Theodor Birt
Römische Charakterköpfe
Theodor Birt

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Mark Anton

Die Zeit der freien römischen Republik ist zu Ende. Wir sind in die Zeit der Monarchie eingetreten. Das Kaisertum beginnt, die Ära der gewaltigen Cäsaren, die, so sittlich verkommen und gottverlassen sie auch oft waren, sich doch mit dem Heiligenschein der Göttlichkeit umgaben; absolut wie das Schicksal selbst wollten sie über die Welt herrschen; aber sie waren zumeist auch launisch wie das Schicksal. Den ersten großen Typus derart zeigt uns Rom in Mark Anton.

So arm weiterhin die Kaiserzeit an bedeutenden Männern war, so reich daran war das Rom des ersten Jahrhunderts vor Christo. Überblicken wir nur gleich im Gefolge von Marius und Sulla die Namen Sertorius, Lukull, Pompejus, Cäsar, Crassus, Cato, Cicero, Brutus und Cassius, dazu Marcus Antonius und Octavian: es wäre lohnend, jeden von diesen zu porträtieren. Ich beschränke mich hier im Verfolg auf die beiden großen Wettbewerber um die Monarchie: Marcus Antonius und Octavian.

Über Antonius wird gemeinhin zu ungünstig geredet; das liegt an den Quellen. Die Berichte aus dem Altertum stammen zumeist oder ausschließlich von der ihm feindlichen Partei. Dem Mark Anton selbst war es gleichgültig, was man von ihm redete, und er sorgte nicht für einen Leibhistoriographen oder Verteidiger seines Verhaltens.Allerdings schrieb er selbst im Jahre 32 eine Schrift über seine angebliche Trunksucht, Plinius 14, 148; aber die Gegenpartei sah von dieser Selbstrechtfertigung ab. Er herrschte im Orient, und die Skribenten in Rom standen ihm fern: es ist Pflicht, mit diesem Umstand zu rechnen.

Er war der Hauptschüler Julius Cäsars, zeitweilig seine rechte Hand; er war der eigentliche Erbe des Geistes Cäsars und seiner Pläne, er ist das erste erschreckende Resultat der von Cäsar geschaffenen Lage. Sein Schicksal spielt sich wie eine große Königstragödie ab, die man nicht, ohne ergriffen zu werden, erlebt. Denn mit ihm beginnt in Rom das tiermäßig maßlose Sichausleben der Menschen, die, da sie in Allmacht sind, da nichts sie hemmt, jedem starken Triebe folgen; großzügig, gewalttätig und das Gegenteil alles Kleinlichen; ein 163 durstiges Ausgenießen der eigenen übermenschlichen Position. Auch die Gewalttätigkeit Sullas hat Antonius erneut, aber nicht froschkalt wie Sulla, nein, heißblütig, lebenswarm; man entsetzte sich über ihn, und er wurde trotzdem geliebt. Er hatte große und herzgewinnende Eigenschaften, und sehen wir ihn schließlich durch seine eigene Leidenschaft niedergeworfen und zermalmt, so packt uns das echt tragische Mitleid, das nur da erwacht, wo wirkliche Größe ist. Das hat auch Shakespeare voll empfunden.

Er war im Jahre 82 geboren und stammte aus alter, hochachtbarer Familie. In seinem Elternhaus herrschte reine, edle Sitte. Aber sein Vater starb früh. Das ist zum Verständnis sehr wichtig; denn im römischen Erziehungswesen war der Vater, die väterliche Gewalt, von erster Bedeutung und unersetzlich. Der Stiefvater Lentulus bot keinen Ersatz; des Lentulus Ausschweifungen waren berüchtigt. So verfiel Antonius denn als junges Blut der liederlichen intimen Freundschaft des genialen Curio, der den erregbaren Menschen durch alle Lasterhöhlen Roms schleifte. Weindunst und Weiberlachen! Auch der Hetzdemagoge Clodius, der zügelloseste aller Demokraten, bemächtigte sich seiner. Von Schulden überhäuft, rettet er sich nach Griechenland, 24 Jahre alt (Herbst des Jahres 58), ein verschuldeter Student, und treibt da Sport wie ein echter Grieche, dazu die unentrinnbare Philosophie und Beredsamkeit. Denn auch die Beredsamkeit lernte man schulmäßig. Er wurde ein Effektredner, wild, wie ein schnaubendes Roß. Er fiel offenbar auf, schon wegen seiner glänzenden körperlichen Leistungen. Der Verwalter von Syrien macht ihn zum Reiterführer; denn es gibt Krieg in Palästina. Antonius ist es, der da die Juden schlägt, den Kronprätendenten AristobulDieser Aristobul war zugleich König und Hoherpriester, nach Josephus, Ant. Jud. XIV 4 f.; Bell. Jud. I 6. gefangen nimmt. Dann gab es eine militärische Promenade nach Ägypten, wo Thronwirren herrschten; die Römer griffen ein. Der junge Antonius erobert die Stadt Pelusium; der Gegner, König Archelaos, wird getötet. Antonius bestattet ihn mit Glanz, zeigt sich nobel und 164 tapfer. Seitdem ist er gewissermaßen mit dem Königreich Ägypten verknüpft; es ist das Land, wo er sterben sollte. Erfolggekrönt kommt er nach Rom. Alles gab acht auf ihn.

Inzwischen war Curio (Scribonius Curio), sein Jugendfreund, von des Pompejus Partei zu Julius Cäsar abgefallen; Cäsar zog eben alle Durchgänger an sich. Durch Curio wurde auch Antonius Cäsarianer und machte gleich die letzten Feldzüge des großen Feldherrn in Gallien mit (im Jahre 54–50). Damit war sein Schicksal bestimmt. Mit lauter Stimme und Ungestüm war er Vorkämpfer der Sache Cäsars. Ja, er stieß eigentlich Cäsar vorwärts zum Bürgerkrieg. Man hatte Antonius zum Volkstribunen gemacht. Als Volkstribun stand er Anfang 49 im Senat und verlas da laut die Briefe Cäsars, die man unterdrücken wollte. Es waren die Forderungen Cäsars, die den Bürgerkrieg vorbereiteten. Im Verlauf der Debatte forderte der Senat: Cäsar soll sein Heer entlassen. Sofort stellt Antonius die schlagende Gegenforderung, daß auch Pompejus dasselbe tue. Große Entrüstung. Antonius wird aus dem Saal gestoßen: eine Vergewaltigung der Tribunen, die er absichtlich herausgefordert hatte. Als Sklave verkleidet, flieht er in einem Mietkarren zu Cäsar an den Rubikon, demonstrativ, als hätte man ihn umbringen wollen. Das nahm Cäsar zum letzten Anlaß, den Kampf wirklich zu eröffnen. Antonius stieß gleichsam das Boot, auf dem Cäsar sein Schicksal suchte, in die Stromschnelle, die es vorwärts riß.

