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Dreizehntes Kapitel.
Schwarze Waare

Wir finden Mr. Sanders einige Tage später in der Veranda des Wohnhauses seiner Farm. In einem gepolsterten Wiegenstuhl saß er, den Kopf auf die Brüstung gestützt. Er war in ernstes Sinnen verloren. Obwohl er sich lebhaft an den Verhandlungen jenes Abends im Ritterhause betheiligt hatte, so war ihm doch noch Zeit geblieben, mit Mr. Cleary dem großen Sklavenzüchter in Kentucky über Privatgeschäfte zu sprechen, und in diesen Angelegenheiten hatte Mr. Cleary auf heute seinen Besuch anmelden lassen.

Allein weder dieser Besuch noch sein Geschäft mit Mr. Cleary konnte es sein, was seine Gedanken so beschäftigte, seine Stirn war in finstere Falten gelegt, und sein Auge, das über die Landschaft, welche sich vor ihm ausbreitete, ohne auf einem Objekt haften zu bleiben, hinschweifte, schoß zuweilen drohende Blitze, die offenbar dem Gegenstand seines Nachdenkens galten.

Nichts, was um ihn her vorging störte ihn in seinen Betrachtungen, und doch wäre Keiner an seinem Platze, der nicht alles Gefühls baar war, und den die Gewohnheit nicht völlig stumpf gemacht gegen die Leiden Anderer im Stande gewesen, mit Gleichgiltigkeit seinen Blick von dem abzuwenden, was auf dem baumbepflanzten Platze vor der Veranda vorging.

Drei Neger und eine Negerin waren mit gefesselten Händen hoch oben an die Zweige eines Baumes gebunden, so daß sie nur mit den Fußspitzen die Erde berührten. Der Schmerz der ausgereckten Muskeln und der durch die Anstrengung absterbenden Zehen, so wie die Qual, welche ihnen die in die Handgelenke einschneidenden Hanfseile verursachten, folterten sie fast zu Tode; dazu brannte die Sonne glühend auf ihre nackten Körper, die wehrlos den Schaaren von Muskito's preisgegeben waren, welche sie umschwärmten. Ihr Rücken war von Blut unterlaufen, und mit dicken Striemen bedeckt, an welchen stellenweise das Blut hervorquoll, indessen waren diese Stellen nicht sichtbar, da auf ihnen sich die Muskito's haufenweis festgesetzt hatten.

Die Todesangst preßte den Gemarterten die Augen aus den Höhlen. Das Weib stieß nur noch zuweilen ein schwaches Aechzen aus, ihre Kräfte waren dem Erlöschen nahe, die drei Neger aber, kräftige muskulöse Gestalten, machten ihrem Höllenschmerz durch ein markdurchdringendes Geheul Luft, das sich verstärkte, so oft die Schaar der Muskito's auf ihren blutigen Rücken sich erneute.

Mr. Sanders ließ sich in seinen Gedanken dadurch nicht stören. In unveränderter Stellung saß er da, der Gegenwart weit entrückt. Da näherte sich der Sklavenvogt, ein Mann von mürrischem, häßlichem Gesicht, ohne eben gerade den Ausdruck thierischer Roheit zu haben, der gewöhnlich die Sklavenvogte kennzeichnet, und von herkulischem Körperbau. In der Hand hielt er die von allen Negern so gefürchtete »neunschwänzige Katze«, d. h. eine Geißel, bestehend aus neun kurzen, dicken, aus Leder geflochtenen Peitschen, jede vorn mit einem harten Knoten, die zusammen an einem biegsamen kurzen Stiel befestigt sind. Sein Herr bemerkte ihn nicht, und blickte erst auf, als der Vogt ihn anredete:

»Soll ich ihnen jetzt ihre letzte Ration geben?« fragte er, mit der Peitsche nach dem Baum deutend, an dem die Neger gefoltert wurden.

»Wie?« fragte Mr. Sanders zerstreut.

