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Zur Einführung

Als wir Ende 1903 das Buch von Leo Deutsch »Sechzehn Jahre in Sibirien« herausgaben, waren nicht nur die Liberalen in Westeuropa, sondern auch in Rußland davon durchdrungen, daß noch Jahrzehnte vergehen dürften, bevor Rußland sich in die Reihe der konstitutionellen Staaten stellen würde. Es kam aber anders, und zwar trat das ganz Unerwartete ein: nicht der unglücklich geführte Krieg in der Mandschurei brachte den Stein ins Rollen, sondern die Armen und Elenden, die geknechteten und ausgesogenen Arbeiter waren es, die dem Zarentum einen Schlag versetzten, den es nicht mehr verwinden konnte. In der Zeit vom 9. (22.) Januar 1905, wo »Väterchen« vor seinem Palast in St. Petersburg zirka 3000 Männer, Frauen und Kinder niederschießen ließ, bis zum grandiosen Oktoberstreik desselben Jahres wurde die Autokratie von den russischen Arbeitern auf die Knie gezwungen und ihr das Manifest abgetrotzt, als dessen Resultat die beiden scheinkonstitutionellen Versuche, die Duma von 1906 und die von 1907 anzusehen sind.

Daß die Arbeiter bei dem ganzen Handel die Betrogenen waren, ist jedem aufmerksamen Beobachter längst klar geworden, aber dem Betrüger wird kein Heil aus seiner Doppelzüngigkeit erblühen; alle Gewaltmaßregeln, Feldgerichte, Pogrome und wie die scheußlichen Hilfsmittel der Reaktion sonst noch heißen mögen, halten den Vormarsch der Arbeiter nicht auf; die Reaktion wird scheitern an den nach Freiheit verlangenden Volksmassen, die, wenn auch anscheinend zurückgedämmt, zur gelegenen Zeit sich wiederum erheben und mit um so stärkerer Wucht sich auf ihre Peiniger werfen und sie zermalmen werden.

Leo Deutsch hat in dem ersten Teil seines neuen Buches »Viermal entflohen« eine sehr interessante Ergänzung zu »Sechzehn Jahre in Sibirien« gegeben. In dem umfangreicheren zweiten Teil schildert er seine Erlebnisse in direktem Anschluß an sein früheres Werk: seine Flucht aus Sibirien, seinen Aufenthalt im Ausland und in der Hauptsache seine Rückkehr nach Rußland im Jahre 1905.

Wir erleben an der Hand seiner Darstellung mit ihm die Revolution selbst und gewinnen dabei einen tiefen Einblick in die treibenden Kräfte der Revolutionäre sowohl wie der Reaktion. Im hohen Grade spannend sind die Schilderungen seiner Verhaftung und seiner Einkerkerung in verschiedenen Gefängnissen St. Petersburgs, der Leiden während seines Aufenthalts in der Peter-Pauls-Festung, der administrativen Verbannung und des Transports nach dem schrecklichen Turuchansk in Sibirien und seiner abermaligen glücklichen Flucht. Und stets ist der liebenswürdige Erzähler, der bereits an der Schwelle des Greisenalters steht, voll guten Mutes und starken Vertrauens auf den kommenden Sieg seiner Sache, der Sache des in jahrhundertelanger Knechtschaft gehaltenen arbeitenden Volkes.

Die Verlagsbuchhandlung.


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