Pompejus, der Gegner, rückt nach Epirus ab; Cäsar selbst eilt zunächst nach Spanien. Dem Antonius gibt Cäsar indes den militärischen Oberbefehl über Rom und Italien. Schon da war Antonius der zweite; schon da fühlte er sich als zweite Größe im Reich. Er war jetzt 34 Jahre alt: eine herrliche, mächtige Gestalt, edel und wohlgeformt, strahlend jovial, wenn er nicht zürnte, mit breiter Stirn und einer Geiernase. Die Künstler, die ihn gern abbildeten, verglichen ihn darum mit Herkules, und er ließ sich auch anfangs den Bart lang stehen, 165 obschon das der Mode ins Gesicht schlug; denn er wollte dem Herkules gleichen. Hatte Cäsar sein Geschlecht von Venus hergeleitet, so versicherte Antonius, als Cäsars gelehriger Schüler, daß er von Herkules abstamme. Daher ging er auch gern nach Art des Herkules in rauher Tracht, in kurzem Chiton, der nur bis zum Schenkel reichte und die Knie nackt ließ, an der Seite das Schwert, einen groben, festen Mantel um die Schultern. Herkules war aber als Idealfigur auch ein Zecher, ein Rüpel und lustiger Kumpan, voll Ulk und Prahlereien, polternd und lachend; auch darauf verstand sich Antonius, zechte mit den gemeinen Soldaten auf offener Straße, stellte sich an den Soldatentisch und aß und schlang; ein rechter Landsknecht. Dazu auch in Liebessachen kein Spielverderber; er half anderen gern dabei und freute sich nur, wenn man ihn selbst mit einem schlimmen Frauenzimmer neckte. Dazu kommt seine geradezu sinnlose Freigebigkeit; er hatte eine lose Hand. Das ging durch sein ganzes Leben. Einem Freund will er mit einer Million Sesterz aushelfen; sein Kassenbeamter zählt das Geld auf den Tisch. Antonius tut so, als hätte er noch nie Geld liegen sehen, und ruft: »So wenig ist das? Das soll eine Million sein? Dann gib ihm das Doppelte.«

Aber der Bürgerkrieg rief ihn nach Epirus, Mazedonien. Bisher war Labienus des Cäsar größter Unterfeldherr gewesen. Labienus war zu Pompejus übergegangen. Cäsar sah sich jetzt auf des Antonius Hilfe angewiesen. Man möchte wissen, was Cäsar ohne ihn ausgerichtet hätte?

Zunächst galt es, die Truppen über das Adriatische Meer, das von der Armada des Pompejus beherrscht war, zu bringen. Dem Cäsar fehlten Kriegsschiffe. Antonius wagte den Truppentransport in kleinen Fahrzeugen mitten im furchtbaren Sturm, im Angesicht der feindlichen Flotte: eine großartige Leistung. Seine Nußschalen bargen sich vor dem Sturm eine Zeitlang an der Küste; während dessen geschah es, daß die feindlichen Kriegsgaleeren kenterten, und Antonius kam heran und 166 plünderte die Wracks. Dann wurde man auf dem Lande mit Pompejus selbst handgemein. In etlichen Gefechten, auch in der Schlacht bei Pharsalus, stand Antonius als Sieger da neben Cäsar.

So kam es, daß, als Pompejus tot, als Cäsar in Ägypten in vielen Freuden mit Kleopatra die Zeit verbrachte, um dann dort schließlich um sein Leben zu kämpfen (48–47), dem Antonius von Cäsar abermals die Verwaltung Roms und Italiens anvertraut wurde. Cäsar war jetzt Diktator, alleiniger Inhaber des Staatswillens, Antonius war sein Stellvertreter, wo er abwesend (magister equitum).

Da schäumte er über. Man denke: es war das erste Jahr der römischen Monarchie, 48–47, und der Monarch Cäsar selbst war fern; Antonius war Vizekönig von Rom. Er sprang gleichsam vor Freude. Auch Cäsar lebte ja jetzt locker; und so beging sein jugendlicher Vertreter in Rom Orgien, die man ihm nicht verzieh. Zunächst ein blutiger Kampf auf dem Forum, um einen politischen Gegner – Dolabella – zu beseitigen. Übrigens: wie sonst mit seinen Rekruten, so bechert er jetzt lustig mit Jongleurs und Equilibristen und gemeinem Bühnenpersonal, treibt sich auf ihren sehr fragwürdigen Hochzeiten um, betrinkt sich gelegentlich so, daß er sich auf dem Forum erbricht, als er just reden soll, was man ihm nie vergaß. Mitten auf der Straße schlägt er seine Vergnügungszelte auf, fährt durch das enge Rom, wo sonst jeder zu Fuß geht, mit einem Löwengespann, quartiert üble Courtisanen bei vornehmen Frauen ein. Alles das erzählt uns die böswillige Fama. Wer weiß, wie viel davon übertrieben ist?Das Zechen von Antonius ist auf alle Fälle Tatsache: Cic. ad fam. XII 25, 4. Seine Geliebte aber hieß Kytheris: ohne Frage eine prachtvolle Person. Sie war die erste Bühnengröße, die mondänste Schauspielerin der Zeit, eine Dame, die eben damals von dem angesehensten Dichter Roms mit ganzen Kränzen von Liebeselegien besungen wurde. Antonius, obschon verheiratet, zeigte sich mit ihr öffentlich, und die Folge war, daß man Kytheris wie eine Königin 167 verehrte; wenn sie in ihrer eleganten Sänfte durch die Städte reiste, hatte sie ein Gefolge, das größer war als das Gefolge der Mutter des Antonius.

Da kam Cäsar auf kurze Wochen nach Rom und zeigte seinem großen Günstling denn doch seine Unzufriedenheit. Während Antonius jetzt alles Anrecht darauf hatte, Konsul zu werden, gab Cäsar das Konsulat, statt diesem, seinem älteren Anhänger, dem (Ämilius) Lepidus. Aber Antonius blieb unverlegen und zeigte sich dreist und steifnackig. Des verstorbenen großen Pompejus Palast und Besitzungen nebst Inventar wurden von Cäsar in Beschlag genommen und versteigert. Antonius trat als Käufer auf, und als er alles an sich genommen, verweigerte er die Zahlung. Cäsar ließ es ihm hingehen. Antonius hatte den Raub in Händen.

