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V.

 

Das Ding sieht aus, wie ein Wallfisch.

Shakespeare.

 

 

Zwar war der Gegenstand, welcher Griffith und Barnstable bestimmte, dem Lootsen zu folgen, ganz Sache des Staates; aber was sie veranlaßte, es so willig zu thun, wurde, wie man leicht sehen kann, Gefühl ihres Herzens. Die kurze Unterhaltung, die der Lootse mit seinen Genossen hatte, machte diesen geheimnißvollen Führer gar bald mit den Verhältnissen der zwei Vorzüglichsten so genau bekannt, daß er sich nach der Landung bestimmt fühlte, blos mit Griffith und Manuel zu erforschen, ob die Gegenstände seiner Verfolgung noch um die bestimmte Zeit zusammentreffen würden, während er Barnstable im Fahrzeuge zurückließ, ihrer Rückkunft zu warten und ihre Entfernung zu sichern. Nur gewichtige Gründe und ein derbes Wort von seinem höhern Offizier waren nöthig, um Barnstable mit dieser Anordnung zufrieden zu stellen. Allein sein Verstand sagte ihm dann bald, daß nichts unnöthiger Weise gewagt seyn dürfte, bis der Augenblick da sey, wo der Hauptstreich vollführt werden sollte, und so wurde er allmälig ruhiger, indem er nur Griffith ins Ohr raunte, während der Zeit, wo jenes Landhaus recognoscirt würde, auch die Abtei ins Auge zu nehmen. Der Letztere hatte nichts Angelegentlicheres, als diesem Wunsche zu genügen. Dies brachte ihn und seine Gefährten vom eigentlichen Pfade ab und in die Verlegenheiten, welche wir zum Theil schon erzählt haben.

Der Lootse hatte den nächsten Abend dazu bestimmt, sein Unternehmen auszuführen. Er glaubte, seiner Leute während der gesellschaftlichen Freuden habhaft zu werden, die gewöhnlich ihren Jagden folgen. Am frühen Morgen sollte Barnstable so nahe, als möglich, bei der Abtei halten, seine Landsleute einzunehmen, um sie, soviel wie thunlich, dem Blicke ihrer Feinde am Tage zu entziehn. Kämen sie um die bestimmte Zeit nicht an; so sollte er, dies war die Verabredung, nach dem Schooner zurückfahren, der ruhig vor Anker in einer verborgenen, entfernten Bucht lag, wohin zu Wasser und zu Lande nicht leicht Jemand zu kommen pflegte.

Der junge Cornet schaute noch immer nach der Barke, die zum Schooner gehörte, – denn so verhielt es sich, – während bereits die Stunde um war, wo Griffith und seine Gefährten spätestens erscheinen mußten. Verdrießlich entschloß sich Barnstable, dem Buchstaben seiner Instruction zu folgen, und es nun ihrer eignen Einsicht und Gewandtheit zu überlassen, wieder auf den Ariel zu kommen. Seit Sonnenaufgang hatte die Barke ohnfern der Brandung gehalten, und immer hefteten sich die Augen der Matrosen unruhig auf die Klippen, das Zeichen zu sehen, das sie zu landen rufen sollte. Wohl zwanzig Mal nach der Uhr schauend, und oft einen verdrießlichen Blick auf die Küste werfend, rief Barnstable endlich aus:

»Eine hübsche Aussicht, Master Coffin! Es ist nur zu viel Phantasie für Deinen Geschmack dabei! Ich glaube, Dir macht kein Land Freude, das härter ist, als Wasser!«

»Ich bin auf dem Wasser geboren,« antwortete der Beischiffsführer auf seinem niedrigen Sitze, wo er sich, wie gewöhnlich, eng zusammenhielt. »Das ist wie bei allen Dingen. Wo der Mensch geboren ist, den Ort liebt er. Läugnen will ichs nicht, ich lasse lieber den Anker fallen, wo das Wasser einen Kiel trägt. Aber nun gerade einen Haß gegen trocknes Land habe ich auch nicht.«

»Ich kann es mir nie verzeihen, wenn Griffith ein Unglück bei dem Ausfluge gehabt hat!« bemerkte der Lieutnant. »Sein Lootse mag auf dem Wasser besser seyn, als zu Lande, langer Tom!«

Der Beischiffsführer sah sich mit wichtiger Miene um, als habe er seinem Kommendanten etwas zu sagen.

