis sie sich ein wenig erholt hat.«

»Dank, vielen Dank!« sagte Eloise. »Aber ich werde meinem Gatten folgen.«

»Wie wollen Sie denn überhaupt reisen?« fragte Frank.

Nun geriet Ralph doch etwas in Verlegenheit.

»Wenn ich einen Wagen geborgt erhalten könnte, ich würde ihn schnellstens wieder zurückschicken ...«

»Ihrer Frau zuliebe will ich Ihnen ein Fuhrwerk überlassen!«

»Ich nehme das Anerbieten an«, sagte Ralph mit kühler Höflichkeit. »Wenn Sie gleich anspannen lassen wollten, würde es mir angenehm sein!«

Frank ging auf den Hof hinaus, um seine Anordnungen zu geben, und Ralph folgte ihm. Eleanor half Eloise, sich zur Abreise fertig zu machen.

»Vergessen Sie niemals, daß Sie uns jederzeit hier willkommen sind und hier Schutz und eine Heimat finden«, sagte sie mit warmer Teilnahme.

Mit Tränen in den Augen dankte ihr Eloise.

Fünf Minuten später rollte der leichte Wagen über den Waldweg dahin. Ralph lenkte die Pferde. Neben ihm saßen Eloise und Eve mit dem Knaben. Der Negersklave folgte auf Ralphs Pferd dem Wagen. Schweigend fuhren sie dahin. Mit einem grimmigen Auflachen schlug Ralph unbarmherzig mit der Peitsche auf die Pferde ein. Wenn seine Pläne gelangen, würde er reich werden. Die Banknoten, die er bei dem toten Montclard gefunden, würden ihm über die nächste Zeit hinweghelfen. Wo mochte nur Montclards kostbarer Ring geblieben sein? Und wie kam Eloises Tuch in seine Hand? Beide hatten monatelang allein in seinem Hause gewohnt! Wenn seine Liebe zu Eloise auch längst erkaltet war, er betrachtete sie als sein Eigentum, und schon der Gedanke war ihm unerträglich, daß vielleicht ein anderer für sie etwas empfunden haben könnte.

Bei Dunkelwerden hielten sie bei einem Wirtshaus, das an der Straße nach Tallahassee lag. Der Wirt räumte ihnen ein Dachzimmer ein. Eloise brachte kaum einen Bissen hinunter und nippte nur an dem Tee. Sie hatte Angst vor dem ersten Alleinsein mit Ralph.

Als der Knabe eingeschlafen war, schickte Ralph Eve fort. Der gefürchtete Augenblick war gekommen. Ralph zog aus seiner Tasche das Tuch, das er in Montclards Hand gefunden hatte.

»Kennst du dies Tuch?«

Der Herzschlag drohte ihr auszusetzen, der letzte Blutstropfen wich aus ihrem Gesicht. Sie konnte kein Wort hervorbringen, aber in diesem Augenblick tiefster innerster Verzweiflung fand sie die Kraft, Ralph unverwandt in die Augen zu sehen.

»Ich fand es in der Hand des toten Montclard«, sagte Ralph. »Wie kam er dazu?«

Nun wußte sie, daß er wirklich tot war. Sie riß ihm das Tuch aus der Hand.

»Es ist meins! Als wir gestern Nacht fliehen wollten, hatte ich es über das Haar gebunden. Montclard nahm es mir vom Kopf, weil seine weiße Farbe mich den Wilden verraten würde. Das ist alles!«

Sie hatte gelogen. Aber was hätte sie gehabt, wenn sie ihm die Wahrheit gesagt hätte? Er hätte den Toten beschmutzt und sie immer und ewig damit gequält. Mit klopfenden Pulsen stand sie vor ihm. Ihre Haltung verfehlte nicht den Eindruck auf ihn.

»Weißt du vielleicht, ob er seinen Ring verkauft hat? An der Hand hatte er ihn nicht mehr«, lenkte er ab.

»Davon weiß ich nichts«, sagte sie und konnte ihren Abscheu kaum verbergen.

Am andern Morgen fuhren sie weiter. Die Sonne schien, Wald und Flur prangten in frischem Grün, die Vögel sangen. Aber Eloise war stumm und in sich versunken.

Nachmittags erreichten sie Tallahassee. Ralph war dort augenblicklich als Indianeragent und Vertreter der Regierung eine gesuchte und gewichtige Persönlichkeit, der man gern gefällig war. Ein Gastwirt trat ihm ein alleinstehendes Nebengebäude mit zwei nett eingerichteten Stuben als Wohnung ab.

Dort brachte Ralph vorläufig seine Familie unter. Er selber hielt sich nicht lange dort auf. Zwei Tage später sah Eloise ihn nicht ungern scheiden. Seine Dienstgeschäfte - so sagte er ihr - nötigten ihn, Tallihadjo aufzusuchen.


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