Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Die Warnung

Es war allerdings Mr. Crofton's Wunsch gewesen, daß am nächsten Morgen nach der Begegnung im Garten des Wirthshauses zur »blauen Flagge« der Macdonald die Anker lichten möge, indessen war dieser sein Wunsch durch einen unvorhergesehenen Zufall vereitelt. Als er mit seinem Begleiter, dem Oberbootsmann, an Bord des Schiffes kam, ward er mit der Nachricht empfangen, daß der Capitain plötzlich bedenklich krank geworden sei, und daß von dem Schiffsarzt die Anordnung getroffen sei, ihn an's Land zu bringen. Der Schiffsarzt habe außerdem erklärt, daß seine Genesung, wenn sie überhaupt erfolge, sich sehr lange verzögern werde.

Mr. Crofton war darüber sehr verstimmt, traf aber sofort Anstalten, daß von Seiten der Admiralität dem »Macdonald« ein anderer Capitain gegeben werde. Schon am nächsten Morgen kam der Bescheid, daß der Capitain Broklyn die Stelle des erkrankten Capitains bekleiden und noch denselben Tage Nachmittags sich an Bord des 'Macdonald« begeben werde.

An dem Vormittage desselben Tages finden wir unter den Gästen, die ihren Morgentrank in der »blauen Flagge« einnahmen, wieder den Mann mit dem Pflaster auf dem Auge, den der Oberbootsmann gestern in seiner Entrüstung einen naseweisen Advokaten genannt hatte, und den der Leser später als den Capitain des Kaperschiffes, »Alabama« kennen lernte, er war wieder in Begleitung des blassen, schwärmerisch blickenden jungen Mannes, den er Mr. Armstrong genannt hatte. Ihnen gegenüber saß noch ein Dritter, ein junger Mann von einnehmenden Gesichtszügen. Sein braunes Auge blickte lebhaft unter den langen Wimpern hervor und verrieth eben so sehr den raschen Blick als Muth und Entschlossenheit, nichtsdestosweniger zeigte sich auf seiner hohen Stirn eine Wolke des Mißmuthes, ja fast der Niedergeschlagenheit. Er trug die kleidsame Uniform eines Schiffscapitains.

»Sie kennen also Ihre Aufgabe, Mr. Broklyn,« schloß Semmes das Gespräch, welches offenbar die Ursache der Mißstimmung des jungen Mannes gewesen war. »Sie müssen uns ohne Widerrede den Macdonald in die Hände führen. Machen Sie keinen Versuch, uns die Prise zu entziehen, bedenken Sie, daß Ehre, Ruf und Leben Ihres Vaters auf dem Spiele steht. Mr. Aron Levy ist im Stande zu beschwören, daß Ihr Vater seinem ehemaligen Compagnon Charles Powel die Summe von 100,000 Dollars unterschlagen hat und damit nach dem Süden gegangen ist; entsprechen Sie nun nicht den Erwartungen, die wir in Sie setzen, so wird die Auslieferung Ihres Vaters unverzüglich erfolgen. Bedenken Sie die Schmach für Ihren Vater und für Ihre Familie und für Sie.«

»Ich sehe ein,« sagte der Capitain in traurigem Tone, »daß Sie die Macht haben, mich nach Ihrem Willen zu lenken und zu einem Schurkenstreich zu zwingen; aber Sie werden zugeben, daß der Verlust der Selbstachtung, mit dem ich für die Schuld meines Vaters büße, eine Strafe ist, die mich mein Leben hindurch elend machen muß, und ein Zaudern wohl entschuldbar macht. – Ach, es ist nicht die Selbstachtung allein, die ich verliere – es ist auch ... Doch wozu klagen. Ich muß mich fügen, und ich füge mich.«

»Das genügt mir,« antwortete Semmes kalt. »Gehen Sie jetzt an Bord Ihres Schiffes, das wahrscheinlich heute noch in See gehen wird. Wir sind ebenfalls bereit und sollte Ihnen je der Gedanke in den Sinn kommen, uns auf Irrwege und in gefährliche Gewässer zu locken, um uns zu verderben, so täuschen Sie sich nicht, wir haben einen sehr erfahrenen Lootsen an Bord, der im Stande ist, Ihnen überall in diesen Gewässern zu folgen. – Adieu, wir haben jetzt keine Veranlassung, uns länger hier aufzuhalten und der Gefahr einer Entdeckung auszusetzen, sondern werden uns ohne Verzug an Bord der Alabama begeben.«

