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Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Doch Mutter, jetzt ein Schatten fällt
Auf meiner Träume goldnen Schein;
Und eine schwarze Wolke hüllt
Des Daseyns kurzen Rest mir ein!
Nicht Lied, nicht Echo tönt mir mehr;
Der funkelnde Quell im Innern leer!
Margaret Davidson.

Hist und Hetty erhoben sich mit dem wiederkehrenden Licht, und verließen Judith noch in Schlaf versunken. Die Erstere brauchte nur eine Minute, um ihre Toilette zu vollenden. Ihr langes, kohlschwarzes Haar war bald in einen einfachen Knoten geordnet, das Caliko-Gewand eng um ihren schlanken Leib gegürtet, und ihre kleinen Füße in ihren lustig gezierten Moccassins verborgen. Als sie angekleidet war, verließ sie ihre mit Haushaltungssachen beschäftigte Freundin, und ging selbst auf die Plattform, um die reine Morgenluft zu athmen. Hier traf sie Chingachgook, wie er die Küsten des See's, die Berge und den Himmel mit dem Scharfblick eines Mannes der Wälder und mit dem Ernst eines Indianers studirte.

Die Begegnung der Liebenden war einfach aber liebevoll. Der Häuptling zeigte eine männliche Freundlichkeit, gleichweit entfernt von knabenhafter Weichheit wie von Hast, während das Mädchen in ihrem Lächeln und ihren halb abgewandten Blicken die verschämte Zärtlichkeit ihres Geschlechts verrieth. Keines sprach, außer mit den Augen, aber Beide verstanden einander so vollkommen, wie wenn sie ein Wörterbuch voll Phrasen und Betheurungen erschöpft hätten. Hist erschien selten vortheilhafter als in diesem Augenblick; denn da sie eben vom Schlaf und von den Abwaschungen herkam, zeigte ihre jugendliche Gestalt und ihr Antlitz eine Frische, welche selbst die Jungen und Hübschen unter den Mühsalen des Waldlebens sich nicht immer zu erhalten vermögen. Sodann hatte Judith nicht nur Einiges von ihrer Geschicklichkeit in der Toilette während ihrer kurzen Bekanntschaft ihr beigebracht, sondern ihr auch aus ihren Vorräthen einige gutgewählte Zierrathen geschenkt, welche die natürlichen Reize der jungen Indianerin nicht wenig heraushoben. Alles dieß sah und empfand der Liebhaber, denn einen Augenblick war sein Angesicht von einem Blick der Freude erleuchtet; aber bald war es wieder ernst, und dann wurde es traurig und ängstlich. Die in der vorigen Nacht gebrauchten Stühle standen noch auf der Plattform: er stellte zwei davon an die Wände der Hütte, setzte sich auf einen, und bedeutete mit einer Geberde seiner Genossin, den andern zu nehmen. Nach diesem blieb er noch eine volle Minute nachdenklich und stumm, die überlegende Würde eines Mannes behauptend, der dazu geboren ist, seinen Sitz am Berathungsfeuer einzunehmen, während Hist verstohlen den Ausdruck seines Gesichts beobachtete, geduldig und unterwürfig, wie einem Weib ihres Volkes geziemte. Dann streckte der junge Krieger den Arm vor sich aus, als wollte er auf die Herrlichkeit der Scene in dieser bezaubernden Stunde hindeuten, wo das ganze Panorama, wie gewöhnlich, in der weichen, milden Klarheit eines Frühmorgens prangte, und fuhr mit seiner Hand langsam dem See, den Bergen und dem Himmel entlang. Das Mädchen folgte dieser Bewegung mit vergnügter Bewunderung, lächelnd bei jeder neuen Schönheit, auf die ihr Auge fiel.

»Hugh!« rief der Häuptling in seiner Bewunderung einer selbst ihm so ungewohnten Scene, denn dieß war der erste See, den er sah. »Das ist das Land des Manitou! Es ist zu gut für Mingo's, Hist; aber die Köter dieses Stammes heulen truppweis durch die Wälder. Sie meinen, die Delawaren schlafen über den Bergen.«

»Alle, bis auf Einen von ihnen, Chingachgook. Einer ist hier; und der ist vom Blute der Unkas!«

»Was ist Ein Krieger gegen einen Stamm? – Der Pfad zu unsern Dörfern ist sehr lang und krumm, und wir haben dahin zu wandern unter einem umwölkten Himmel. Auch fürchte ich, Gaißblattblüthe der Berge, wir werden allein dahin wandern.«

Hist verstand die Anspielung und sie ward traurig, obwohl es ihrem Ohre süß klang, von dem Krieger, den sie so liebte, mit der duftigsten und lieblichsten von allen wilden Blumen ihrer heimischen Berge verglichen zu werden. Doch blieb sie stumm, wie ihr geziemte, wenn auf eine ernste Angelegenheit angespielt wurde, welche Männer am besten beurtheilten, obgleich die Macht der Erziehung bei ihr nicht so viel vermochte, daß sie das Lächeln verhehlt hätte, welches in Folge des wohlthuenden Eindrucks von Chingachgooks Rede ihren hübschen Mund umschwebte.

»Wenn die Sonne so ist,« fuhr der Delaware fort, nach dem Zenith hinaufdeutend, einfach eine Hand und einen Finger durch eine Bewegung des Handgelenks aufwärts richtend, »wird der große Jäger unsers Stammes zurückkehren zu den Huronen, um behandelt zu werden wie ein Bär, den sie rösten und schinden, selbst bei vollem Magen.«

»Der Große Geist möge ihre Herzen besänftigen und nicht dulden, daß sie so blutdürstig seyen. Ich habe unter den Huronen gelebt, und kenne sie. Sie haben Herzen, und werden ihre eignen Kinder nicht vergessen, sollten sie in die Hände der Delawaren fallen.«

»Ein Wolf heult immer fort; ein Schwein hört nicht auf zu fressen. Sie haben Krieger verloren; selbst ihre Weiber werden nach Rache schreien. Das Bleichgesicht hat die Augen eines Adlers und kann hineinschauen in die Mingo-Herzen; er sieht nicht aus, als hoffte er Gnade. Es ist eine Wolke über seinem Geist, obgleich keine vor seinem Angesicht.«

Eine lange Pause des Nachsinnens trat nun ein, während welcher Hist leise die Hand des Häuptlings ergriff, als suchte sie seine Hülfe nach, obwohl sie kaum ihr Auge zu erheben wagte gegen ein Antlitz, das jetzt im buchstäblichen Sinne furchtbar ward unter dem Kampfe von streitenden Leidenschaften und finstrer Entschlossenheit in der Brust des Indianers.

