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Der Toilettentisch schimmerte und gleißte wie der Hauptaltar von Notre Dame des Victoires, und vor ihm saß Venus in einem geschürzten Morgenrock in Schwarz und Heliotrop. Der Coiffeur Cosmé bemühte sich um ihr duftendes Haar und schuf mit winzigkleinen silbernen Zangen, erwärmt von den Liebkosungen der Flamme, reizend witzige Löckchen, die leicht wie ein Hauch über Stirn und Brauen atmeten, wie Ranken über den Nacken fielen. Pappelarde, Blanchemains und Loreyne, ihre drei Lieblingszofen, warteten ihr auf mit Puder und Parfüm in schlanken Kristallen und zerbrechlich-dünnen Riechkugeln und hielten in Töpfchen aus Porzellan Schminken – nur Chateline kann solche bereiten –, zärtlich delikate Schminken für diese Wangen und diese Lippen, ein wenig blaß geworden in den Ängsten und Nöten des Exils. Claude, Clair und Sarrasine, ihre drei Lieblingspagen standen liebeerfüllt daneben und hielten ein Präsentierbrett mit den Pantoffeln, Fächer und Linnen. Minette aber trug auf den flachgestreckten Händen das göttliche Handschuhpaar, und La Popelinière, die Oberwärterin der Garderobe, stand mit dem Kleide in Goldgelb bereit. La Zambinella brachte die Juwelen, Florizel die Blumen, Amadour ein Kästchen mit Nadeln und Gestecken, Vadius eine Bonbonnière mit Süßigkeiten aller Art. Die Tauben, ihre immer aufwartenden Tauben trippelten durch den Raum, den Jean Baptiste Dorat mit galanten Tapeten dekoriert hatte. Ein paar Zwerge und andere zweifelhafte Geschöpfe hockten hier und da, streckten die Zunge heraus, kniffen sich ins Fleisch und benahmen sich auch sonst abscheulich. Wofür ihnen Venus zuweilen ein kleines Lächeln schenkte. Als die Toilette so weit war, trat Priapusa, die dicke Maniküre und Meisterin in der Kunst des Schminkens ein, nahm ihren Platz an der Seite des Toilettentisches und begrüßte Venus mit einem vertraulichen Kopfnicken Sie trug ein Kleid aus weißem Moiré garniert mit Goldspitze, und um den Hals ein zinnoberrotes Samtband. Das Haar hatte sie in flachen Bandeaus über die Ohren gedrückt und am Hinterkopf zu einem mächtigen Chignon gesteckt, darüber ein breitkrempiger Hut schwebte, mit rosa Musselin und roten Rosen ausgeputzt.
Fett salbungsvoll klang Priapusas Organ. Widerliche kleine Gesten machten ihre kurzen Hände, seltsam bewegte die Schultern Kurzatmigkeit, einer faltigen Schnürbrust entweichend. Die Haut gegerbtes Laster, die großen Augen wie aus Horn, die Nase eines Papageis, der kleine Mund schlampig verwischt, in breite Hängebacken vergraben, und Kinn quellend auf Kinn – so war die kluge Person, von Venus mehr geliebt als ihr ganzer übriger Hofstaat, was sich in hundert Kosenamen ausdrückte, die sie ihr gab, wie: Liebeskröte, Kikhühnchen, Rothähnchen, Schönliebchen, Prüfstein, Hustentröpflein, Bijou, Knöpfchen, Herzblättchen, Graukehlchen, Madame Mann, Kleinschleckchen, Schlimm-Schlimm, Milchschweinchen.
Das übliche Gespräch zwischen Priapusa und ihrer Herrin war in dem vortrefflichen, unter alten Freunden üblichen Tone, wobei man sich in kürzesten Sätzen verständigt und für Einfachstes nur ein pointiertes Wort braucht. Selbstverständlich besprach man ein bißchen den eben neu eingetroffenen Tannhäuser, den Venus noch nicht gesehen hatte, weshalb die Göttin einige in ihrer Sachlichkeit reizende Fragen über ihn stellte. Priapusa erzählte von seiner plötzlichen Ankunft, seiner überraschenden Promenade durch den Park und vor seiner mäßigen Zufriedenheit über alles da Gesehene, von seiner plötzlichen Begeisterung über ein schlankes Mädchen auf der ersten Terrasse, von dei Menge von Gehröcken, die sich um ihn gesammelt hatten und ihn mit Rosen bewarfen, von der Grazie, wie er sich dagegen mit seinem kurzen Mantel verteidigt hatte, und von der spaßigen Reverenz, die er der Statue des Gartengottes damit erwies, daß er dem Priapus mit der frommen Ehrfurcht eines Pilgers einen Kuß gab. Im Augenblicke befinde sich Tannhäuser, köstlich genießend, bei den Bädern.
Priapusas amtlicher Bericht und die Coiffüre beendeten sich zu gleicher Zeit.
