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VIII.

 

Wenn mir euer Vater eine Ehre erzeigen will;
ja! Wo nicht; so mag er den nächsten Perry
selbst todt schlagen. Ich will Graf oder Herzog
werden. Ja; das will ich!

Shakespeare.

 

 

Manuel sah ärgerlich bald auf seine Sieger und bald auf seine wenige Mannschaft; während diese unter Anordnung des Sergeanten Drill, obschon mit vieler Schonung, gefesselt wurde. Einmal begegnete auch sein verdrüßlicher Blick den blassen, verstörten Zügen Griffith's, und nun ließ er seinem Unmuthe folgender Gestalt freien Lauf:

»Das ist die Folge, wenn man die militairischen Regeln versäumt! Hätte ich zu befehlen gehabt, ich, der ich, ohne mich zu rühmen, weiß, was man im Felde zu thun hat; so wären Pikets ausgestellt worden, statt daß die Leute, wie eben so viele Kaninchen, in ein Loch gesteckt waren, wo sie mit Schwefeldampf herausgetrieben wurden. Wir hätten ein freies Feld zum Kampf gehabt, oder hätten uns dann hinter den Mauern verschanzt, was ich in zwei Stunden längstens bewirkt hätte, und wenn das beste Regiment dagegen gewesen wäre, das je Königs Georg Uniform trug.«

»Erst die Außenwerke vertheidigt, ehe man sich in die Citadelle wirft!« rief Borroughcliffe beifällig. »So ist's Kriegsregel, und da zeigt sich's, daß man's Handwerk versteht! Aber hättet Ihr Euch besser versteckt gehalten; so könnten Eure Kaninchen in dem hübschen Loche noch wühlen. Ein hasenherziger Bauer ging heute Morgen vor dem Walde vorbei, als seine Augen von dem schönen Anblick der Soldaten in fremder Montur begrüßt wurden. Er riß aus, und wollte sich in's Wasser stürzen, weil die Furcht manchmal auf Leute seiner Art schrecklich einwirkt. Zum Glück fiel er auf den Klippen mir in die Hände, und ich erhielt ihm menschenfreundlich das Leben, indem ich ihn nöthigte, uns herzuführen. Es ist manchmal gut, wenn man Etwas weiß, mein würdiger Waffenbruder; manchmal ist es noch besser, Nichts zu wissen.«

»Ihr habt gesiegt, und könnt nun spotten!« erwiederte Manuel, indem er sich düster auf ein Stück Mauerwerk setzte, und sein Auge auf die leblosen Körper heftete, die man allmählig aus dem Gewölbe brachte, um sie ihm zu Füßen zu legen. »Aber diese Leute hier waren meine Kinder, und Ihr seyd nicht böse, wenn ich Euren Scherz nicht beantworten kann. Ihr seyd Soldat, Kapitain, und wißt also Verdienste zu schätzen. Aus den Händen der rohen Natur empfing ich diese Burschen, die jetzt ruhig den Todesschlummer schlafen, und machte sie zum Stolze unserer Kunst. Sie waren nicht Menschen mehr, sondern aßen und tranken, gingen und standen, ladeten und feuerten, lachten und jammerten, sprachen und schwiegen, wie ich's wollte. Was ihre Seele anbetraf; – so hatten alle nur Eine, und diese war ich. – Heult, Kinderchen, heult jetzt in Gottes Namen! Jetzt braucht Ihr nicht länger still zu seyn! – Ich habe gesehn, wie ein einziger Flintenschuß fünfen meiner Leute in der Linie die Knöpfe ihrer Röcke wegnahm, ohne die Haut eines einzigen zu streifen. Wie viel ich bei einer regulären Affaire verlor, konnte ich allemal mit Gewißheit berechnen. Aber dies verfluchte Banditengefecht hat mir meine beste Mannschaft geraubt. Ihr habt jetzt die Erlaubniß, Kinderchen! Heult, immer heult! Das wird Eure Pein mindern!«

Borroughcliffe schien einigermaßen die Gefühle seines Gefangenen zu theilen, und er machte einige geeignete tröstende Bemerkungen, während er aber doch die Anordnungen zum Aufbruche seiner Leute beachtete. Endlich kündigte der Korporal an, daß eine Art von Bahre zum Transport der Verwundeten gefertigt sey, und forschte, ob es fortgehn solle?