»Ich meine es ist Zeit, daß wir sie losmachen«, wiederholte der Vogt, »sie haben sechs Stunden gestanden.«

»Noch nicht halb genug, für die meuterische Thierbrut, die nicht allein selber entläuft, sondern mir auch die Andern aufhetzt. Die Strafe wird aber hoffentlich wirken und wieder einmal etwas Furcht geben«

»Das wohl«, gab der Aufseher zu, »allein ich fürchte, wenn wir sie noch länger dort lassen, so werden sie ihre Glieder in vier Wochen nicht wieder gebrauchen können.«

»Ist auch nicht nöthig«, erwiderte der Prinzipal barsch, »da ich sie ohnehin alle verkaufen werde, es ist als ob der Satan jetzt in die schwarzen Hunde gefahren wäre. Nun sie hören, daß der Norden für die Abschaffung der Sklaverei arbeitet, nehmen die Meutereien kein Ende,– aber wartet, Ihr Thiermenschen, ich werde Euch zeigen, daß Ihr noch unter der Peitsche steht, und werde Euch die Freiheitsgelüste austreiben.«

»Hm«, brummte der Aufseher, »Sie wollen sie verkaufen, das ist schon gut, aber wer kauft Nigger, die man zu Krüppeln gefoltert hat?«

»Nun meinetwegen, so mache sie los«, erwiderte Mr. Sanders ärgerlich, durch eine so gleichgiltige Sache in seinen Gedanken gestört zu sein. – »Aber hörst Du«, rief er dem Vogt nach, »daß sie nun auch die Peitsche noch bekommen. – Wie viel Hiebe haben sie bekommen?«

»Vor drei Stunden haben sie jeder zehn Hiebe bekommen.«

»So erhalten sie noch zehn.«

»Wird nicht angehen, Mr. Sanders, sie haltens nicht aus, namentlich das Frauenzimmer nicht. Die Viere, die am Vormittag ihre Strafe abbüßten und die ich habe in die finstern Gewölbe gebracht, waren so gut wie todt, und die Schwangere, nun mit der wird's wohl gänzlich vorbei sein.«

»Es bleibt bei meinem Befehl, und wenn sie krepiren unter der Peitsche, es liegt nichts daran, man muß ein Beispiel statuiren.«

Der Vogt entfernte sich kopfschüttelnd und trat zu den Gepeinigten an den Baum.

Die Unglücklichen bebten wie Espenlaub, als sie sahen, was ihrer warte.«

»Na habt Euch nur nicht,« tröstete der Vogt die Geängsteten. Sobald Ihr die Peitsche erhalten habt und noch am Leben seid, werdet Ihr losgebunden. Laßt Euch künftig nicht wieder einfallen zu entlaufen und Andere aufzuhetzen, dann braucht Ihr die Tortur nicht durchzumachen.

Das Frauenzimmer stand ihm zunächst. –Sonderbar! an ihr nahm er die Zeichen der Todesangst nicht wahr, sie schien ruhig und ergeben – sie sollte bald von ihren Leiden befreit sein! –

Der Vogt holte zu einem kräftigen Hiebe aus und schallend traf die Peitsche den nackten Rücken der Negerin. Sie stieß einen durchdringenden Schrei aus.

Die kunstgerechte Methode der Geißelung erfordert, daß die Hiebe nicht schnell hintereinander gegeben werden, sondern daß zwischen jedem Hiebe immer eine Pause von einer Viertel- bis halben Minute ist.

Der zweite Hieb fiel. Jetzt schrie sie nicht mehr; ihre Kraft war erschöpft, nur ein Zucken ihrer Glieder verrieth, daß sie noch lebe. Der Vogt bemerkte, daß sie den letzten Kampf kämpfe, daß ihre Kniee sich bogen, und daß nur der Schmerz, den der hängende Körper ihr an den Handgelenken verursachte, ihr Kraft gab, sich noch einmal auf die Spitzen der Füße zu stellen.

Wieder hob er die Geißel, allein ein letzter Funke Menschlichkeit in der Brust des in seinem Gewerbe ergrauten Mannes bewog ihn, sie mit weniger Gewicht auf den Rücken der Negerin fallen zu lassen.

Mr. Sanders bemerkte diese Anwandlung von Mitgefühl.