»Ja,« erwiederte er endlich, »so lange ich auf dem Wasser bin, und das heißt, seitdem ich zum ersten Mal gefüttert wurde, – denn ich bin geboren, wie wir an der Küste von Nantucket kreuzten, – ja, da habe ich doch keinen Lootsen so zur rechten Zeit kommen sehn, als den, der bei uns eintraf, als wir so ein Paar Längen an der Küste vorgestern hinliefen.«

»Ei ja, der Bursche hat seine Sache gut gemacht, wie ein Mann. Es war da Gelegenheit, sich zu zeigen, und es scheint, er paßt zu dem, was er verspricht.«

»Die Leute auf der Fregatte sagten mir, er sey mit dem Schiffe wie mit einem Kreisel umgegangen. Nun aber, es ist wahr, das Schiff hat von Natur einen Widerwillen gegen alles Strand-Laufen.«

»Kannst Du das von der Barke hier auch sagen, Coffin?« fragte Barnstable hastig. »Zieh sie aus der Brandung zurück, oder wir laufen im Augenblick gegen die Küste, wie eine leere Wassertonne. Du mußt hübsch daran denken, daß wir nicht Alle, wie Du, in zwei Faden Wasser hinstapeln können.«

Der Beischiffsführer sah gelassen auf den Schaum, der sich einige Ellen von der Barke auf den Wogen thürmte, und rief den Leuten in der Barke zu:

»Thut doch einen oder zwei Schläge, und bringt sie in klares Wasser!«

Die Schläge der Ruder tönten wie die Hebel einer wohl berechneten Maschine, und das leichte Boot ging über das Wasser, gleich einer Ente, dahin, die sich dicht einer drohenden Woge naht, aber im entscheidenden Augenblick ohne scheinbare Anstrengung entfernt. Barnstable stand, während diese Bewegung gemacht wurde, auf, und schaute mit unverwandten Augen nach den Klippen. Noch verdrießlicher sagte er endlich:

»Nun, stoß vollends ab, und laß sie sachte nach dem Schooner gehn! – Seht immer nach den Klippen, Jungens! Es ist möglich, daß sie einer Felsenhöhle stecken; denn Tageslicht ist gerade ihr Freund nicht.«

Schnell wurde dem Befehl gehorcht, und in tiefem Schweigen wohl eine Viertelstunde fortgerudert, als die Stille plötzlich durch ein dumpfes Geräusch in der Luft und ein Schlagen des Wassers unterbrochen ward, das gar nicht weit von ihnen schien.

»Beim Himmel!« rief Barnstable überrascht, »das ist ein Wallfisch, Tom!«

»Ja freilich!« erwiederte dieser mit unveränderter Gleichgültigkeit. »Dort zieht er. Nicht eine halbe Viertelstunde seewärts. Der Sturm aus Osten hat diese Creatur hergetrieben, und er fühlt allmälig, daß er auf Untiefen ist. Er schläft, statt daß er suchen sollte, ins weite Meer zu kommen.«

»Darum scheint er sich eben nicht zu kümmern! Er macht nicht viel Anstalt!«

»Ich denke vielmehr,« sagte der Beischiffsführer, und rollte seinen Tabak im Munde hin und her, während das kleine, tiefliegende Auge freudig blitzte, »der Ehrenmann hat seinen Kompaß vergessen, und weiß nun nicht den Weg zu finden, um ins klare Wasser zu kommen.«