»Wer hat die Dragoner gesehn?« fragte der Kapitain. »Welchen Weg haben sie eingeschlagen? Haben sie von dieser feindlichen Streifparthei Kunde bekommen?«

»Von uns nicht, Herr Kapitain!« erwiederte der Sergeant. »Sie sind längs der Küste hingeritten, ehe wir noch von den Klippen abmarschirten, und ihr Offizier, hieß es, wollte au ihr hinunter einige Stunden recognosciren und Lärm machen.«

»Laß ihn gehn. Dazu sind die Männerchen allein gut. Drill, es ist jetzt bei dem Kriegshandwerke so schwer, Ehre zu gewinnen, als zu avanciren. Es ist, als ob wir ausgeartete Kinder der Helden von Poitiers wären. Verstehst Du mich, Sergeant?«

»Das war eine Schlacht, die die Truppen Sr. Majestät gegen die Franzosen lieferten?« antwortete Drill; mit dem, was eigentlich sein Kapitain wollte, nicht im Klaren.

»Bursche, Du wirst einfältig nach dem Siege!« rief Borroughcliffe. »Komm her! Ich will Dir meine Befehle geben. Glaubst Du, Drill, daß bei der Affaire von heut' Morgen mehr Ehre, und vielleicht mehr Gewinn ist, als Du und ich vertragen können?«

»Nein, Kapitain, wir haben breite Schultern.«

»Die durch zu große Bürde von der Art nicht erdrückt werden,« unterbrach ihn sein Oberer mit wichtiger Miene. »Wenn wir die Nachricht von der Aktion zu den Ohren dieser hungrigen Dragoner kommen lassen, fallen sie über uns her, wie eine Kuppel ausgehungerter Jagdhunde mit offenem Rachen, und wollen mindestens den halben Antheil von Ehre, gewißlich aber allen Gewinn haben.«

»Aber, Herr Kapitain, es war ja nicht ein Mann von ihnen –«

»Halt's Maul, Drill! Ich habe Truppen gesehn, die tüchtig im Feuer waren, und durch einen falschen Bericht um den ganzen Antheil vom Siege geprellt wurden. Du weißt doch, daß man im Pulverdampfe und Schlachtgewühle nur sehen kann, was gerade um einen vorgeht, dagegen Sache der gemeinen Klugheit ist, nur offiziell zu berichten, was nicht leicht widersprochen werden kann? Ich frage Dich, hast Du von einer Schlacht bei Blenheim gehört?«

»Daß Dich! Die ist die Perle der brittischen Armee! Die und die Schlacht bei Culloden! Es war die, wo der große Korporal John den König von Frankreich und seinen Adel, seine Großen und das halbe französische Volk schlug, das in Waffen aufgestanden war!«

»Dies schmeckt ein Bischen nach einem alten Buche aus der Wachtstube; aber in der Hauptsache ist es richtig! Weißt Du, wie viel Franzosen damals im Felde standen?«

»Die Regimentslisten hab' ich nicht gedruckt gelesen: aber nach dem Unterschiede zwischen beiden Völkern sollte ich doch denken – so – einige Hunderttausend!«

»Nun, und der Herzog hatte dieser großen Armee nur zehn- oder zwölftausend gutgefütterte Engländer entgegen zu setzen! Du bist ganz versteinert, Sergeant?«

»Ei ja, Herr Kapitain, das scheint doch für einen alten Soldaten ein zu derber Schluck. Ein Schuß auf's Gerathewohl würde so eine Handvoll Leute wegblasen!«

»Und doch wurde die Schlacht geliefert und gewonnen! Aber Herzog von Marlborough hatte einen gewissen Eugen mit funfzig oder sechzigtausend Deutschen im Rücken. Hast Du nichts vom Herrn Eugen gehört?«

»Nicht eine Sylbe. Ich dachte immer, daß Korporal John –«

»Ja, das war ein tüchtiger General, ein großer General. Da hast Du recht, Drill. So wäre ein gewisser Jemand auch, den ich nicht nennen will, wenn ihm nur Se. Majestät einen Posten anvertrauen wollte. Indessen, Ahnen gehören dazu, wenn man ein Regiment haben soll, und blos mit einem Regimente läßt sich Etwas anfangen. Kurz, rein von der Leber weggesprochen: Wir müssen unsere Gefangenen so still, wie möglich, in die Abtei bringen, daß die Dragoner immer an der Küste forttraben, ohne uns das Brod von dem Maule wegzunehmen. Beim Kriegsminister muß dann Lärm geschlagen werden. Dafür laß Du mich nur sorgen, Drill! Ich kenne Jemanden, der seine Feder so gut zu führen weiß, wie den Degen. Drill ist ein kurzer Name, und kann in einem Bericht gut mit eingeschoben werden.«

