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Unterhalb Mauthausen sind die Ufer des Stroms flach, und erst bei dem Kloster Erla, wo er sich von seiner Ausbeugung niederwendet, nähern sich die Berge Niederösterreichs dem rechten Ufer. Vor dem Kloster Erla, das Otto von Machland 1065 für Benediktiner stiftete, später die Klarissinnen in Wien als Filiale unterhielten und Joseph II. aufhob, liegt St. Pantaleon, vorzeiten der Sitz der aus Kärnten stammenden Perger; gegenüber am linken Ufer das Hartschlößl und das Pfarrdorf Naarn (als Nardinum schon unter Karl dem Großen erwähnt). Am rechten Ufer zeigt sich dann die Ruine Achleiten und sobald wir die ziemlich große Halbinsel Grünau umschifften, das herrliche Schloß Niederwallsee auf einem dem anstürmenden Strom trotzenden felsigen Vorgebirge. Einst stand hier die Burg Sumerau, deren Herren jene »Schwabenherrschaft« im Lande unter Albrecht mit so großer Erbitterung bestritten. Die Wallseer erbauten sich an der Stelle der alten Burg diese gewaltige neue. Nach dem Erlöschen ihres Geschlechts – in dem nahen Sindlburg hatten die Wallseer ihre Gruft – kam Niederwallsee an Kaiser Max I., dann an die Reichenberger und, nachdem es oft seine Besitzer gewechselt hatte, an den Generalfeldmarschall Daun. Die Gegend, ein reicher Fundort römischer Altertümer, wird für den Lacus felix (loco felicis des Antoninischen Itinerars) der Römer gehalten.
Am linken Ufer liegen Hütting, Mitterkirchen, Mettensdorf, Saxendorf, tiefer landeinwärts im Machland das alte Saxen (die Saxina im »Heunenland«) und Schloß Klam. Am rechten Ufer erblicken wir jetzt den schon unter Karl dem Großen erwähnten Markt Ardagger, wo sonst ein Augustiner-Chorherren-Stift war, und die Wallfahrtskirche zu St. Ottilia am Kollmitzberg. Nunmehr erhöht sich auch das linke Ufer zu Bergen; immer näher rücken einander die beiden Ufer, und in ganzer Fülle seiner zusammengedrängten Kraft treibt nun der Strom gen Norden an dem Vorgebirge des »Saurüssels« vorbei gegen das alte Städtchen Grein zu, das aus tiefer Wald- und Bergeinsamkeit in die Fluten hinabblickt; die Greinburg, die der Edle Heinrich von Chreine erbaute, beherrscht von jähen Felsen das enge Stromtal, mächtige Riffe bilden den von den Schiffern gefürchteten »Greiner Schwall«.
Als hätte der Strom seine Macht hier gebrochen, wendet er sich nun ruhig gen Osten; aber nur kurz währt diese Ruhe; er sammelt nur Kraft zum Kampf. Die Schiffer gebieten uns ernst, beiseite zu treten, und beten barhäuptig still vor sich hin; jetzt eilen sie schweigend auf ihre Posten, und der Steuermann, den Griff des Ruders in der Hand, blickt sorglich spähend die Strombahn hinab. Mächtiges Tosen vernehmen wir, immer furchtbareres Brausen, die Felsen des Granitzugs, den der Strom gesprengt hat, weichen gen Süden und Norden allmählich zurück, und wir gewahren eine Insel, den »Wörth«, eine mächtige Felsenklippe, gegen Osten, Westen und Süden abgeflacht, von weißen Sandbänken eingefaßt; darauf ein viereckiger Turm, der letzte Rest des »öden Hauses von Werfenstein« droht von der jähen Felskuppe herab, an die Zeiten gemahnend, da die Schrecken der wilden, zügellosen Gewalt jenen der Natur hier sich zugesellten; auf dem Gipfel des Felsens aber ragt ein hohes steinernes Kreuz, den in Nöten verzagenden Schiffern zum Trost, ein Siegeszeichen der über allen Stürmen in unerforschlicher Liebe waltenden Gottesmacht. Der südliche Arm des Stroms heißt der »Hößgang«, unser Schiff aber treibt pfeilschnell in dem nördlichen dahin, an den furchtbaren Riffen des »Bombengehäkels« vorbei, zwischen den Klippen, die uns in einer Breite von 5-7 Klaftern einengen, über den grausig tosenden Strudel. Wie ununterbrochene Schläge mit breiter, flacher Hand, von Riesen, die ihre Rücken unter den Schiffsboden stemmen, um das Fahrzeug aufzuheben und zu versenken, pochen die Wellen an die Planken. Wenige Sekunden, und schon sind wir dem Strudel glücklich entronnen und gewahren auf jäher Felswand die Warte des einst den Grafen von Machland gehörigen Schlosses Struden und die wie Vogelnester an den Granitfelsen klebenden ärmlichen Häuser des gleichnamigen Marktes.
