Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweites Kapitel.

Die Bekanntschaft mit der interessanten Nachbarschaft war schneller eingeleitet, als Else erwartet hatte.

Sie stand am nächsten Morgen wieder an der Schlehdornhecke und schaute dem Spiele der fünf fröhlichen jungen Menschenkinder zu. Da bemerkte sie einer der Knaben und teilte es den Mädchen mit. Aller Augen richteten sich nun auf Else, die sich verlegen an der Hecke zu schaffen machte, denn fortlaufen wollte sie nicht, das hätte doch zu albern ausgesehen.

Nach einer kurzen Beratung kam plötzlich das kleinste der jungen Mädchen herangesprungen und rief fröhlich: »Guten Morgen!«

.

Else erwiderte den Gruß, und beide Mädchen betrachteten sich eine Weile schweigend, dann aber begann die kleine Fremde lachend: »Wenn wir so fortfahren, uns anzustarren, werden wir nicht weiter kommen. Willst du mitspielen?«

»Wenn ich nicht störe,« entgegnete Else von oben herab und dachte: Was hat die Lehrertochter doch für wenig Lebensart.

»Bist du ganz allein?« fragte jetzt die Kleine.

»Ich bin mit meiner Mama hier, der Frau Geheimrat Kirchner aus Berlin,« entgegnete Else, über das kleine Mädchen hinwegblickend, sie sah daher auch nicht das lustige Lachen, das über das hübsche, ausdrucksvolle Gesicht der Kleinen flog.

»So eine Mama ist ja natürlich von der größten Wichtigkeit, aber ich meine, du bist das einzige junge Mädchen im Hause?«

Else nickte.

»Nun, so komm doch herüber und spiele mit uns, weshalb besinnst du dich so lange?«

»Ich will meine Mama fragen, ob ich darf,« entgegnete Else, nickte der Kleinen gnädig zu und ging ins Haus.

Als sie nach kurzer Weile in den benachbarten Garten trat, kam ihr die kleine Bekannte schon entgegen, ergriff ihre Hand und sagte freundlich: »Wie hübsch, daß du kommst, nun wollen wir gute Kameradschaft halten, nicht wahr?«

Else nickte. »Bitte, stelle mich der jungen Gräfin vor,« bat sie.

Die Kleine riß die leuchtenden braunen Augen weit auf. »Wem?« fragte sie verwundert; dann aber flog ein allerliebstes Schelmenlächeln über ihr zartes Gesicht. »Ach so – ich heiße Wally von Thalenhorst, und dies sind meine beiden Freundinnen Eva und Maria Reuter, und hier ihre beiden Brüder, unsre getreuen Kavaliere, Fritz und Konrad, der Herr Magister und der dicke Kon genannt. Wie heißt du denn?«

»Else Kirchner,« lautete die kaum verständliche Antwort, denn unsre junge Freundin hatte sich in ihrem Leben in keiner größeren Verwirrung befunden, als in diesem Augenblick. Sie fühlte nur dumpf, daß sie sich unendlich albern und dumm benommen habe, und scheu sah sie zu ihren neuen Bekannten hinüber, ob sie auch wohl über sie lachten. Sie begegnete jedoch nur freundlichen Blicken und atmete erleichtert auf; sie hatten ihren Irrtum vielleicht gar nicht bemerkt, was aber mußte die kleine Gräfin von ihr denken?

»Wir nennen uns alle untereinander ›Du‹,« fiel diese in ihren Gedankengang hinein, »wir sind ja alle noch Schulkinder, nicht wahr, dir ist es auch recht?« Else nickte nur.

»Nun laß uns aber endlich weiterspielen, Wally,« rief Fritz, ein kräftiger, schlanker Junge von fünfzehn Jahren, »aber dann sei etwas ernster. Du störst das Spiel immer durch deine Wildheit.«

Else sah den Knaben erschrocken an, wie konnte er wagen, so mit einer Gräfin zu sprechen?

