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Lukull war ohne Frage ein genialer Feldherr; aber er wurde durch einen andern in den Schatten gestellt; das ist Pompejus, der sich den Großen nannte; Pompejus Magnus. In ihm zeigt sich uns der letzte erfolgreiche Generalissimus Roms, der sich mit Krieg und Sieg begnügte, ohne den Verfassungsbruch zu wollen und nach der Königsbinde zu streben. Im Kampf mit ihm gründet Cäsar die erste Monarchie.
In Pompejus steht wieder einmal ein großer Typ und ein ganz neuer Typ vor uns: ein Soldat, der nichts als Soldat ist, dem schon als Knabe das Herz lacht, wenn er Waffenlärm hört, der jahrzehntelang in den Wogen des Krieges schwimmt wie der Delphin im Meer, mit dem Trieb zum Großartigen und zum Ruhm; der alles aus dem Vollen schöpft, weitblickend immer nur mit großen Mitteln arbeitet und von vornherein den Beruf in sich fühlt, zu führen. Das alles ist großstilig römisch; aber mehr als römisch ist, daß er die harte Grausamkeit Sullas von sich wirft und ein Kraftmensch voll Milde und Freundlichkeit ist, gewohnt, wo er sich zeigt, ohne viel Worte zu überreden. Das war die Gabe, die dem Lukull abging: Pompejus hat von vornherein seine Umgebung beherrscht. Denn er fühlte sich ihr überlegen. Ein märchenhafter Goldschimmer hängte sich schon um seine Jugend. Seine Begabung war begrenzt und vielleicht im Grunde nicht glänzender als die des Marius. Mut und Unternehmungslust, Umsicht und Sorgsamkeit zeichnen ihn aus. Ein stolzes Selbstgefühl gab seinem Auftreten Wucht und Nachdruck. Ihm fehlte der zündende Funke der Genialität und die Begabung des Staatsmannes, die Ideenfülle des epochemachenden Neuerers. Aber er war liebenswert, und wenige sind so geliebt worden wie er.
Wer Menschen kennen lernen will, muß sie in ihrer Jugend aufsuchen und nachsehen, wo ihre Wurzeln stecken. Wir denken an Sulla zurück und an das Jahr 83. Sulla war eben im Begriff, Rom zum zweiten Mal zu erobern. Aber sein Erfolg war noch unsicher. Da erhebt sich ein junger Mensch im Studentenalter: 111 es war in der Landschaft Picenum, die nicht allzu fern von Rom, jenseits des Apennin und des Gran Sasso liegt, bei der Stadt Ascoli am kleinen Fluß Tronto: da beginnt der junge Mensch aus eigener Tasche (denn sein Vater ist tot) Truppen anzuwerben, Offiziere und Unteroffiziere zu ernennen; man ahnt nicht, zu welchem Zweck. Dann fing er an, für Sulla zu kämpfen und dreinzuschlagen; in einem Reitergefecht haut er einen Gallier vom Pferde. Sulla selbst kennt ihn gar nicht, weiß nichts von seinen Veranstaltungen und muß den noch so grünen, weichwangigen Condottiere als ebenbürtigen Verbündeten anerkennen; er begrüßt ihn als »Imperator«. Das war Gnäus Pompejus; einen Zunamen führte er damals noch nicht.
Und so ging es dann weiter. Pompejus liebte es, mit einigen Regimentern hinter sich durch die Welt spazieren zu gehen, wie der Jäger mit seinem Hund. Er war im September 106 geboren, und schon 16jährig, im Alter des Sekundaners, hatte er unter seines Vaters Befehl im Bundesgenossenkrieg im Felde gestanden. Da war der Junge bei den Soldaten so beliebt, daß sie in Angst um ihn gerieten, als er sich eine Zeitlang verborgen hielt, und den Feldherrn Cinna, den hohen Konsular, erschlugen, lediglich deshalb, weil sie glaubten, er habe den jungen Pompejus töten lassen.
Man sieht: Pompejus war von Erziehung kein Städter; er war ein Kind des Feldlagers. Er wußte von bürgerlichen Dingen wenig. Wie die Knaben am frohsten sind, wenn sie Soldat spielen, so auch er. Aber das Spiel wurde bei ihm Ernst, und die Liebe der Truppe gewöhnte ihn an den Gedanken, daß man sich ihm unterzuordnen habe.
Warum ergriff er Sullas Partei? Marius war damals schon tot und Sulla der einzige erhebliche Mann, der einem Pompejus imponieren konnte. Vor allem war schon sein Vater, Pompejus Strabo, Sullas eifriger Anhänger gewesen, und dieser Pompejus, der Vater, war deshalb beim Volk in Rom verhaßt. Es schien eine gerechte Todesart, daß ihn der Blitz 114 erschlug. Seine Leiche wurde öffentlich ausgestellt; aber das Volk riß die Leiche von der Bahre und entstellte sie. Daß hiernach der Sohn, der unfertige Mensch, zunächst die Parteistellung seines Vaters einnahm, bedarf keiner Erklärung.
Sulla suchte den jungen Degen sogleich durch Heirat noch näher an sich zu fesseln. Es war eine rohe Machenschaft, ganz in der Manier des Tyrannen: Sullas Stieftochter Ämilia, die eine verheiratete Frau war und eben ein Kind erwartete, trennte er gewaltsam von ihrem Gatten und gab sie dem Pompejus ins Haus. Die Unglückliche starb kurz darauf in Schmerz und Jammer.Pompejus selbst mußte damals seine erste Gattin Antistia verstoßen.
Nun galt es, den Pompejus zu beschäftigen. Denn Sulla hatte keine Lust, Rom zu verlassen, und es herrschte noch viel Unordnung und Revolten. Pompejus ging wie ein Kehrbesen durchs Reich und reinigte die Provinzen von allen aufrührerischen Elementen. Was wäre die Welt, die Sulla zurückließ, ohne diesen behenden Kehrbesen gewesen?Mit des Pompejus Hilfe, opibus, herrschte Sulla als König: Cic. Philipp. 5, 43 f.
Die Erfolge waren rasch, leicht und sicher, und es bildete sich sofort ein huldigender Kreis um ihn. Der Südländer, auch der Italiener, liebt es, zu bewundern, einen Helden zu haben, den er vergöttern kann, und Pompejus war eben ein schöner, eleganter, ritterlicher Mensch, von fürstlicher Haltung, von geradem Sinn und freundlichem Blick und eben durch seine Schlichtheit faszinierend; als Seemann ebenso tüchtig wie als Reiter. Im Sprung und Wettlauf, auch im Lastenheben mit Hilfe des Hebebaums maß er sich mit jedem, der wollte; solange er jung, hatte er den Typus Alexanders des Großen, prächtig anzusehen; das Haar stand ihm in steiler Böschung über der Stirn; aber ihm fehlte vollständig alles Vulkanische, das Weltumstürzende im Wesen Alexanders. Er unterschied sich von Alexander wie der Jagdfalke vom Adler; d. h. er ging nicht auf eigenen Raub aus. Sein Teint war zart, und eine Röte flog ihm übers Gesicht, wenn er vor vielen reden sollte. Er hatte etwas Wonniges in seinem Wesen. Von einem Weibe wird uns die Wonne seines 115 Kusses geschildert; und zwar war es wieder einmal eine Dame der Halbwelt, mit dem poetischen Namen Flora, der Pompejus, der sonst so keusche Manncastus, Cic. ad Att. II, 6, 5., für kurze Zeit nahe trat und die hernach vor Sehnsucht nach ihm erkrankte und von der Erinnerung an ihn zehrte. Diese Flora stand übrigens in solchem Ansehen in der Gesellschaft, daß man ihr Porträt im Castorentempel als Schmuck aufstellte; denn sie galt als eine der ersten Schönheiten.
So war Pompejus der geliebteste Sohn eines verhaßten Vaters.
Sulla schickte ihn nach Sizilien; da spielte er in einigen Fällen in Sullas Namen den Scharfrichter; im ganzen aber schonte er Menschenleben, wo er konnte.