Dann aber geschah, während Cäsar wieder von Rom abwesend, etwas Großes. Antonius hatte die Ehe bisher leicht genommen; jetzt heiratete er eine mächtige Persönlichkeit, die erste Fürstin der römischen Geschichte, die Fulvia, und er verfiel ihr ganz. Der Disziplinlose hatte endlich jemanden gefunden, der ihn in Zucht nahm, der für ihn dachte. Man spricht immer nur von den harten Eigenschaften, der Kommandiersucht dieser Fulvia, aber sie muß auch schön gewesen sein und nicht ohne Zauber. Die Römerinnen sind noch heute bisweilen wie die Engel, und es sitzt der Teufel dahinter. Fulvia war, wie Antonius, schon zweimal verheiratet gewesen, das zweite Mal mit dem Volksmann Clodius, der vor etwa sechs Jahren verstarb und dessen Tod sie mit der Leidenschaft einer Vollblut-Italienerin beweinte. Sie war immer noch jung, etwa 29 Jahre alt, und sie liebte jetzt den mächtigen Antonius mit einer Liebe, die vom Ehrgeiz ihr Feuer empfing. Sie wollte ihn groß sehn, über alle. Niedlich ist die Szene, die uns beschrieben wird, wo Antonius von einer Reise unerwartet zurückkommt. Es war alte SitteEiner meiner Rezensenten hat gemeint, ich hätte dies in dichterischer Laune, d. h. fälschend, frei erfunden; er hätte Plutarchs Aetia Romana cp. 9 einsehen sollen., daß die verreisten römischen Ehemänner ihre Heimkehr ihren Frauen durch Boten einen Tag vorher 170 anmeldeten. Der immer zu Streichen aufgelegte Antonius dachte es diesmal anders zu machen. Er liebte Mummenschanz, verkleidete sich als Diener, kam so nachts in sein Haus und meldete sich am anderen Morgen: er habe der Fulvia einen Brief vom Antonius zu überreichen. Erregt fragt sie: »lebt Antonius?« Er schweigt und streckt ihr nur den Brief hin. Wie sie das Siegel bricht und zu lesen beginnt, überfällt er sie mit Küssen. Wer sieht da nicht den verliebten Mann? So war er; man erzählte vieles derart von ihm.

Ich finde, Antonius hat etwas vom Germanen; er war so, wie man uns die wilden deutschen Kämpen und Herzöge des Mittelalters schildert: weinglühend, wüst und toll, und doch siegreich und ein ganzer Held; hell von Verstand, aber von bedeutenden Frauen wie ein Kind zu lenken. Zu seinem Glück fiel er jetzt in Fulvias Hände, zu seinem Unsegen beherrschte ihn später Kleopatra.

Als Cäsar im Jahre 45 aus Spanien zurückkam, war er mit Antonius, der ihm entgegenfuhr, ganz zufrieden und voll ausgesöhnt (das dankte Antonius seiner Fulvia), gab ihm den Ehrenplatz in seinem Wagen und machte ihn zum Konsul, zum Kollegen im Konsulat für das Jahr 44. Als aber eine Meinungsverschiedenheit entsteht – es handelte sich um die Ehrung des Dolabella –, war es Cäsar, der nachgab; Antonius stemmte sich gegen ihn auf das dreisteste. Wie wäre das Verhältnis der beiden Männer weitergegangen?Lehrreich hierfür ist die Cicerostelle ad fam. IV 9, 3 (aus d. J. 46): »Der Sieger (Cäsar) muß, auch wider Willen, jetzt vieles nach deren Ermessen tun, durch deren Hilfe er gesiegt hat.« Mark Anton war unter diesen die Hauptperson. Da fällt Cäsar meuchlings unter den Dolchen der Senatoren. Man hatte mit Cäsar auch den Antonius ermorden wollen. Aber man schonte ihn. Rom war starr. Die Weltgeschichte hielt den Atem an vor Schreck. Man fürchtete sich vor den Verschwörern. Was hatten sie jetzt vor? Was würden sie tun? Antonius verkroch sich erst. Dann aber stand er aufrecht und umgab sich mit einer Leibwache von arabischen Knechten. Rom hatte ihn geschont: es sollte jetzt seinen Herrscher haben. Und der zweite Akt des Dramas begann.

171 Fesselnd und bewundernswert ist es, wie Antonius, der nun der alleinige Konsul des Jahres 44 war,Dolabella wurde dann sein Mitkonsul. die ungeheure und beispiellos neue Situation benutzte. Die Welt war im Wirbel. Er war der ruhige Punkt im Wirbel. Aber man merkt zugleich: Fulvia steht hinter ihm. Fulvia war wie Eisenrippen in dem wuchtigen, aber schwankenden Bau seiner Natur. – Die Verschwörer sind furchtsam, lagern oben auf dem Kapitol und getrauen sich nicht in ihre Häuser. Unten auf dem Forum gärt es unheimlich. Das Volk rottet sich. Auch Soldaten, Veteranen Cäsars, strömen massenhaft in die Stadt. Antonius behält anfangs Fühlung nach beiden Seiten. Den Brutus und Cassius lädt er verbindlich zum Speisen, beruft dann den Senat, gesteht der Senatspartei zu, daß den Mördern Cäsars nichts Übles geschehen soll (man nannte das eine Amnestie), setzte aber zugleich durch, daß alle Anordnungen Cäsars gültig blieben, und nicht nur das, sondern auch alle die Anordnungen, die sich noch in Cäsars nachgelassenen Papieren finden würden. Das war ein Meisterstreich. Denn Cäsars Witwe Calpurnia überließ ihm den Nachlaß vollständig; ja auch Cäsars Barvermögen, etwa 12 Millionen Mark, nahm Antonius vorläufig an sich, als wäre er der Erbe. Dann traf er eine Fülle von Anordnungen nach eigenster Willkür, verlieh z. B. den Bewohnern Siziliens das römische städtische Bürgerrecht, wofür zum Dank die Sizilianer ihm ordentlich zahlen mußten, und behauptete jedesmal, in Cäsars Papieren finde sich das so vorgesehen. Niemand konnte das nachprüfen. Fulvia sorgte, wo es nötig war, für Fälschung der Belegstücke.