»Es ist ein Kachelot!« rief der Lieutnant, »und wird bald den Weg finden!«

»Nein, es ist ein ordentlicher Wallfisch. Ich sah, wie er sprützte. Er warf ein Paar Bogen in die Luft, wie nur ein Christenmensch wünschen kann. Eine wahre Thrantonne ist es!«

Barnstable lachte und drehte sich um, den verführerischen Gegenstand nicht zu sehen, und nach den Klippen zu schauen. Aber ohne daß es selbst wußte, fiel doch das Auge wieder auf das unförmliche Geschöpf, das manchmal seine ungeheure Masse mehrere Fuß in flüchtigen Sprüngen aus dem Wasser emporhob. Die Versuchung, hier eine Freude zu haben, und die Erinnerung an ältere Gewohnheiten, gewannen endlich über die Unruhe in Betreff seiner Freunde die Oberhand, und der junge Lieutnant fragte den Beischiffsführer:

»Ist denn ein Wallfischtau in der Barke, um die Harpune daran zu schlingen, die Du immer bei Dir hast, es mag gut oder schlecht Wetter seyn?«

»Ich stoße nie vom Schooner ab, ohne mitzunehmen, was zum Wallfisch gehört!« erwiederte der lange Tom. »Es ist eine wahre Freude für mich, so eine Tonne zu sehn.«

Barnstable sah nach der Uhr – nach den Klippen. Dann rief er in lustigem Tone aus:

»Fahrt zu, Burschen! Wir haben ja weiter nichts zu thun! Wir wollen dem Schurken eine Harpune in den Leib jagen!«

Und alle Matrosen jauchzten. Selbst der Beischiffsführer ließ auf seinem ernsten Gesichte ein Lächeln sichtbar werden, während die Barke, wie ein Wettrenner in den Schranken, hinschoß. In wenig Minuten waren sie ihrer Beute nahe. Der lange Tom stand aus seinem Winkel im Sterne auf, und schritt in der Barke dahin, um die Vorbereitungen zu machen, den Wallfisch, wenn sich die Gelegenheit ergäbe, auf's Korn zu nehmen. Das Tau, das die Hälfte der gewöhnlichen Länge zu einem solchen Fange hatte, ward zu Barnstable's Füßen gelegt, der, anstatt Tom's, ein Ruder nahm, um zu steuern und zu wenden, falls dies etwa während Haltens hier nöthig werden könnte.

Das Ungeheuer der Tiefe bemerkte ihre Näherung in keiner Art. Es ergötzte sich fortwährend, Wasser auszusprützen, oder mit dem Schweife halb furchtbare, halb schön anzusehende Schläge auf dem Wasser zu thun, bis die kühnen Seeleute nur noch einige hundert Fuß entfernt waren. Plötzlich ragte es mit dem Kopfe hervor, und brachte den ungeheuern Körper mehrere Fuß über das Wasser, während der Schweif heftig arbeitete, und ein Geräusch, wie ein Sausen vorbrachte, das gleich dem Sausen des Windes tobte.

Der Beischiffsführer stand mit seiner Harpune bereit, sie nach ihm zu werfen. Als er aber sah, wie das Ungeheuer die furchtbare Stellung annahm, winkte er seinem Kommendanten, und dieser den Matrosen, daß sie mit Rudern innehielten. So blieben sie einige Minuten ruhig. Der Wallfisch that indessen in schneller Folge verschiedene Schläge auf das Wasser, und das Geräusch davon hallte längs den Klippen, gleich einem dumpfen Kanonendonner, wieder. Nachdem das Thier diese vergeblichen Anstrengungen seiner schrecklichen Kräfte gemacht hatte, versank es wieder in sein ihm eigenthümliches Element, und entschwand langsam den Augen seiner Verfolger.

»Welchen Weg nahm er denn, Tom?« fragte Barnstable in dem Augenblick, wo er aus dem Gesichte war.