Der Abschied war von beiden Seiten gleich kalt. – Semmes begab sich mit seinem Gefährten nach der Bucht, wo wie gestern Abend ihn das Boot bereits wieder erwartete, der Capitain Broklyn aber eilte den Hügel auf der entgegengesetzten Seite hinab, gerade auf einen Park zu, welcher eine prächtige Villa umgab.

»Ist dies die Villa des Mr. Crofton?« fragte er einen Vorübergehenden, und als die Frage bejaht wurde, trat er zwar entschlossen, aber doch mit einer gewissen Befangenheit in den Park ein.

Auf einem freien Platze desselben sah er eine ältliche Dame ·mit einer jüngern auf und abgehen.«

»Da sind sie,« sagte er für sich. »Es ist Miß Lavinia mit ihrer Tante. – O Himmel, wie schön, wie lieblich ist sie, und sie ist für mich verloren, denn ich stehe auf dem Fuße zum Verräther an ihr wie an ihrem Vater zu werden. – Aber ich will sie warnen. Muß ich auch ihr Vermögen ruiniren, ihre Person will ich schützen« –

Er nahm an einem der Tische Platz, die in dem Gange standen, den die beiden Damen entlang kommen mußten, von wo aus man zugleich eine herrliche Aussicht auf den Hafen hatte.

Die beiden Damen waren in sehr angelegentlichem Gespräch begriffen. Die Aeltere war eine Dame in den Funfzigern. Ihr Gesicht machte keineswegs einen üblen Eindruck, doch war ihr Geberdenspiel affectirt und ihr Benehmen das einer Gönnerin, die sich ihrer Vorzüge und Ueberlegenheit wohl bewußt ist.

Die Jüngere war ein Mädchen von etwa 19 Jahren. Capitain Broklyn hatte nicht übertrieben, wenn er sie »engelschön« nannte. Wie eine Fülle glänzend schwarzer Seide wallten ihre Locken um die blendend weißen Schultern, die sich unter dem dunklen Haar wie Alabaster zwischen Ebenholz ausnahmen, ihre kleine weiße Hand zerpflückte eine Blume, welche sie sinnend betrachtete. Unter der schwarzen Lockenfülle, welche den Scheitel umspielte, trat eine makellose Stirn hervor, deren Lilienweiße durch zwei dunkle, zarte Bogen gehoben wurde, die eine Künstlerhand gemalt zu haben schien. Die gesenkten Augenlider mit den langen Seidenwimpern verbargen des Mädchens Auge, das schwermüthig auf die Blume geheftet war.

Die beiden Damen nahmen aus einer Bank ganz in der Nähe des Capitains Platz, so daß er jedes Wort ihrer Unterhaltung verstehen konnte.

»Ich begreife Dich nicht, Lavinia,« sagte die ältere Dame mit großer Geschwätzigkeit, »daß Du Dich noch immer vor der Reise fürchtest. Was hast Du denn nur für Gründe?«

»Ich weiß nicht Tante, aber mir ahnt, daß uns irgend ein Unglück bevorsteht.«

»Du hast mich schon fast angesteckt mit Deiner Furcht, Lavinia, und wenn ich mich nur im mindesten überzeugen könnte, daß eine Gefahr nahe sei, so würde ich nicht darauf dringen, diese Reise mitzumachen, so sehr es mein Bruder, Dein Vater auch wünscht. – So sage doch nur, was ist es denn, das Du fürchtest?«

»Sollten wir nicht dasselbe Unglück haben können, das Eugene mit seinem Schiffe hatte?« entgegnete Lavinia. »Ach!« setzte sie seufzend hinzu, »wer weiß, was aus ihm geworden ist. Keine Nachricht anders als die, daß sein Schiff von der Alabama gekapert wurde! Wo ist er? – Was ist aus ihm geworden?«