»Cosmé,« sagte Venus, »du bist sehr lieb und sehr geistreich gewesen und hast dich heute abend selbst übertroffen.«
»Madame schmeicheln mir,« dienerte das ältliche Wesen mädchenhaft kichernd unter seiner Maske aus schwarzem Atlas. »Manchmal, Madame, möchte ich mich schon für ganz unbegabt halten, aber heute abend kann ich ein Gefühl eitler Zufriedenheit nicht verleugnen.«
Einen Bericht von der nun anhebenden Malung ihres Gesichtes zu geben, würde mir so große Mühe machen, darum genüge die Mitteilung, daß das schwierige Werk grandios und ohne jeden die Täuschung störenden Fehler gelang.
Venus entglitt ihrem Morgenkleide und stand Zum-davor-hinknien hoch und schlank mit ihren Füßen in einem Neste von Spitzen und Volants. Nacken und Schultern zogen wundervolle Linien und die maliziösen Brüstchen betörten mit jener Anmut, die ganz zu erfassen nie erlaubt, an der bis zum letzten sich zu erfreuen nie gestattet werden darf. In köstlicher Gliederung flossen Arme und Hände und ragten die göttlich langen Beine von der Hüfte zum Knie zweiundzwanzig Zoll und zweiundzwanzig Zoll vom Knie zur Ferse, wie es einer Göttin zukommt. Gern möchte ich eingehender über sie erzählen, denn Details spielen in der Beschreibung eine nicht geringe Rolle. Doch fürchte ich, hier und wieder da nötiges Schweigen ließe so viele Lücken in dem Bilde, daß ich es lieber unbegonnen als unvollendet lassen möchte. Wer Venus nur im Vatikan, im Louvre, in den Uffizien oder dem British Museum gesehen hat, weiß nicht, wie sehr schön sie wirklich aussah.
Priapusa wurde vom Anblick der süßen Person ganz lyrisch und pickte sich gewissermaßen Küsse von den göttlichen Armen.
»Zünglein, du mußt dich endlich benehmen lernen,« wehrte Venus ab und befahl Millamant, ihr die Pantoffeln zu geben.
Das Präsentierbrett war beladen mit ganz köstlichen und entzückend geformten Pantoffeln, hinreichend, das Museum Cluny zu einer Stätte aller Ausgelassenheit zu machen. Es gab da Schuhe in grau und schwarzem, in schwarz und gelbem schwedischen Leder, in weißer Seide, in rosafarbnem Atlas, in Samt, in dünnem Florentiner Sarcenet; da waren welche seegrün mit kirschblütenfarbner Seide genäht, andere rot mit Weidenzweigen und graue mit fliegenden Vögeln bestickt. Absätze gab es aus Silber, aus Elfenbein, auch aus Gold; Schnallen aus edlen Steinen, zusammengestellt in mystischen Devisen; Bänder und Schleifen seltsam verknüpft und verflochten; Knöpfe so herrlich, daß ihre Knopflöcher kein Vergnügen empfinden konnten, bevor sie sich nicht um sie geschlossen; Sohlen aus weichstem Leder, rosenduftend, Futter aus zarten Stoffen, mit einem Blumensaft parfümiert. Aber Venus fand an keinem Paare dieser Schuhe Geschmack und befahl ein schon einmal getragenes, abgelegtes Paar aus blutrotem Maroquin, mit Perlenblumen bestickt. Sie standen ihr zu den weißen Seidenstrümpfen ganz vorzüglich. Wie immer erhaschte sich, als man das Präsentierbrett wegtrug, der von Launen bestimmte Florizel einen der Pantoffel, stülpte ihn über sein Glied und bewegte sich entsprechend. Das war so Florizels verliebte Laune. Inzwischen trat La Popelinière mit dem Kleide heran. Aber »ich will heut nacht kein Kleid anziehen,« sagte Venus und streifte sich die Handschuhe über.
Die Toilette war beendet und die Tauben umflatterten und umgurrten die Füße der Göttin, da sie es liebten, mit ihren Flügeln die Knöchel zu streifen. Die Zwerge klatschten in die Hände, steckten zwei Finger zwischen die Lippen und pfiffen. Nie zuvor war auch Venus so strahlend gewesen, nie so bezwingend schön. Spiridion sah in der Ecke auf von seinem Geduldspiele und bebte. Ganz blaß vor Lust streichelten Claude und Clair die Göttin, zogen mit zitternden Lippen Fältchen in ihre Seidenstrümpfe, um sie wieder mit ihren schlanken Fingern zu glätten. Sarrasine löste die Strumpfbänder, küßte ihre Innenseite, legte sie wieder an, preßte seine Lippen auf ihre Schenkel. Die Zwerge wurden, Ihr könnt mir's glauben, ganz frech, und es gab beinahe ein Mêlée. Sie mimten einfach Seite 72 und 73 des Wörterbuches von Delvau. Da verkündete Prantzmungel, daß das Souper auf der fünften Terrasse serviert sei. »Endlich!« rief Venus, »ich sterbe vor Hunger!«