»Herr Kapitain? Wirklich Herr Kapitain?« rief der entzückte Korporal. »Wahrlich, solche Ehre ist mehr – Aber Ihr könnt' über mich gebieten in Zeitlichkeit und Ewigkeit!«

»Das weiß ich, Drill, und um kurz zu seyn, sag' ich Dir, schweigen mußt Du, und sehen, daß Deine Leute schweigen, bis es Zeit ist zu reden. Dann geb' ich Dir mein Wort darauf, es soll Lärm genug geben!« –

Borroughcliffe schüttelte bedächtig den Kopf.

»Höre, Drill,« fuhr er ernsthaft fort, »das war ein Satansgefecht! Das hat Blut gekostet! Sieh' einmal die Todten und Blessirten! Auf jeder Flanke ein Wald. Der Mittelpunkt – von einer alten Ruine unterstützt! Dinte! das kostet Dinte, wenn man die Details schildern will! – Nun geh, Drill, und kommandire den Abmarsch!«

Der Korporal von den eigentlichen Absichten seines Befehlshabers in Kenntniß gesetzt, theilte das Nöthige der Mannschaft mit, und ließ Alles zum Aufbruch fertig machen, was in kurzer Zeit geschehen konnte. Die Leichname blieben unbeerdigt liegen. In den alten Mauern schienen sie gegen jede Entdeckung gesichert genug, bis die Dunkelheit ihr Vergraben erlaubte, um Borroughcliffe's Plan zu fördern, die Ehre allein zu ärndten. Die Verwundeten wurden aus einige von Gewehren und Röcken der Gefangenen verfertigte Bahren gebracht, und Sieger und Besiegte zogen nun in einer Kolonne aus den Ruinen in einer Art, daß die erstern die letztern umgaben, um sie dem neugierigen Blicke der etwa Vorübergehenden zu entziehen. Indessen davon war eben nichts zu fürchten: denn der Lärm, der Schrecken, den das übertriebene Gerücht von dem gestern Abend Vorgefallenen, im Lande verbreitet hatte, hielt jeden ab, sich der gewöhnlich stillen und einsamen Abtei von St. Ruth zu nähern.

Kaum kam jedoch der Zug aus dem Walde heraus, als es im Gebüsch unruhig ward, und im dürren Laube rauschte, und eine Störung Statt zu finden schien.

»Wär' denn das eine von ihren verwünschten Patrouillen!« rief Borroughcliffe ärgerlich. »Die tritt ja auf, wie ein Regiment Kavallerie! – Hört, Kinder, Ihr werdet selbst einsehn, daß wir vom Schlachtfelde abzogen, ehe die Verstärkung kam, wenn es ja etwa eine ist.«

»Wir denken gar nicht daran, Euch die alleinige Ehre des Sieges streitig machen zu wollen!« sagte Griffith, und sah unruhig nach der Gegend, wo das Geräusch herkam, weil er vermuthete, statt eines feindlichen Trupps den Lootsen kommen zu sehn, der im Gebüsche seyn konnte.

»Mach' den Weg frei! Cäsar!« rief eine Stimme in nicht großer Entfernung. »Brich in der rechten Flanke durch die verwünschten Dornen, Pompejus! Immer vorwärts, tapfere Burschen; sonst kommen wir zu spät, um noch ein Bischen Pulverdampf vom Treffen zu riechen!«

»Hm,« äußerte der Kapitain, der seine frühere Kaltblütigkeit wieder erhalten hatte, »das muß eine römische Legion seyn, die gerade nach siebzehnhundert Jahren aufgestanden ist. Das war die Stimme eines Centurionen! Wir wollen Halt machen, Drill, und einmal eine alte Marschordnung sehen!«

Während der Kapitain so sprach, machte endlich eine kräftige Anstrengung die vordringende Partei im Gebüsch, worin sie sich eingeschlossen sah, frei. Zwei Schwarze, deren jeder unter einer Last von Gewehren fast erlag, eilten dem Obersten Howard voraus, und kamen auf den offenen Raum, wo Borroughcliffe seine Mannschaft hatte Halt machen lassen. Einige Augenblicke vergingen, ehe der Veteran seinen in Unordnung gebrachten Anzug aufputzte, und den Schweiß, die Frucht der ungewohnten Anstrengung, abtrocknete. Dann erst sah er, wie Borroughcliffe's Leute so sehr vermehrt worden waren.