»Wirst Du Deine Schuldigkeit thun? –« rief er von seiner Veranda; »oder willst Du, daß ich Dich vier Wochen einsperre und dann zum Teufel jage?«

Der Vogt holte zum vierten Male aus. Wuchtig fiel der Hieb auf die blutige Fläche des Rückens. Noch einmal zuckte die Negerin krampfhaft, dann beugten sich die Knie, und der Körper hing an den Händen, so daß der Zweig sich von der Last neigte. Der Kopf hing seitwärts auf einer Schulter, noch ein Zucken – ein Röcheln – sie hatte ausgelitten.

»Seh'n Sie, Mr. Sanders,« sagte der Vogt, als die Losgebundene todt vor ihm am Boden lag. »Ich sagte es ja, sie hält's nicht aus. Nun viel ist eben nicht daran gelegen, denn sie war zur Feldarbeit kaum noch zu gebrauchen, und mit 100 Dollars wäre sie über den Kopf bezahlt gewesen.«

»Kehr Dich nicht daran, sondern fahre in Deinem Geschäft fort,« befahl Mr. Sanders, der jetzt mit seiner Betrachtung zu Ende war und zu seiner Unterhaltung ein Zeitungsblatt zur Hand genommen hatte.

Der Vogt stieß den Leichnam der Negerin ein wenig bei Seite, befahl den hülfeleistenden Negern ihn wegzuschaffen und machte sich von Neuem an sein Geschäft, wie Mr. Sanders es genannt hatte.

Das Jammergeheul der Gegeißelten störte den Herrn nicht, nur wenn es plötzlich nachließ, wenn Einer den letzten Hieb empfangen hatte und losgebunden wurde, warf er einen ziemlich theilnahmlosen Blick auf die Scene, nur um sich zu überzeugen, ob der Betreffende mit dem Leben davon gekommen sei oder nicht.

Die drei Neger, obwohl ihre Rücken nur eine große Fläche rohen, blutigen Fleisches darstellten, erlagen der Qual nicht ganz. Freilich vermochten sie, wenn sie losgebunden wurden, nicht mehr se auf ihren Füßen zu stehen, sondern sanken zum Tode erschöpft zu Boden, aber sie lebten doch. – So wie Einer fertig war, wurde er von den hülfeleistenden Negern in seine Wohnung getragen, aus Stroh gelegt, gewaschen und mit einem für solche Zwecke stets bereitstehenden Fett eingerieben. – –

Die Procedur war seit einer Stunde beendet. Mr. Sanders saß noch an derselben Stelle und las. Da näherte sich von Neuem der Vogt.

»Die Andere ist nun auch todt, Sir,« murmelte der Alte, einen großen Tabacksklumpen in dem Munde wälzend, an dem er sich nach der eben gehabten schweren Arbeit erquickte.

»Wer ist todt?« fragte Mr. Sanders mit verfinsterter Stirn.

»Nun, wer sonst als das Weib, die Kreolin, die wir heute Vormittag an den Baum stellten, die Schwangere, die fünfzehn Hiebe erhielt.«

Mr. Sanders Auge schoß zornige Blicke auf den Vogt.

»Geben Sie mir nur nicht die Schuld,« sagte dieser, um den Zorn von sich abzuwenden. »Ich sagte Ihnen ja gleich, als Sie mir befahlen, sie in's Kellergefängniß zu sperren, daß das nicht so gut abgehen würde. Sie hat sofort nach der Züchtigung geboren. Na, daß sie dabei draufgehen mußte, wundert mich nicht. Es war ja ein Ding wie Eierschaum, und Finger hatte sie, die besser zur Handhabung einer spanischen Mandoline als für Hacke und Schaufel paßten. Ich habe sie zusammengesperrt mit der Dicken – Sie wissen ja, der Wohlfeilen, der oben die halbe Zahnreihe fehlt, die hat ihr noch beigestanden. – Nun, was geht's mich an, der Schaden ist ja nicht mein.«

Mr. Sanders war sehr verstimmt über diese Nachricht. Er biß die Lippen zusammen und zerknickte die Zeitung in seinen Händen.