»Er ist wohl nur ein Bischen in die Tiefe gegangen!« erwiederte dieser, indessen sein Auge immer feuriger wurde. »Er will sich ein wenig die Nase unten abreiben. Falls er lange hinstreicht, wird er froh seyn, wenn er wieder ein Paar Züge freie Luft schlucken kann. Laßt nur ein Paar Knoten Steuerbord fahren, und ich bin gut dafür, wir sind ihm auf der Fährte.«

Der alte Seemann hatte recht vermuthet. In wenig Minuten that sich das Wasser in ihrer Nähe wieder auf. Vom Neuen stieg ein Strahl desselben in die Luft, und das große Thier schoß, so lang es war, dahin, auf der See einen Schaum verbreitend, wie ein Schiff, das, zum ersten Mal ins Meer gehend, vom Stapel läuft. Dann trieb er wieder ruhig dahin, und schien von den frühern Anstrengungen auszuruhen.

Barnstable und sein Beischiffsführer beobachteten jede der kleinsten Bewegungen, und als er gegen früherhin in Ruhe war, gab der Erstere nochmals das Zeichen, darauf hinzurudern. Ein Paar kräftige Schläge brachten das Boot ihm zur Seite, indem die Spitze desselben nach einer seiner Finnen gerichtet war, die manch Mal, ließ das Thier sich träge vom Wasser leiten, zum Vorschein kam. Mit vieler Aufmerksamkeit zielte erst der lange Tom, und dann schleuderte er die Harpune mit einer Gewalt, daß das Eisen tief in die Fettmasse seines Feindes hineinfuhr.

Kaum war der Wurf vollbracht, als er mit gewichtigem Eifer ausrief:

»Zurück! Zurück!«

»Zurück!« wiederholte Barnstable, und die willigen Bootsleute brachten das Fahrzeug mit jedem Ruderschlage mehr aus der Nähe ihres schrecklichen Gegners. Das furchtbare, verwundete Thier dachte indessen, seine Kräfte nicht kennend und den Feind nicht achtend, an keinen Kampf. Es suchte sich durch die Flucht zu retten. Ein Augenblick von Betäubung und Ueberraschung war das Erste, als es das eingedrungene Eisen fühlte. Dann schlug es mit dem Schwanze in die Höhe, daß das Meer in großen Kreisen herumwogte, und endlich verschwand es schnell, wie der Blitz, mitten in einer Wolke von Schaum.

»Gieb Acht, Tom! Paß auf! Er kommt wieder herauf!« schrie Barnstable.

»Ja, ja!« versetzte dieser ganz ruhig, und nahm ihm das Tau, das aus dem Boote mit einer Schnelligkeit schoß, welche Gefahr drohte, um es um einen Block gehn zu lassen, der zu dem Zweck vorn in der Barke stand. Die Schnelligkeit war dadurch gemindert. Das Tau lief immer hin, und indem es auf der Oberfläche des Wassers wogte, zeigte es die Richtung, in der das Thier wieder zu erwarten war. Barnstable hatte die Spitze des Bootes nach diesem Punkte hin gerichtet, bevor das verwundete Ungeheuer wieder heraufkam. Doch dieses dachte jetzt an nichts, als an die schnellste Flucht. Es schoß mit ungeheurer Schnelligkeit dahin, als es wieder die Wasserfläche berührte. – Gewaltsam ward das Boot mit fortgerissen. Es zerschnitt die Fluthen so schnell, daß es manch Mal ganz darin begraben zu werden schien. Als der lange Tom sah, wie sein Opfer wieder Ströme in die Luft sandte, jauchzte er laut: denn das Wasser war mit dunkelm Blute gefärbt.