Wally aber lachte nur, und Eva rief ungeduldig: »Laß das Hofmeistern, Magister, und ordne das Spiel; da wir jetzt eine Person mehr sind, müssen wir uns anders einigen.«

»Bist du schon lange hier?« fragte die zarte, blonde Maria die neben ihr stehende Else. »Wir haben dich schon öfter gesehen und gewünscht, mit dir bekannt zu werden.«

Else sah das liebliche Mädchen freundlich an. »Ach, ihr könnt es nicht mehr gewünscht haben, als ich,« sagte sie, »ich habe mich fast zu Tode gelangweilt!«

»Das wird dir in unsrer Gesellschaft nicht passieren,« rief Eva lachend.

»Nein, das kannst du sicher glauben,« sagte der dicke Kon mit tiefem Seufzer, »die Mädel's jagen uns arme Jungen, den ganzen Tag herum. Da heißt es: jetzt geht es in die Berge, jetzt wird gespielt, jetzt gearbeitet, und so geht es fort, und wenn man eben denkt, man hat ein stilles Plätzchen zum Ausruhen gefunden, gleich sind sie wieder da und stöbern einen auf; zum ruhigen Nachdenken über seine Lage kommt man überhaupt nicht.«

Ein fröhliches Lachen folgte dieser Rede, der längsten, die der »Dicke« je gehalten, wie Wally Else versicherte.

»Na, laß gut sein, Dicker,« rief Fritz, »auf diese Weise verlierst du etwas von deinen überflüssigen Fleisch- und Fettmassen, sei froh, wenn du etwas von dem unnützen Ballast los wirst.«

»Was – unnützer Ballast« –, wiederholte Kon gedehnt, breitete die Arme von sich und sah an seinem kurzen, umfangreichen Körper nieder, »siehst du dergleichen an mir, Else?«

Der Anblick des kleinen, dicken Jungen wirkte so komisch, daß diese hellauf lachte. »Ich kannte nur einen Knaben, der dicker war, als du, er mußte eine Entfettungskur durch machen.«

»O Konny,« – »Bravo, bravo,« – »Siehst du wohl, Kon –« so tönte es durcheinander.

Kon aber fragte kleinlaut: »Wie wird das gemacht?«

»Ich glaube, er mußte hungern.«

»O weh, Konny, deine schwächste Seite,« rief Wally lachend, und der Dicke sah so tiefsinnig an sich nieder, daß Marie ihm tröstend die blühenden Wangen strich. »Laß nur, Konny, so weit ist es noch nicht,« und Fritz rief fröhlich: »Da spring und lauf lieber, dabei wirst du auch dünner und brauchst nicht zu hungern; nun stoß aber endlich deine Kugel ab, Dicker.«

Dieser gehorchte mit tiefem Seufzer und das Spiel nahm seinen fröhlichen Fortgang.

Nach einer halben Stunde erklärte Wally plötzlich, ermüdet zu sein, und die junge Gesellschaft begab sich auf die Veranda, wo sich Wally auf ein kleines Ruhebett warf.

Marie trat hinzu, breitete eine leichte, bereitliegende Decke über die Freundin und strich zärtlich über das dunkle, krause Gelock, das den feinen Kopf der kleinen Komtesse umrahmte. »Du bist wieder zu lebhaft gewesen, Wally«, sagte sie, »das rächt sich stets.«

»Wenn ich es nur lassen könnte, Mia. Ich bin nämlich im Winter sehr krank gewesen,« fuhr sie zu der erstaunten Else gewandt fort, »und das macht sich noch oftmals fühlbar. Nun setzt euch aber und unterhaltet mich.«

»Wir wollen doch nicht hier festsitzen, Kon!« rief Fritz dem Bruder zu, der sich behaglich in einen Lehnstuhl fallen ließ. »Komm, wir laufen auf den nächsten Berg und suchen Eidechsen für unsre Sammlung.«

»Ein komisches Vergnügen um zwölf Uhr mittags,« knurrte Kon, erhob sich aber und schlenderte hinter dem Bruder her.