»Was sollen wir nun mit dem Kinde anfangen, Sir?« fuhr der Vogt fort. »Sagen Sie es bald, sonst fressen es die Ratten da unten auf.«

»Hätten sie's aufgefressen und das Weib dazu, ehe sie mich um mein Geld brachten!« brummte der Prinzipal. »Das ist ein Schaden von mindestens 500 Dollars, so viel war sie noch werth, obgleich sie sich mit jenem Buben, dem Quadroonen, eingelassen. Es hätte sie noch Mancher als Maitresse gekauft.«

»Ja, ja,« brummte der Alte in den Bart, »als sie lebte, da war sie die Schlechteste von Allen; jetzt ist sie mit einem Male zu Vorzügen gekommen, an die wir gar nicht gedacht haben. – Oho, was ist denn das?« unterbrach er sich, als seine Blicke zufällig sich auf die Buchenallee richteten, »Drei Reiter! – und wenn ich nicht irre, so ist Einer Mr. Cleary. – Na, wenn der kommt, so weiß ich auch was er will!«

Er mußte seine weiteren Reflexionen, die er eben über das Geschäft, was unzweifelhaft in Aussicht stand, anstellen wollte, abbrechen, denn schon sprengten die Reiter in den Hof.

Mr. Cleary sprang vom Pferde und überließ es seinen beiden Begleitern, den Sklaven die Pferde zu übergeben. Mr. Sanders ging ihm entgegen und begrüßte ihn so freundlich, wie es seine augenblickliche Verstimmung zuließ.

Die Begleiter des Mr. Cleary aber wurden mit großer Herzlichkeit von dem alten Vogt bewillkommnet, denn er hatte in ihnen zwei Collegen erkannt. Es gereichte ihm zum ganz besondern Vergnügen, die beiden Gäste auf der Plantage umherzuführen und ihnen mit großer Beredtsamkeit die Erfolge seines Wirkens auseinanderzusetzen.

Mr. Cleary hatte inzwischen neben dem Freunde Platz genommen.

»Wie ich sehe, sind Sie immer noch etwas verstimmt,« redete er seinen Wirth an. »Kann mir's denken, die Beschlüsse des Ordens haben Sie nicht befriedigt; die halben Maßregeln des Kriegsministers verdrießen Sie.«

»Sie treffen das Rechte, lieber Freund. Wir können in unserer Lage keinen Kriegsminister gebrauchen, der den Feind mit Glacéhandschuhen angreift und von gutem Ruf und Sympathien faselt, wo die Existenzfrage alle anderen Fragen in den Hintergrund bringt«

»Im Allgemeinen macht man Mr. Breckenridge nicht den Vorwurf, zu subtil und schonend zu sein, im Gegentheil, er steht in dem Rufe vor keinem Gewaltstreich zurückzuschrecken. Er kennt keine andere Macht als seinen starren unbeugsamen Willen und kein Gefühl als das des Hasses.«

»Wenn ein Anderer an seiner Stelle wäre,« sagte Sanders, »es würde bald anders sein.«

»Ich weiß, Sie sprechen von sich, Mr. Sanders. Allerdings, wenn Sie Kriegsminister wären, wir hätten nicht das ergriffen, was ich vorhin halbe Maßregeln nannte. Aber ich hoffe nicht, daß Sie daran denken, Mr. Breckenridge von seinem Platz zu verdrängen.«

»Warum nicht?« sagte Mr. Sanders hastig, doch besann er sich schnell und fuhr fort: »Es ist ja möglich, daß Breckenridge den zweckmäßigsten Weg einschlägt, und für den Fall wird kein Patriot ihn von seinem Platze drängen wollen.«

Cleary betrachtete seinen Wirth mit mißtrauischem Blick.