»Was will der Sohn von Unkas thun?« fragte endlich schüchtern das Mädchen. »Er ist ein Häuptling, und ist schon berühmt im Rathe, obgleich noch so jung; was sagt ihm sein Herz, daß das Weiseste sey? spricht das Haupt auch dieselben Worte wie das Herz?«

»Was sagt Wah-ta!-Wah in einem Augenblick, wo mein liebster Freund in einer solchen Gefahr ist? Die kleinsten Vögel singen am süßesten; es ist immer angenehm, ihrem Gesang zu horchen. Ich wollte, ich hörte den Zaunkönig der Wälder in meiner Bedrängniß; seine Noten würden tiefer dringen als ins Ohr.«

Wieder empfand Hist die innige Zufriedenheit, welche die Sprache des Lobes im Munde derer, die man liebt, jederzeit gewährt. ›Gaißblattblüthe der Berge‹ war ein Ausdruck, den die jungen Delawaren oft von dem Mädchen gebrauchten, der aber nie so süß in ihr Ohr klang, als wenn er von Chingachgooks Lippen kam, der Letztere allein aber hatte sie Zaunkönig der Wälder genannt. Bei ihm indessen war es eine ganz vertraute Benennung geworden, und der Name klang dem Mädchen über alle Beschreibung süß, weil er in ihr die Idee erweckte, daß ihr Rath und ihre Gesinnungen ihrem künftigen Gatten ebenso werth, als der Ton ihrer Stimme, und die Art und Weise, jene auszusprechen, ihm angenehm seyen, und so die zwei Dinge vereinigte, die einem indianischen Mädchen bei ihrem Verlobten am Meisten gelten: Bewunderung eines schätzbaren physischen Vorzugs, und Achtung vor ihrer Meinung. Sie drückte die Hand, die sie zwischen den beiden ihrigen hielt, und antwortete:

»Wah-ta!-Wah sagt, weder sie noch die Große Schlange könnte je wieder lachen, oder auch nur schlafen, ohne zu träumen von den Huronen, sollte der Wildtödter sterben unter einem Mingo-Tomahawk, ohne daß sie Etwas gethan hätten, ihn zu retten. Lieber würde sie zurückkehren und ihren langen Pfad allein antreten, als solch eine dunkle Wolke vor ihr Glück treten lassen.«

»Gut! Der Gatte und das Weib werden nur Ein Herz haben; sie werden sehen mit denselben Augen, und fühlen mit denselben Gefühlen.«

Was weiter gesprochen wurde, braucht hier nicht erzählt zu werden. Daß das Gespräch Wildtödtern und seine Aussichten betraf, hat man schon gesehen, aber die Entscheidung, welche gefaßt wurde, wird man besser im weitern Verlauf der Erzählung erfahren. Das jugendliche Paar war noch in seiner Unterredung begriffen, als die Sonne über den Gipfeln der Fichten erschien, und das Licht eines glänzenden amerikanischen Tages über das Thal ausströmte, in ›tiefer Wonne‹ den See, die Wälder und die Bergabhänge badend. Gerade in diesem Augenblick trat Wildtödter aus der Cajüte der Arche, und kam auf die Plattform. Sein erster Blick war nach dem wolkenlosen Himmel, dann nahm sein rasches Auge das ganze Panorama von Land und Wasser in sich auf, wo er dann Muße hatte zu einem freundlichen Nicken gegen seine Freunde, und zu einem heitern Lächeln für Hist.

»Nun,« sagte er, in seiner gewohnten, gefaßten Art und mit seiner wohllautenden Stimme; »wer die Sonne im Westen untergehen sieht, und früh genug erwacht am Morgen, findet sie gewiß wieder kommend im Osten, wie einen Hirsch, der um sein Lager herum gejagt wird. Ich glaube fast, Hist, Ihr habt das oft und viel gesehen, und doch ist es Euch noch nie in Euren mädchenhaften Sinn gekommen, nach der Ursache davon zu fragen?«

Chingachgook und seine Verlobte schauten Beide zu dem Glanzgestirn empor mit einer Miene, welche plötzliches Staunen verrieth, und dann starrten sie einander an, als suchten sie nach der Lösung der Schwierigkeit. Gewohnheit tödtet die Empfänglichkeit selbst in Bezug auf die wichtigsten Naturerscheinungen; und nie bis jetzt hatten diese einfachen Geschöpfe daran gedacht, über eine Bewegung nachzusinnen, welche täglich ihnen vor Augen stand, wie befremdend sie auch bei näherer Forschung scheinen mochte. Als der Gegenstand so plötzlich auf die Bahn gebracht wurde, sprach er Beide, und in demselben Augenblick, etwa mit derselben Gewalt an, wie ein neuer und glänzender Satz in den Naturwissenschaften den Gelehrten ansprechen würde. Chingachgook allein erachtete für passend, zu antworten.

»Die Bleichgesichter wissen Alles,« sagte er; »können sie uns sagen, warum die Sonne ihr Angesicht verbirgt, wenn sie bei Nacht ihren Weg zurückgeht?«

»Ja, das ist ächte Rothhautgelehrsamkeit,« versetzte der Andere lachend, obwohl er nicht ganz gleichgültig war gegen den Genuß, die Ueberlegenheit seiner Race zu beweisen durch die Lösung des schwierigen Problems, woran er sich in seiner eigenthümlichen Weise machte. »Hört, Schlange,« fuhr er ernster fort, doch zu unbefangen zur Affektation, »das ist leichter erklärt, als ein indianisches Hirn sich vielleicht einbildet. Die Sonne, während sie die Reise am Himmel hin zu machen scheint, rührt sich nie, sondern die Erde ist es, die sich rund herum dreht; und Jeder kann begreifen, wenn er an ein Mühlrad zum Beispiel gebunden würde, während es in Bewegung ist, daß er zu Zeiten den Himmel sehen muß, während er zu andern Zeiten unter dem Wasser ist. Es ist kein großes Geheimniß darin, sondern einfache Natur; und die Schwierigkeit besteht nur darin, die Erde in Bewegung zu setzen.«

»Wie weiß mein Bruder, daß die Erde sich rund herumdreht?« fragte der Andere. »Kann er es sehen?«

»Nun, das war eine verwirrende Frage, ich gesteh' es, Delaware; denn ich habe es schon oft versucht, und konnte es nie recht herausbringen. Manchmal bildete ich mir ein, es zu können; und dann wieder sah ich mich genöthigt, die Unmöglichkeit zu gestehen. Aber, umdrehen thut sie sich, wie Alle von meinem Volke sagen, und Ihr müßt ihnen glauben, denn sie können Finsternisse und andere Wunder vorhersagen, welche die Stämme mit Schrecken zu erfüllen pflegen, nach Euren eignen Ueberlieferungen von solchen Dingen.«

»Gut. Das ist wahr, kein rother Mann wird es läugnen. Wenn ein Rad sich dreht, so können es meine Augen sehen – die Erde sehen sie nicht sich umdrehen.«

»Ja, das ist, was ich Sinnentrotz nenne! Sehen ist Glauben, sagen sie; und was sie nicht sehen können, dem wollen manche Menschen nicht den mindesten Glauben beimessen. Dennoch Häuptling, ist das nicht so ganz ausgemachte Vernunft, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Ihr glaubt an den Großen Geist, das weiß ich; und doch, denke ich, würde es Euch in Verlegenheit setzen, anzugeben, wo Ihr ihn seht!«

»Chingachgook kann ihn sehen überall – überall in guten Dingen, den Bösen Geist in schlechten. Hier im See, dort im Wald, drüben in den Wolken; in Hist, in dem Sohne von Unkas, in Tamenund, in Wildtödter. Der Böse Geist ist in den Mingo's, das weiß ich: die Erde sehe ich nicht sich umdrehen.«