Rasch treibt unser Schiff dahin, und kaum daß wir Zeit gewannen, die Eindrücke, die wir eben empfingen, im Gedächtnis festzubannen, so sehen wir bereits den im Strom aufragenden Hausstein mit seinem alten Wartturme vor uns, und das Geheul der Charybdis, der wir nach der Skylla entgegeneilen, schallt uns immer näher zu; der gefürchtete Donauwirbel erwartet uns. An den nordwestlichen Klippen des Haussteins bricht sich der im mächtigen Fall dahertobende Strom, und seine Brandung treibt ans nördliche Ufer zum »Langen Stein« zurück, wo der »Teufelsturm« den schwarzen Mönch beherbergte, der Kaiser Heinrich III. (1045) auf der Stromfahrt erschien; durch diesen Kampf der nach entgegengesetzten Richtungen treibenden Wogenschwalle entsteht der Wirbel, jener trichterförmige, oft 4-5 Fuß in die Tiefe gähnende Schlund, von dessen Wesen soviel gefabelt worden ist, daß er unergründlich sei, daß der Grund des Stroms darunter durch eine Öffnung die Wasser einschlinge, die, den Krater des Plattensees füllend, in Ungarn wieder zutage kämen. Der Arm zwischen dem Hausstein und dem südlichen Ufer heißt der Lung, der Schwall an den südwestlichen Riffen des Haussteins der Haussteiner Wechsel.
Pfeilschnell durchschneidet unser Schiff die »Reiben und Haden« des Wirbels mittendurch, und erleichtert atmen wir auf, wenn wir auf den grausigen Schlund hinter uns zurückblicken und dann vor uns am linken Ufer das freundliche Sankt Nikola gewahren, das uns nach alter Sitte ein Boot mit einem schlicht bemalten Almosenkasten zusendet, in den der Reisende gern seine Spende wirft; nicht minder dankbar aber als des heiligen Nikolaus gedenken wir der frommen Beatrix von Klam, der Gattin des Grafen Walchun von Machland, die 1144 den Schiffern, die den in jenen Zeiten bei weitem gefährlicheren Strudel und Wirbel glücklich überstanden haben, hier ein Hospiz erbaute, das Herzog Albrecht 1351 mit einer täglichen Messe bedachte, sowie der großen Kaiserin Maria Theresia und Josephs, welche mit männlicher Beharrlichkeit die Gefahren des Strudels verminderten; vom Jahre 1777 bis zum Jahre 1791 wurde das große Werk, dem sich im Laufe der Zeit zahlreiche Hindernisse entgegenstellten, vollendet, wurden die gefährlichsten Felsen gesprengt, das Strombett von den Blöcken gereinigt, wurden am nördlichen Ufer ein Hufschlag aus Quadern und ein mächtiger Damm erbaut.
Weiter abwärts von St. Nikola stand in unvordenklichen Zeiten das fünfte jener Raubschlösser, welche die Gefahren der Schiffahrt auf dieser verrufenen Strecke vermehrten; der »Frau Helchin verfallenes Schloß« hieß es später. Ermattet von der Brandung, strömt die Donau still und ruhig an St. Nikola vorbei und zwischen den hohen Felsenbergen dahin, die, ihre waldbewachsenen Abhänge hier steiler, dort sanfter niedersenkend, sie wie einen See umfrieden, an dessen äußerstem Ende der runde Turm des in Trümmer zerfallenen Schlosses Sarmingstein emportaucht, dessen Existenz man schon unter Kaiser Otto III. 983 (aus dem urkundlichen Namen Sabanich – Sämig) erkennen will und das Wilhelm von Puechheim 1465 erstürmte, Kaiser Maximilian I. dem Kloster Waldhausen schenkte und dessen Wiederbefestigung Ferdinand I. unter der Bedingung gestattete, »daß die Nachbarn nicht befehdet werden dürften«; aus dieser Zeit datiert der runde Wartturm. Unterhalb Sarmingstein zeigt sich uns nun am linken Ufer Hirschau, diesem Dorf gegenüber am rechten auf Bergeshöhe der Turm des mit dreifacher Mauer umgürteten, jetzt in Trümmer zerfallenen Schlosses Freienstein, das einst die mächtigen Wallseer, nach ihnen die Prueschenk und Zinzendorf besaßen. Am Fuß des turmgekrönten Berges brechen die armen Leute des »Dörfels« Granit. An der Isper, die aus einer Talschlucht des linken Ufers hervoreilt, besiegte Karl der Große den Bayernfürsten Tassilo.