»Der arme Eugene! Ja, ja, da hast Du recht, Lavinia, daß Du ihn beklagst, aber die Furcht, daß das berüchtigte Raubschiff auch uns in den Weg kommen könnte, ist unbegründet. Wie mein Bruder mir sagte, weiß man zuverlässig, daß die Alabama gegenwärtig in den chinesischen Gewässern kreuzt. – Und wenn das auch nicht wäre, so haben wir doch nicht so viel von dem Kaper zu befürchten, denn der Macdonald nimmt es an Schnelligkeit mit jedem andern Schiff auf, wie mein Bruder versichert, und wie ich selbst sehr wohl einsehe; denn Du weißt, ich verstehe mich auf Schiffe. – Ach, als mein Seliger noch lebte« – hier fuhr sie mit dem Taschentuch über die Augen – »da haben wir so oft an diesem Platz gesessen, und er erklärte mir dann die Ausdrücke der Seeleute und erklärte mir die Vorzüge und Fehler an jedem Schiff im Hafen – Oh, die Frau eines Schiffscapitains muß es sich zur Ehrensache machen, in dem Beruf ihres Mannes Kenntniß zu erlangen. Mein armer Mann, daß er in dem Sturm bei Calcutta untergehen mußte – ohne noch zu erleben, daß sein Bruder sich emporschwang zur Würde eines Präsidenten der Vereinigten Staaten.«

So strömte der Fluß der Rede von den Lippen der Wittwe als ob er nie versiegen werde, und wer weiß, ob sie ihrer Beredtsamkeit sobald Einhalt gethan hätte, wenn nicht die schöne Tochter Croftons sie mit der Frage unterbrochen hätte:

»Weißt Du aber auch gewiß, liebe Taute, daß der Macdonald die Vorzüge hat, von denen Du sprichst?«

»Oh, liebes Kind,« erwiderte sie, stolz den Kopf emporgerichtet, »das Urtheil der Wittwe des Capitain Lincoln sollte Dir doch maßgebend sein.«

Das Urtheil der Wittwe des Capitain Lincoln schien aber dem jungen Mädchen nicht maßgebend zu sein, denn sie beugte sich zu ihrer Tante und flüsterte: –

»Dort sitzt ein Seemann, der könnte uns vielleicht eher aus der Ungewißheit helfen, ob es gerathen ist, gerade jetzt und gerade mit dem Macdonald zu fahren.«

Die alte Dame that zwar ein wenig beleidigt, daß Lavinia noch eine andere Autorität beanspruchte, als die ihrige, indessen liebte sie ihre Nichte doch zu sehr, um ihrem Wunsch nicht zu willfahren. Sie wandte sich deshalb an den jungen Capitain, dem kein Wort ihrer Unterhaltung entgangen war:

»Nicht wahr, Sir, ein vorzügliches Schiff, das dort gerade vor uns liegt neben der holländischen Bark?«

»Sie meinen die Brigg dort mit dem rothen Wimpel?«

»Ganz recht – kennen Sie das Schiff?«

»Ich sehe es zum ersten Mal, denn ich bin fremd hier – allein wenn Ihre Lobpreisungen diesem Schiffe galten, so kann ich mit Ihnen nicht übereinstimmen, trotz aller Hochachtung, die ich vor Ihrer Kenntniß vom Seewesen hege.«

Diese Bemerkung schmeichelte der alten Dame nicht wenig, und war sehr geeignet, dem jungen Mann ihr Vertrauen zuzuwenden, doch war sie überrascht, auf Widerspruch zu stoßen.

»Entdecken Sie denn Fehler an dem Schiff?« fragte sie besorgt.

»Oh, sehr viele, Ma'am,« war die Antwort.