»Es wundert mich nicht, daß man Euch die Schlange nennt, Delaware, nein, wahrhaftig nicht! Es ist immer eine Bedeutung in Euern Worten, und oft ist auch eine Bedeutung in Eurem Gesicht! Trotzdem passen Eure Antworten nicht ganz zu meiner Idee: daß Gott wahrzunehmen ist in allen natürlichen Gegenständen, kann man zugeben; aber er ist nicht darin wahrzunehmen in der Art, wie ich meine. Ihr wißt, daß ein Großer Geist ist, aus seinen Werken; und die Bleichgesichter wissen, daß die Erde sich umdreht, aus ihren Werken. Das ist der Grund der Sache, obwohl wie es zu erklären, Mehr ist, als ich Euch so genau sagen kann. Das weiß ich: alle von meinem Volk sind von der Sache überzeugt; und was alle Bleichgesichter glauben, wird doch wohl wahr seyn.«

»Wenn die Sonne über dem Wipfel dieser Fichte steht, wo wird mein Bruder Wildtödter dann seyn?«

Der Jäger fuhr auf und schaute seinen Freund scharf, obwohl ganz ohne Unruhe an. Dann winkte er ihm zu folgen, und ging ihm voran in die Arche, um dort den Gegenstand weiter zu besprechen, ungehört von Solchen, deren Gefühle, wie er besorgte, die Oberhand über die Vernunft gewinnen möchten. Hier blieb er stehen, und setzte das Gespräch im vertraulicheren Tone fort.

»Es war etwas unklug von Euch, Schlange,« sagte er, »einen solchen Gegenstand vor Hist aufzubringen, und wo das Mädchen von meiner Farbe Alles hätte hören können, was gesprochen wurde. Ja, es war ein wenig unkluger, als das Meiste, was Ihr thut. Einerlei; Hist verstand es nicht, und die Andre hörte es nicht. Indessen, die Frage ist leichter gestellt als beantwortet. Kein Sterblicher kann sagen, wo er morgen seyn wird, wenn die Sonne aufgeht. Ich will Euch dieselbe Frage vorlegen, Schlange, und wäre begierig zu hören, welche Antwort Ihr geben könnt?«

»Chingachgook wird bei seinem Freund Wildtödter seyn; wenn dieser im Lande der Geister ist, wird die Große Schlange an seine Seite sich schmiegen: wenn unter jener Sonne dort, wird ihre Wärme und ihr Licht auf Beide fallen.«

»Ich verstehe Euch, Delaware,« versetzte der Andere, gerührt von der einfachen Selbstaufopferung seines Freundes. »Eine solche Sprache ist so klar in einer Sprache wie in der andern; sie kommt vom Herzen und geht auch zum Herzen. Es ist gut, so zu denken und mag gut seyn, so zu sprechen auch, aber es wäre nicht gut, so zu handeln, Schlange. Ihr steht nicht mehr allein im Leben; denn obgleich Ihr noch die Hütten zu wechseln, und andre Ceremonien durchzumachen habt, ehe Hist Euer rechtmäßiges Weib wird, seyd Ihr doch schon so gut wie verheirathet, was Gefühle und Freude und Jammer betrifft. Nein, nein; Hist darf nicht verlassen werden, weil eine Wolke etwas unerwartet zwischen Euch und mir hinzieht, und etwas dunkler als wir vorausgesehen hatten.«

»Hist ist eine Tochter der Mohikans; sie weiß ihrem Gatten zu gehorchen. Wohin er geht, wird sie ihm folgen. Beide werden bei dem großen Jäger der Delawaren seyn, wenn die Sonne morgen über den Fichten steht.«

»Der Herr segne und schütze Euch, Häuptling; das ist baarer Wahnsinn! Kann Eines von Euch, oder könnt Ihr beide zusammen eine Mingonatur ändern? Werden Eure stolzen Mienen, oder Hists Thränen und Schönheit einen Wolf in ein Eichhorn verwandeln, oder einen Panther so unschuldig machen wie ein Reh? Nein, Schlange, Ihr werdet Euch diese Sache besser bedenken, und mich in der Hand Gottes lassen. Am Ende ist doch noch keineswegs gewiß, daß die Schurken die Martern im Sinn haben, denn sie können auch noch barmherzig seyn, und bedenken, wie sündhaft ein solches Beginnen wäre; obgleich es eine ziemlich hoffnungslose Aussicht ist, zu erwarten, daß ein Mingo sich abwende vom Uebel, und Barmherzigkeit die Oberhand gewinnen lasse in seinem Herzen. Demungeachtet, Niemand weiß gewiß, was sich begeben wird; und junge Creaturen wie Hist dürfen nicht auf Ungewißheiten hin auf's Spiel gesetzt werden. Dieß Heirathen ist eine ganz andere Sache, als manche junge Leute sich einbilden. Ja, wenn Ihr ledig wäret, oder so gut als ledig, Delaware, dann würde ich erwarten, daß Ihr flink und rüstig wäret, und um das Lager der Vagabunden herumstrichet, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, mit Listen und Schlichen, so rastlos wie ein Hund auf der Fährte, und Alles versuchtet, um mir zu helfen und den Feind von mir abzuziehen; aber Zwei sind oft schwächer als Einer, und wir müssen die Dinge nehmen wie sie sind, und nicht wie wir sie wünschen.«

»Hört, Wildtödter,« erwiederte der Indianer mit einem so entschiedenen Nachdruck, daß man wohl sah, wie Ernst es ihm war: »Wenn Chingachgook in den Händen der Huronen wäre, was würde mein Bleichgesichtbruder thun? Nach den Delawarendörfern schleichen und den Häuptlingen, und alten Männern, und jungen Kriegern sagen: ›Seht, hier ist Wah-ta!-Wah; sie ist gerettet, und wohlbehalten, aber ein wenig ermüdet; und hier ist der Sohn von Unkas, nicht so ermüdet wie die Gaißblattblüthe, weil er stärker ist, aber ebenso wohlbehalten.‹ Würdet Ihr das thun?«

»Nun, das ist ungemein sinnreich; es ist schlau genug selbst für einen Mingo. Der Herr allein weiß, was Euch auf den Gedanken gebracht, eine solche Frage zu thun. Was ich thun würde? Ha, für's Erste würde wohl Hist schwerlich überhaupt in meiner Gesellschaft seyn, denn sie würde Euch so nahe bleiben als möglich, und daher könnte Alles, was sie betraf, nicht gesprochen werden, ohne Unsinn zu sprechen. Das Ermüdetseyn, das würde auch wegfallen, wenn sie gar nicht mitkäme, und kein Theil Eurer Rede würde wohl in meinen Mund passen; so seht Ihr, Schlange, die Vernunft ist gegen Euch, und Ihr könnt es immerhin aufgeben; denn gegen die Vernunft Etwas behaupten, geziemt sich in keiner Weise für einen Häuptling von Eurem Charakter und Ruf.«

»Mein Bruder ist nicht er selbst; er vergißt, daß er zu Einem redet, der an den Berathungsfeuern seiner Nation gesessen ist,« versetzte der Andere mild. »Wenn Männer sprechen, sollten sie Nichts sagen, was auf der einen Seite des Kopfes hinein und auf der andern herausgeht. Ihre Worte sollten nicht Federn seyn, so leicht, daß ein Wind, der das Wasser nicht kräuselt, sie fortwehen kann. Er hat auf meine Frage nicht geantwortet; wenn ein Häuptling eine Frage stellt, sollte sein Freund nicht von andern Dingen plaudern.«

»Ich versteh' Euch, Delaware; ich verstehe wohl, was Ihr meint, und die Wahrheit erlaubte mir nicht, es anders zu sagen. Dennoch ist es nicht so leicht, Euch zu antworten, wie Ihr zu glauben scheint, aus diesem einfachen Grunde: Ihr verlangt, ich solle sagen was ich thäte, wenn ich eine Verlobte hätte wie Ihr hier habt, auf dem See, und einen Freund drüben im Lager der Huronen, mit Martern bedroht. Das ist es, nicht so?«

Der Indianer nickte schweigend mit dem Kopf, immer mit unbeweglichem Ernst, obgleich sein Auge zwinkerte bei dem Anblick von des Andern Verlegenheit.