Die jungen Mädchen begannen nun lebhaft zu plaudern. Else mußte von sich und ihrem Leben daheim erzählen, und das that sie nur zu gern, unterließ auch nicht, gelegentlich kleine Ausschmückungen hineinzuflechten, denn sie wollte zeigen, daß sie eine fein gebildete, junge Dame sei, deren Umgang selbst eine junge Komtesse sich nicht zu schämen brauchte. Sie bemerkte nicht, daß ihre Zuhörerinnen sich hin und wieder einen lächelnden Blick zuwarfen, sie waren jedoch zu wohl erzogen, ihren jungen Gast durch lautes Lachen zu kränken.

»Da kommt Tantchen!« rief Eva plötzlich, sprang auf und eilte einer älteren Dame entgegen, welche die Stufen zur Veranda emporstieg. Sie war nur klein und schmächtig, Evas schlanke, kraftvolle Gestalt überragte sie um ein Beträchtliches, wer aber einen Blick in das geistvolle Antlitz des kleinen Fräuleins warf, der wußte sofort, wodurch sie ihre junge, übermütige Schar lenkte: es war die Liebe, die aus ihren klugen, milden Augen leuchtete.

Mit warmer Freundlichkeit hieß sie Else willkommen, fragte nach dem Ergehen ihrer leidenden Mutter, die sie schon öfter gesehen, und der sie ihre volle Teilnahme geschenkt hatte, dann wandte sie sich Wally zu. »Hat mein Wildfang wieder des Guten zu viel gethan?«

»Ach ja, Herzenstantchen, ich vergesse immer, daß dies die schlimmste Tageszeit für mich ist.«

Fräulein Reuter legte ihre kühle, weiche Hand auf die unruhig pochenden Schläfen des jungen Mädchens. »In Zukunft spielt ihr nur bis elf Uhr und geht dann auf die Veranda oder ins Zimmer,« sagte sie mit freundlichem Ernst, »du Eva, als die Aelteste, sorgst dafür, daß mein Wunsch pünktlich ausgeführt wird!«

»Gewiß, Tante, ich werde genau acht geben,« versicherte diese, Wally aber richtete sich auf, schlang die Arme um die alte Dame und zog sie neben sich nieder. »Engelstante, du bist doch nicht böse?« rief sie.

»Nein, mein Liebling, nur bekümmert bin ich, daß sich die alte Schwäche immer wieder zeigt, und da meine sorglose Wally nicht zu wissen scheint, was zuträglich für sie ist, muß die alte Tante wohl einmal wieder ein Machtwort sprechen.«

»Dem sich dein Wildfang auch wie gewöhnlich ohne Murren fügt,« rief Wally und drückte ihre Lippen wiederholt auf Fräulein Reuters Hand.

Else hatte der kleinen Scene voller Staunen zugeschaut; wie anders würde sie sich an Wallys Stelle betragen haben. Sie errötete heiß, als sie daran dachte, wie häßlich sie sich gegen die Mama betrug, wenn diese einmal andrer Meinung war als sie.

Es entwickelte sich in den nächsten Tagen ein reger Verkehr zwischen den Nachbarfamilien. Auch die beiden älteren Damen schienen lebhaftes Gefallen aneinander zu finden. Die ruhige, vornehme Sicherheit Fräulein Reuters, vereinigt mit der warmen Liebenswürdigkeit, die sie nie verließ, imponierte der Geheimrätin ungemein, und Fräulein Reuter wiederum fühlte tiefes Mitleid mit der leidenden, schwachen Frau; so wob sich ein Freundschaftsband zwischen den beiden, welches für die letztere von großem Nutzen war.