Auch in Afrika standen Gegner Sullas, Reste der Marianischen Partei. Da zeigte Pompejus seine gute Laune. Als er in die Gegend Karthagos kam, marschierten seine Soldaten nicht; sie glaubten, in der Nähe dieser Ruinenstätte lägen gewaltige Schätze, und fingen an zu graben, wohl eine Woche lang, ein Ameisengewimmel; Pompejus lachte dazu, bis die Leute müde waren. Gefunden wurde nichts. Trotzdem bezwang er den dortigen Feind, Domitius Ahenobarbus, in vierzig Tagen, indem er auch tief in Numidien (Algier) vordrang. Daran schlossen sich herrliche Löwenjagden, Elefantenjagden. In der Hauptschlacht wäre Pompejus beinahe umgekommen. Es war furchtbarer Regensturz und Unwetter und solche Dunkelheit, daß man ihn nicht erkannte; einer seiner eigenen Soldaten wollte ihn niederstechen, weil er auf Anruf die Losung nicht gleich sagte.
Jetzt befahl Sulla, er solle sein Heer entlassen. Aber das Heer erhob sich tumultuarisch dagegen; es wollte dem Pompejus gehorchen, nicht dem Sulla. Pompejus mußte drohen, sich selbst zu töten, um die Leute zu beschwichtigen. Schließlich kam er aber doch mit seinem Heer nach Italien und stand vor Rom. Da war es, daß Sulla ihn gleichsam amtlich mit der 116 Anrede »Pompejus der Große« begrüßte. Pompejus Magnus! Man weiß bei einem Menschen wie Sulla nie, ob das nicht bloß eine Anulkung war. Tatsächlich aber hatten die Soldaten selbst Pompejus schon so benannt; sicher hat das Vorbild Alexanders des Großen darauf Einfluß gehabt, mit dem man ihn ja allgemein verglich. Nach Sullas Tod hat Pompejus dann das Wort Magnus wirklich als Eigennamen angenommen und so seine Briefe und Erlasse gezeichnet; auch erbte der Name in seiner Familie weiter. Die Welt erzog Pompejus also zum Größenwahn; das Magnus war wie ein Programm; aber es klang immer noch bescheiden gegen den Namen Maximus, den sich andere Römer beilegten.magnus hatte im römischen Leben im Grunde nur die Bedeutung des Erheblichen und Vornehmen: magni pueri magnis e centurionibus orti: Horaz; cum magnis vivere: derselbe; Themistocles magnus et bello et pace: Nepos.
Alexander der Große – Pompejus
Alexander der Große. Kopf. Konstantinopel, Kais. Ottom. Museum. Nach Altertümer von Pergamon. VII. 33.
Pompejus. Kopenhagen, Glyptothek Ny-Carlsberg. Nach Arndt-Bruckmann, Griech. u. röm. Porträts 523. Phot. F. Bruckmann. München.
Nun wollte er aber auch im Triumph mit seinen Soldaten in Rom einziehen. Ein Triumph war immer eine große Zeremonie; der Triumphator erschien da in der Tracht des großen Gottes Jupiter selbst. Sulla wagte nicht, ihm das zu verbieten, suchte ihn aber mit den verschiedensten Gründen davon abzubringen. Allein Pompejus tat, was er wollte: der Triumph fand statt, zu Sullas Ärger. Pompejus wollte sogar mit einem Viergespann von Elefanten in Rom einfahren; aber das Stadttor war zu eng. Es war das Jahr 81. Er war nun 25 Jahre alt.
Als Sulla stirbt (im Jahre 78), fallen alle Schranken. Pompejus beharrt jedoch noch vorläufig auf dem sullanischen Parteistandpunkt seines Vaters. Dabei war ihm die von Sulla gegebene Staatsverfassung gewiß sehr gleichgültig, und die bürgerlichen Gegensätze interessierten ihn nicht. Aber er konnte es nicht ertragen, daß es in den Provinzen noch Feldherren gab, mit denen ihm ein Zusammengehen in jedem Fall unmöglich schien; dies waren die Verfechter der Volkspartei, Brutus, der in Mutina in Norditalien, und Sertorius, der in Spanien stand. Pompejus läßt sich vom Senat zuerst gegen Brutus entsenden, dessen Heer alsbald ganz zu ihm übergeht; er gestattet Brutus, zu entweichen, folgenden Tags aber läßt er ihn verfolgen und töten. Dies ungleiche Verhalten wurde bemängelt; die Motive 117 sind unaufgeklärt. Die radikale Art Sullas wirkte hier wohl in Pompejus noch nach.Eine andere Erklärung habe ich in den Preuß. Jahrbüchern 1914, S. 538 zu geben versucht.
Unbesiegt und unbesieglich stand aber der Mariusanhänger Sertorius in Spanien. Metellus Pius kämpfte vergeblich gegen diesen Mann. Jetzt schickte der Senat im Jahre 76 auch noch Pompejus gegen ihn, und zwar als »Prokonsul«, obschon Pompejus, was sonst unerläßlich, bisher noch kein einziges bürgerliches Staatsamt bekleidet hatte. Des Pompejus Auftreten in Spanien wird gerühmt: wie er dem Metellus als dem Älteren militärische Ehren erweist; wie er einfache und billige Kost für Gemeine und Offiziere einführt. In der Schlacht am Fluß Sukron stürzt sich ein Riesenkerl auf ihn; beide Männer holen gleichzeitig zum Schlag aus; Pompejus haut seinem Gegner die Hand ab, wird aber selbst dabei schwer verletzt, und sein kostbares, in Gold aufgezäumtes Streitroß muß er den Feinden lassen. Pompejus stand in Spanien vor der schwersten Aufgabe, die meines Wissens einem römischen Feldherrn gestellt worden ist; denn der hochgeniale Sertorius kannte jeden Winkel und Schleichpfad im Land und beschränkte sich als erfahrener Mann planvoll auf den Guerillakrieg, dem mit großen Feldschlachten durchaus nicht beizukommen ist; auch Napoleon hat bekanntlich gegen den Guerillakrieg in Spanien nichts vermocht. Wie Wellington gegen Napoleon, so behauptete sich dort Sertorius gegen Pompejus, wennschon er sich hart bedrängt fühlte. Des Pompejus Kasse ist schließlich leerOb er die Truppen aus eigener bezahlte? Plut. c. 20. er fordert Geldhilfe von Rom.
Aber Italien selbst war inzwischen in der größten Not. Der soziale Aufruhr zerriß das Land von neuem, aber in ganz anderer Weise als bisher. Die Sklaven, die Leibeigenen auf dem Land, die die Roharbeit der Kultur in Italien seit Jahrhunderten verrichteten, sprengten ihre Fesseln. Sie hätten dazu sicher nicht für sich allein den Mut gefunden; es waren vielmehr Fechter, die im Jahre 73 in Capua aus ihrer Fechterkaserne ausbrachen. Wir haben uns darunter zumeist kriegsgefangene Ausländer 118 zu denken, die als Gladiatoren abgerichtet wurden, damit das Volk in Rom auf dem Markt sein blutiges Fechterschauspiel hätte. Es war zunächst nur eine Räuberbande, die sich mit Küchenmessern und Bratspießen bewaffnet hatte. Die Führung hatte Spartacus, ein Thraker von Herkunft, ein junger Mensch von ausgezeichneten Eigenschaften. Am Vesuv setzten sie sich fest. Aber bald strömten die Ackerbauknechte, auch die Hirten hinzu; sie erbeuteten Waffen, und schon war es ein Heer von 70 000 Leuten, die plündernd über die Städte herfielen und einen römischen Konsul nach dem andern aufs Haupt schlugen. Nordwärts bis nach Mailand drangen sie und näherten sich jetzt, 120 000 Mann stark, Rom. Da war es, im Jahr 72, der Prätor Licinius Crassus, eine neu aufgehende Größe, der mit acht Legionen den Spartacus zum Rückzug nach Süden zwang. Danach verlor Spartacus die Herrschaft über seine Scharen. Die Haufen teilten sich, und es folgte die Entscheidungsschlacht in Südkalabrien, wo gleich 60 000 Sklaven umkamen. Pardon gab es nicht. An den Landstraßen wurden 6000 Kreuze errichtet; da kreuzigte Crassus die Gefangenen. Es wirkte wie Chausseebäume. Crassus war einer der größten Sklavenhändler der Hauptstadt und an der Sache auf das persönlichste interessiert.