Zugleich aber begann Antonius vorsichtig gegen die Verschwörer Stimmung zu machen. Gleich anfangs veröffentlichte er Cäsars Testament. In dem Testament aber stand erstlich als Legat ein gewaltiges Geldgeschenk für das Stadtvolk Roms (pro Kopf 300 Sesterz), sodann aber fand sich da auch einer der Cäsarmörder von Cäsar als Erbe bedacht, andere der Verschworenen waren im Testament in anderer Weise 172 ausgezeichnet. So hatte Cäsar die geliebt, die ihn umbrachten! Ein Schrei der Entrüstung erhob sich im Publikum. Und nun wurde die Leiche des Gewaltigen selbst aufgebahrt. Das Forum war die Bühne für das Schauspiel. Unzählige Veteranen drängten heran. Schon hielt der Leichenzug, der sich langsam bewegte, vor der Rednerbühne. Da hielt Antonius die Leichenrede auf das geschickteste;Sueton c. 84 richtiger als die übrigen Quellen. nicht im offenen Ton aufhetzend, nein! Er las nur das Ehrendekret vor, das der Senat selbst einst voll von Huldigungen für den Toten erlassen hatte. Es war nur ein Funke, den er warf, und schon schlug die Flamme des Fanatismus hell empor. Auf dem Forum selbst wird aus Tischen und Bänken – man nahm, was sich eben fand – rasch ein Holzstoß aufgeschichtet; darauf legt man den Toten. Die Flammen züngeln empor. In den Qualm und das Geprassel mischt sich das Geheul der Menge. Soldaten werfen, dem Toten zu Ehren, ihre Waffen in den Feuerbrand, die Zivilisten ihre Mäntel. Dann aber ging der Krawall, die Hetze los. Man bestürmte die Häuser der Mörder. Mit Mühe gelang es dem Antonius, das Schlimmste abzuwenden. Aber der Aufruhr, der Terrorismus der Gasse dauerte an, wochen- und wochenlang und endete nicht. Da flohen die Verschworenen, da entwichen auch die anderen Vornehmen aus Rom. Antonius sah sich allein in der Stadt. Er hatte alle Gewalt in Händen. Die Staatsgeschäfte erdrückten ihn fast;Cicero zeigt uns ad fam. XI 28, 7, wie sein Haus von denen, die Vorteile von ihm erlangen wollen, überrannt wird (im Mai). aber in ihm festigte sich der Plan, nicht nur der Rächer, auch der Erbe Cäsars zu sein.

Aber da fand sich ein unerwartetes Hindernis. Cäsar, der keine legitimen Kinder besaß, hatte in seinem Testament durch Kodizill seinen Großneffen Octavius als Sohn adoptiert, und dieser Sohn Octavius zeigte sich jetzt auf einmal in Rom. Er war erst 19 Jahre und kam von Studienreisen aus der Stadt Apollonia. Das war also der Erbe Cäsars! Antonius begegnete ihm anfangs hochmütig bis zur Grobheit; solche jungen Leute muß man einschüchtern! Aber dieser Octavius, der sich jetzt Octavianus und Cäsar nannte, fand sogleich Anklang beim 173 Volk, ja, er warb Truppen, Soldaten an. Auf einmal standen drei Mächte nebeneinander: hier Antonius, dort Octavian, zwischen beiden der Senat, der eben jetzt wieder das Haupt hob und den Cicero, der 62jährige Cicero, der Freund der Mörder Cäsars, jetzt führte.Cicero nennt sich jetzt geradezu den princeps des populus Romanus (ad fam. XII 24, 2), wie später Augustus sich nannte. Auch der Senat hatte Truppen zu seiner Verfügung. In Gallien, d. h. in Norditalien, stand der Senator und Cäsarmörder Decimus Brutus mit einem Heer bei Modena.Dieser Brutus ist von dem berühmteren Cäsarmörder Marcus Brutus wohl zu unterscheiden. Antonius bricht auf, diesen Decimus Brutus aus Gallien zu vertreiben; denn wer dies Gallien in Händen hat, beherrscht Italien. Aber auch Octavian rückt dort ein; er spielte sich vorläufig als junger Verehrer Ciceros auf und paktierte mit der Senatspartei. So wird Antonius zwischen zwei Gegnern eingeklemmt. Aber anfangs vermeiden alle drei die Schlacht; jeder fürchtet sich vor der Entscheidung – bis die Senatsarmee doch angreift und Antonius bei Modena den kürzeren zieht: zu Anfang des Jahres 43. Seine Legionen sind zu schwach; um sie zu retten, bricht er über die schwierigen Pässe des Apennin nach Genua durch: das war ein entsetzlicher Marsch durch die ödesten Strecken; aller Proviant fehlt; er muß sich mit seinem Heer von den Wurzeln des Waldes, ja, wie der Hirsch, wenn er hungert, von Baumrinde ernähren.

Da zieht aus der Provence, aus Süd-Frankreich, Lepidus mit etlichen Legionen heran. Auch dieser Lepidus war einer der Vertrauten Cäsars gewesen, und Antonius selbst hatte sich ihn gelegentlich durch Gefälligkeiten verpflichtet. Was würde nun geschehen? Würde sich Lepidus als Freund oder als Gegner zeigen? Antonius, der Feldherr, tritt an die Umwallung des Feldlagers des Lepidus, mit verwildertem Bart und wirrer Haarmähne, in dunklen Trauerkleidern, ein gespenstischer Anblick, und ruft des Lepidus Heer zur Rache für Cäsar auf. Lepidus ist unschlüssig; er läßt die Trompeter Signal blasen, um des Antonius Rede zu übertönen. Das Herz der Soldaten aber ist schon ergriffen. Am andern Morgen will Antonius das Lager stürmen; aber die Soldaten ergeben sich ihm von 174 selbst; er findet Lepidus schlafend in seinem Zelt, erweist ihm alle Ehren, nennt ihn »liebes Väterchen«, und Lepidus, der Windhund, der immer wetterwendische,ventosissimus: Cic. ad fam. XI 89, 1. ist jetzt sein Verbündeter. Was sollte der junge Octavianus jetzt tun? Sollte er, Cäsars Adoptivsohn, noch an der Verbindung mit Cicero festhalten und für den Senat, der den Cäsar gemordet, gegen Antonius und Lepidus kämpfen? Unmöglich.

So geschah die schicksalsschwerste Wendung. Antonius, Lepidus und Octavianus tun ihre Heere zusammen und schließen einen Dreibund, das schreckhaft berühmte zweite Triumvirat des Jahres 43, mit der Zwecksetzung, dem Staat eine neue Verfassung zu geben. Auf einer kleinen Flußinsel in Norditalien kamen die Männer zusammen; Antonius und Octavian maßen sich mit Mißtrauen und untersuchten sich erst gegenseitig, ob keiner heimlich ein Stilet bei sich führe, ehe sie die geheime Verhandlung begannen, deren Wortlaut nie mitgeteilt worden ist.

Es war für die drei jetzt ein Kinderspiel, Rom zu nehmen. Aber das genügte nicht. Denn Marcus Brutus und Cassius, die beiden erheblichsten Männer unter den Verschwörern, standen jetzt im Orient, in Asien und Mazedonien, mit starken Heeresmassen und nahmen alle Geldzufuhr weg. Denn Italien war geldarm, und alljährlich flossen sonst die Einkünfte des römischen Staats aus Asien herzu.Dies schildert uns Cicero (ad fam. XV 1, 5) schon für das J. 51. Jetzt blieben sie aus. Brutus fing sie ab. Wie sollten die drei Triumvirn ihre Heere bezahlen? Von bloßer Cäsarbegeisterung wurden die Soldaten nicht satt. Der Staatsschatz war leer. Es galt Geld, Geld zu schaffen auf alle Fälle.