»Wie glücklich ist doch Ihr Mütterchen, daß sie ein so liebes Töchterchen hat,« sagte Fräulein Reuter eines Tages zu Else, »nicht wahr, liebes Kind, es giebt nichts Schöneres, als der Mutter all die tausend kleinen Aufmerksamkeiten zu erweisen, die nur die Liebe ersinnen kann?«

Else mußte die Augen niederschlagen – ach, ihre Liebe zur Mutter hatte noch nichts für diese ersonnen, nicht die geringste Kleinigkeit, wohl aber war sie sich bewußt, die schwache, leidende Mutter durch tausend Kleinigkeiten gekränkt und geärgert zu haben. Das mußte anders werden, sie wollte nicht länger vor Fräulein Reuter so oft die Augen niederschlagen müssen, und bemühte sich ernstlich, es ihren jungen Freundinnen an Freundlichkeit gleichzuthun. Spielten doch sogar die Knaben die Aufmerksamen, ja selbst der gemütliche Kon gab seine Bequemlichkeit auf, wenn es galt, der Tante einen kleinen Dienst zu erweisen. Was der konnte, sollte sie doch wohl fertig bringen!

Unwillkürlich schlug sie einen andern Ton gegen die Mutter an, als sie bisher sich erlaubt hatte, war liebenswürdig und dienstbeflissen und fühlte sich glücklicher und zufriedener als sonst.

Dore strahlte vor Entzücken, wenn sie »unser Kind« ansah, das jetzt ebenso sang, tanzte und lachte, wie andre Backfischlein; das kam natürlich nur von der jungen Gräfin, und die Alte wußte gar nicht, wie sie dieser ihre Dankbarkeit bezeigen sollte. Zwar war sie sich nie klar in der Person des Komteßchens, einen Tag knixte sie vor der wirklichen, den nächsten vor Eva und den dritten vor Maria, und die losen Mädchen machten die Verwirrung der Alten immer heilloser, indem ihr jede heimlich versicherte, sie sei die Gräfin.

Eines Tages befanden sich unsere jungen Freunde unter der alten Linde, die seitwärts von dem Hause auf dem Rasen stand. Die Mädchen lagerten um Wally, die in einer Hängematte ruhte, welche von den niedrigen Zweigen herabhing, Kon lag lang hingestreckt in behaglicher Ruhe, und Fritz saß rittlings auf einem Stuhle, schlenkerte mit den Beinen und warf hin und wieder eine Bemerkung in die Unterhaltung der jungen Mädchen.

Sie sprachen von der Zukunft, und jede malte sich ihr Leben nach den eigenen Wünschen und der mehr oder weniger lebhaften Phantasie aus.

»Ich bleibe natürlich zu Hause,« sagte Wally, »meine Eltern haben nur die einzige Tochter, und ich kann da auch am besten – –«

»Die große Dame spielen,« fiel Fritz ihr spottend ins Wort.

Sie schnitt ihm eine kleine Grimasse und vollendete ihren Satz würdevoll: »am besten wirken.«

Fritz lachte, Kon aber drehte sich bedächtig um und fragte: »Was willst du, Wally?«

»Nimm mal dein bißchen Verstand zusammen, Kon, und belästige uns nicht fortwährend mit Fragen,« eiferte Wally, »ich will doch die guten Lehren ausführen, die Tantchen uns hier erteilt.«

»Ach so,« entgegnete Kon gedehnt, während Fritz zu pfeifen anfing.

»Und in welcher Weise willst du wirken, Wally?« fragte Eva.