»Wir hörten Euer Feuern,« rief der alte Soldat, immer noch fleißig das Taschentuch benutzend, »und ich entschloß mich, Euch durch einen Ausfall zu unterstützen. Wenn er recht gestaltet wird, dient er manchmal, eine Belagerung aufzuheben. Indessen, hätte sich Montcalm freilich ruhig in seinen Mauern gehalten, die Ebenen von Abraham wären dann nicht mit seinem Blut getränkt worden.« Daß hier auf eine Begebenheit im Kriege zwischen Frankreich und England 1756 – 1763 angespielt wird, ist kaum zu verkennen. D. Ueb.

»Ei, sein Entschluß war eines braven Soldaten würdig, und allen Regeln der Kriegskunst gemäß!« seufzte Manuel. »Hätte ich seinem Beispiele nachgeahmt, der Tag hätte einen andern Erfolg gesehn!«

»Was? Wen habt Ihr denn da?« fragte der Oberst staunend. »Wer ist denn der Mann, der sich anmaßt, Schlachten und Belagerungen zu beurtheilen, und so einen Rock trägt?«

»Das ist ein Dux incognitorum! mein würdiger Freund,« erwiederte Borroughcliffe. »Das heißt in unserer Sprache, ein Kapitain der Seesoldaten vom Dienste des Congresses!«

»Wie? Ihr seyd also wirklich auf den Feind gestoßen, und, beim Ruhme des unsterblichen Wolf's, Ihr habt ihn gefangen genommen!« rief der erfreute Howard. »Ich rückte mit einem Theile meiner Garnison zu Euerm Beistand aus: denn ich hatte gesehn, Ihr marschirtet in dieser Richtung, und hörte selbst ein Paar Musketenschüsse.«

»Ein Paar?« fiel der Sieger ein. »Ich weiß nicht, was Ihr Feuern nennt, mein tapferer, alter Waffenfreund; denn wie Wolf und Abercrombie und Braddock kämpfte, mögt Ihr wohl alle Wochen ein Scharmützel gehabt haben. Allein ich habe lebhaftes Feuer gesehn, und kann also über solche Dinge ein Urtheil fällen. Im Treffen von Hudson war ein tüchtiges Geknatter hintereinander, wie wenn eine Trommel geht. Nun, das ist vorbei. Es können aber noch manche Leute reden, die dabei waren. Jedoch, auch das hier war, im Verhältniß meiner Mannschaft, ein verzweifeltes Ding. Ich spreche, im Verhältniß meiner Mannschaft. Der Wald liegt ziemlich voller Todten, und hier haben wir doch, wie Ihr seht, ein Paar schwer Verwundete mitgenommen!«

»Hilf Himmel!« rief der überraschte Veteran aus. »So ein Treffen mußte in Musketenschußweite von der Abtei vorfallen, und ich wußte so wenig davon! Ich werde doch schwach, fürcht' ich. Es gab eine Zeit, wo eine einzige Salve mich aus dem tiefsten Schlafe geweckt hätte!«

»Das Bajonet ist eine Waffe, die keinen Lärm macht!« erwiederte der Kapitain mit bedeutungsvoller Geberde. »Es ist der Stolz der Engländer, und jeder erfahrne Offizier weiß, daß Angriff damit mehr werth ist, als eine ganze Pelotonsalve.«

»Was? Ihr kam't zum Handgemenge?« rief der Oberst auf's Neue. »Beim Himmel! Borroughcliffe, mein tapferer Streitgefährte, ich hätte zwanzig Tonnen Reis und zwei tüchtige Negern dafür gegeben, wenn ich die Affaire hätte sehn können!«

»Wäre eine schöne Sache gewesen, den Strauß mit anzusehn ohne Widerrede!« erwiederte jener. »Allein der Sieg ist diesmal unser geblieben, ohne daß Achilles dazu kam. Was nicht in's Gras gebissen hat, hab' ich hier gefangen; Alles, was Englands Boden betreten hat!«