So kamen denn die grausigen Proskriptionen über Rom. Es ging den Reichen an die Kehle. Das Blutbad Sullas erneuerte sich jetzt. Ob Antonius, ob Octavian das zuerst angeregt hat, steht dahin; ich traue dem Octavian den teuflischen Gedanken am meisten zu. Die Güter wollte man in Beschlag nehmen und schlachtete dazu die Besitzer ab, 120 Senatoren, 3000 reiche Ritter. Großgrundbesitz und Großkapital. Die 175 Namen der Opfer wurden vorher bekannt gegeben. Das gab eine schauervolle Menschenjagd durch das ganze Land. Gleichzeitig wurden den Soldaten achtzehn italienische Städte zur Plünderung freigegeben. Cicero, der für kurze Zeit den Staat gelenkt hatte, war das erste Opfer. Er hatte den Mark Anton mit wüsten Schimpfreden überschüttet, ja, mit Schmutz beworfen: jetzt hieb man ihm, als er in der Sänfte floh, den Kopf herunter, schnitt ihm auch beide Hände ab; der Kopf ging von Hand zu Hand und mußte auf der Rednerbühne paradieren.

Man hatte eingesehen, daß ohne solchen Gewaltakt keine Monarchie Bestand haben würde. Cäsar hatte ihn zu vollziehen versäumt; jetzt war er vollzogen: ein gräßlicher Aderlaß. Der Senat war für immer gebrochen. Unteroffiziere, hergelaufenes Kriegsvolk kaufte bei den Güterauktionen für ein Lumpengeld jetzt die altherrschaftlichen Paläste und Landgüter auf, die einst in den Händen des alten Adels waren. Der ganze Besitzstand wechselte im Land. Man denke sich, man schlüge in einer Woche 120 vornehme Ost-Elbier und in Berlin und Frankfurt 3000 große Geldmänner tot, um ihren Besitz einzuziehen, und man wird die wirtschaftliche Erschütterung begreifen, die damals in allen Schichten eintrat. Aber der Erlös genügte den Triumvirn immer noch nicht. Sie beraubten auch die Gelddepots der Tempel, sie legten neue Steuern auf, auch eine Steuer auf die Mitgiften der reichen Frauen. Das war noch nicht dagewesen, und man kann sich vorstellen, welch ein Aufzug von bestürzten Matronen da zur Fulvia kam, um sie um Steuererlaß zu bitten. Denn man wußte, Fulvia war mächtig.

Wer hatte die Bestie in Antonius geweckt? War es Octavian? war es Fulvia? waren es die ganz außerordentlichen Umstände gewesen? Blutgier lag sonst nicht in seiner Natur. Er hat sonst nie gemordet, um sich zu bereichern.

Und nun erhob er sich, im Folgejahr 42, zu seiner größten Tat, zur wirklichen Rächung Cäsars. Octavian zeigte sich schwach und unsicher und wie ein Zwerg neben ihm. Antonius 176 suchte mit zwanzig Legionen die Cäsarmörder Brutus und Cassius zu finden, und er fand sie in Mazedonien, bei Philippi. In zwei großen Schlachten hat er sie da niedergerungen, mit einer strategischen Genialität, die des Cäsar würdig war. Brutus und Cassius fielen in ihr Schwert. Die Republik war für immer zu Ende. Gegen die Besiegten aber zeigte Antonius sich schonend und menschlich. Über die Leiche des Brutus breitete er sein eigenes kostbares Pupurgewand und befahl einem seiner Untergebenen, ihn fürstlich zu bestatten; als der Diener sich von dem Aufwand der Totenfeier durch Diebstahl bereicherte, ließ er ihn hinrichten. Dann aber verteilte er die Welt, gab dem Lepidus Afrika, Octavian bekam Italien und die Hinterländer; er selbst behielt sich den reichen Orient vor; denn der Orient war eigentlich die Welt: die Balkanhalbinsel, Kleinasien, Syrien und Ägypten. Eine erste Teilung des Reichs. Die Teilung hielt Antonius für definitiv; er hat seitdem nie mehr daran gedacht, das ganze römische Reich allein zu beherrschen. Es fehlte nur, daß Antonius sich auch eine Hauptstadt im Osten gründete, daß er sich dort mit einem neuen Senat umgab. Aber wozu einen Senat? Ein Kollegium ratgebender Freunde genügte ihm.

Und hiermit beginnt der dritte Akt der Antoniustragödie. Mochte sich Octavian mit dem verarmten Italien plagen und die schwierige Aufgabe lösen, die Tausende von ausgedienten Soldaten, die da zusammenliefen, anzusiedeln und zu sättigen. Antonius stellte sich eine weit größere Aufgabe und betrachtete sich auch darin als den Erben Cäsars. Cäsar war durch den Tod verhindert worden, den großen Krieg gegen Persien, gegen die Parther, den er schon rüstete, zu führen (oben S. 158). Antonius nahm jetzt diesen Krieg auf sich. Deshalb hatte Antonius sich das Recht gesichert, auch in Italien weitere Truppen auszuheben. Aber die Sache eilte nicht. Nach drei so angestrengten Jahren, Jahren voll von Katastrophen, gedachte der vierzigjährige Mann sich erst etwas zu erholen und vor allem 177 Geld zu sammeln. Denn auch sein Fiskus war stets leer, und die Soldaten schrien nach Sold. Das Heer war immer größer, die Ansprüche der Söldlinge immer dreister geworden.

Zunächst bummelte er etwas in Altgriechenland, suchte seine klassische Bildung etwas aufzufrischen (er hatte sich bisher dazu nie Zeit genommen), unterhielt sich mit klassischen Philologen, besah alte Tempel und Rathäuser und amüsierte sich dabei in seiner burschikosen Weise. Dann ging er nach Asien, erhob eine hohe Kriegssteuer, ließ sich von den Königen hofieren und beschenken und begann etwas den Sultan zu spielen, wie das Morgenland das gewohnt war. So hat er im Lauf der Zeit die Karte des Orients nicht unerheblich verändert, hat Vasallenkönige da eingesetzt, wo bisher Republiken waren. Antonius war es, der den Herodes zum König der Juden machte. Dabei raubte und stahl seine Umgebung entsetzlich; er merkte es nicht; er war zu wenig mißtrauisch. Erfuhr er aber von solchem Skandal, so konnte er auch strafend dazwischen fahren.

Zu den Vasallen des Römerreichs gehörte nun aber auch Kleopatra und das Land Ägypten. Antonius lud Kleopatra ein, nach Tarsus in Kleinasien zu kommen. Vielleicht kam sie auch aus eigenem Triebe. Jedenfalls wollte er von ihr Geld für seinen Partherkrieg. Aber sie gab ihm mehr als Geld. Und so beginnt der sog. Kleopatraroman.