»Wissen Sie,« sagte er, »es scheint mir fast, als beabsichtigten Sie, deshalb Ihre Sklaven zu verkaufen, um überhaupt den Stand des Farmers mit dem des Diplomaten zu vertauschen. Ist's nicht so? – habe ich nicht Recht?«

»Nicht ganz,« antwortete Sanders gelassen. »Ich mache meine Sklaven nur zu Geld, weil Geld jetzt am nöthigsten ist. Die Farm zu behalten lohnt nicht, und die Farm zu verkaufen, ist jetzt nicht gerathen, denn Niemand bietet etwas dafür; also bleibt mir nichts übrig, als meine Sklaven zu verkaufen. Wieviel brauchen Sie?«

»Sie wissen ja, ich kaufe und verkaufe; ich nehme so viel als mir von Ihren Niggern gefallen. Lassen Sie doch einmal Ihre Waare sehen.«

Es war Mr. Sanders sehr angenehm, das Gespräch vom politischen Gebiete abgelenkt zu sehen, so sehr ihn auch der Gegenstand sonst interessirte. Bald war er nicht mehr der Politiker, der Yankeehasser, der aufopfernde Patriot, sondern nichts als der Kaufmann, der Sklavenzüchter, der routinirte Geschäftsmann, und was erst seine Gedanken in Anspruch nahm, war für jetzt seinem Geiste völlig fern gerückt.

»Eigentlich hätte ich es lieber gesehen, Sie hätten diejenigen, die ich verkaufen will, in Bausch und Bogen genommen,« sagte Mr. Sanders, »allein aus Freundschaft für Sie und bei Gelegenheit einmal auf eine Gefälligkeit rechnend, will ich Ihnen gern den Vorkauf gewähren.«

»Ich bezahle Ihnen aber auch dafür einen ganz andern Preis, als wenn ich die Ueberbleibsel Ihrer Waare nehmen müßte,« antwortete Mr. Cleary. Ich brauche viele Leute, denn Sie wissen, Kentucky muß jetzt fast allein den ganzen Süden erhalten, aber kräftige Kerle und arbeitsfähige Weiber müssen es sein, kein Stück über 24 und keins unter 16 Jahren.«

»Keins über vierundzwanzig und keins unter sechszehn Jahren,« wiederholte Sanders nachdenkend. »He, William!« schrie er dann seinem Vogt zu, bringe einmal die Parthien aus No. 3 bis 8 her.«

Der Alte entfernte sich, vertauschte seine Geißel mit der Peitsche, deren er sich gewöhnlich bediente, versah sich mit einem frischen Klumpen Taback und begab sich dann in die bezeichneten Abtheilungen der Negerhütten.

Von zwei Hilfsaufsehern unterstützt führte er dann eine Anzahl von etwa vierzig Männern und Weibern vor die Brüstung der Veranda, in welcher Sanders und Cleary saßen. Der Letztere musterte die Leute erst von Weitem.

»Race von Whida?« ... fragte er dann mit Kennermiene den Verkäufer.

»Echte Race von Whida,« antwortete dieser. »Knochen wie die Elephanten und sanft wie die Lämmer.«

Cleary schien durch den oberflächlichen Anblick befriedigt; allein ein Kenner prüft seine Waare genauer. Er trat herab von der Veranda an die nebeneinander aufgestellten Neger heran; Sanders, eine Reitgerte in der Hand, begleitete ihn.

»Seht sorgfältig untersuchte er die Sklaven und Sklavinnen – der Körperbau, die Zähne, die Muskeln, das allgemeine Aussehen, dies Alles sind Dinge, auf die ein Sklavenkäufer so gut achtet wie ein Pferdekäufer. Wie bei jedem Markt, so geschah es auch hier: der Käufer suchte nach Mängeln und Fehlern, um den Preis herabzudrücken, der Verkäufer hob mit geläufiger Zunge die Vorzüge seiner Waare hervor, pries diese breite Brust, jene athletischen Schenkel, hier die Structur des Halses und die Brüste der Negerin, was sie zur Zucht geeignet machte, dort die sehnigen Kniegelenke und die Muskulatur der Waden und setzte durch einige wohlangebrachte Peitschenhiebe die Gliedmaßen der Betreffenden in Bewegung, um die Muskelkraft und die Gelenkigkeit jedes Einzelnen anschaulich zu machen.