Inzwischen war in Spanien, im Jahr 72, Sertorius ermordet; der Mörder Perperna befehligte jetzt das Heer des Sertorius. Sofort gewann Pompejus entscheidende Siege und unterjochte rasch die ganze spanische Provinz.
Da erbeutete er auch das Archiv des Feindes und fand eine Fülle von Briefen von römischen Herren, die mit dem Feind Sertorius im Geheimen korrespondiert hatten. Das war eine großartige Maßnahme, daß Pompejus diese Briefe da sofort sämtlich vernichtet hat; ein Ereignis, das sehr bemerkt wurde: unzählige Männer hätte er damit kompromittieren, ihnen einen Strick daraus drehen können. Warum benutzte er sie nicht? Aus engelhafter Großmut? aus friedfertiger Scheu vor politischen Händeln? Vielmehr ist klar, daß er sich schon damals 119 keineswegs mit der Senatspartei identifiziert hat; andernfalls hätte er von jenen Briefen Gebrauch machen müssen. Ihre Vernichtung war der erste deutliche Schritt, den er zugunsten der Volkspartei tat. Vom Jahre 72 an hat sich Pompejus also die Gunst dieser Partei tatsächlich zu erwerben gesucht. Das liegt auf der Hand. Brutus und Sertorius waren tot, kein hervorragender Militär stand dieser Partei mehr zur Verfügung; kein Wunder, daß sie jetzt dem Pompejus ihre Gunst schenkte. Und das eben war es, was er wollte.Cäsar hat dies Verfahren dem Pompejus später nachgemacht: als Cäsar bei Pharsalos gesiegt hatte, ließ er ebenso die kompromittierenden Briefe der Pompejaner, seiner Gegner, zerstören, um eine Annäherung und Aussöhnung zu ermöglichen; vgl. Preußische Jahrbücher 1914, S. 538.
Hoch auf den Pyrenäen errichtete er ein Siegesdenkmal; als er darauf in Italien einzog, begegnete ihm ein Sklavenschwarm von 5000 Köpfen; es war der Rest der großen Armee des Spartacus; Pompejus ließ sie beiläufig zusammenhauen und berühmte sich jetzt frisch und fröhlich, daß er auch noch den Sklavenkrieg beendet habe. Die Ruhmsucht wurde bei ihm zur Schwäche; es ist, als wäre er noch der Knabe. In seinem eigenen Handwerk mochte er keinen zweiten neben sich erfolgreich wissen, zumal keinen Pflastertreter wie den Crassus.
Er war jetzt 35 Jahre alt und verlangte das Konsulat für sich, ohne vorher andere bürgerliche Ämter bekleidet zu haben. Er rüttelte damit an der Ämterordnung Sullas. Das war ihm einerlei. Warum sollte er nach fast zwanzigjähriger Kriegsleistung nicht wie Marius Konsul werden? Der Senat weigerte sich. Aber Pompejus stand drohend mit seinem Heer vor der Stadt, und man bekam Angst, er wolle König werden. So gewährte man ihm denn doch das Konsulat und auch den Triumphaleinzug, den er forderte. Bezeichnend ist, daß er, um rasch orientiert zu sein, sich die Pflichten eines Konsuls von dem berühmten Gelehrten Varro aufschreiben ließ; er war eben bei der Waffe groß geworden und kannte das römische Staatsrecht nur aus der Ferne.
Seit dieser Wendung stellte sich Pompejus nun offen zur Volkspartei,Über des Pompejus Verhältnis zur Popularpartei vgl. Quintus Cicero, De petitione consulatus § 5 f. Daran, daß schon damals der junge Cäsar die Entschließungen des Pompejus beeinflußte, läßt sich nicht denken. Wie wir sahen, wußte Pompejus genau, was er wollte. und das war natürlich. Sulla hatte die Volkstribunen und die Volksversammlung verfassungsmäßig 120 geknebelt; Pompejus beantragt jetzt und setzt durch, daß ihnen die alte staatsrechtliche Vollmacht, die sie in der Gracchenzeit gehabt, wieder zurückgegeben wird. Auch erhielten die Ritter wieder Anteil an den Geschworenengerichten. Freilich lag dem Pompejus an dem charakterlosen Pöbel Roms im Grunde gar nichts; ihn interessierte die leidige enge Gassenpolitik der Demagogen als solche nicht im geringsten. Aber er brauchte das Volk für seine Zwecke. Jetzt war es wieder Souverän und konnte ihm jedes neue Kommando votieren, das er wollte. Er wollte der Feldherr, das Schwert Roms sein, wie einst Marius. Der Krieg war seine einzige Passion.
Und das Volk begeisterte sich für ihn. Man muß sich gegenwärtig halten, wie das Leben im Süden auf den offenen Plätzen sich abspielt; bei jedem Vorkommnis ist alles voll Menschen, auch alle Dächer und Balkone. Auf dem Forum saßen eines Tages die beiden Zensoren im Ornat; das waren die hohen Staatsbeamten, die u. a. die Bürgerlisten führten. Es war üblich, daß zu bestimmten Zeiten die ausgedienten Ritter oder Kavalleristen mit ihrem Roß vor diese Zensoren traten und ihnen meldeten, wie lange und unter wem sie gedient, um dann entlassen zu werden. Nun war es ein Entzücken für das Volk, wie da auch Pompejus in glänzender konsularischer Tracht mitten im Zug der gewöhnlichen Reitersleute herankam und seinen Gaul pflichtgemäß an der Hand führte. Die Zensoren fühlten sich in peinlicher Verlegenheit. Es entstand ein großes Schweigen auf dem weiten Platz von der Velia bis zum Kapitol, als der eine Zensor endlich die Stimme erhob: »Ich habe dich zu fragen, Bürger Pompejus, ob du, seit du dienstpflichtig bist, alle Feldzüge mitgemacht hast?« »Ja,« antwortete Pompejus lautstimmig, »und zwar alle unter meiner eigenen Führung.« Ein Beifallsgeschrei von nah und fern. Die Zensoren gaben dem Jubel nach, erhoben sich von ihren Thronen und geleiteten Pompejus persönlich bis nach Hause; das ganze Volk hinterdrein.
121 Das sind römische Volksszenen: ein Augenblicksbild! Es waren Tage harmloser Freude und ungetrübter Sympathie, wie Rom sie selten so gesehen hat.
Licinius Crassus war der neidische Mitkonsul des Pompejus. In diesem Crassus erblicken wir eine ganz andere Spezies des Römertums; er ist das erste Beispiel eines Bankiers, das uns begegnet. Da es im Altertum keine staatlich fundierten Banken, keine Reichsbank gab, so ist es natürlich, daß sich Rothschilds und Vanderbilts fanden, die die Geldzentrale in ihre Hand bekamen. Woher hatte Crassus seine Milliarden? Er hatte sich als frommer Sullaner an den Güterschlächtereien Sullas bereichert und spekulierte seitdem in Grundstücken mit größtem Erfolg. Er verhandelte ferner wertvolle Sklaven, die Bautechniker, Ingenieure waren, und bildete selbst in einer Schule junge Techniker aus, die er dann gegen Pachtsummen auslieh. Dann gründete er die Feuerwehr; denn die vielen Holzbauten Roms verursachten zahllose Feuersbrünste; er setzte aus seinen Sklaven ein Feuerwehrkorps zusammen, schuf Meldestellen, und wenn er nun irgendwo löschen ließ, schickte er immer zugleich einen Geschäftsvertreter an die Brandstätte, der das Grundstück zum niedrigsten Preis aufkaufte. So wurde er der größte Hausbesitzer, der Wohnungen vermietete und Schacher mit Bauplätzen trieb. In seinem Bankgeschäft aber saß ein Heer von Buchhaltern und Schreibern, und er verborgte Unsummen. Er wußte, an wen. Denn er sah sich die Menschen darauf an. Julius Cäsar lebte nur von Schulden, aber Crassus gab ihm unbegrenzten Kredit. Alles das hat gewiß großartigen Zuschnitt, aber es ist doch zu kleinlich-krämerhaft für einen Staatsmann. Tatsächlich duckte sich dieser Geldmensch vor Pompejus, und die Art, wie er sich ihm trotz aller Scheelsucht unterordnet, zeigt uns am schlagendsten, welche Wucht das Auftreten des Pompejus damals hatte.