»Ei, und der Kutter Sr. Majestät hat den Schooner aufgebracht!« bemerkte der Oberst. »So müsse die Rebellion überall vertilgt werden. Wo ist denn Kit? Mein Vetter Christoph Dillon! Ich wollte ihn gern fragen, was die Gesetze des Staates zunächst den treuen Unterthanen vorschreiben. Hier wird es Etwas für die Geschwornen von Middlesex zu thun geben, Borroughcliffe, wenn nicht gar für den Staatssekretair! Wo ist nur Dillon? Mein Vetter, der gelehrte, forschende, loyale Christoph?«

»Der Kazike? non adest! So wenig, wie mancher von unsern Burschen im Regimente, wenn es was zu thun giebt!« sagte der Kapitain. »Aber der Kornet von den Dragonern raunte mir in's Ohr, daß der Hochgelahrte an Bord des Kutters gehn wollte, um ihm die Anwesenheit des Feindes kund zu thun, und da blieb er wahrscheinlich, um die Gefahr und Ehre eines Seetreffens zu theilen!«

»Ja, das sieht ihm ähnlich!« rief der Oberst, und rieb die Hände vor Freuden. »Er hat die Rechte und seine friedlichen Beschäftigungen vergessen, als der Lärm der Waffenrüstung sein Ohr traf, und ist, ein Mann für den Staat, in den Kampf gegangen, mit dem Feuer und der Rücksichtslosigkeit eines Jünglings!«

»Der Kazike ist ein vorsichtiger Mann!« bemerkte der Kapitain mit seiner gewöhnlichen Trockenheit. »Er wird immer daran denken, was er sich und der Nachwelt schuldig ist, wäre er selbst im Gewühl des Kampfes. Ich wundere mich aber, daß er noch nicht zurück ist: denn der Schooner hat schon vor einiger Zeit die Segel gestrichen, wie meine eigenen Augen gesehn haben.«

»Mit Erlaubniß, Ihr Herren!« sagte Griffith, und trat, mit unverholner Unruhe, näher zu ihnen. »Ich habe ohne meinen Willen, Euerm Gespräche zugehört, und glaube nicht, daß Ihr es für nöthig erachtet, einem entwaffneten Gefangenen die Wahrheit im ganzen Umfange zu verschweigen. Sagt ihr, daß Schooner diesen Morgen genommen worden ist?«

»Es ist wahrhaftig so;« war Borroughcliffe's Antwort, die er mit einer Art von Theilnahme gab, welche seinem Herzen Ehre machte. »Ich wollte es Euch nicht sagen: denn ich dachte, Euer Unglück lastete so schon schwer genug auf Euch. Herr Griffith, das ist der Oberst Howard, dessen Gastfreundschaft wahrscheinlich, bevor wir uns trennen, in einiger Art Euch entgegenkommen wird.«

»Griffith?« wiederholte der Oberst rasch. »Griffith? O was müssen meine alten Augen schauen! Der Sohn des tapfern, braven, loyalen Hugo Griffith ist gefangen! Mit den Waffen in der Hand gegen seinen König! Junger Mann, junger Mann! Was würde Dein guter Vater, was würde sein Busenfreund, mein armer Bruder Harry gesagt haben, hätte sie Gott leben lassen, daß sie diese ewige Schande, dieses unverlöschliche Brandmal ihres geachteten Namens gesehn hätten!«

»Lebte mein Vater noch, er würde die Freiheit seines Vaterlandes vertheidigt haben!« erwiederte der Jüngling stolz. »Ich wünschte selbst den Vorurtheilen des Obersten Howard Achtung zu bezeugen, und bitte daher, keinen Gegenstand zu berühren, über welchen wir wohl nicht einerlei Meinung haben möchten.«

»Niemals, so lange Du in den Reihen der Rebellen sein wirst!« rief der Oberst. »O Jüngling! Jüngling! Wie könnt' ich Dich schätzen und lieben, wenn Deine Kenntniß, Deine Erfahrung, die Du im Dienste Deines Königs sammeltest, jetzt der Behauptung seiner unveräußerlichen Rechte geweiht wären! Deinen Vater liebte ich, den würdigen Hugo, wie meinen eigenen Bruder, Harry!«

»Und so muß Euch auch sein Sohn theuer seyn!« sagte Griffith, die sträubende Rechte des Obersten mit seinen beiden Händen ergreifend.