»Nun gut, ich hatte nie eine Verlobte, kannte nie die Art von Gefühlen gegen ein junges Weib, wie Ihr gegen Hist; obgleich der Herr weiß, daß meine Gefühle wohlwollend genug sind gegen Alle. Dennoch aber ist mein Herz, wie sie es nennen, in solchen Dingen nicht geübt, und daher kann ich nicht sagen, was ich thäte. Ein Freund zieht stark an Einem; das weiß ich aus Erfahrung, Schlange; aber nach Allem, was ich gesehen und gehört habe von der Liebe, bin ich geneigt zu glauben, daß eine Verlobte noch stärker zieht.«

»Wahr, aber die Verlobte Chingachgooks zieht nicht nach den Hütten der Delawaren hin; sie zieht hinüber nach dem Lager der Huronen.«

»Sie ist ein edles Mädchen, mit all ihren kleinen Füßen und Händen, die nicht größer sind als die eines Kindes, und einer Stimme, die so lieblich ist, wie die eines Spottvogels; sie ist ein edles Mädchen und ganz wie der Stamm ihrer Väter. Nun was ist es denn, Schlange? denn ich bilde mir ein, sie hat doch nicht ihren Sinn geändert, und will sich ausliefern, und ein Huronenweib werden? Was habt Ihr im Sinne?«

»Wah-ta!-Wah will nimmermehr im Wigwam eines Irokesen leben,« antwortete der Delaware trocken. »Sie hat kleine Füße, aber sie können sie zu den Dörfern ihres Volkes tragen; sie hat auch kleine Hände, aber ihr Gemüth ist groß. Mein Bruder wird sehen, was wir thun können, wenn die Zeit kommt, ehe wir ihn unter den Martern der Mingo's sterben lassen.«

»Unternehmt nichts Unvorsichtiges,« sagte der Andere ernst; »ich glaube wohl, Ihr werdet und müßt Euren Willen haben; und im Ganzen ist es recht, daß Ihr ihn habt; denn Ihr würdet Euch nicht glücklich fühlen, wenn nicht Etwas unternommen würde. Aber beginnt nichts Unvorsichtiges. Ich erwartete, daß Ihr den See nicht verlassen würdet, so lang meine Sache in Ungewißheit schwebte; aber bedenkt, Schlange, daß keine Martern, welche sinnreiche Grausamkeit der Mingo's erdenken mag, keine Verspottungen und Schmähungen, kein Brennen und Rösten und Nägelausziehen, noch irgend welche unmenschliche Quälereien meinen Geist so leicht niederdrücken könnten, als wenn ich sehen müßte, daß Ihr und Hist, über dem Bestreben, Etwas zu meinen Gunsten zu thun, in die Hände des Feindes gefallen wäret.«

»Die Delawaren sind vorsichtig. Wildtödter wird sehen, daß sie nicht mit geschlossenen Augen in ein fremdes Lager hineinrennen.«

Hier endete die Unterredung. Hetty kündigte sofort an, daß das Frühstück bereit sey, und die ganze Gesellschaft saß bald um den einfachen Tisch in der gewöhnlichen, urzuständlichen Weise der Grenzleute herum. Judith nahm zuletzt ihren Sitz ein, bleich, schweigsam, und mit den Spuren einer bang und schmerzlich, wo nicht schlaflos, verbrachten Nacht in ihrem Angesicht. Keine Sylbe ward bei dieser Mahlzeit gesprochen, und alle Frauen zeigten Mangel an Appetit, während bei den Männern in diesem Punkt keine Veränderung zu bemerken war. Es war noch frühe, als die Gesellschaft aufstand, und noch blieben einige Stunden, bis der Gefangene seine Freunde verlassen mußte. Dieser wohl bekannte und bedachte Umstand, und die Theilnahme, die sie an seinem Schicksal fühlten, versammelte Alle wieder auf der Plattform, weil sie wünschten, in der Nähe des vermuthlichen Opfers zu weilen, seinen Reden zu horchen, und wo möglich durch Zuvorkommenheit gegen seine Wünsche ihm ihre Theilnahme zu bezeigen. Wildtödter selbst war, so viel menschliche Augen sehen konnten, ganz unerschüttert, er sprach heiter und natürlich, obwohl er jede unmittelbare Hindeutung auf das zu befürchtende, große Ereigniß des Tages vermied. Wenn man irgend ein Anzeichen davon entdecken konnte, daß seine Gedanken überhaupt auf diesen peinlichen Gegenstand sich richteten, so war es die Art, wie er vom Tod und von dem letzten großen Wechsel sprach.

»Grämt Euch nicht, Hetty,« sagte er; denn während er das schwachsinnige Mädchen über den Verlust ihrer Eltern tröstete, verrieth er seine Gefühle in der bezeichneten Weise, »sintemal Gott es so verhängt hat, daß Alle sterben müssen. Eure Eltern, oder die Ihr dafür gehalten, was auf Eins hinausläuft, sind vor Euch hingegangen; das ist nur in der Ordnung der Natur, mein gutes Mädchen, denn die Alten gehen zuerst, und die Jungen folgen. Aber Wer eine Mutter gehabt hat, wie die Eurige war, Hetty, kann nicht im Zweifel seyn, daß er das Beste hoffen dürfe über die Gestaltung der Dinge in einer andern Welt. Der Delaware hier, und Hist, glauben an glückliche Jagdreviere, und haben Ideen, wie sie für ihre Begriffe und Gaben als Rothhäute passen; aber wir, die wir von weißem Blute sind, halten an einer ganz andern Lehre fest. Doch vermuthe ich so ziemlich, unser Himmel ist ihr Land der Geister, und der Pfad, der dahin führt, wird von allen Farben gleicherweise betreten. Es ist für die Ruchlosen unmöglich, darein einzugehen, das will ich zugeben; aber Freunde können schwerlich getrennt werden, wenn sie auch nicht von derselben Race auf Erden sind. Richtet Euer Gemüth auf, arme Hetty, und sehet getrost dem Tag entgegen, wo Ihr Eure Mutter wieder sehen werdet, und das ohne Leid und Kummer.«

»Ich erwarte Mutter wieder zu sehen,« versetzte das wahrhafte und einfache Mädchen. »aber was wird aus Vater werden?«