Allmählich wird das Stromtal jetzt weiter, am rechten Ufer steigt eine Terrasse zu dem im altfranzösischen Stil erbauten Schlößchen Donaudorf hinan; am linken thront auf einem mächtigen, schroff aus der Donau emporgipfelnden Leptinitfelsen das die freie Aussicht gen Süden bis an den Ötscher weithin beherrschende, mit zwei Türmen prangende Schloß Persenbeug, eines der ältesten in Österreich, das seinen Namen (»Bösenbeug« heißt es der Schiffer) von der der Schiffahrt zumal beim Gegentrieb hinderlichen, bedeutenden Krümmung der Donau empfangen haben soll. Wir landen, noch bevor wir das Schloß erreichen, durchwandern den Markt, dessen Bewohner uns manch rührenden Zug von der Herzensgüte des verstorbenen kaiserlichen Besitzers Persenbeugs, Franz I., erzählen, und besuchen zuerst den hinter dem Schloß gelegenen Garten, in dem der Kaiser, der die Blumen wie die Kinder liebte, von den Lasten der Geschicke und der Regierung so gerne ausruhte. Der schönste Punkt des Gartens ist die »Kanzel«, wo er so oft saß, über den hier 193 Klafter breiten Strom hinüberblickend, an dessen anderem Ufer das uralte Ybbs liegt. Im Schloß, dessen gegenwärtige architektonische Gestalt vom Jahre 1617 datiert, in dem die Hoyos auf dem Grund des alten Baus den neuen erhoben, weist man uns Franz' I. Arbeitszimmer, den Bildersaal, die Kaiserzimmer, die beiden Kapellen; überall zeugt edle Einfachheit charakteristisch vom Sinn des Monarchen.
Ob Persenbeug als »Arx persenboigium« zu dem »ad pontem Isidis« der Peutingerschen Tafel gehörte, bleibe uns für jetzt unerörtert, ebensowenig wollen wir die Annahme bestreiten, daß in der Reihe von Schlössern, die sich unter Karl dem Großen an der Donau erhoben, auch Persenbeug seine Stelle fand. Gewiß aber ist, daß es im 9. Jahrhundert bereits stand, im Besitz jenes Markgrafen Engelschalk, der eine natürliche Tochter Arnulfs entführt hatte und später, der Verbindung mit den Marhanen beschuldigt, in der Pfalz zu Regensburg seiner Güter beraubt und geblendet wurde. Zu Anfang des 10. Jahrhunderts befestigte Graf Sighart von Sempt und Ebersberg die Burg gegen die Ungarn und erhielt von König Ludwig dem Kind alles Land von der Traun bis zur Ybbs als Grafschaft zum Besitz. Seiner Enkel letzter, Adalbert III., der Gatte Richlindes von Schwaben, dachte – kinderlos – im Testament Persenbeug und Ybbs dem Kloster Ebersberg in Bayern zu; doch als er starb, war seine Witwe nicht gewillt, dem Testament sich zu fügen, und beschloß, Kaiser Heinrich III., der auf der Donaufahrt gen Ungarn zu Persenbeug Nachtlager hielt, um Rückgabe der Güter anzuflehen, der Abt von Ebersberg war mit ihr schon einverstanden. Unterwegs, als die beiden hohen Reisenden über den Wirbel fuhren, erschien dem Bischof Bruno von Würzburg, der mit dem Kaiser zog, der schwarze Mönch vom Teufelsturm und rief ihm, die Nähe des Todes anzeigend, zu, er sei sein böser Geist; wie der Bischof betend das Zeichen des Kreuzes machte, verschwand das Gespenst. In Persenbeug bewirtete Richlinde ihre Gäste aufs beste und erlangte vom Kaiser auf des Bischofs Fürsprache die Gewährung ihrer Bitte. Kaum aber war dies geschehen, so brach der Fußboden ein und alle stürzten in das untere Gemach hinab.