Zu seinem Erstaunen aber bemerkte Sanders, daß der Käufer weniger auf die Muskelkraft als auf die Gesichtszüge achtete; er ließ gerade die Stärksten unbeachtet und wandte sich denen zu, deren Gesichtsausdruck ihm einen sanften Charakter versprach. Er konnte nicht umhin, hierüber einige Aeußerungen fallen zu lassen.

»Lieber Freund,« flüsterte ihm Cleary zu, »Sie wissen, in dieser Zeit, wo die Nigger einmal zur Meuterei geneigt sind, und wo es schwer ist, sie zu bändigen, ist es nicht gerathen, sich so wilde Bestien, selbst wenn sie doppelt so viel arbeiten könnten als die andern, anzuschaffen.«

Sanders lachte innerlich über den Thoren.

»Hätte ich meine Kreolin noch, mit den Taubenaugen,« dachte er, »die solltest Du mir theuer bezahlen.«

Cleary hatte sich etwa die Hälfte von den Sklaven ausgewählt und darunter manchen Schwächling, der kaum als Zugabe hätte gelten können, trotzdem aber forderte Sanders, aus den Vorzug des Verkaufes fußend, einen hohen Preis. Cleary bot verhältnißmäßig und der Handel begann. Keiner wollte von dem Preis weichen, der Eine sein Gebot nicht erhöhen, der Andere seine Forderung nicht herablassen. Endlich machte Sanders einen Vorschlag zur Einigung:

»Bester Freund,« sagte er. »Ich lasse keinen Dollar herunter, aber um Sie zu überzeugen, daß ich nicht unbillig bin, so soll es mir aus eine Zugabe nicht ankommen. Ich habe in meinem Kellergefängniß ein Niggerkind, ein Junge, ohne Zweifel ein hübscher Kerl, wenn er nur einigermaßen nach seinem Vater artet. – Sie müssen ihn ja kennen, den jungen Quadroonen des Mr. Breckenridge, Edward Brown, – und die Mutter ... ah, eine Schönheit! – Sie ziehen den Buben aus, wenn er fünfzehn Jahre ist, so ist er seine 500 Dollars werth.«

Mr. Sanders gab seinem Sklavenvogt einen Wink, dieser entfernte sich und kehrte bald darauf zurück, ein neugeborenes Kind in seiner Schürze tragend.

»Was soll ich mit dem Kinde!« rief Cleary, »das ist ja erst vor einigen Stunden geboren.«

»Es ist ja auch nur eine Zugabe,« versetzte Sanders. »Wer weiß, was in dem Jungen steckt. Ich denke, Sie weisen ihn nicht von der Hand.«

»Jetzt schlug das Kind seine Augen auf und fing bitterlich an zu weinen, steckte die kleinen gelben Händchen in den Mund und begann instinctmäßig daran zu saugen.

Sei es nun, daß Mr. Cleary, dessen Gemüthsart durchaus nicht die Härte besaß, die man sonst bei den renommirten Sklavenzüchtern zu finden gewohnt ist, eine Regung von Mitleid empfand, sei es, daß er mit seinem geübten Blick sofort erkannt hatte, daß Mr. Sanders seine Vorzüge nicht übertrieben, genug er sagte:

»Wohlan! Der Handel ist geschlossen – aber noch eins; Sie müssen mir auch die Mutter des Kindes bringen, ich kaufe sie mit.«

Der Sklavenvogt zuckte verlegen die Achsel. Mr. Sanders aber in einem Anflug von Humor, lachte hell auf.

»Der Handel ist geschlossen, Sir? – Ihre Hand darauf.«

Mr. Cleary schlug in die dargebotene Rechte ein.

»So kommen Sie, lassen Sie uns eine Flasche Wein trinken, derweile die Schwarzen gekoppelt werden, hernach lasse ich Ihnen auch die Mutter des Kindes heraufbringen,« sagte Mr. Sanders und führte seinen Gast in die Veranda zurück, wo bereits eine Flasche Sherry ihrer wartete.

Unter den Negern aber, die jetzt mit Handschellen versehen und an eine lange Kette geschlossen wurden, sowie unter den Zurückbleibenden erhob sich ein jammervolles Geschrei.