»Das ist eine Frage zum Maulstopfen, Delaware,« sagte der Jäger in indianischer Sprache, »das ist gradezu eine Frage zum Maulstopfen! Die Bisamratze war kein Heiliger auf Erden, und es ist gut errathen, daß er drüben eben auch kein sonderlicher seyn wird! Indeß, Hetty,« und hier glitt er mit einem leichten Uebergang in's Englische hinüber, »indeß, Hetty, wir müssen Alle das Beste hoffen; das ist das Klügste, und es ist bei Weitem das Wohlthätigste für das Gemüth, wenn man es nur thun kann. Ich empfehle Euch, auf Gott zu vertrauen, und alle Eure Besorgnisse und kleinmüthigen Gefühle fahren zu lassen. Es ist wunderbar, Judith, wie verschiedene Leute so verschiedene Begriffe von der Zukunft haben, und sich die Einen diesen, die andern jenen Wechsel vorstellen. Ich habe weiße Lehrer gekannt, die da glaubten, im andern Leben sey Alles Geist; und auch wieder solche, die meinten, der Leib werde in eine andre Welt versetzt, ungefähr wie die Rothhäute selbst sich's einbilden, und daß wir dort wandeln werden im Fleisch, und einander kennen, und mit einander reden, und Freunde seyn, wie wir hier gewesen.«

»Welche von diesen Meinungen gefällt Euch am Besten, Wildtödter?« fragte das Mädchen, das gern auf seine schwermüthige Stimmung einging, und selbst keineswegs frei war von ihrem Einfluß. »Wäre es Euch unangenehm, zu denken, Ihr werdet Alle, die auf dieser Plattform jetzt stehen, in einer andern Welt wieder finden? Oder habt Ihr uns hier genug kennen gelernt, um froh zu seyn, wenn Ihr uns nicht wieder seht?«

»Das letztere würde den Tod zu etwas Bitterem machen, ja, das würde es. Es sind acht gute Jahre, seit Schlange und ich miteinander zu jagen anfingen, und der Gedanke, daß wir uns nie wieder sehen sollten, wäre für mich ein harter Gedanke. Er sieht der Zeit entgegen, wo wir miteinander eine Art von Geistwildpret jagen werden, auf Ebenen, wo keine Dornen, kein Gestrüppe, keine Sümpfe und andere Mühseligkeiten zu überwinden sind, während ich nicht all diesen Begriffen beifallen kann, angesehen daß sie gegen die Vernunft zu seyn scheinen. Geister können nicht essen, haben auch keine Kleider nöthig; und Wild kann man von Rechtswegen nur jagen, um es zu tödten, und nur tödten, des Wildprets oder der Häute wegen. Nun finde ich es schwierig, anzunehmen, daß selige Geister Wild jagen sollten, ohne einen rechten Zweck, und die einfältigen Thiere quälen, nur um ihrer eigenen Lustbarkeit und Ergötzung willen. Ich habe noch nie auf einen Hirsch oder ein Thier abgedrückt, Judith, als wenn ich Nahrung oder Kleider bedurfte.«

»Diese Erinnerung, Wildtödter, muß jetzt ein großer Trost für Euch seyn.«

»Der Gedanke an solche Dinge ist es, meine Freunde, was einen Mann fähig macht, seinen Urlaub zu halten. Es möchte auch ohne dieß geschehen, ich geb' es zu! denn die schlimmsten Rothhäute thun manchmal ihre Pflicht in diesem Stücke; aber es macht, was sonst schwer wäre, leicht, wenn auch nicht ganz nach unserem Geschmack. Nichts in Wahrheit gibt ein kühneres Herz, als ein leichtes Gewissen.«

Judith wurde blässer als je, aber sie rang, ihre Selbstbeherrschung zu behaupten, und es gelang ihr. Der Kampf jedoch war heftig gewesen, und sie war jetzt so wenig zum Sprechen aufgelegt, daß Hetty den Gegenstand weiter verfolgte. Sie that dieß in der ihr natürlichen, einfachen Weise.

»Es wäre grausam, das arme Wild zu tödten,« sagte sie, »in dieser Welt, oder in einer andern, wenn Ihr nicht des Fleisches oder der Häute bedürftet. Kein guter weißer, und kein guter rother Mann würde es thun. Aber es ist für einen Christen sündhaft, vom Jagen im Himmel zu reden. Solche Dinge geschehen nicht vor dem Angesicht Gottes, und der Missionär, welcher dergleichen lehrt, kann kein wahrer Missionär seyn. Er muß ein Wolf seyn in Schaafskleidern. Ich denke Ihr wißt, was ein Schaaf ist, Wildtödter?«

»Ja wohl, Mädchen; und eine nützliche Creatur ist es für Solche, welche Tuchkleider Häuten vorziehen, zum Winteranzug. Ich verstehe die Natur des Schaafs, obwohl ich noch wenig damit zu thun gehabt habe; und die Natur der Wölfe auch, und kann mir wohl die Idee bilden von einem Wolf im Pelz eines Schaafs, obwohl ich denke, es würde eine heiße Jacke für eine solche Bestie werden in den warmen Monaten!«

»Und Sünde und Heuchelei sind auch heiße Jacken, wie diejenigen finden werden, die sie anziehen,« versetzte Hetty mit bestimmtem Tone; »so würde der Wolf nicht schlimmer daran seyn als der Sünder. Geister jagen nicht, und stellen nicht Fallen, und fischen nicht, und thun Nichts, was nichtige Menschen beginnen, weil sie keine Gelüste dieser Welt zu befriedigen haben. Oh! Mutter sagte mir das Alles vor Jahren schon, und ich möchte es nicht gern bestreiten hören.«

»Nun, meine gute Hetty, in diesem Falle würdet Ihr gut thun, Eure Lehre nicht Hist mittheilen zu wollen, wenn Ihr allein seyd, und die junge Delawarin gerne von Religion spricht. Es ist ihre feststehende Idee, das weiß ich, daß die guten Krieger in der andern Welt Nichts thun als jagen und fischen, obgleich sie, glaube ich, sich nicht einbildet, daß je Einer sich zum Fallenstellen erniedrigt, was keine Beschäftigung für einen Tapfern ist. Aber des Jagens und Fischens haben sie, nach ihrem Begriffe, Genüge und das dazu auf den angenehmsten Jagdrevieren, und unter Wild, bei dem es immer die rechte Jahreszeit ist, und das gerade flink und klug genug ist, um dem Tödter einen Reiz zu geben. So möchte ich Euch denn nicht anrathen, Hist auf diese Idee zu bringen.«

»Hist kann nicht so sündhaft seyn, irgend dergleichen zu glauben,« erwiederte die Andere ernst, »Kein Indianer jagt mehr nach dem Tode.«

»Kein sündhafter Indianer, geb' ich Euch zu; kein sündhafter Indianer, allerdings. Der muß die Munition herbeitragen, und zusehen, ohne an der Kurzweil Theil zu haben, und kochen, und Feuer anzünden, und Alles thun, was nicht Mannesarbeit ist. Merkts Euch aber jetzt: das sind nicht meine Ideen, sondern es sind Hist's Ideen, und daher, um des Friedens willen, je weniger Ihr darüber und dagegen zu Ihr redet, desto besser.«

»Und was sind Eure Ideen von dem Schicksal eines Indianers in der anderen Welt?« fragte Judith, die jetzt eben ihre Stimme wieder gefunden hatte.