»Hätten Sie wohl die Güte, Sir, diese Ihre überraschende und für uns so wichtige Behauptung zu beweisen?«

»Recht gern, Ma'am,« antwortete er, wobei er sich bemühte, ein schalkhaftes Lächeln zu unterdrücken. »Die Sache ist einfach: Sehen Sie, der Bug ist zu stumpf, die Wanten sind abgeflacht, der Spiegel fällt zu scharf ab, die Raaen sind nicht richtig in der Waage und die Klüwer nehmen den Wind falsch – es ist wirklich Gefahr, daß sich bei dem Schiffe vor dem Wind das Hinterste zu vorderst kehrt.«

So ungereimt und sinnlos diese Auseinandersetzung auch war, so hatte der junge Mann doch ganz richtig vorausgesehen, daß sie auf die »schiffskundige« Capitainswittwe ihren Eindruck nicht verfehlen würde, obgleich sie kein Sterbenswörtchen davon verstand.

»Ah, das ist wahr,« sagte sie. »Diese Fehler waren mir im Augenblick entgangen. – Also halten Sie es für unsicher, mit dem Schiffe zu fahren?«

»Für sehr unsicher, Ma'am, denn sehen Sie – Sie wissen doch ohne Zweifel, daß das Bugspriet ein sehr wichtiger Theil des Schiffes ist. –

»Ah, versteht sich, weiß ich das, mein Seliger hat es mir oft gesagt.«

»Nun, also sehen Sie, das Bugspriet bei dem Schiffe, das hat ja eine ganz falsche Neigung und wird lediglich getragen durch die Wuhlingen.«

»Ja richtig; – wie mir das nur hat entgehen können!«

»Und die Takelage, Ma'am, steht in gar keiner Proportion zu den Raaen.«

»Ei, ei, liebe Lavinia, ich sehe wohl, daß ich in den Jahren, da mein Seliger, der Capitain Lincoln, todt ist, sehr Vieles vergessen habe. – Sie haben recht, Sir, ich sehe das Alles jetzt ein, und ich bedaure, meiner lieben Nichte gegenüber dem Schiffe ein ganz ungerechtfertigtes Lob gespendet zu haben. Nun, ich bin auch nicht so eitel, um meine Ansicht nicht einem so gründlich gebildeten Seemann gegenüber, wie Sie es sind, zurückzunehmen.«

Mr. Broklyn hatte nicht bemerkt, daß in seiner Nähe hinter seinem Rücken ein Mann sich niedergelassen hatte, dem man auf Kanonenschußweite schon den Seemann ansehen mußte. Er war ein untersetzter, starkknochiger alter Mann mit dickem verwittertem Gesicht. Er trug eine Matrosenjacke und einen Hut, den die Matrosen mit dem Namen Südwester zu bezeichnen pflegen. Unter seinen dicken struppigen Brauen aber blitzten zwei graue Augen so verschmitzt hervor, und der Blick, mit dem er den Capitain von hinten musterte, war so scharf, daß man von der derben Biederkeit, die man in den Gesichtern der meisten alten Seefahrer findet, bei ihm wenig erblicken konnte.

Mrs. Lincoln bemerkte ihn zuerst, und in ihrer Vorliebe für Alles, was nach Schifffahrt aussah, zögerte sie nicht, ihn in die Unterhaltung zu ziehen.

»Nicht wahr, Sir, Sie sind auch der Ansicht dieses jungen Herren über das Schiff dort?«

Der Capitain wandte sich unangenehm überrascht nach dem Angeredeten um und begegnete dem verschmitzten Lächeln des alten Matrosen.«

Dieser schüttelte aus die Frage der Dame langsam den Kopf und sagte mit Bestimmtheit:

»Jenes Schiff dort ist so gut gebaut und so seetüchtig wie eines im Hafen.«

»Ei das ist merkwürdig,« sagte Mrs. Lincoln, »daß zwei Seeleute in ihren Ansichten über ein Schiff so abweichen. – Aber dieser junger Herr hat wenigstens seine Ansichten durch Beweise unterstützt, und ich glaube daher entschieden, daß er Recht hat.«

»Ma'am, das Schiff da ist ein solches, daß es für jeden Seemann eine Ehre sein muß, darauf zu dienen,« versetzte der Alte. »Ich muß das wissen, denn ich habe dreißig Jahr lang die See befahren, und bin erst seit sechs Jahren in den Ruhestand getreten.«

»Ah, dann ist die Ansicht auch erklärlich,« fiel der Capitain ein. »Sie müssen wissen, Mrs. Lincoln, daß seit sechs Jahren in der Schiffsbaukunst ungeheure Fortschritte gemacht sind. Ich kann deshalb nur bei meinem Urtheil stehen bleiben und die Fahrt mit jener Brigg für sehr unsicher erklären.«

»Ich bin durchaus Ihrer Ansicht, Sir,« sagte die alte Dame. »Sie haben mir die Fehler des Schiffes so klar auseinandergesetzt, daß es Thorheit wäre, sie nicht einzusehen.«

Der Capitain wars dem Alten einen triumphirenden Blick zu.