»Ach, Eduard! Eduard!« fuhr der Oberst erweicht fort. »Wie manche meiner süßen Träume sind durch Deine Verkehrtheit vernichtet worden! Wahrlich, ich weiß nicht, ob Dillon, so umsichtig und loyal er ist, je vor meinen Augen solche Gunst gefunden haben würde, wie Du! In Deinem Lächeln und Auge ist ein Zug von Deinem Vater, das mich für alle Deine Wünsche gewonnen hätte, und dann wäre Cecilie, die närrische und zärtliche, trotzige und sanfte, die schwärmende, gute Cecilie, ein Band gewesen, das uns für immer vereinte!«

Der junge Mann warf einen Blick auf den bedachtsamen Borroughcliffe. Er wünschte es gar zu gern, daß dieser sich an die Leute anschloß, welche die Verwundeten geleiteten. Endlich gab er doch seinem Gefühle nach.

»Nun,« sprach er, »laßt doch das Mißverständniß unter uns aufhören! – Eure liebenswürdige Nichte soll das Band seyn; Ihr seyd mir dann, was mir Euer Freund Hugo wäre, wenn er noch lebte, mein und Ceciliens zweiter Vater!«

»Jüngling!« versetzte der Veteran, und drehte sich um, seine Unruhe zu verbergen. »Du redest Thorheit! Mein Wort ist jetzt meinem Vetter Dillon gegeben und Dein Plan unausführbar!«

»Der Jugend und dem Muthe ist nichts unausführbar, wenn Alter und Erfahrung eines Mannes Eurer Art sie unterstützen!« bemerkte Griffith. »Bald muß dieser Krieg zu Ende seyn!«

»Dieser Krieg?« erwiederte der Oberst, und machte sich von Griffith's Hand los, die seinen Arm hielt. »Was sprichst Du von diesem Kriege? Ist es nicht ein verfluchtes Beginnen, die Rechte unsers gnädigen Königs zu leugnen, und auf den Thron von Fürsten Tyrannen zu setzen, die in den Hütten heranwuchsen? Die Bösen auf Kosten der Guten zu erheben? Einem strafbaren Ehrgeiz zu huldigen, indem man die Maske der heiligen Freiheit und des Volksgeschreis nach Gleichheit vornimmt? Als ob Freiheit ohne Ordnung, Gleichheit der Rechte, da seyn könnte, die Vorrechte des Fürsten nicht so geachtet werden, wie die des Volkes!«

»Ihr richtet streng über uns, Oberst Howard –« sagte Griffith, aber der Oberste unterbrach ihn:

»Ich? richten?« rief er und glaubte gar keinen Zug von seinem Freunde Hugo mehr in ihm zu finden. »Mein Amt ist es nicht, über Euch zu richten. O daß dies wäre! Aber die Zeit wird kommen! Gewiß wird sie kommen! Ich habe viel Geduld und kann den Ausgang der Dinge erwarten. Ja, ja! Alter kühlt das Blut ab. Wir lernen die Leidenschaft, die Ungeduld der Jugend zu zügeln. Aber wenn der Minister einen Gerichtshof für die Kolonieen niedersetzte, und den alten Georg Howard mit ernennte, ich will ein Hund seyn, wär' noch nach zwölf Monaten ein Rebell am Leben.« – »Ja, Kapitain,« sagte er, sich an Borroughcliffe wendend, »in so einem Falle könnte ich wie ein Römer handeln, und – wahrlich, ich wage den Gedanken! meinen Vetter, Christoph Dillon, hängen sehen!«

»Erlaßt dem Kaziken so eine unnatürliche Erhöhung, bevor die Zeit da ist!« erwiederte dieser mit einer bezeichnenden Pantomime. »Aber da,« fuhr er fort, und zeigte nach dem Walde, »da ist Einer, der gut an den Galgen paßt! Herr Griffith, der Mann ist wohl ein Kamerad von Euch?«.

Howard's und Griffith's Auge folgte seinem Fingerzeig. Der Letztere erkannte sogleich den Lootsen, der am Saum des Gehölzes mit gekreuzten Armen stand, und die Lage seiner Freunde zu betrachten schien.