»Ha, Mädchen, Alles eher als das! Ich bin ein zu guter Christ, um solche phantastische Dinge wie Jagen und Fischen nach dem Tod zu erwarten; auch glaube ich nicht, daß ein Manitou für die Rothhäute ist, und ein Andrer für die Bleichgesichter. Ihr findet verschiedene Farben auf der Erde, wie Jeder sehen kann; aber Ihr findet nicht verschiedene Naturen. Verschiedene Gaben, aber nur Eine Natur!«

»In was unterscheidet sich eine Gabe von einer Natur? Ist nicht die Natur selbst eine Gabe von Gott?«

»Gewiß; das ist rasch gedacht und beifallswürdig, Judith, obwohl die Hauptidee falsch ist. Eine Natur ist die Creatur selbst; ihre Wünsche, Bedürfnisse, Ideen und Gefühle, wie das Alles mit ihr geboren ist. Diese Natur kann sich nie verändern in der Hauptsache, obgleich sie einige Zunahme oder Abnahme erleiden mag. Gaben aber kommen von den Umständen und Verhältnissen. So, wenn Ihr einen Mann in eine Stadt setzt, so bekommt er Stadt-Gaben; wenn in eine Ansiedlung, Ansiedlungsgaben; in einem Wald, Waldgaben. Ein Soldat hat Soldaten-Gaben und ein Missionär Predigers-Gaben. Diese alle wachsen und verstärken sich, bis sie so zu sagen die Natur befestigen, und tausend Handlungen und Ideen zur Entschuldigung dienen. Doch ist im Grunde die Creatur dieselbe; gerade wie ein Mann, der in Uniform gekleidet ist, derselbe ist wie der in Häute Gekleidete. Die Kleider machen einen Unterschied für's Auge, und vielleicht auch eine Veränderung im Benehmen, aber keine im Menschen selbst. Darin liegt die Rechtfertigung der Gaben; angesehen, daß Ihr ein verschiedenes Benehmen erwartet von Einem in Seide und Atlaß, und von einem in grober Leinwand; obgleich der Herr, der nicht die Kleider gemacht hat, aber die Kreaturen selbst geschaffen hat, nur auf sein eignes Werk sieht. Das ist nicht eigentlich die Lehre der Missionäre, aber sie kommt ihr doch so nahe, als dieß bei einem Manne von weißer Farbe nöthig ist. Ach Himmel! wenig dachte ich daran, heute von solchen Sachen zu sprechen, aber es ist eine von unsern Schwachheiten, daß wir nie wissen, was geschehen wird. Tretet mit mir eine Minute in die Arche, Judith, Ich wünsche mit Euch zu sprechen.«

Judith gehorchte mit einer Bereitwilligkeit, die sie kaum verhehlen konnte. Sie folgte dem Jäger in die Cajüte, setzte sich auf einen Stuhl, während der junge Mann Killdeer, die Büchse, die sie ihm geschenkt, aus einer Ecke hervorholte, und sich, die Waffe auf seinen Knieen, auf einen andern setzte. Nachdem er das Gewehr um und um besehen, und Schloß und Schwanzschraube mit einer Art von zärtlicher Emsigkeit untersucht hatte, legte er es weg, und kam auf den Gegenstand zu sprechen, wegen dessen er die Besprechung begehrt hatte.

»Ich verstand Euch so, Judith, daß Ihr mir diese Büchse habt geben wollen. Ich willigte ein, sie zu nehmen, weil ein junges Weib mit Feuerwaffen nicht Viel anfangen kann. Die Waffe hat einen großen Namen, und sie verdient ihn, und sollte von Rechtswegen von einer bekannten und sichern Hand geführt werden, denn der beste Ruf kann verloren gehen durch nachlässige und achtlose Behandlung.«

»Kann sie in bessern Händen seyn, als worin sie jetzt ist, Wildtödter? Thomas Hutter fehlte selten damit; bei Euch wird sie gewiß –«

»Gewisser Tod!« unterbrach sie der Jäger lachend. »Ich kannte einmal einen Bibermann, der ein Gewehr hatte, das er ebenso nannte, aber es war lauter Prahlerei, denn ich habe Delawaren gekannt, die ebenso sicher waren mit Pfeilen auf eine kleine Schußweite. Indessen, ich will meine Gaben nicht läugnen – und dieß ist eine Gabe, Judith, und nicht Natur – und will daher zugeben, daß die Büchse nicht wohl in bessern Händen seyn könnte, als worin sie sich jetzt befindet. Aber wie lang wird sie wahrscheinlich darin bleiben? Unter uns mag die Wahrheit gesagt werden, obgleich ich sie vor Schlange und Hist nicht gerne kund werden ließe: aber Euch kann ich die Wahrheit sagen, sintemal Euer Gefühl wohl nicht so dadurch gemartert werden wird, als das von denjenigen, welche mich länger und genauer kennen! Wie lang werde ich muthmaßlich diese Büchse, oder irgend eine andere behalten? Das ist eine ernste Frage, bei der unsre Gedanken zu verweilen haben; und sollte das eintreten, was sogar wahrscheinlich ist, so wäre Killdeer ohne einen Eigenthümer.«

Judith hörte mit anscheinender Fassung zu, obwohl der innere Kampf sie beinahe überwältigte. Da sie jedoch den eigenthümlichen Charakter ihres Gesellschafters zu würdigen wußte, gelang es ihr, ruhig zu erscheinen, obwohl ein Mann von seiner scharfen Beobachtung wäre nicht seine Aufmerksamkeit ausschließlich von der Büchse in Anspruch genommen gewesen, fast unfehlbar die tödtlich-peinliche Stimmung hätte entdecken müssen, womit das Mädchen seinen Worten zuhörte. Aber ihre große Selbstbeherrschung machte es ihr doch noch möglich, den Gegenstand in der Weise zu verfolgen, daß sie ihn täuschte.

»Was wolltet Ihr, daß ich mit der Waffe anfinge,« fragte sie, »sollte der Fall eintreten, den Ihr zu erwarten scheint?«

»Das ist es gerade, worüber ich mit Euch zu sprechen wünschte, Judith – das ist es gerade. Da ist jetzt Chingachgook, obgleich weit entfernt davon, vollkommen sicher mit der Büchse zu seyn – denn dahin bringen es wenige Rothhäute jemals – obgleich weit entfernt, vollkommen sicher zu seyn, ist er doch ein respektabler Schütze und bringt es weiter. Demungeachtet, er ist mein Freund; und vielleicht mein um so besserer Freund, als nie Mißstimmungen zwischen uns eintreten können, unsere Gaben betreffend, da die seinigen nun einmal roth, und die meinigen ganz weiß sind. Nun würde ich gerne die Büchse Killdeer der Schlange hinterlassen, sollte Etwas eintreten, was mir verwehrte, Eurer kostbaren Gabe, Judith, ihr Recht und ihre Ehre anzuthun.«

»Hinterlaßt sie Wem Ihr wollt. Wildtödter; die Büchse ist Euer Eigenthum, thut damit nach Belieben; Chingachgook soll sie haben, falls Ihr nicht zurückkehrtet, sie anzusprechen, wenn das Euer Wunsch ist.«

»Ist Hetty über diese Sache auch befragt wurden? das Eigenthum geht von den Eltern auf die Kinder über, und nicht auf Ein Kind besonders.«

»Wenn Ihr Euer Recht auf das Gesetz gründen wollt, Wildtödter, so fürchte ich, Keiner von uns kann für den Eigenthümer gelten. Thomas Hutter war so wenig der Vater Esthers, als er der Vater Judith's war. Judith und Esther sind wir in Wahrheit, da wir keinen andern Namen haben.«