Mrs. Lincoln fuhr fort:

»Ich weiß von meinem Seligen, dem Capitain Lincoln, wie wichtig die richtige Bauart des Bug's, der Wanten und des Spiegels ist; das scheinen Sie zu übersehen, Alter.«

»Sie sind die Wittwe des Capitains Lincoln?« rief der Angeredete mit wahrem Enthusiasmus. – »Ah, dieser herrliche Mann, dieser gediegene Seemann, wie die Union keinen zweiten hatte, – Du lieber Himmel, nun ist er schon 6 Jahre todt. ...«

Er fuhr sich zwar mehrmals mit dem Aermel seiner dicken Jacke über die Augen, aber Broklyn merkte recht gut, daß dies Manöver nicht den Zweck haben konnte, Thränen abzuwischen, denn verstohlen schielte er mit schlauem Grinsen auf die Wittwe.

»Also Sie kannten meinen Mann, Alter?« sagte diese theilnahmvoll.

»Ob ich ihn kannte! – Zwanzig Jahre habe ich unter ihm gedient – und er muß Ihnen ja wohl erzählt haben, von seinem Beischiffsführer, seinem alten Tom Blunt; denn er kannte Jeden und war wie ein Vater zu Jedem.«

Die Capitainswittwe war durch diese Aeußerungen so gerührt, daß sie in Thränen ausbrach, der alte Seemann aber war durch diese Wendung in ihrem Ansehen um das Zehnfache gestiegen. Als sie die Gemüthsbewegung ein wenig niedergekämpft hatte, wandte sie sich von Neuem an ihn:

»Also Sie haben unter meinem seligen Gemahl gedient, ja ich erinnere mich – ich glaube, er nannte mir Ihren Namen, Blunt. – Da Sie unter meinem seligen Gemahl gedient haben, können Sie mir gewiß sagen, ob das Schiff da seinen Beifall gefunden hätte, und ob er das Schiff für sicher gehalten.«

»Hätte er statt der Barke, die er bei Calcutta führte, diese Brigg da gehabt, er wäre nicht untergegangen,« erwiderte der Alte, – wobei er nunmehr dem Capitain einen triumphirenden Blick zuwarf, als wollte er sagen: »Siehst Du? Ich bin doch schlauer als Du, und habe es fertig gebracht, Dich aus dem Felde zu schlagen.«

Der Capitain biß sich in die Lippen. Indessen war seine Niederlage noch nicht vollständig, vielmehr kämpfte die alte Dame noch mit sich selbst, ob sie die von ihm angeregten Bedenken so leicht sollte fahren lassen. Sie wandte sich deshalb mit der Frage an den Alten:

»Was meinen Sie aber zu dem Bugspriet? – Mein seliger Gemahl pflegte großes Gewicht auf das Bugspriet zu legen.

»Genau so wie jenes Bugspriet muß es sein.«

»Allein durch die Wuhlingen gehalten?«

»Ganz allein durch die Wuhlingen.«

»Aber die Takelage des Schiffes – was sagen Sie darüber?«

»Genau so pflegte er seine Schiffe auftakeln zu lassen.«

Das war maßgebend. Mit einem geringschätzenden Blicke wandte sie sich an den Capitain:

»Mein Herr, Sie sehen wohl ein, daß Sie in Ihrem Urtheil etwas zu voreilig gewesen sind. Dieser alte Seemann hat mehr Erfahrung wie Sie und, was die Hauptsache ist, er hat diese Erfahrung unter meinem Gemahl gesammelt. Sie können sich deshalb nicht wundern, wenn wir Ihre Warnung, nicht mit dem Schiffe zu reisen, nicht weiter beachten. – Lavinia, mein Kind« –. wandte sie sich an diese– »es ist Zeit, daß wir hineingehen um uns demnächst an Bord des Schiffes zu begeben. – Adieu, meine Herren!«

Damit verschwand sie, und das engelschöne Mädchen mit ihr.