Schlimm war es aber für Pompejus, bloß als Privatmann in der Stadt zu leben. Der große Militär verlor da als Bürger 122 unter Bürgern seinen Nimbus: die Alltäglichkeit war da die große Walze, die alles gleich macht und niederdrückt. Daher ging er selten auf die Straße und zeigte sich immer nur mit großem Gefolge. Auch taugte er nicht für Debatten und politische Gespräche. Sollte sich das Schicksal des Marius in ihm wiederholen?
Schon aber brauchte der Staat wieder einen Feldherrn, und dem Pompejus winkte ein neues Ziel. Fast noch entsetzlicher als der Sklavenkrieg des Spartacus war das Seeräuberunwesen draußen auf dem Meer. So große Schäden hatte der träge Sulla in seinem Regiment bestehen lassen.
Die Piraterie ist fast so alt wie die Schiffahrt selbst, und die Piraten gehörten so unbedingt zum Mittelmeer wie die Haifische. Ihr Sitz war vor allem die steile, klippenreiche Südküste Kleinasiens, der Küstenstrich, der Cilicien heißt. Gerade seit der Zeit, wo Sulla mit König Mithridates kämpfte, hatten sie sich auf das frechste zu einer Großmacht ausgedehnt und organisiert. Nicht nur die Handelsflotten überfielen sie, sondern auch die Hafenstädte selbst, erzwangen die Einfahrt und brandschatzten. Darunter litt vor allem zunächst Griechenland mit seinen vielen Inseln und schönen hochehrwürdigen Städten; sogar die altheiligen Tempelbezirke in Epidauros, Samos, Samothrake usf. wurden ausgeplündert. Dicht an Athen kamen die Piraten heran; ja, jetzt überfielen sie sogar den Golf von Neapel, das Eldorado der reichen Römer, und kamen bis zur Tibermündung, drangen frech selbst in den römischen Hafen von Ostia ein und zerstörten da die Triëren. Besonders beliebt war es, vornehme Römer abzufangen; das gab dann mächtiges Lösegeld. Und die Herren Räuber selbst traten dabei fürstlich auf; goldene Segelstangen zeigten sie am Bug, und die Ruderschaufeln waren mit Silber beschlagen. Die Sache war vornehm, eine hohe Schule eleganter Abenteurer; Leute aus den besten Familien gingen unter die Piraten.
Die Verantwortung für diese unerhörten Verhältnisse trugen 123 die Römer; denn den Römern gehörte eben die Welt. Der Haß der schutzlosen Provinzen wandte sich gegen Rom, das die Seepolizei auf das schwächlichste übte. Jetzt aber mußte etwas geschehen. Denn in Rom selbst blieben die Getreidezufuhren aus. Die Piraten nahmen die ganzen Kornflotten, die aus Afrika und Sizilien kamen, weg. Die Hauptstadt der Welt war blockiert; der Majestät des nimmersatten römischen Stadtpöbels drohte die Hungersnot.
Pompejus beanspruchte die ausgedehntesten Vollmachten und Hilfsmittel. Er zeigte sich dabei als ausgezeichneter Organisator. Aber er ließ andere für sich reden; er hatte eine Scheu, vor die Menge zu treten, die ihm ein zu fremdartiges Element war. Denn jeder andere Römer kam früh und ständig, allein schon bei den Wahlakten, mit dem Getriebe der Volksversammlungen in Berührung. Pompejus aber war nie Quästor oder Ädil gewesen; die üblichen Bittgänge der Amtskandidaten waren ihm gänzlich erspart geblieben, und er brachte es jetzt nicht über sich, mit Bitten vor die Quiriten zu treten, deren Launen unberechenbar und die er nicht zu lenken wußte. Lieber verhehlte er seine Wünsche. Der Tribun Gabinius beantragte für ihn unumschränkte Gewalt über das ganze Meer, aber auch über alles Land, zehn Meilen (400 Stadien) landeinwärts von der Küste; freie Benutzung des Staatsschatzes; 200 Schiffe usw. Die Senatoren verkannten den Ernst der Lage, sträubten sich und hatten wieder Angst, Pompejus werde sich zum König machen. Da brach ein Volkstumult vor der Kurie aus, und Pompejus ließ jetzt durchsetzen, daß er vielmehr 500 Schiffe, 24 Legaten erhielt, 12 000 Mann zu Fuß, 5000 Reiter; wohl die größte Macht, die Rom je aufgestellt hat.
Man hat diese hochgegriffenen Forderungen getadelt, belächelt, aber mit Unrecht. Pompejus wußte, wie Moltke und jeder gute Militär, daß man sich, um nachhaltig zu siegen, zunächst die Übermacht sichern muß, und er hat stets danach gehandelt. Denn ein rascher Sieg, der durch die Erdrückung des 124 Gegners erzwungen wird, ist für den Staat und den Staatsbürger eine unendliche Ersparnis an Zeit, Geld und an Menschenleben. Das Elend der langen Kriege ist nur zu oft das Ergebnis zu kleiner Maßnahmen. Und die Ereignisse gaben ihm sofort recht; denn kaum war die große Forderung bewilligt, so beruhigte sich schon der Markt und die Börse, und die wahnsinnig hochgeschrobenen Preise fielen. Die Sicherheit kehrte schon vor dem Beginn des Kampfes zurück.
Pompejus teilte das ganze Mittelmeer in sechzehn Bezirke; in jedem Bezirk wurden die Küsten von einem der Legaten abgejagt, er selbst aber kreuzte auf dem offenen Meer und fing die aufgescheuchten Piraten ab. Hier steht er also als Seemann da. Dabei war es bedeutsam, daß Pompejus in Rom am Esquilin in einer Straße wohnte, die die Carinen hieß; Carinen aber heißt »die Schiffskiele«. Jetzt war er der Fürst der See, und er war auch jetzt auf den Carinen zuhause!
In vierzig Tagen war das westliche Mittelmeer gesäubert;Die erstaunliche Schnelligkeit des Erfolges betont Cicero pro Val. Flacco 29. dann ging die Treibjagd nach Kleinasien, und es kam zu einer großen Seeschlacht; dann fliehen die Piraten auf ihre Raubschlösser in das Küstengebirge. Unzählige Kastelle, unzugänglich wie Geierhorste, zwang Pompejus zur Übergabe. Es war ein interessanter Krieg, und seine Erledigung gelang um so rascher, da Pompejus die abgefangenen Missetäter nicht etwa über die Klinge springen ließ oder ans Kreuz schlug, wie das bisher strammer Stil war, sondern denen, die sich ihm ergaben, Freiheit und Leben zusicherte und sie irgendwo im Innern des Landes ansiedelte. Es war im Altertum nichts Ungewöhnliches, ganze Bevölkerungen umzupflanzen. So gründete Pompejus in Cilicien die Pompejusstadt Pompejopolis und siedelte darin 20 000 Piraten an.An der Stelle des zerstörten Soloi. Als diese Milde des Siegers bekannt wurde, ergaben sich alle, die noch trotzten. Es war das Jahr 67.