»Darüber bin ich mir selbst noch nicht recht klar, aber ihr wißt doch, daß Tante immer sagt, wir wären für alles verantwortlich, was uns Gott verliehen hätte, auch für den Reichtum. Nun wißt ihr wohl, daß mein Papa sehr reich ist; ich soll jährlich eine gewisse Summe bekommen, sobald ich erwachsen bin, mit der ich anfangen kann, was ich will.«

»Ach,« sagte Eva, »wie schön muß das sein.«

»Ja, aber ich will sie doch auch gut anwenden, das könnt ihr euch denken, und etwas Besonderes muß es sein. Ich weiß nur nicht, ob ich ein Siechenhaus für alte Frauen baue oder ein Findelhaus für kleine Kinder.« –

»Ach ja, Wally, das thue,« rief Marie entzückt aus, »so kleine Kinder sind süß.«

»Baue lieber eins für schwache alte Männer, Wally,« rief Fritz ernsthaft, »ich habe noch nicht gehört, daß viele solche Institute existieren; damit sicherst du dir am ersten einen Platz im Himmelreich.«

»Schweig, du Spötter, sonst wirst du aus unsrem Kreise ausgewiesen,« rief Wally lachend und fuhr fort: »Oder ich baue ein Heim für unbemittelte junge Mädchen, die ich dort erziehen und ausbilden lasse – ja – ja – das will ich thun, und dich stelle ich dort als Lehrerin an, Eva.«

»Ein herrlicher Gedanke, Wally, ja das thue, dann wirken wir dort vereint,« rief Eva mit leuchtenden Augen.

»Vielleicht findet sich auch für mich ein bescheidenes Plätzchen?« fragte Fritz, »denn einen männlichen Beistand werdet ihr sicher nötig haben?«

»Wenn der Herr Magister gute Zeugnisse aufweisen können«, lautete die gnädige Antwort.

»Sag, Eva, willst du Lehrerin werden?« fragte Else erstaunt.

»Ja freilich. Mein Papa ist nicht so reich, daß er seine fünf Töchter zu Hause behalten kann. Wenn Tantchen mich genügend vorbereitet hat, gehe ich auf das Seminar, und wie stolz werde ich sein, wenn ich dann auf eigenen Füßen stehen und die Eltern vielleicht gar bei der Erziehung der jüngeren Geschwister unterstützen kann.«

Else sah bewundernd zu dem schönen Mädchen auf, deren Augen in edler Begeisterung leuchteten, Fritz aber sagte halblaut: »Es ist nur wegen des guten Beispiels, weißt du, sie ist die Aelteste.«

»Und ich, als Zweite, werde diesem Beispiel folgen,« sagte Maria lächelnd, »obgleich es mir sicher schwer wird von Hause zu gehen.«

»Du kommst zu mir,« entschied Fritz, der seine Zwillingsschwester zärtlich liebte, es aber nach Knabenart nicht gerne zeigte, »wenn ich einmal Lehrer bin, führst du mir die Wirtschaft.«

»Du wirst doch mal heiraten,« warf Wally altklug ein.

»Ach was, heiraten,« rief Fritz verächtlich, »sollte mir noch gerade fehlen, für solchen Zieraffen – na, seid man still –« rief er, als die vier Mädchen Einspruch erhoben, »ihr seid ja so leidlich nette Mädel, aber die meisten sind doch gräßliche Zieraffen; ich werd' mich hüten, mir einen solchen ins Haus zu nehmen.«

»Was willst denn du werden, Maria, auch Lehrerin?« fragte Else.

»Ich habe sehr große Lust zum Zeichnen und möchte darin recht tüchtig werden. Mein heimlicher Wunsch geht dahin, später eine Stelle als Zeichenlehrerin in der Vaterstadt zu erhalten, dann kann ich doch bei den Eltern bleiben.«

»Wie ernst ihr schon über eure Zukunft nachgedacht habt,« sagte Else, »ich habe bis jetzt nur daran gedacht, daß ich mich dann so schön wie möglich amüsieren will.«

»Hm,« machte Fritz, »das ist ein höchst vergnüglicher Lebenszweck.«

Else errötete, die andern lachten, und sie rief ärgerlich: »Na ja, ich habe nicht nötig, Lehrerin zu werden, meine Mama ist reich und würde gewiß ihre einzige Tochter nicht fortgeben.«

»Gewiß, Elschen, du hast allen Grund, dich deines Lebens zu freuen,« sagte Maria begütigend, »und deine Berichte werden uns mit erheitern, wenn wir gesetzte Lehrerinnen sind.«

»Was wohl aus unsrem Dicken wird,« warf Wally hin.

