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Pläne zur Flucht

Nicht ich allein, auch alle anderen, darunter ein junges Mädchen, die ins Turuchansker Gebiet mit mir verschickt wurden, gedachten zu fliehen, sobald sich nur die Gelegenheit dazu bieten würde. Die Flucht mehrerer Personen zugleich schien unausführbar. Die Pläne, die einem oder dem anderen von uns durch den Kopf gingen, konnten im besten Falle zweien oder dreien die Möglichkeit geben, zu entkommen. Die übrigen Genossen hätten dann den Gedanken an Flucht entweder ganz aufgeben oder die Verwirklichung auf die lange Bank schieben müssen. Die Behörden hätten sicherlich alle ihnen zur Verfügung stehenden Maßregeln getroffen, um einen neuen Versuch zu verhindern.

Unter meinen Reisegefährten war ein Genosse G., der sich durch Erfindung von Fluchtplänen auszeichnete. Befand er sich auf der Eisenbahn, auf der Barke oder dem Dampfschiff, saß er in einer Etappe oder im Gefängnis, überall hatte er Pläne, einer einfacher und vorzüglicher als der andere, nicht nur für sich allein, sondern auch für die anderen, hauptsächlich aber für mich, denn er fand mich würdig, in diesem Fall den Vorzug vor den anderen zu genießen. Aber weder ich noch ein anderer hielt es zum Glück für möglich, die Brauchbarkeit seiner Pläne praktisch zu probieren; G. war im allgemeinen nicht gerade dumm, aber außergewöhnlich unpraktisch und ein großer Phantast.

Endlich gelangten wir auf den Vorschlag eines Genossen zu folgendem Entschluß: jeder sollte das Recht haben zu fliehen, wenn sich ihm ein günstiger Zufall dazu böte, ganz abgesehen davon, ob es die anderen schädigen könne oder nicht.

Während des Aufenthaltes in einem Gefängnis gelang es mir, mit einem Genossen, der sich in Freiheit befand, zusammenzutreffen, was für uns, wie wir weiter unten sehen werden, von großem Nutzen war. Aus dem Vergangenen wußte ich, daß bei entsprechender Hilfe von außen eine Flucht oft möglich ist, die ohne solche Hilfe nicht ausführbar wäre. Da die Zusammenkunft aber in Gegenwart eines Gefängnisbeamten stattfand, mußten wir eine kleine List anwenden, um von der für uns wichtigen Sache sprechen zu können.

Der Gefängnisbeamte ging in dem Zimmer, wo unsere Begegnung stattfand, auf und ab. Als er sich in die entgegengesetzte Ecke entfernte, teilte ich meinem Besucher mit leiser Stimme in deutscher Sprache mit, was ich wünschte, sodann sprachen wir wieder Russisch und von gleichgültigen Dingen. Auf diese Weise gelang es mir, dem Genossen, welchen ich Jakob nennen werde, zu sagen, er solle vorausfahren und sich bemühen, das Nötige für die Flucht vorzubereiten, die geeigneten Menschen zur Stelle zu bringen, Pferde zu verschaffen, Wohnungen zu besorgen usw.

»Ja, aber dazu sind materielle Mittel nötig und solche habe ich nicht,« sagte er traurig.

Geld hatte ich bei mir, es war aber so gut versteckt, daß man es bei allen Durchsuchungen unterwegs nicht gefunden hatte. Trotzdem gelang es mir, beinahe vor den Augen des anwesenden Beamten dem Genossen Jakob die für seine Reise nötigen Mittel zu geben; ich versprach ihm auch, alle Ausgaben, die er weiterhin haben würde, zu bezahlen.

»In diesem Falle,« sagte er mit sichtbarer Begeisterung, »bin ich überzeugt, daß unser Plan gelingen wird und ihr alle entfliehen könnt. Ich habe den aufrichtigen Wunsch, ihr möchtet entkommen – zum Ärger der Regierung; wir wollen es ihr ordentlich versalzen. Ich kann mir ihre Wut vorstellen, wenn ihr durchgebrannt sein werdet!«

Er frohlockte schon im voraus. Als ich seinen Enthusiasmus sah, war ich fest überzeugt, daß er alles, was in seinen Kräften stand, tun werde, um unseren gemeinsamen Wunsch zu verwirklichen. Einen besseren Helfer konnten wir nicht finden: klug, energisch und entschlossen, würde Jakob vor nichts zurückschrecken, um den von uns ausgedachten Plan durchzuführen.

Nachdem wir verabredet hatten, wo wir uns noch einmal treffen könnten, um von den Ergebnissen seiner ersten Vorbereitungen zu erfahren und die weiteren Schritte zu beraten, ging ich wieder in meine Zelle zurück. Die Kameraden erklärten sich mit allem einverstanden und hießen unseren Plan gut, unter ihnen auch G., welcher sonst gewöhnlich auf »seiner eigenen Meinung« beharrte.

*


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