Auch die Insel Kreta war ein rechtes Piratennest; dort befehligte schon seit einem oder zwei Jahren ein Cäcilius 125 Metellus, der sich in Erinnerung an diese Kämpfe Creticus nannte. Mit diesem trotzigen Mann kam Pompejus in widerwärtige Kompetenzkonflikte; er entsandte geradezu Truppen gegen ihn, so daß Römer gegen Römer standen. Das wurde sehr bemerkt, und die Besorgnis wuchs, Pompejus würde als Tyrann wie Sulla wieder nach Rom kommen.
Griechenland aber atmete auf, und auch das Volk in Rom jubelte. In drei Monaten war alles erledigt, 1300 Kaperschiffe erbeutet, Handel und Wandel gedieh wieder. Jeder Bürgersmann empfand das an seiner eigenen Tasche. Es war eine jauchzende Stimmung; und jetzt trat auch Cicero, der große Redner, für Pompejus ein. Das Volk beschloß, ihm auch noch den Oberbefehl gegen König Mithridates zu geben, gegen Mithridat, der, zwar durch Lukulls Siege entkräftet, doch immer noch aufrecht stand, ja, wieder angreifend vorging, seit 22 Jahren der zäheste Gegner Roms.
Also ohne Aufenthalt weiter nach Kleinasien, in den Orient. Da gab es nun am fernen Euphrat eine märchenhafte Schlacht zur Nachtzeit bei Mondenlicht; man muß dabei an die Lichtfülle des südländischen Mondes denken. Der stolze König Tigranes von Armenien knickt sogleich zusammen und stürzt dem Pompejus zu Füßen, der ihn milde aufhebt. Der ganze Harem des Mithridates wird diesmal erbeutet; aber der Sieger schont die schönen Frauen und schickt sie artig jede zu ihren Eltern zurück. Mithridates selbst aber ist indessen nach Südrußland, Bosporanien, in die Krim, wo sein Sohn Pharnakes haust, entwichen; mit ihm sein Kebsweib Hypsikrate, die Amazone, die als Mann verkleidet und unter Männernamen umgeht, reitet und ficht.
Pompejus hätte den Mithridat gar zu gern gejagt; aber die Barriere des Kaukasus war unübersteiglich; kein antikes Heer hat sie je bewältigt. Es galt also die Streitkräfte sonst zu nutzen. So kämpfte er einen Winter und einen Sommer am Südhang des Kaukasus, auf abenteuerlichen Märschen durch unbekannte 126 Steppen und Triften, am Kyrosfluß im Lande Georgien mit den Verbündeten Mithridats, urwüchsigen tapferen Völkern, Albanern und Iberern, nahe dem Kaspischen Meer, wohin überall noch nie ein griechisch-römisches Heer gedrungen war. Es waren die interessantesten militärischen Promenaden.Die erwähnten Kämpfe des Pompejus kamen übrigens der Geographie und Völkerkunde zu gut; denn er hatte den Militärschriftsteller Theophanes bei sich (s. Strabo p. 503), der u. a. über die Albaner berichtete; vgl. R. Mung, Quellenkrit. Untersuchungen zu Strabos Geographie (Basel 1918) S. 6. Er selbst tötet da eigenhändig in einer Schlacht einen Königssohn. Sogar die Amazonen tauchen da als seine Gegnerinnen auf. Ergebnisreicher war, daß er sich dann nach dem Lande Syrien wandte und aus eigener Machtfülle Syrien für Rom in Besitz nahm; d. h. nach Kriegsrecht nahm er dies Land dem ehemaligen Besitzer Tigranes, der sich ihm unterworfen hatte, ab.
Ob inzwischen Mithridates wieder Kräfte sammelte? Pompejus war gänzlich ohne Nachrichten und hielt in Damaskus Hof, indem er den Schiedsrichter zwischen streitenden kleineren Landesfürsten spielte; dann begann er auch noch eine Expedition nach Arabien – als plötzlich aus dem fernen Norden die Kunde kam, daß Mithridates tot. So, wie noch heute die Briefboten in Indien, die durchs Land rennen, einen Speer in der Hand tragen, damit man ihnen ausweichtVgl. O. Kauffmann, »Aus Indiens Dschungeln« 1911., so auch damals; aber die Boten hatten ihre Speere festlich mit Lorbeer bekränzt. Pompejus machte gerade Reitübungen vor dem Feldlager; da zwangen ihn seine Soldaten, vom Gaul zu steigen und die Botschaft vorzulesen; aus Sätteln häuften sie einen Berg an; darauf mußte Pompejus klettern: Pharnakes, des Mithridates Sohn, hatte den eigenen, fast achtzigjährigen Vater zum Selbstmord getrieben und unterwarf sich seinerseits als Vasall den Römern. So geschehen im Jahre 63.
Pompejus aber gönnte sich auch jetzt nicht Ruhe. Er eroberte beiläufig auch noch Palästina, Judäa; an einem Sabbat nahm Pompejus den Tempelberg Jerusalems mit Sturm und betrat selbst das Allerheiligste im Tempel Jehovas. Aber, wie sein Freund Cicero versichert, hat er dort im Heiligtum sich an keinem Tempelgut vergriffen. Die Stadt wurde nicht zerstört, aber Judäa der Vasall Roms (im Jahre 63).
127 Nun galt es noch, die Verwaltung Asiens zu ordnen; Rom hatte von jetzt an vier asiatische Provinzen. Es ist zu betonen, daß die Einrichtungen, die da Pompejus traf, von wirklicher Humanität eingegeben, den unterworfenen Völkern durchaus zum Vorteil gereicht haben. Dann belohnte er sein Heer mit vollen Händen (16 000 Talente = 96 Millionen Drachmen kamen zur Verteilung) und sonnte sich noch geraume Zeit auf den schönen griechischen Inseln Lesbos, Rhodos, wo man ihn gebührend feierte und er Gelehrte und Philosophen verschwenderisch beschenkte (so auch in Athen). Auf einmal steht er mit Heer und Flotte in Brindisi, auf italienischem Boden, und Rom erschrickt bis zum Innersten. Die Stadt war wehrlos. Rückte Pompejus auf Rom, so war er König der Welt. Niemand hätte das verhindern können, auch Julius Cäsar nicht. Der reiche Crassus floh demonstrativ mit seiner Familie aus der Stadt. Es war das Jahr 61. Aber Pompejus hielt nur eine Ansprache an sein Heer und entließ es und erschien in Rom als schlichter Privatmann, als hätte er nur eben eine Reise gemacht. Alles war starr vor Staunen.
Dies Verhalten bietet uns in seiner, man möchte sagen, naiven Großartigkeit den Schlüssel zum Verständnis des Mannes. Pompejus hat, wie Marius, nie an die Monarchie gedacht. Er war, wie Marius, nur Soldat. Seine militärische Aufgabe war erfüllt: der Jagdfalke brachte seine Beute und setzte sich zur Ruhe. Pompejus war jetzt 45 Jahre alt, und fast dreißig Jahre hatte er nun heimatlos fast unausgesetzt im Felde gestanden. Ich wüßte von keinem Römer, der dasselbe geleistet. schon rein physisch betrachtet, war die Sache unerhört. Er wollte jetzt endlich seine Ruhe haben, er sehnte sich danach, endlich ein friedliches Familienleben zu führen; er wollte es so gut haben wie jeder andere Veteran. Schon, als er den Oberbefehl gegen Mithridat erhält, zieht er die Brauen zusammen, schlägt sich mit der Hand auf die Schenkel und sagt: »Ach die endlosen Kriegszüge! Wäre ich doch unberühmt! Ich sehne 128 mich danach, mit meiner Frau zu leben«.Plutarch c. 30. Es ist wertvoll, daß uns diese Äußerung mitgeteilt wird. Solche Stimmungen waren nur zu begreiflich. Sie sind psychologisch selbstverständlich. »Nichts verzehrt die Lebenskraft des stärksten Mannes schneller als fortwährender Krieg,« sagt ein moderner Historiker im Hinblick auf Napoleons Generale Ney und Macdonald, die nach zehn- bis zwanzigjährigem Felddienst keine Spannkraft mehr besaßen.H. Beitzke, Gesch. der deutschen Freiheitskriege I, S. 711. Wie sollte es mit Pompejus anders stehen?