»Der Mann,« sagte Griffith mit Unruhe, und indem er selbst Anstand nahm, diese doppelsinnige Anmerkung zu machen, welche sich von selbst anbot, »der Mann gehört nicht zu unserer Schiffsequipage.«

»Aber doch wurde er in Eurer Gesellschaft getroffen?« erwiederte der ungläubige Borroughcliffe. – »Wißt Ihr, Oberst, er war der Sprecher gestern Abend, als sie im Verhör standen, und wahrscheinlich kommandirt er die Arrieregarde der Rebellen!«

»Da habt Ihr wahrlich Recht!« rief der Oberste. »Pompejus! Cäsar! Achtung! Feuer!«

Die Schwarzen sahen beim plötzlichen Kommando ihres Herrn, neben welchem sie in der größten Angst standen, staunend auf. Sie schulterten erst, drehten sich dann um, machten die Augen zu, und schossen – ab.

»Sturm gelaufen!« donnerte der Oberst wieder, und zog den alten Degen, welchen er umgethan hatte, indem es nun so rasch vorwärts ging, als ein Anfall von Podagra, das vor Kurzem eingetreten war, es möglich machte. »Sturm gelaufen! Stoßt die Hunde mit dem Bajonett nieder! Immer drauf los, Pompejus! Vorwärts, Cäsar!«

»Wenn Euer Freund den Angriff mit ungestörter Fassung aushält;« machte Borroughcliffe seinem Gefangenen bemerklich, »so sind seine Nerven von Eisen gemacht. So ein Sturmangriff würde die Goldmännerchen von der Garde niederwerfen, und wenn Pompejus selbst in Reih und Glied stünde!«

»Ich hoffe zu Gott,« antwortete Griffith, »er wird Einsicht genug haben, die Schwäche des alten Mannes zu schonen. – Er streckt ein Pistol aus!«

»Wird aber nicht abfeuern! Die Römer sind so klug, und machen Halt! Ach, weiß Gott, sie ziehen sich auf die Arrieregarde zurück! Heda! Oberst Howard, mein würdiger Herr Wirth, rückt wieder dem Hauptkorps nahe! Der Wald ist voll von Feinden! Sie können nicht entwischen. Ich warte nur auf die Dragoner, um ihnen den Rückzug abzuschneiden!« – sagte Borroughcliffe.

Der Veteran aber, welcher seinem Gegner ziemlich nahe gekommen war, und diesen absichtlich seinen Angriff erwarten sah, machte bei solchem Zuruf halt, und sah mit einem Blicke, er sey – allein. Borroughcliffe's Worte hielt er für wahr. Langsam zog er sich daher zurück, immer das Antlitz männlich seinem Feinde zugerichtet, und kam endlich wieder zum Kapitain.

»Nehmt Eure Leute!« sagte er zu ihm, »und laßt uns den Wald stürmen. Sie werden vor den Waffen Sr. Majestät fliehen, gleich schuldigen Schurken, was sie sind. Die Neger aber – die schwarzen Hunde, will ich lehren, ihren Herrn in solchem Augenblick zu verlassen! Man sagt, die Furcht sey blaß; ich will verdammt seyn, Borroughcliffe, wenn ich nicht glaube, sie habe eine schwarze Haut!«

»Ich habe sie in allen Farben, in blau, weiß, schwarz und gemischt gesehn!« erwiederte der Kapitain. »Jetzt muß ich nur das Kommando selbst übernehmen, mein trefflicher Wirth. Zunächst ziehn wir in die Abtei. Alsdann sey es meine Sorge, den Rest von den Rebellen abzuschneiden.«

Der Oberst ergab sich ärgerlich in diese Anordnung, und alle Drei folgten dem Alten in einem Schritte, der seinem Podagra Ehre anthat. Der Angriff hatte ihn indessen wild gemacht. Es waren manche Vorstellungen rege geworden. Und so schien jeder wohlwollende Gedanke aus seiner Brust gewichen. Er betrat die Abtei mit dem festen Entschlusse, daß Griffith und seine Gefährten vollkommen die Gerechtigkeit fühlen sollten, würde sie sie auch selbst an den Fuß des Galgens bringen.

Der Zug verschwand im Parke, der die Abtei umgab. Der Lootse steckte sein Pistol in den Gürtel, als er sie nicht mehr sah, und ging nachdenkend, finster in das Dickicht des Waldes.


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