»Oh, Massah – kaufen nicht meinen Mann,« bat eine Negerin, ein Kind aus dem Arme, »oder kaufen mich mit; nicht uns trennen, bester Massah!«

»Mich auch kaufen!« schrie eine Alte, deren Sohn man auch an die Kette schloß. »Es ist mein einziges Kind und ich soll ihn nicht wiedersehen.– Kaufen mich mit, Massah; – ich noch stark – ich noch tüchtig arbeiten!«

»Schaff mir Ruhe,« donnerte Mr. Sanders Stimme von der Veranda herab.

Die Peitsche des Vogtes machte in der That bald die herzzerreißenden Klagen verstummen. Die Verschmähten wurden in ihre Hütten zurückgebracht, die Gekauften zusammengekoppelt und bis zur Abführung der Aufsicht der beiden Vögte Mr. Cleary's überlassen.

»Nun, Sir, die Mutter des Kindes?« erinnerte der Sklavenzüchter, als die Flasche geleert war und er seinen Hut zur Hand nahm.

»Ganz recht!« erwiederte Sanders. »Nun die will ich Ihnen billig lassen – William hole doch die schöne Kreolin einmal herauf;« fügte er, sich an den Vogt wendend, hinzu.

Der Vogt entfernte sich.

»Kommen Sie,« sagte Mr. Sanders, »wir werden die Mutter schon auf dem Hofe treffen.«

Sie schritten über den Baumplatz, wo die gekoppelten Neger lagen.

»Hier ist sie,« lachte Mr. Sanders zur Seite deutend und Cleary prallte fast zurück als sein Auge auf die Leiche der schönsten Kreolin fiel, deren Auge je der qualvollste Tod gebrochen.

Mehrere der Negerinnen knieten neben der Leiche und bedeckten sie mit Küssen und stießen ein Klagegeheul aus.

»Unser guter Geist, Unser Schutzengel ist todt,« jammerten sie, während eine der verkauften Sklavinnen dem verschmachtenden Kinde die kümmerliche Nahrung ihrer fast versiegten Brust reichte.

»Gleichviel,« sagte Mr. Cleary, sich von dem Anblick abwendend. »Ich nehme das Kind doch mit. Ich habe eine Niggerin, die ganz wohl zwei Kinder nähren kann.« – –

Als am Abend die Neger beschäftigt waren, die Leiche der Kreolin auf dem für die Neger bestimmten Begräbnißplatz an dem Saume des Waldes zu begraben, da trat plötzlich aus dem Walde ein schöner junger Mann hervor, von dunklem Teint, und schönem, schlankem Wuchs, der zum Theil von einem Mantel, der auf seinen Schultern hing verdeckt war. Sein schwarzes, ausdrucksvolles Auge ruhete eine Weile auf der Gruppe der Neger, die ihn nicht zu bemerken schienen und ihre Ceremonien nicht unterbrachen. Als aber sein Blick zufällig auf die Leiche fiel, welche sie soeben in den Sarg legten, da stürzte er plötzlich hervor, durchbrach den Kreis, den die Schwarzen um die Bahre schlossen, starrte einen Augenblick entsetzensbleich auf die Bahre und stürzte sich dann, einen Schrei ausstoßend, über dieselbe.

Mehrere Minuten lag er so regungslos. Niemand störte ihn, sondern gerührt traten die Andern einen Schritt zurück.

Endlich erhob sich der Jüngling.

»Sie starb in der Entbindung ...?« fragte er, sich an die Umstehenden wendend, mit bebender Stimme.

»Sie starb in der Entbindung,« antwortete ein alter Neger hervortretend. »Aber, Mr. Edward, sie wäre nicht gestorben, wäre das nicht gewesen –« er wendete die Leiche ein wenig zur Seite und deutete auf den von Peitschenhieben zerfleischten Rücken der Todten.

Edward fuhr empor. – Sein Auge rollte; seine Brauen zogen sich zusammen; seine Faust ballte sich – seine Lippen bewegten sich convulsivisch, aber sie brachten keinen Laut hervor – erst nach geraumer Zeit keuchte er dumpf das Wort: »Rache – Rache!«


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