Sein Triumphzug war von unerhörtem Glanz: eine unbeschreibliche Sensation; exotische Gefangene und Kostbarkeiten, darunter fünf Söhne, zwei Töchter des großen Mithridat; große Plakatgemälde, die nächtliche Flucht, den Selbstmord des Gegners darstellend usf.; vor allem der Judenkönig Aristobul, der neben Tigranes, dem armenischen Königssohn, hinter Pompejus' Triumphwagen marschierte. Milliarden von Geld führte er der Staatskasse zu. Das Geld wurde wieder billig in Rom, das ganze Finanzwesen für ein Jahrzehnt auf anderen Boden gestellt.
Daß man ihn ehrte, sah Pompejus gern, so prunklos er persönlich auftrat. Er wollte Ehre, immerhin, aber er wollte keine Macht. Dieser Unterschied ist festzuhalten. Er wollte keine Zivilamtsgewalt, die ihm lästige Pflichten auferlegte. Er wollte auf alle Fälle Muße. Aber er fand sie nicht. Er war schon zu mächtig geworden; zu einer Person, wie er war, mußte in der Stadt sogleich alles konvergieren. Und so begann jetzt der Absturz seines Lebens, die Tragödie des Mannes, den das Glück bisher wie auf Händen getragen hatte.
Als er die Bestätigung seiner in Asien getroffenen Anordnungen und für seine Veteranen Landanweisungen forderte (es war dies seine Ehrenpflicht und eine sozialpolitische Notwendigkeit), widerstand der Senat hartnäckig. Hätte sich Pompejus nach Sullas Vorbild, wie er es konnte, zum Diktator gemacht, so hätte er auch wie Sulla eigenmächtig seine Soldaten versorgen können. Jetzt sah er sich auf die Laune und Gunst 129 der Parteien angewiesen und mußte sich in die kleinen, lumpigen Chikanen einlassen, die längst schäbig gewordenen städtischen Kämpfe zwischen Volk und Senat. Für solche Dinge war er nicht gemacht; dazu war er zu steif und unelastisch. Er hatte ja noch nie bittend vor dem Volk gestanden; er ist wohl der einzige Römer, der nie beim Wahlgang den Spießbürgern Bestechungsgelder in die Hand gedrückt hat. Jetzt aber brauchte er die Volkspartei wider den Senat.
Da tritt Julius Cäsar an ihn heran.
Cäsar hatte bisher ziellos und ohne alle Aussicht auf eine beherrschende Stellung dahingelebt. Jetzt erst, jetzt, da der heimkehrende Feldherr im entscheidenden Moment auf die beherrschende Rolle, die Cäsar ihm damals nie hätte bestreiten können, verzichtete, tat sich ihm plötzlich seine eigene Zukunft auf, und sein Plan war rasch gemacht. Er ist nur sechs Jahre jünger als Pompejus, ist der gewiegteste Parteikämpfer und Politiker und Hauptführer der Volkspartei; so tritt er jetzt für alles das, was Pompejus fordert, kräftig ein und zieht ihn, indem er seine Gegenforderungen stellt, ganz hinein in seine eigenen Pläne. Pompejus beginnt nun doch, wider Willen, als entwaffneter Soldat, eine große politische Rolle zu spielen. Cäsar ist es, der im Jahre 60 zu dem berühmten Triumvirat die Anregung gibt; d. h. Cäsar und Pompejus verbünden sich und ziehen als dritten Crassus, die hohe Finanz Roms, mit heran. Dabei ist Pompejus der Gewährende; denn er allein ist der Inhaber der Macht.So, richtig, Seneca de benef. V 16, 4. Aber er gewährte in diesem Handel viel mehr, als er erhielt. Er war neidlos oder arglos. Hätte er selbst nach dem Kommando Galliens, das jetzt Cäsar erhielt, ernstlich verlangt, das Volk hätte es ihm ohne Zweifel votieren müssen. Aber er legte darauf keinen Wert; er wollte vorläufig still sitzen. Während nun aber Cäsar auf acht Jahre aus Rom verschwindet, um Frankreich oder Gallien zu erobern, hatte Pompejus in der Hauptstadt einen schlimmen Stand. Er lebte da eben zunächst nur als Privatmann, ganz ohne Amtsgewalt. 130 Eine städtische Polizei gab es nicht; eine Leibwache, wie Sulla, konnte er sich nicht halten, noch weniger Truppen in Rom zusammenziehen; oder er hätte als Diktator dagestanden. In Rom herrschte wieder einmal Kornmangel; die Zufuhren reichten nicht aus; Pompejus übernahm den staatlichen Auftrag, für die Zufuhr zu sorgen (i. J. 57); aber dieser Auftrag gab ihm nur Pflichten und keine Macht. Er mußte also den Radau, das Banditenwesen in den Gassen, die armseligen Stänkereien eines Clodius gewähren lassen. Die Dinge, um die da gestritten wurde, waren auch gänzlich ohne Interesse. Er lebte jetzt endlich, nach dreißig friedlosen Jahren, ein stilles und schönes Familienleben; denn er hatte Cäsars holde Tochter, die 23jährige Julia, geheiratet, und er liebte sie. Daher empfand er auch für Julius Cäsar eine aufrichtige und neidlose Freundschaft; er bewunderte ihn und folgte gern seinen Ratschlägen, so unbequem sie ihm auch oft waren.
Die griechische Erziehung, die er als junger Knabe erhalten, wirkte zeitlebens in ihm nach. Daher die schlichte, noble Art seines Haushaltes, seines Auftretens. Mit einer angemessenen Würde nahm er Gefälligkeiten an, und liebenswürdig war die Art, wie er Hilfe gewährte; hübsch sein Verhältnis zu seinem jungen Sklaven Lenäus, der aus Bildungstrieb nach Athen entflieht; als er sich wieder stellt, straft Pompejus ihn nicht, sondern schenkt ihm die Freiheit und behält ihn als Hausgelehrten bei sich bis an sein Ende. Mit gutherziger Langmut sah er seinem Freigelassenen Demetrius zu, der in Rom protzte, parvenümäßigen Aufwand trieb und viel glänzender auftrat als sein Patron. Eine Scheu hatte er stets und zeitlebens vor jedem überflüssigen Blutvergießen; einen Widerwillen gegen die sullanischen Barbareien. Die griechische Humanität war in ihm vollkommen lebendig.
Eine medizinische Literatur besaß Rom noch kaum; Pompejus aber hatte einen Schatz solcher Schriften des Mithridat erbeutet, und er läßt sie sogleich von seinem Lenäus ins Latein 131 übersetzen. So erbeutete er auch desselben Königs gewiß prachtvolle Gemmensammlung; das Volk aber sollte an ihr seine Freude haben, und er stellte sie auf dem Kapitol als dauernde Stiftung öffentlich aus.
So hat er denn auch das Marsfeld, das ausgedehnte, freie Exerzierfeld vor Rom, als Bauterrain erschlossen, indem er ein gewaltiges Theater dorthin stellte, das erste steinerne Theater Roms, in dem nur griechisch gespielt wurde und das Raum für 40 000 Menschen geboten haben soll. Es war mit köstlichen Wandelhallen und Unterhaltungssälen verbunden. Pompejus hat sich als Bauherr in Rom weit herrlicher verewigt als Julius Cäsar. Im Jahre 55 wurde das Theater mit fürstlichen Spielen eingeweiht; aber Pompejus gab bemerkenswerterweise keine Gladiatorenspiele, keine Menschenmetzeleien,Cicero ad fam. VII 1, 3. sondern eine Löwenjagd, für die er 500 Löwen aus Afrika kommen ließ.