»Ich bin dem Burschen ans Leben gekommen!« schrie er. »Es muß mehr als zwei Fuß Fett da seyn, wenn mein Eisen nicht jedem Wallfisch das Herzblut abzapft, der im Ozean kreuzt!«

»Nun, das Bajonett, das Du Dir zur Lanze umgearbeitet hast, brauchst Du hierbei nicht mehr!« bemerkte Barnstable, die Freude mit allem Feuer theilend, das ein junger Mann fühlt, der in solchen Abentheuern beinahe aufgewachsen ist. »Fühle doch einmal nach dem Tal. Können wir ihn denn ins Schlepptau nehmen? Der Kurs, den er einschlägt, gefällt mir nicht. Er führt uns zu weit vom Schooner ab.«

»Das machen die Kreaturen so!« antwortete Tom. »Sie müssen so gut Athem holen, wie der Mensch. Aber wir wollen sehn. – Faßt einmal an, Bursche!«

Die Bootsleute ergriffen das Tau. Langsam kam das Boot bis wenige Fuß vom Schwanze des Fisches, der in dem Maaße, als er vom Blutverlust schwächer ward, minder rasch hinzog. In wenig Minuten schien er gar nicht mehr fortzueilen, sondern unthätig, als kämpfe er mit dem Tode, auf den Wogen hinzutreiben.

»Nun? Noch vorwärts und den Rest gegeben? Ein Paar Stiche von Deinem Bajonette machen das Garaus!« rief Barnstable.

Der Bootsführer sah prüfend auf seine Beute.

»Nein!« erwiederte er, ruhig überlegend. »Nein! es kommt das Letzte. Wir müssen uns nicht die Schande machen, und die Waffen eines Soldaten gegen einen Wallfisch anwenden. Zurück! Das Thier ist im Ausmachen! Zurück!«

Schnell ward dem klugen Tom gehorcht. Die Mannschaft ruderte ein groß Stück hinweg, und ließ dem sterbenden Ungeheuer freies Feld zu seinem Todeskampfe. Nach vollkommner Ruhe schlug es mit dem Schwanze hoch in die Luft, als scherze es. Aber die Schläge wiederholten sich so schnell und heftig, bis es ganz in einer Pyramide von Schaum und Blut gehüllt zu seyn schien. Gleich dem Brüllen einer Heerde Ochsen tönte sein Geschrei. Wer mit der Sache unbekannt war, hätte geglaubt, tausend Meerungeheuer bestünden einen tödtlichen Kampf hinter dem Schaume, der die Aussicht hemmte. Doch allmälig hörte dies alles auf. Das rothe Gewässer sank wieder auf die Fläche des Meeres zurück. Der Wallfisch war erschöpft, und ergab sich leidend seinem Geschick. Als das Leben dahin war, drehte sich die große, schwarze Masse auf die Seite, und es kam die weiße glänzende Haut des Unterleibes zum Vorschein, was den Matrosen nun sagte, ihr Opfer habe vollendet.

»Was machen wir aber nun?« fragte Barnstable, als er mit verminderter Lust nach der Beute hinschaute. »Zu essen gewährt er nichts. Die Masse wird nach dem Lande treiben, und unsern Feinden eine Portion Thran geben.«

»Ja, wenn ich das Geschöpf in Boston Bai hätte!« sagte der Bootsführer, »da würde es mich zu einem reichen Manne machen. Aber solch' Glück hab' ich nicht! – Rudert nur hin. Ich muß doch meine Harpune und das Tau wieder haben. Die sollen die Engländer doch nicht bekommen, so lange der alte Tom Coffin Athem holen kann.«

»Nun rede nur nicht so,« bemerkte der erste Matrose. »Er mag nun Dein Eisen finden, oder nicht, genug, da kommt er, und macht Jagd.«

»Was willst Du, Bursche?« rief Barnstable.

»Kapitain Barnstable soll selbst hingucken, und sehn, ob ich recht habe.«

Der junge Seemann drehte sich um, und sah die Alacrity mit vollen Segeln um den Vorsprung kommen. Sie war eine kleine Seemeile von der Barke entfernt.