»Das mag Gesetzesrecht seyn, aber es ist nicht viel Vernunft darin, Mädchen. Nach dem Brauch der Familien sind die Güter Euer, und Niemand ist, der dem widersprechen könnte. Wenn Hetty nur sagen wollte, daß sie einwillige, wäre mein Gemüth vollkommen beruhigt über die Sache. Es ist wahr, Judith, daß Eure Schwester weder Eure Schönheit noch Euren Witz besitzt, aber wir sollten am zärtlichsten verfahren mit den Rechten und der Wohlfahrt der Geistesschwachen.«

Das Mädchen antwortete nicht, sondern sie ging an ein Fenster und rief ihre Schwester zu sich. Als die Frage Hetty vorgelegt ward, trat sie mit ihrem einfältigen und wohlwollenden Wesen freudig dem Vorschlag bei, Wildtödtern das volle Eigenthumsrecht auf die vielbegehrte Büchse zu übertragen. Dieser schien nun, für den Augenblick wenigstens, vollkommen glücklich; und nachdem er seine Beute hin und her besichtigt, sprach er seinen Entschluß aus, ehe er den Ort verließ, ihre Verdienste noch praktisch zu erproben. Kein Knabe kann begieriger seyn, die Eigenschaften seiner Trompete oder seiner Armbrust geltend zu machen, als der einfache Waldmann es war, die Tugenden seiner Büchse zu probiren. Auf die Plattform zurückkehrend, nahm er zuerst den Delawaren beiseite, und setzte ihn in Kenntniß, daß das berühmte Gewehr sein Eigenthum werden solle, falls ihm selbst etwas Ernstliches zustieße.

»Das ist ein Grund mehr, warum Ihr vorsichtig seyn solltet, Schlange, und nicht unbesonnen in eine Gefahr hineinrennen,« fuhr der Jäger fort, »denn es wird an sich schon ein Sieg für einen Stamm seyn, ein solches Gewehr wie dieses zu besitzen! Die Mingo's werden grün werden vor Neid; und was Mehr ist, sie werden sich nicht leichtsinnig in die Nähe eines Dorfes wagen, wo sie dasselbe bewahrt wissen. So seht denn wohl zu, Delaware, und bedenkt, daß Ihr jetzt über ein Ding zu wachen habt, das allen Werth einer Creatur hat, ohne ihre Fehler. Hist mag und soll Euch kostbar seyn, aber Killdeer wird die Liebe und Verehrung Eures ganzen Volkes für sich haben.«

»Eine Büchse wie die andere, Wildtödter,« versetzte der Indianer auf Englisch, denn dieser Sprache bediente sich auch der Andere, ein wenig gekränkt darüber, daß sein Freund seine Verlobte einem Gewehr gleich setzte. »Alle tödten, alle Holz und Eisen. Weib theuer dem Herzen; Büchse gut zum Schießen.«

»Und was ist der Mann in den Wäldern, ohne Etwas, womit er schießen kann? ein erbärmlicher Fallensteller, oder ein Verlorener Besen- und Körbe-Macher auf's Höchste. Ein solcher Mann mag Korn bauen, und Leib und Seele zusammenhalten, aber nimmermehr kann er die schmackhaftesten Stücke vom Wildpret kennen, oder einen Bärenschinken von dem eines Schweins unterscheiden. Kommt, mein Freund, eine solche Gelegenheit bietet sich vielleicht nie wieder dar, und ich empfinde ein starkes Gelüsten nach einer Probe mit diesem berühmten Gewehr. Ihr sollt Eure eigne Büchse holen, und ich will mit Killdeer nur so obenhin zielen, damit wir einige seiner geheimen Tugenden kennen lernen.«

Da dieser Vorschlag geeignet war, den trüben Gedanken der ganzen Gesellschaft eine neue Richtung zu geben, während er zugleich ein nicht unwillkommnes Ergebniß versprach, war Jedermann geneigt, darauf einzugehen; und die Mädchen brachten die Feuerwaffen mit einer an Munterkeit grenzenden Rührigkeit herbei. Hutter's Waffenschrank war wohl versehen, denn er besaß mehrere Büchsen, welche gewöhnlich alle geladen waren, immer in Bereitschaft, wenn man ihrer plötzlich benöthigt wäre. Im jetzigen Falle durfte man nur das Pulver auf der Pfanne erneuern, so waren sämmtliche Gewehre zum augenblicklichen Dienst bereit. Dieß war bald geschehen, da Alle dabei behülflich, und die Frauen in diesem Punkt des Vertheidigungssystems so erfahren waren, wie ihre männlichen Genossen.

»Jetzt, Schlange, wollen wir ganz bescheiden anfangen, und zuerst des alten Tom gemeine Büchsen probiren, und mit Eurer Waffe und Killdeer als letzten Rednern, den Beschluß machen,« sagte Wildtödter, erfreut, wieder eine Waffe in der Hand zu haben, und bereit, seine Geschicklichkeit zu zeigen. »Hier sind Vögel im Ueberfluß, einige in, einige über dem See, und sie halten sich in einer guten Schußweite, wie sie so um die Hütte herum schweben. Sprecht aus, was Ihr denkt, Delaware, und bezeichnet die Creatur, die Ihr zu erschrecken gesonnen seyd. Da ist ein Taucher ganz in der Nähe nach Osten zu, und das ist eine Creatur, die sich beim Blitzen des Gewehrs sogleich versteckt, und Waffe und Pulver recht erproben kann.«

Chingachgook war ein Mann von wenig Worten. Sobald ihm der Vogel gezeigt worden war, zielte er und feuerte. Die Ente tauchte unter beim Blitzen des Schusses, und die Kugel tanzte ohne Schaden zu thun, über die Fläche des See's hin, zuerst das Wasser berührend wenige Zolle von der Stelle, wo eben noch der Vogel geschwommen. Wildtödter lachte herzlich und natürlich; aber zu gleicher Zeit stellte er sich in die Positur des Schützen und stand da, scharf die ruhige Wasserfläche beobachtend. Alsbald zeigte sich ein dunkler Fleck, und dann tauchte die Ente auf, um Athem zu schöpfen, und schüttelte ihre Flügel. Während sie noch dieß that, ging ihr eine Kugel gerade durch die Brust, und warf sie wirklich leblos auf den Rücken. Im nächsten Augenblick stand Wildtödter, den Kolben seiner Büchse auf die Plattform gestützt, so ruhig da, als wäre nichts geschehen, obwohl er in seiner eigenthümlichen Art lachte.