Inzwischen waren die Dinge in Rom unleidlich geworden. In unzähligen Fragen der Straßenpolitik wird Pompejus um seine gewichtige Meinung gefragt; vielfach aber äußert er sich zögernd, hinhaltend, unklar, mitunter gar zweideutig, und einen Menschen von so zappeliger Natur wie Cicero bringt das oft außer sich. Pompejus fühlte sich eben in Dingen des Bürgerrechts, des Staatsrechts, der Parteistellungnahme nicht sicher genug, und sie schienen ihm auch oft belanglos. Ja, hätte er Militär zur Hand gehabt, dann hätte er ganz anders mitgesprochen. Eines Tages geschah es, daß er selbst bei einem Krawall unter die Menge gerät und mit Blut bespritzt wird. Er eilt nach Haus, um sich umzukleiden; da sieht Julia das Blut und fällt in Ohnmacht vor Entsetzen. Es war innige Liebe, die die beiden verband. Julia erwartete eben ihre Niederkunft und starb. Ihr Tod war ein Schlag für Pompejus und für Rom.
Gleichwohl kann sich Pompejus von Rom und seinem häuslichen Leben auch hernach nicht trennen, und als er Spanien als Verwaltungsgebiet erhält, läßt er es durch seine Legaten verwalten. Verfassungsgeschichtlich bedeutsam wurde das 132 Jahr 52; da nahm in den Gassen die Anarchie so zu, daß der Senat endlich geradezu den Pompejus zum Gewalthaber, zum Alleinherrscher macht,Schon im Jahre 57, als Pompejus die Sorge für die Kornzufuhr übernahm, wurde etwas Ähnliches geplant; es war dies die rogatio Messia, der Gesetzentwurf des Tribunen Messius, der aber nicht zur Abstimmung kam. und jetzt endlich zieht Pompejus auch Truppen nach Rom. So hat also damals ein paar Monate lang eine sogen. konstitutionelle Monarchie, ungefähr in der Weise, wie Cicero sie sich dachte, in Rom bestanden: der Inhaber der Exekutive (Pompejus), der Senat und die Volksversammlung, die drei zusammenwirkenden Gewalten; und alles verlief verhältnismäßig gut. Es ist klar, daß Pompejus hiermit das liberale Kaisertum des Augustus vorwegnahm, eine Monarchie, die die »Freiheit« nicht aufhebt und die darum auch Seneca billigt. Ich werde hierauf zurückkommen. Pompejus faßte jetzt auch Zutrauen zu seiner staatsmännischen Aufgabe, und ihm schien die Zukunft so wenig drohend, daß er sich neu vermählte. Der Stoiker Cato verübelte ihm die frohe Hochzeit sehr. Aber er brauchte Behagen um sich. Eine sehr junge und gelehrte Dame führte er heim, Cornelia, die nicht nur künstlerisch musizierte (musizierende Römerinnen waren damals noch etwas Außerordentliches), sondern auch Geometrie, ja Philosophie trieb. Die Außenstehenden mäkelten: Cornelia sei zu pedantisch und ziemlich unleidlich. Einerlei! So stark war in dem Alternden der Trieb zur Jugend und zur Bildung: er nahm sich eine junge Studentin ins Haus. Und er war für Frauen noch immer liebenswert.
Schon aber hatten die Differenzen mit Julius Cäsar begonnen. Der siegreiche Cäsar stellte für seine Rückkehr aus Gallien nach Rom Bedingungen, die der Senat ablehnte, und auch Pompejus antwortete trotzig und stellte sich auf den Standpunkt des Senats.Eine sorgsame Darstellung des Konflikts gibt O. Hirschfeld, Kleine Schriften, S. 316 f. Er wollte durchaus nicht glauben, daß Cäsar, undankbar, es zum wirklichen Bruch treiben würde: »Er, der mir wie ein Sohn ist, sollte mir mit dem Knittel drohen?«Cicero ad famil. VIII 8, 9 (schon im J. 51): quid si filius meus fustem mihi inpingere volet? Eben damals erkrankte Pompejus in Neapel; als er genas, kamen von allen Städten Italiens Gesandtschaften, die ihm Glück wünschten. Ganz Italien begeht Feste mit Heilrufen 133 ihm zu Ehren; im Triumph kehrt er nach Rom zurück. Es waren die letzten schönen Ruhmestage dieses friedfertigen Herrschers wider Willen.
Da rückt Cäsar, im Jahre 49, mit seinen Truppen aus Gallien wirklich ein, über den Rubikon! Pompejus ist auf keinen Kampf vorbereitet und in höchster Verlegenheit. Er hatte obenhin großgetan: »wenn Cäsar kommt, stampfe ich die Legionen aus dem Boden,« ein Zeichen dafür, wie wenig er an einen Krieg glaubte.Pompejus hat nicht nur dies berühmte Wort geprägt, sondern auch die Redensart vom »auf die lange Bank schieben« (Cic. ad fam. III 9, 2). Eine Zeitlang schwankte er, was zu tun sei. Ein in militärischen Dingen so urteilsloser Mensch wie Cicero meint, er habe den Kopf verloren, und schreit Zeter, daß Pompejus aus Italien entweicht. Pompejus handelte aber richtig, und er wußte jetzt, was zu tun war. Die Einschiffung gelang. Er verlegte den Krieg auf die Balkanhalbinsel, nach Epirus, Thessalien.
Eine gewaltige Flotte steht ihm zur Verfügung, aber das Heer, das er neu bildet, besteht zumeist aus eben erst angeworbenen, gefechtsuntüchtigen Rekruten.tirones: Cicero ad fam. VII 3, 2; vgl. VI 1, 5. An der zuerst angeführten Stelle (d. i. im Jahre 46) erzählt Cicero übrigens den Hergang der Schlacht bei Pharsalos ganz falsch, um erklärlich erscheinen zu lassen, daß er sich jetzt mit Cäsar in ein erträgliches Verhältnis begibt. Seine spanischen Legionen kann er nicht heranziehen. Eine offene Feldschlacht ist also bei der qualitativ unvergleichlich überlegenen Macht des Gegners zu vermeiden. Pompejus beabsichtigt vielmehr, Cäsar, sobald er auf die Balkanhalbinsel nachgerückt ist, mit Hilfe seiner Flotte zu zernieren, von Italien abzusperren und so schließlich auszuhungern, und der Plan wäre ihm auch sicher gelungen. Die Rechnung war gut. Aber das Unheil wollte, daß ein Schwarm von vornehmen Leuten und alten Herren, an die hundert flüchtige Senatoren mit ihrem üppigen Troß, als Schlachtenbummler sein Hauptquartier belagerten. Die lagen ihm unausgesetzt in den Ohren, er solle sogleich schlagen, sobald der Feind sich nur zeige. Pompejus war klüger. In allen seinen bisherigen Kriegen war er nur seinem eigensten Rat gefolgt, und er hatte immer gesiegt. Jetzt folgte er zum ersten Mal, betäubt durch das Flehen und Poltern um ihn her, fremdem Ratschlag, und so geschah die verhängnisvolle Schlacht 134 bei Pharsalos, am 9. August 48. Nicht Pompejus wurde bei Pharsalos geschlagen, sondern der Senat. Daß er freilich den Dummen ihren Willen ließ, der Vorwurf bleibt für immer auf ihm sitzen. Es geschah, was sich von selbst versteht, daß ein kleineres, vorzüglich diszipliniertes Heer ein größeres, das ungeübt ist, besiegt.
Gleich nach dem ersten verlorenen Reitergefecht – den vornehmen römischen Junkern wurden dabei von Cäsars gallischen Reitern die Gesichter zerhauen – erkannte Pompejus den Stand der Dinge, und sein Entschluß war gefaßt. Er verließ ohne weiteres das Schlachtfeld, und seine Motive sind durchsichtig. Mochte aus ihm selbst werden, was die Götter wollten: diese Schlacht sollte nicht auf seine Rechnung kommen. Das gebot ihm sein Ehrgefühl und sein Feldherrnruf. Die Herren, die sie angezettelt, mochten nun die Niederlage auch auskosten. Er wußte und sprach es aus: »Cäsar ist ein wohlwollender Mensch; er wird kein Blutbad unter den Leuten anrichten, die sich ihm ergeben.«.Plutarch c. 75: εὐγνώμονα γὰρ εἶναι Καίσαρα καὶ χρηστόν. Und auch jetzt handelte er nach wohldurchdachtem Plan. Seine Situation hatte sich erheblich verschlechtert. Aber, mochte Cäsar in den Balkanländern immerhin als Sieger stehen, das Meer gehörte noch dem Pompejus; er besaß noch seine Kriegsflotten, und Cäsar hatte keine. Er konnte also auch jetzt noch den Gegner mit seinen Schiffen vollständig blockieren und lahm legen und dadurch zu einem erträglichen Ausgleich nötigen. So hat in der Tat später auch sein Sohn Sextus Pompejus als König der See den Landmächten seine Bedingungen gestellt, und so versuchte es in unserer Gegenwart England in demselben Mittelmeer, im Jahre 1915.