Antonius, der übrigens an Schönheit sehr verloren hatte (er war stark beleibt geworden), ließ sich damals von den Asiaten als Gott Dionys verehren (auch hierin wirkte Julius Cäsars Einfluß nach, der den verpönten Dionyskult in Rom wieder legitimiert hatteVgl. »Horaz' Lieder« Heft 2 S. 133 f., »Die Schaubauten der Griechen« S. 13 und 293.). Das wußte sie. Uns klingt das heute wie ein kindischer Scherz; aber die feurige Phantasie der Orientalen nahm solche göttliche Verkleidungen ernst. Sie glaubten, daß in den außerordentlichen Menschen und Machthabern, wie Alexander dem Großen, sich wirklich ein Übermensch, ein Gott darstellt, und des Antonius Phantasie wurde davon mitergriffen. Man sah ihn also im Rebenkranze und in weichen 178 griechischen Gewändern. Zu diesem Dionys kam nun Kleopatra auf ihrem goldenen Schiff, als Göttin Venus angetan, gefahren, von einem Ballett von Flügelknaben umgeben. Der Zauber wirkte. Noch war nicht der Winter da (des Jahres 41–40), da war er schon bei ihr in Alexandria. Nicht Dionys, nein, er war noch immer der Herkules, und der Herkules hatte jetzt seine Omphale gefunden. Aber auch hierin war er Cäsars Erbe; denn auch Cäsar hatte diese Kleopatra geliebt. Sie war inzwischen 28 Jahre alt; aber bei schönen Frauen der Hochkultur zählt man die Jahre nicht. Sie hatte ihn eingefangen. Zunächst war er aber noch der Gebieter. Er glaubte die Königin völlig zu beherrschen und für seine Zwecke ausnützen zu können.

Erst, als der Winter vorüber, hört er, was in Italien geschehen.In Winterszeiten erhielt man über See tatsächlich keine Nachrichten; vgl. W. Riepl, Das Nachrichtenwesen des Altertums, S. 284. Fulvia, seine eifrige Gattin, und sein Bruder Lucius Antonius haben dort gegen Octavian die Waffen erhoben. Man sah Fulvia selbst in Waffen. Die ehrgeizige Frau verachtete Octavian; sie wollte, Antonius, ihr ungetreuer Gatte, sollte auch Mitherrscher Italiens sein. Der Erfolg aber war, daß sie fliehen muß. Sie flieht nach Griechenland, erkrankt und stirbt (im Jahre 40). Dadurch sank des Antonius Einfluß in Italien gewaltig. Sollte er nun darum den Bürgerkrieg, den Kampf mit Octavian beginnen? Aber die Soldaten selbst wollen keinen Krieg; sie zwingen die Herrscher zum Frieden und neuem Bündnis, und Antonius läßt sich überreden, zur Sicherung des Weltfriedens die Schwester des Octavian, die edle Octavia, zu heiraten. Dies geschah in Rom. Octavia war eine der lieblichsten und feinsinnigsten Frauen Roms. Sie liebte ihren neuen Gatten Antonius wirklich als den Vollmenschen, der er war, und den größten der Römer, die damals lebten. Und wirklich, auch er vergaß Kleopatra. Er verlegte seine Hofhaltung mit Octavia für den Winter des Jahres 39 auf 38 nach Athen; das war eine Zeit voll schöner Stunden und geistiger Anregungen. Aber die armen Athener mußten zahlen. Sie feierten ihn als Gemahl ihrer Stadtgöttin Athene, und er brauchte diese klägliche Schmeichelei 179 und verlangte eine Mitgift der Göttin von tausend Talenten aus ihrem Tempelschatz. Als im Jahr 37 neue Zerwürfnisse mit Octavian entstehen, ist es Octavia, die bei ihrem Bruder den Frieden und Ausgleich durchsetzt. Jene Zerwürfnisse betrafen die Bekämpfung des Sextus Pompejus, des Sohnes des Pompejus Magnus, der damals wie ein Piratenkönig in Sizilien herrschte und dessen Angriffen Octavian ausgesetzt war.

Aber Antonius dankte der Octavia schlecht. Endlich, im Jahre 36, rüstet er zum Partherkrieg, der schwieriger war als alles, was Rom je unternommen. Es war die große Aufgabe seines Lebens. Dazu braucht er Ägyptens Hilfe und tat den großen, längst erwogenen Schritt und heiratet Kleopatra. Kleopatra hatte die Ehe längst gewollt. Rechtlich war diese Ehe nur in Ägypten, nicht in Rom gültig. Antonius blieb also für Rom Ehegatte der Octavia.

War es bloße sinnliche Verliebtheit? Gewiß nicht. Antonius hatte seine Zwecke. Er brauchte eben gewaltige Geldquellen für sein weites Reich, und nur der ägyptische Staatsschatz, den das gierige Rom noch nicht ausgeplündert hatte, konnte sie ihm noch bieten. Kleopatras Zweck aber war, die Selbständigkeit Ägyptens Italien und Rom gegenüber durch Antonius zu retten. Antonius vermied es noch, sich amtlich König von Ägypten zu nennen. Aber er war es de facto und hat in dieser Eigenschaft Ägypten selbst auf Kosten der römischen Provinzen vergrößert, Cypern, Phönizien und andere Länderstrecken mehr zu Ägypten geschlagen.

Da kam der entscheidende Schicksalsschlag. Der Partherkrieg des Jahres 36 mißlang. Das Vorhaben war eben unerhört groß, bis nach Persien vorzudringen; auch Cäsar wäre mutmaßlich daran gescheitert; denn keinem römischen Machthaber ist eine Eroberung in jenen Landstrecken je geglückt. Das lag an der Schwierigkeit des Verpflegungswesens, der Gefährlichkeit des Klimas. Das heiße Land ist in Wüsten gepanzert. Erst durch die modernen Eisenbahnen wurde die zeitweilige 180 Besiegung Persiens durch Rußland und England heut ermöglicht. Auch Kaiser Trajan hatte dort nur einen Scheinerfolg; er starb während des Kampfes, als der eigentliche Widerstand erst begann.Es gab zwei Wege zum Angriffe, den einen durch die Ebene von Carrhae, den anderen durch Armenien. Ersteren ging Crassus, so auch später Kaiser Valerian. Der andere war günstiger; ihn wählte Antonius, und Trajan errang z. T. auf ihm seine Erfolge. Des Antonius Vorbereitungen waren großartig; er schleppte einen Belagerungs- und Geschützpark auf 300 Wagen mit sich durch die Gebirge; und vielleicht hätte er trotz allem einen großen Erfolg gehabt, wäre nicht im gefahrvollen Augenblick der König von Armenien wortbrüchig von ihm abgefallen. Im Spätherbst gab es einen musterhaft geführten Rückzug; aber die Verluste waren sehr stark. Was nützte es, daß seine Soldaten ihn trotz allem liebten und verehrten und ihn in seiner Niedergeschlagenheit trösteten wie einen guten Kameraden?Plutarch c. 43. In der Welt war der Eindruck des Mißerfolgs der ungünstigste. Das Ansehen des Octavian schnellte mit einem Male mächtig empor; vor allem fing von jetzt an Kleopatra an, den Antonius völlig zu beherrschen. Sein heller Glanz fing langsam an zu erblinden.