»Das ist keine rechte Probe von der Güte der Gewehre!« sagte er, wie bestrebt, einer falschen Schätzung seines Verdienstes zuvorzukommen. »Nein, das beweist weder für noch gegen die Büchsen, angesehen daß Alles Schnelligkeit der Hand und des Auges war. Ich überraschte den Vogel in einem für ihn ungünstigen Augenblick, sonst wäre er wohl auch wieder untergetaucht, ehe die Kugel ihn erreichte. Aber die Schlange ist zu klug, um auf solche Schliche zu achten, da er lange schon daran gewohnt ist. Erinnert Ihr Euch der Zeit, Häuptling, wo Ihr Euch der wilden Gans sicher glaubtet, und ich nahm sie Euch aus den Augen gleichsam mit ein wenig Rauch! Indessen solche Dinge gelten für Nichts unter Freunden, und junge Leute wollen ihren Spaß haben, Judith. Ja, da ist gerade der Vogel, den wir brauchen, denn er ist so gut fürs Feuer, wie zum Ziel, und Nichts sollte unbenutzt bleiben, was irgend vorteilhaft verwendet werden kann. Dort, weiter nördlich, Delaware!«

Der letztere schaute hinaus in der angedeuteten Richtung und bald sah er eine große schwarze Ente, in stattlicher Ruhe auf dem Wasser dahin schwimmend. In jenen frühen Tagen, wo so wenig Menschen da waren, die Harmonie der Wildniß zu stören, waren alle die kleinern Seen, an welchen das Innere von Neu-York so reich ist, Sammelplätze für die Wasserzugvögel; und dieser See, wie die übrigen, war einst sehr bevölkert von allen Gattungen der Ente, von der Gans, der Möve, der Lomme. Nach Hutter's Ankunft ward der See vergleichungsweise mit andern, entfernteren und abgelegneren Seen, wohin die Vögel sich zogen, leer, doch verweilten noch immer einige von jeder Gattung daselbst, wie in der That noch bis auf die heutige Stunde. In diesem Augenblick waren wohl hundert Vögel vom Castell aus sichtbar, die auf dem Wasser schliefen, oder ihre Federn in dem klaren Element wuschen, obgleich kein andrer eine so günstige Zielscheibe darbot, wie der, auf welchen Wildtödter seinem Freunde deutete. Chingachgook sparte wie gewöhnlich seine Worte und schritt gleich zum Werke. Dießmal zielte er sorgfältiger als zuvor, und dem entsprach auch der Erfolg. Dem Vogel wurde ein Flügel gelähmt, und er flatterte kreischend über das Wasser dahin und entfernte sich so wesentlich von seinen Feinden.

»Dem Vogel muß man sein Leiden abkürzen,« rief Wildtödter im Augenblick, wo das Thier versuchte, aufzuflattern; »und dieß ist die Büchse und die Hand, es zu thun.«

Die Ente flatterte noch dahin, als die tödtliche Kugel sie ereilte, und den Kopf vom Halse trennte, so sauber, als wäre es mit dem Beil geschehen. Hist hatte sich bei dem Erfolge des jungen Indianers einen leisen Freudenschrei erlaubt! jetzt aber gab sie sich die Miene, die größere Geschicklichkeit seines Freundes mit Verdruß zu empfinden. Der Häuptling dagegen stieß den gewöhnlichen Ausruf des Vergnügens aus, und sein Lächeln zeigte, wie voll er von Bewunderung und wie entfernt vom Neid war.

»Laßt nur das Mädchen, Schlange; laßt nur Hist's Gefühle, die weder ersticken, noch ertränken, weder tödten noch verschönern,« sagte Wildtödter lachend. »Es ist den Weibern natürlich, an ihrer Männer Siegen und Niederlagen Theil zu nehmen, und Ihr seyd so gut wie Mann und Frau, was Vorurtheil und Freundschaft anbelangt. Da ist ein Vogel über uns, der wird die Gewehre auf die Probe stellen; ich fordre Euch heraus auf ein Ziel in der Höhe, mit fliegender Scheibe, das ist eine wahre Probe, und eine, die sichre Büchsen wie sichre Augen verlangt.«

Es war auf dem See auch die Art von Adlern, die das Wasser aufsuchen und von Fischen leben, und einer schwebte in beträchtlicher Höhe über der Hütte, begierig eine Gelegenheit zum Herabstoßen erwartend; und seine hungrigen Jungen streckten ihre Köpfe aus einem Nest, das man auf dem nackten Wipfel einer abgestorbenen Fichte sah. Chingachgook legte schweigend ein neues Gewehr auf den Vogel an, und nachdem er sich genau seine Zeit ersehen, feuerte er. Ein weiterer Kreis, als gewöhnlich, den der Vogel beschrieb, zeigte an, daß der bleierne Bote in einer nicht großen Entfernung von jenem die Luft durchschnitten, aber sein Ziel verfehlt hatte. Wildtödter, dessen Visiren ebenso rasch als sicher war, feuerte, sobald gewiß war, daß sein Freund gefehlt hatte, und das starke Herabstoßen des Adlers, welches man sogleich darauf bemerkte, ließ es für den Augenblick zweifelhaft, ob er getroffen war oder nicht. Der Schütze selbst jedoch erklärte, daß er nicht glücklich gewesen, und forderte seinen Freund auf, eine neue Büchse zu ergreifen, denn er bemerkte bei dem Vogel Anzeichen seiner Absicht, den Ort zu verlassen.

»Ich habe ihn blinzeln und stutzig gemacht; ich glaube, seine Federn wurden gezaust, aber noch ist sein Blut nicht geflossen und dieß alte Gewehr taugt auch nicht zu einem so genauen und raschen Visiren. Schnell, Delaware; Ihr habt jetzt eine bessre Büchse, und, Judith, bringt Killdeer heraus, denn dieß ist eine Gelegenheit, seine Verdienste zu erproben, wenn er welche hat!«

Eine allgemeine Bewegung trat nun ein, die beiden Nebenbuhler machten sich fertig, und die Mädchen standen in lebhafter Erwartung des Ergebnisses. Der Adler hatte nach seinem tiefern Herabstoßen einen weiten Bogen beschrieben, und jetzt wieder empor flügelnd, schwebte er von neuem so ziemlich über dem Gebäude, sogar in noch größerer Entfernung als zuvor. Chingachgook starrte hinauf, und sprach dann seine Ansicht aus, daß er es für unmöglich halte, einen Vogel in solcher Höhe, und während er beinahe scheitelrecht über dem Zielenden schwebe, zu treffen. Aber ein leises Murmeln Hist's bewirkte einen plötzlichen Entschluß und er feuerte. Das Ergebniß zeigte, wie richtig er gerechnet, denn der Adler änderte seinen Flug gar nicht, beschrieb ruhig dahin segelnd runde Kreise in seiner luftigen Bahn, und schaute wie verachtend auf seine Feinde herunter.

»Jetzt, Judith,« rief Wildtödter lachend, mit glänzenden und freudigen Augen, »wollen wir sehen, ob die Büchse Wildtödter nicht auch Adlertödter ist! Gebt mir Platz, Schlange, und beobachtet die vernünftige Art des Zielens, denn durch Vernunft kann man Alles lernen.«

Ein sorgfältiges Visiren folgte jetzt, und ward mehreremale wiederholt, während der Vogel immer höher und höher stieg. Dann kam der Blitz und der Knall. Der rasche Bote flog hinauf, und im nächsten Augenblick drehte sich der Vogel auf die Seite, und stieß herunter, bald mit dem einen, bald mit dem andern Flügel schlagend und kämpfend, manchmal in einem Kreis sich umtreibend, dann verzweifelt flatternd, wie bewußt seiner Verletzung, bis er, nachdem er noch ein paar völlige Kreise um den Platz beschrieben, schwer auf das Ende der Arche herabstürzte. Als man den Körper untersuchte, fand man, daß die Kugel halb durch ihn durchgegangen war zwischen einem Flügel und dem Brustbein.

 


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