»Gieb einmal das Glas her!« sagte er ruhig. »Das giebt uns auf zweierlei Art zu thun: sind sie bewaffnet; so müssen wir das Weite suchen. Wo nicht; so sind wir stark genug, eine Prise zu machen.«

Ein Blick nach dem Fahrzeuge machte ihn, den Bewanderten, mit der Beschaffenheit desselben sogleich bekannt. Er legte das Fernrohr kaltblütig hin.

»Der Bursche hat lange Hände,« sagte er, »und zehn tüchtige Zähne obendrein. Auf dem Topmast weht König Georg's Flagge. Nun ihr Leute, jetzt rudert zu, was Ihr könnt. Master Coffin mag seine Harpune lieb haben, wie er will. Ich will mir darum von John Bull kein Geschmeide anlegen lassen, und wenn Se. Majestät selbst die Gnade hätten, mich anzuschließen.«

Die Matrosen wußten, wie ihr Kommendant sprach und dachte. Sie warfen die Jacken ab, und gingen ernstlich an die Arbeit. Eine halbe Stunde ward in der Barke kein Wort gesprochen. Sie machten unglaubliche Fortschritte. Aber manche Umstände begünstigten auch den Kutter. Er hatte frischen Wind, ruhige See, gute Segel. Nach Verlauf der genannten Zeit sah man nur zu deutlich, daß der Raum zwischen ihm und der Barke um fast die Hälfte vermindert war. Barnstable blieb immer fest, doch seine Braunen wurden von einer Unruhe beschattet, die wohl zeigte, daß er die wachsende Gefahr seiner Lage kenne.

»Höre, Tom,« sagte er halb scherzend, »der Bursche hat lange Beine. Dein Tau muß über Bord; um das Boot leicht zu machen, und das fünfte Ruder von Deiner zarten Hand gehandhabt werden.«

Tom verließ sein Plätzchen, und ging vor. Er warf die Tonne mit dem Tau in's Meer, um sich an's Vorderruder zu setzen, wo er nun mit seiner Riesenkraft Hand an's Werk legte.

»Du führst einen gescheuten Schlag, Tom!« rief ihm der Kommendant aus dem Sterne zu. »Nun, frisch zu, Jungens! Wenn wir nichts gewinnen, bekommen wir doch Zeit zum Ueberlegen. Tom, was meinst Du? Wir haben drei Auswege. Laß uns einmal hören, welchen Du wählen würdest? Erstlich können wir umkehren und fechten, bis wir in den Grund gesegelt sind. Dann können wir nach dem Lande hinhalten, auf der Küste nach guter Art nach dem Schooner unsern Rückzug zu nehmen; und endlich können wir nach der Küste fahren, vielleicht unter den Kanonen dieses Burschen ihm den Wind abgewinnen, und so wieder frischen Athem schöpfen, wie unser Wallfisch. Der Teufel hole den Wallfisch! Wär' der Kerl nicht gewesen, so wären wir dem Korsaren längst aus dem Gesichte!«

»Wenn wir fechten;« antwortete Tom so gelassen, wie sein Befehlshaber, »so werden wir genommen oder in den Grund gebohrt. Landen wir; so werde ich für meine Person genommen: denn ich habe auf trocknem Boden immer nie meinen Curs finden können. Gewinnen wir ihm aber den Wind ab, indem wir unter den Klippen hinfahren; so werden wir von den Schuften niedergeschossen, die ich da längs den Felsen hinschleichen sehe, und die schon gewisse Rechnung machen, auf eines ehrlichen Seemanns Boot eine Kugel senden zu können.«

»Du sprichst gescheut und wahr!« entgegnete Barnstable, der seine geringe Hoffnung durch die auf den Klippen erscheinenden Reiter und Soldaten zu Fuß vernichtet sah. »Die Engländer haben in der letzten Nacht nicht geschlafen. Ich fürchte, Griffith und Manuel haben ein Unglück gehabt. – Daß Dich! Der Kerl hat die ganze Mütze voll Wind! Gerade wie er ihn braucht! Und er läuft, wie ein Wettrenner. Ha, ha, jetzt spricht er deutlich!«

Während Barnstable so seine Bemerkungen machte, stieg aus dem Vordertheil des Kutters eine weiße Wolke auf, und man hörte den Donner einer Kanone. Die Kugel hüpfte von Woge zu Woge, und das Wasser sprützte nach allen Seiten. In bedeutender Entfernung fiel sie nieder. Die Matrosen sahen neugierig ihrem Laufe nach, ohne aber in Mienen oder im Arbeiten eine Aenderung wahrnehmen zu lassen.