, »So kann ich sie nicht retten!« murmelte der Capitain und warf einen Blick des Hasses auf den Mann, der seinen so schlau angelegten Plan durchkreuzt hatte. Der Alte war so zwanglos auf den Unsinn eingegangen, den Broklyn über das Schiff gesprochen, daß anzunehmen war, er sei entweder ein Dummkopf und verstehe davon so wenig wie die Wittwe des Capitain Lincoln, oder er sei ein Schlaukopf und habe die Absicht Broklyn's durchschaut.

Ein Blick in seine verschmitzten Augen genügte, ihn zu überzeugen, daß das Letztere der Fall war.

»Ich will noch einen Versuch machen,« dachte der Capitain. »Vielleicht gelingt es mir so, die Einschiffung der Damen zu hintertreiben.«

Er wandte sich nach dem Alten um, der seinem Blick mit frohlockendem Lächeln begegnete.

»Sie haben mir da die Windseite abgewonnen, Alter,« sagte er, einen jovialen Ton anschlagend. – »Aber wohlgemerkt nicht auf offenem Fahrwasser.«

»Hm,« brummte der Angeredete. »Ich bin Ihnen nur in die trüben Gewässer gefolgt, durch welche Sie Ihren Cours lenkten.«

»Gleichviel. Ich bekenne mich geschlagen, aber ich biete Ihnen einen Vergleich an.«

»Lassen Sie hören.«

»Hier, nehmen Sie dies 20 Dollarstück.«

»Gut, und was dann?«

»Sie haben bemerkt, daß mir daran liegt, daß die Damen nicht an Bord des Macdonald gehen.«

»Ich müßte ein schlechter Seemann sein, wenn ich diesen Wind nicht hätte blasen hören.«

»Nun – wenn Sie dadurch, daß Sie Ihre vorigen Behauptungen über das Schiff widerrufen – die Damen bewegen, von der Reise abzustehen, so sollen außer diesen 20 Dollars nach ander 20 ihr Lohn sein.«

»Das läßt sich hören.«

»Die Damen kommen diesen Weg zurück. Die Wittwe des Capitains giebt etwas auf Ihr Urtheil, wenn Sie also Ihre vorigen Behauptungen umstoßen und die meinigen acceptiren, so wird sie nicht an Bord gehen.«

»Das scheint mir glaubhaft.«

»Wollen Sie Ihr Möglichstes thun, um sich auch die andern 20 Dollars zu verdienen?«

»Abgemacht – ich warte hier.«

Der Capitain verließ den Park, um sich in ein Boot zu begeben, das ihn an Bord des Macdonald bringen sollte, zu dessen Capitain er designirt war. Als er über den Hafenplatz hinwegging, holte er zwei Männer ein, die eine Strecke vor ihm gingen. Das wenige, was er von ihrem Gespräch hörte, war derart, daß es ihn aufs Höchste interessirte.

»Ich habe gestern Abend zwei Stunden lang in der »Blauen Flagge« auf die Leute gewartet, Mr. Levy,« sagte der Eine. Es hat mich Niemand mit dem Losungswort angeredet, und als ich versuchsweise, Einen, der mir der Richtige zu sein schien, anredete, erhielt ich statt der Antwort eine Fluth von Grobheiten.«

»Das ist mir unbegreiflich, Mr. Evans,« antwortete der Andere. »Gehen Sie nur heute Nachmittag oder heute Abend wieder dorthin, vielleicht, daß heute Jemand Sie dort erwartet. Wenn nicht, so nehmen Sie, wenn es Nacht ist ein Lootsenboot und begeben Sie sich ohne Weiteres an Bord der Alabama.«

»Die Alabama hat also noch keinen Lootsen,« dachte Broklyn. »Gut, daß ich das weiß. In dem Falle, Semmes, soll Dir die Verfolgung meines Schiffes übel bekommen.«


 << zurück weiter >>