»Heda, Dicker, schläfst du?« rief Fritz.

»Du brauchst mich nicht so anzuschreien, mein Gehör hat in der letzten halben Stunde nicht gelitten,« lautete die phlegmatische Antwort.

»Hast du schon darüber nachgedacht, mein Sohn, was aus dir werden soll?« forschte Fritz.

Der Dicke nickte. »Das weiß ich ganz genau.«

»O Kon, sage es doch.«

»Pastor«, lautete die ruhige Antwort, worauf einen Augenblick völliges Stillschweigen eintrat, dann aber brach ein wahrer Sturm los.

»Aber Kon, dazu mußt du studieren!«

»Du wirst einen schönen Pastor abgeben!«

»Ist der reine ›Blöd‹, sich den Dicken im Talar zu denken!«

»Weshalb willst du denn gerade das werden, Kon?«

Der Dicke hatte die Fragen ruhig vorüberschwirren lassen, jetzt antwortete er gemächlich: »Ich denke mir diesen Beruf als sehr gemütlich. Ein Pastor hat es aber auch materiell recht gut, besonders wenn er eine Landpfarre hat, da kann er zugleich eine große Wirtschaft führen, die liefert ihm Gänse, Enten, Hühner, Eier, Schinken und Würste. Solcherweise stellt er sich gut.«

Wally lachte hellauf. »Bravo, Phlegmatikus, das ist auch ein guter Grund, Pastor zu werden, o Kon!«

»Dacht' mir's wohl, daß es auf eine Dummheit hinausläuft,« brummte Fritz, und Maria stellte dem Bruder eindringlich vor, daß er den geistlichen Beruf doch von einem höheren Standpunkte aufzufassen habe.

»Meinst du, Mia?« sagte er. »Na, ich kann mich ja noch besinnen, es eilt ja noch nicht.«

»Hallo, wen haben wir da?« rief Fritz und sprang von seinem Stuhle.

»Das ist ja der Pilzfriedel.«

Wirklich, es war der blasse Junge, den Else neulich so kurz abgefertigt hatte. Er ließ seine blauen Augen mit scheuem Blick über die junge Gesellschaft schweifen und blieb zögernd stehen.

»Na, Junge, hast du wieder Pilze? Die letzten haben sehr gut geschmeckt,« ermunterte ihn Fritz.

»Weshalb bist du so lange nicht hier gewesen?« fragte Eva freundlich.

»Die Herrschaften waren so gut und hatten mir schon mehreremal was abgekauft,« sagte er leise, einen ängstlichen Blick auf Else werfend.

Fritz nickte den andern zu. »Auch ein Grund, nicht wiederzukommen. Bescheidenheit ist eine Zier – den Reim darauf kennt der arme Junge sicher nicht. Höre Friedel, zu guten Menschen kann man gar nicht oft genug gehen, merk dir das, mein Sohn. Und nun komme ins Haus, daß wir handelseinig werden, vielleicht findet sich auch ein bißchen zu essen für dich.«

»Ach bitte,« sagte Else errötend, »ich möchte auch gerne einige Pilze kaufen. Hier!« Sie drückte dem ganz verdutzten Jungen ein Geldstück in die Hand und sagte hastig: »Wenn du hier fertig bist, gehe zu Frau Brandt und sage ihr, sie möchte eine kleine Schale voll für mich davon nehmen, ich hätte sie gekauft.«

Friedel dankte und folgte seinem Führer ins Haus.


 << zurück weiter >>