Dies der Plan.Man erwartete, daß er sich auf die Flotte retten würde (Cic. ad f. IX 9, 2). Aber zunächst mußte die Flucht gelingen. Es war eine peinliche Flucht und der Umschlag des Glücks erschütternd. Von wenigen geleitet, jagt der einst Allmächtige an die thessalische Küste. Da nimmt ein kleines Kauffahrerschiff ihn auf. Der Kurs geht nach Süden. Als es Zeit zum Mittagbrot ist (vielleicht gab es da nur Bauernbrot aus Kleie 135 oder Hirse), beeilt sich sein vornehmer Gefährte Favonius, ein senatorischer Herr, dem Pompejus die Sandalen abzunehmen, und bedient ihn überhaupt wie seinen Herrn, bis zur Fußwaschung.
Pompejus mußte seine Flotte zu erreichen suchen. Dazu war es nötig, erst einmal an einer sicheren Stelle zu landen. Wirklich verschaffte er sich ein paar seiner Kriegsschiffe und fuhr nach Ägypten, das damals neutraler Boden und immer noch ein selbständiges Königreich war. Seine Gattin Cornelia sowie sechzig senatorische Männer geleiteten ihn jetzt. Cornelias Jammer, ihre Wehklage wird uns, wie in einer Tragödie, beweglich geschildert.
Man wußte aber nicht, wie der ägyptische Hof gesonnen sein werde, und eine Landung an Alexandriens Küste war nicht ungefährlich. Der Eunuch Potheinos hatte die ägyptische Regierung in Händen; denn der König Ptolemäus war noch ganz jung. Pompejus schickte also eine Botschaft mit der Bitte um Aufnahme. Potheinos sagte die Aufnahme zu, in Wirklichkeit aber faßte er den Plan, Pompejus aus der Welt zu schaffen. »Wer tot ist, beißt nicht mehr,« sagte er, und es schien ihm bequemer, mit Cäsar in Zukunft allein zu tun haben. Zwei römische Machthaber waren ihm zu viel.
Um zu landen, mußte Pompejus sein Kriegsschiff und seine Gattin verlassen; denn das Wasser war zu seicht (so hieß es); ein kleiner Fischerkahn nahm ihn auf. Sein letztes Wort an Cornelia waren Verse aus einer Tragödie des Sophokles, die von Freiheit und Knechtung handelten. Cornelia war eben eine gelehrte Seele, und Pompejus erfreute sie gern mit einem Zitat. Im Nachen waren drei Männer, Beauftragte des Potheinos. Als man Pompejus ans Land ruderte, fiel ihm die Stille auf und daß niemand mit ihm sprach. Er sah sich erstaunt um; es war ihm unheimlich. Er versuchte ein freundliches Gespräch, aber der Angeredete nickte nur wortlos. Da holte er das Konzept der Ansprache, die er auf Griechisch an den 136 König richten wollte, hervor und las es noch einmal durch, bis der Kahn ans Ufer stieß. Königliche Hofbeamte, Publikum erwarteten ihn mit Neugier. Er erhob sich mit Hilfe seines freigelassenen Dieners Philipp von der Bank, um ans Ufer zu steigen. Da wurde er von hinten durchstochen. Alle drei Männer stachen auf ihn ein. Er verhüllte das Haupt und seufzte nur. Er war am Tag vorher 59 Jahre alt geworden.Die Angaben hierüber schwanken freilich um wenige Tage. Cornelia, die junge Frau, sah alles von weitem von ihrem Schiff aus, und ihr Jammergeschrei scholl über das Meer.
Schutzlos, von Neugierigen begafft, lag der Ermordete am Strand. Ihm wurde der Kopf abgehauen. Der Diener Philipp suchte sich Brennholz für einen Scheiterhaufen, verbrannte den Rumpf und sammelte die Asche. Als Cäsar dann nach Ägypten kam, überreichte man ihm den Kopf des Pompejus. Er wandte sich grausend weg; den Eunuchen Potheinos ließ er hinrichten. Die Asche des Pompejus wurde auf sein albanisches Landgut bei Rom gebracht.
Die Welt war voll Schrecken und Staunen. Es war wie Sonnenuntergang. Denn mit der Sonne haben die Alten Pompejus wirklich verglichen, da seine leichte Siegesbahn ihn von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, vom Roten Meer und Kaspischen Meer bis zum Atlantischen Ozean trug.Cic. Catilin. 4, 21. Er war der letzte der großen Römer, der sich am Schwert erfreute und in Krieg und Sieg voll sich auslebte, ohne die Monarchie zu wollen. Wenn er trotzdem zeitweilig wie ein König in der Welt dastand, so tat er es nur gezwungen, durch die Umstände geschoben, zögernd, ja, zum Teil mit Pein. Das Schwergewicht seiner erstaunlichen strategischen Erfolge, die das Glück ihm zuwarf, hatte ihn wider Willen ins Zentrum der Bürgerwirren und der großen Politik gezogen. Aber Pompejus war zu sehr Mensch, um ein rechter Monarch mit den harten Händen zu sein, wie das Altertum ihn brauchte.
Julius Cäsar hat sich als Gott verehren lassen; er sah das gern. Pompejus hätte das gewiß auch haben können; aber 137 er hat es vermieden.Nur in Athen wurde eine Anschrift am Tor gemacht, wo Pompejus als ϑεός bezeichnet oder mit ihm gleichgesetzt war; Plutarch c. 27. Auch das ist für den Unterschied der Männer bezeichnend. Erst seine Söhne haben den Pompejus als Meeresgott, als Gott Poseidon verehrt und so sein Bild auf ihre Münzen geschlagen.
Die moderne Geschichtschreibung hat seine Natur zugunsten seines Besiegers planvoll bemängelt und kleinlich an ihm herumgezerrt. Das ist Sache derer, die dem Erfolge huldigen. Durch das ganze Altertum strahlt dagegen der Ruhm des Pompejus heller als der des Cäsar und fast schattenlos. Cäsar wurde als Beispiel verhaßter Tyrannei mit Sulla gleichgestellt.Dracontius, carm. prof. 5, 207. Nicht er, nur Pompejus hat einen Lobredner wie Cicero gefunden; ein Voltacilius, ein Theophanes haben seine Taten verherrlicht; vor allem schrieb Varro, der echteste der Römer, drei Bücher »de Pompeio« und war und blieb sein Verehrer, und zur Zeit Neros entstand Lucans pharsalisches Gedicht, wo die Dichtkunst sich in den Schleier der Wehmut hüllt, am Grab dieses Römers, der zu groß war, um die Despotie der Cäsaren zu erleben.Lucans Urteil war in der Kaiserzeit das allgemeine; auch der Historiker Livius dachte so, und uns wird gesagt, wie des Livius Darstellung in der ganzen Folgezeit gültig blieb (s. Vita des Kaisers Probus c. 2, 3); ebenso auch Vellejus II 49; auch Lactanz Inst. div. VI 6, 16. Was Cäsar betrifft, so ist durchaus unbekannt, inwieweit ihn Varius in seinem offenbar nur einbücherigen Gedicht de morte wirklich verherrlicht hat. Sonst erfahren wir, daß ein griechischer Freigelassener im J. 45 v. Chr. beabsichtigt hat, Cäsars Erfolge rühmlich darzustellen (Cic. ad fam. XIII 16, 4). 138