Das ägyptische Klima wirkte erschlaffend auf ihn wie auf so viele; auch brauchte seine Natur Vergnügen; er brauchte gleichsam immer gutes Wetter; und Kleopatra sorgte dafür. Sie war nicht eigentlich schön, aber das schlangenhaft Umstrickende, schwelgerisch Verführende ihres Wesens, ihre helle Klugheit, die unbeschreiblich verfeinerte Kultur und Anmut ihrer Verkehrsformen, das müssen wir glauben, machten sie so siegreich und unüberwindlich. Sie würfelte, so heißt es, und jagte mit ihm, trieb sich nachts als Page verkleidet mit ihm herum, wenn er ein bißchen die Leute foppte; und das Volk amüsierte sich mit. Er fischte auch gern. Kleopatra machte sich einmal den Spaß, viele Zuschauer zum Fischen zu laden, und als Antonius die Schnur ins Wasser wirft, läßt sie von Tauchern ein Stück geräucherten Thunfisch an dem Angelhaken befestigen. Er zieht hoch; ein ungeheures Gelächter entsteht. Kleopatra aber ruft: »Überlaß, o Antonius, unsern Strandleuten hier das Fischen; deine Sache ist es, Städte und 181 Königreiche zu angeln.« Den Römern schien er zu galant gegen diese Königin. Wenn Antonius Geld an seine Soldaten gab, sagte er, das Geld komme von ihr. Beim Speisen pflegte er in Anwesenheit der Gäste aufzustehen und ihr ein bißchen die Füße zu frottieren, weil sie das so liebte. Auch über den Tafelluxus, der da geherrscht haben soll, hielten sich die Römer auf. Aber sie irrten sich. Einmal erhalten wir Einblick in die dortige Hofküche; ein Koch Kleopatras hat das ausgeplaudert. Es aßen bei Tisch nur zwölf Personen. Dafür wurden an einem Tag acht wilde Schweine gebraten. Warum so viele? Nur deshalb, weil Antonius beständig mit der Tischzeit wechselte und doch immer etwas fertig gebraten sein mußte. Aber nur Wildschwein: welche Einfachheit! Die Römer hätten ihren Lukull fragen sollen, was Luxus ist. Hier darf dann auch die berühmte Perle nicht fehlen, die Kleopatra in Wein aufgelöst haben soll, um sie auf des Antonius Wohl zu trinken. Unsere Naturwissenschaft hat bezweifelt, daß dieser Hergang physikalisch möglich sei.E. Korschelt in Fortschritte der naturwissenschaftlichen Forschung, Bd. VII (1912) S. 138. Daß man die Perle erst zerrieb und dann im Wein trank, erwähnt Horaz Sat. II 3, 239: gemmam trivit et misit in poculum. Vielleicht wurde die Perle indes zerrieben und so pulverisiert im Wein hinabgespült. Jedenfalls aber haben wir so manchen Klatsch, der den beiden angehängt wurde, mit größter Vorsicht zu benutzen, und manches von dem, was ich darüber mitgeteilt, ist danach zu beurteilen.

In den Jahren 35–33 strafte Antonius den treulosen König von Armenien, führte ihn als Gefangenen mit sich fort und rüstete langsam und mit größerer Vorsicht neue Unternehmungen gegen die Parther. Er war durchaus nicht untätig, aber sein Blick ausschließlich nach dem Osten gerichtet. In Rom wuchs indes die Mißstimmung gegen ihn, auch bei seinen bisher zahlreichen Verehrern, und viele Freunde verließen ihn. Die Kriegsstimmung wuchs. Man brachte dafür zum Teil ganz alberne Gründe vor, wie z. B., daß Antonius bestimmt hatte, im Todesfall in Alexandria begraben zu werden, oder daß er die Gerichtsverhandlungen, die er leitete, unterbrochen hatte, um Kleopatras Liebesbriefe zu lesen. Schlimmer war, 182 daß Octavia, die treugesinnte, den Antonius im Orient hatte aufsuchen wollen, und er hatte sie ohne weiteres zurückgeschickt (im Jahre 35); bald schrieb ihr Antonius endgültig den Scheidebrief (im Jahre 32). Vor allem: der Lebensplan des Antonius wurde jetzt aufgedeckt, und was man da hörte, konnte kein Römerherz dulden und überwinden: es war aber der übrigens durchaus vernünftige Plan, das römische Reich, das in der Tat viel zu groß war, zu teilen. Solche Teilung hat später vielleicht auch Mark Aurel beabsichtigt, Diocletian hat sie wirklich ausgeführt. Antonius wollte ein orientalisches Reich mit Alexandria als Hauptstadt. Der Orient ließ sich als Ganzes vortrefflich zusammenfassen, und Alexandria übertraf an Schönheit damals Rom bei weitem. Daher brauchte Antonius die Kleopatra; er konnte sie nicht entbehren. Es war eine Los-von-Rom-Bewegung. Die Quiriten am Tiber vergingen vor Ärger, als Antonius den König von Armenien gefangen einbrachte und seinen Triumphzug nicht in Rom, sondern in Alexandria hielt. Für ihn war Rom eben nun Ausland geworden, Alexandria seine Hauptstadt.

Der Orient brauchte Rom nicht, aber Rom brauchte den Orient. Italien wäre ohne den Osten verarmt und wirtschaftlich zugrunde gegangen. Das ist der tiefere Grund, weshalb Italien sich jetzt, da es etwas zu Kräften gekommen, gegen Antonius empörte. Octavian erklärte im Jahre 32 der Kleopatra den Krieg; und es kam zum letzten der großen Bürgerkriege, zum Zweikampf des Okzidents und Orients.

Antonius hatte schlechteres Soldatenmaterial. Die Masse allein tut es nicht, und er verlor die Übersicht über die Massen. Auch fehlten ihm Helfer und Ratgeber von Bedeutung und ein gutes Verwaltungspersonal. In Ägypten besorgten nach dem Herkommen Eunuchen und Freigelassene die Staatsgeschäfte. Unheilvoller noch war es, daß Kleopatra mit ins Hauptquartier kam. Aufs neue verließen ihn jetzt einige seiner alten Freunde, die er so dringend brauchte, und traten zum 183 Gegner über. Aber er ließ sich nicht erbittern und schickte ihnen noch ihr Gepäck nach. Auf einen Seesieg konnte er gleichwohl immer hoffen; denn er hatte 500 mächtige Galeeren vereinigt, die eine wunderherrliche Front bildete.