Der lange Tom berechnete das Kaliber mit größerm Kennerblick, als die Andern.

»Das Ding ist recht lebendig, und spricht klar und vernehmlich,« sagte er endlich. »Aber wenn sie's auf dem Ariel hören; so wird der Mann, der dort geschossen hat, es bereuen, daß er nicht stumm geblieben ist.«

»Du bist ein geborner Philosoph!« rief ihm Barnstable entgegen. »Ja, darauf läßt sich bauen! Die Engländer sollen schwitzen. Wahrhaftig, für Donner halten sie es auf dem Ariel nicht. Gieb einmal die Muskete her. Ich will auch einmal abdrücken!«

Barnstable that verschiedene Schüsse, als mache er sich über den Feind lustig, und seine Absicht gelang vollkommen. Durch den Schimpf aufgebracht, sandte der Kutter dem kleinen Fahrzeuge Schuß auf Schuß zu. Manche Kugel ging so nahe weg, daß sie die Matrosen mit Schaum bespritzte, aber ohne Schaden zuzufügen. Da alle diese Schüsse Fehl gingen; so wurden die kecken Seeleute nur lustiger, statt daß sie Furcht bekommen hätten. Kam manchmal eine Kugel näher vorbei, als gewöhnlich; so machte der Bootsführer die Bemerkung: »Weit vom Schuß und ein Bischen klein, läßt so 'nen Schuß umsonst hübsch seyn!« oder: »Ein Mann muß recht aufpassen, wenn er ein Boot treffen will.«

Trotz des unnützen Schießens aber hatte der Kutter doch immer Vorsprung erhalten, und es war ein baldiges Ende der Jagd abzusehn, als eine Kugel die englische Ladung wie ein Echo beantwortete, und Barnstable mit seinen Kameraden die Freude hatte, den Ariel aus der kleinen Bai herauskommen zu sehn, wo er in der Nacht vor Anker gelegen hatte. Noch kräuselte sich der Rauch von dem Schusse, der zum Kampf herausfoderte, über den Masten empor.

Alle im Boote jauchzten laut und zu gleicher Zeit, der Lieutnant so gut, als die Matrosen, indem dieser rettende Engel erschien. Der Kutter aber setzte auch alle seine kleinen Segel auf, um desto schneller herankommen zu können, und schickte den Flüchtlingen noch eine volle Lage nach. Eine Menge Kartätschenhagel flog um die Barke in's Wasser, ließ dies aufschäumen, aber schadete Niemandem.

»Das war das Letzte! Wie beim Wallfische vorhin!« sagte Tom trocken, indem er in den kleinen Kreis schaute, der sich um's Boot bildete.

»Nun, wenn der Kommendant vom Kutter ein honetter Mann ist;« rief Barnstable, »so wird er sich nicht auf so kurze Bekanntschaft beschränken. Macht fort, Kinder! Haltet Euch dazu! Ich möchte dem geschwätzigen Burschen gern näher in's Gesicht sehn!«

Die Matrosen sahen ein, daß noch alle Kraft vonnöthen war, und ließen es nicht unbeachtet. In wenig Minuten legten sie beim Schooner an, dessen Besatzung sie und Ihren Befehlshaber mit Jubel und Freude empfing. Ueber das Meer hinüber drang das Jauchzen zum Ohre derer, die getäuscht auf den steilen Klippen zusahen.


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