So kam es nach langem Zaudern wirklich zur Schlacht. Es war bei dem Vorgebirge Antium im Adriatischen Meer an der epirotischen Küste, und zwar im Anfang September des Jahres 31. Daß Antonius es hier zur Schlacht kommen ließ, war durchaus nicht so töricht und planlos, wie manche glauben. Es verrät vielmehr den überlegenen Feldherrn. Denn des Octavian Landheer stand schon auf der Balkanhalbinsel. Gelang es ihm wirklich, des Octavian Flotte bei Actium zu vernichten, so hatte er auch jenes Landheer von Italien abgeschnitten; er konnte ihm den Zuzug rauben, es selbst zu vernichten suchen und sich vor allem Roms bemächtigen.

Im einzelnen aber fehlte es ohne Frage an Ordnung und klarer Disposition. Die kluge Kleopatra hatte inzwischen alles beobachtet; sie überschaute die Lage der Dinge und gewann die Überzeugung, daß die größeren Aussichten auf Erfolg bei ihrem Gegner waren. Da beging sie den schnödesten Verrat, um den Octavian für Ägypten günstig zu stimmen; sie floh plötzlich mit 60 Schiffen mitten aus der Schlacht aufs hohe Meer hinaus. Kaum nimmt Antonius dies wahr – er hatte sich auch schon vorher auffallend schlaff und kopflos gezeigt –, so wirft er sich in einen Schnellruderer und jagt ihr nach. Die kämpfende Flotte ist ohne Führer. Erst am Abend, als sie geschlagen sind, als ihre hochbordigen Schiffe in Flammen stehen, merken seine tapferen Mannschaften, daß Antonius, der Mann, für den sie kämpfen, fehlt.

So war Antonius. Er warf alles hin für das eine. Stumpf und öde, den Kopf in den Händen, jagt er drei bis fünf Tage lang mit ihr über das Meer. Als Flüchtling, ein vernichteter Mann, ist er wieder in seiner Hauptstadt. Durch Zerstreuungen und Festgelage sucht er sich mit ihr zu betäuben. Dann naht 184 Octavian. Antonius fordert Octavian zum Zweikampf. Umsonst. Es gilt die Stadt zu verteidigen: aber auch da verrät ihn das unselige Weib. Seine Schiffe, seine Truppen gehen sogleich zum Feinde über, und sie, sie ist schuld daran. Er rast. Er schäumt auf vor Wut. Da versteckt sie sich vor ihm in den Gewölben des königlichen Grabgebäudes. Er hört, sie habe sich dort getötet. Da hat er die Kraft nicht mehr, ihr zu grollen, ihr, der Circe, die ihn umgarnt, die das tapfere Männerblut in ihm vergiftet. »Ich habe nichts mehr, was mich im Leben hält,« ruft er und fordert seinen ergebenen Waffendiener Eros auf, ihn zu töten. Eros zieht das Schwert, wendet sich um und tötet sich selbst. Da rafft Antonius das Eisen auf und stößt es sich in den Unterleib. Allein er stirbt nicht. Er fällt auf eine Bank und fleht die Anwesenden an, mit ihm ein Ende zu machen. Alle laufen davon, bis Kleopatra davon hört. Ein Hofbeamter Diomedes bringt Antonius noch lebend zu ihr ins Grab. Durch ein Fenster wird der noch Lebende zu ihr ins Gewölbe geschafft. Kleopatra selbst mit ihren Dienerinnen zieht das Seil, das ihn trägt. Er war blutüberströmt und reckte jammervoll sehnsüchtig die Hände nach ihr. Da versuchte sie ihm zu helfen, ihm Erleichterung zu verschaffen und nannte ihn schmeichelnd ihren Herrn und König. Sterbend riet er ihr, ihren Frieden mit Octavian zu machen und ihn selbst nicht zu beweinen, denn er sei groß und glücklich gewesen wie wenige, und es sei nicht unehrenhaft, daß ihn ein Römer besiegt habe. In der Tat, man kann sagen: nicht Octavian hat den Antonius besiegt; er erlag sich selber.

Die Hinterlist der Kleopatra aber war vergebens gewesen. Ägypten wurde für immer zum römischen Besitz, und sie erfuhr, Octavian wolle sie selbst greifen lassen und als glänzendstes Beutestück durch die Straßen führen. Da gab sie alle Hoffnung auf und wandte jetzt ihr Herz ganz dem Verstorbenen zu, den sie mit großem Prunk bestattete. Umsonst suchte Octavian ihr jede Möglichkeit, sich selbst zu töten, zu entziehen. Bald 185 genug erhielt er von ihr einen Brief, in dem sie ihn bat, beim Antonius bestattet zu liegen. Da ahnte er, was geschehen.

Sie hatte am Morgen sich gebadet, dann in aller Pracht reichlich gefrühstückt. Dann brachte ein Mann vom Lande einen Korb voll Feigen in den Saal. Die an der Tür postierten römischen Aufpasser ließen den Korb ungeprüft an sich vorüber. Man vermutet, es lagen giftige Nattern unter den Feigen. Als man ins Gemach eindrang, fand man sie tot auf goldenem Lager, in königlicher Pracht und Schönheit. Die wirkliche Todesursache hat niemand sicher feststellen können. Als Octavian in Rom seinen Triumphzug hielt, ließ er das Bildnis der berühmten Frau mit herumfahren, und man sah da Kleopatra mit der Schlange. Und so steht die Sterbende auch heute vor unserer Phantasie; denn so hat sie Paolo Veronese gemalt. Sie war 39 Jahre alt.

Antonius hinterließ von den drei erwähnten Frauen Fulvia, Octavia und Kleopatra sieben Kinder. Drei schenkte ihm Kleopatra. Sechs Kinder nahm schließlich die gute Octavia an sich und erzog sie in Rom auf das treulichste. Das julische Haus, die Familie des Octavian selbst, hatte wenig Kindersegen; das Blut der Claudier und das Blut des Mark Anton war es, das statt dessen in der Kaiserfamilie, die Rom nunmehr beherrschte, in den nächsten achtzig Jahren weiterwirkte. Vor allem die beiden Antonien, die ausgezeichneten Töchter des Antonius und der Octavia, wurden durch die Heiraten, die sie eingingen, Stammütter im Kaiserhaus. Erklärt sich daher das Schwelgerische, gesetzlos Triebhafte in den Nachkommen, den Kaisern Caligula, Claudius und Nero? Aber Mark Anton selbst hatte großartige Taten aufzuweisen, und seine Ausschweifungen waren nichts als gewaltsame Erholung nach gewaltsamster Arbeit. Er hatte als Vollmensch sich selbst vergeudet, aber nicht nur im lachenden Taumel der Bacchanale, sondern auch in der Schlacht, im Tumult der Gasse, im 186 Sturmgang der großen Weltgeschichte, die er gemacht. Nero und Caligula dagegen waren Nichtstuer und Ästheten, Menschen mit träge gewordenem Blut. Nicht die Tugenden, nur die Fehler haben sich in der Kaiserfamilie fortgeerbt und durch Vererbung gesteigert. Das war der Fluch der Erblichkeit der Monarchie. Diese Erblichkeit hat sich in Rom nicht bewährt. 187

 


 


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