»Der Kaiser«, erzählt Aventin, »fiel hindurch auf den Boden in die Badestube ohne allen Schaden, dergleichen auch Graf Altmann und die Frau Richlita, der Bischof aber fiel auf eine Badwanne auf die Daufeln, fiel die Rippe und das Herz ein, starb also wenige Tage hernach.« Ihr Neffe, der Welf von Altdorf, erhielt durch des Kaisers Spruch die Güter. In der Folge gab Leopold der Schöne Persenbeug seiner Tochter, und von da an blieb es den Babenbergern. Ottokar schenkte es 1271 dem Patriarchen von Aquileia; die Habsburger behielten es bis 1593, als es Kaiser Rudolf II. an die Freiherren von Hoyos verkaufte, bei denen es bis 1801 blieb. Da kaufte Franz I. es zurück und vereinigte es mit den Patrimonialherrschaften.
Gegenüber von Persenbeug liegt an der Mündung des Bergflusses Ybbs das gleichnamige Städtchen, wahrscheinlich römischen Ursprungs, »Die oberhalb Ybbs beginnenden Stromengen«, bemerkt Hormayr in seiner »Geschichte Wiens«, »zwangen die Römer, von der Donau hinweg einen Weg durchs Binnenland zu brechen, gegen das heutige Amstetten und Strengberg, wo sie bald von der Ybbs an die Url kamen und von dort ihren Weg längs der Ybbs weiter ins Mittelnorikum verfolgten. An der Url war das Kastell ›Ad muros‹, noch jetzt ›Auf der Mauer‹ genannt, nach Carnuntum der an Denkmälern reichste Ort Österreichs. Unfern ist noch die Römerstraße – ›Heidenstraße‹ – bei Hametsberg, Edla, Hochbruck, Abelsberg, Neubrunn, Oberaschbach, bis an die kleine Erla sichtbar.« sein Alter reicht in Karls des Großen Zeit hinauf; von Ybbs schreiben sich eigene Ritter.
Unterhalb Ybbs wendet sich die Donau in rascher Ausbeugung; wir schiffen zwischen Unterhaus und Sarling, Hagsdorf und Gottsdorf weiter und gewahren nun am rechten Ufer die Ruinen des Klosters St. Lorenz im Gottestal, das Eberhard von Wallsee 1636 gestiftet hat und die Franzosen 1809 zerstörten; die Wallseer hatten hier eine Gruft. Die Landspitze empfing von dem Sausen der an die Uferfelsen tobenden Wogen den Namen Säusenstein. An Mötzling, Loiha und Kranz (am linken), an Idersdorf und Waltenbach (am rechten Ufer) vorübersteuernd, gewahren wir jetzt am linken Ufer den alten Markt Marbach und über diesem auf dem schön bewaldeten, 1308 Fuß hohen Berg, dessen Gipfel in einer Stunde zu ersteigen ist, die berühmte, malerisch gelegene, mit zwei Türmen stattlich ragende Wallfahrtskirche Maria Taferl, zu der alljährlich vielleicht mehr als 80 000 Gläubige pilgern. Eine entzückende Aussicht auf die ganze Alpenkette, die Österreich vom Schneeberg bis an Bayerns Grenze hin umschließt, tut sich von der Höhe dieses Berges aus auf.
Die Geschichte der Wallfahrt ist folgende: Seit unvordenklichen Zeiten, so berichtet die Legende, stand auf der Spitze des Berges eine alte Eiche, in der sich das Bild des Erlösers am Kreuz befand; die Bewohner von Klein-Pöchlarn pilgerten alljährlich am Ostersonntag gläubig dahin und hielten auf einer steinernen Tafel vor der Kirche Mahlzeit, davon hat das Gnadenbild den Namen »Maria Taferl« erhalten. Seit dem Jahre 1632, da ein Hirt die bis auf zwei Zweige verdorrte Eiche umhauen wollte und sich dabei verwundete, wirkte das Bild zahllose Wunder, und viele Fromme wollten Chöre von Engeln gesehen haben, die dasselbe anbeteten.
Unterhalb des Dorfes Krumnußbaum, von dem der Volkswitz seinen Ursprung hat: »An der Donau steht ein krummer Nußbaum, der von einem zum anderen Ufer reicht« (das Dörfchen liegt nämlich in zwei Hälften an beiden), mündet die Große Erlauf, die aus dem steirischen Hochgebirge kommt und bei Wieselburg sich mit der Kleinen Erlauf verbunden hat; ein großer Rechen fängt das von den steirischen Wäldern herabgeschwommene Triftholz auf.
Bald gewahren wir am selben Ufer die Mauern und Türme des alten Städtchens Pöchlarn (wo der Römerort Arelape, in dem eine Donauflottille und dalmatische Reiter lagen, angenommen wird), das »Bechelaren« des Nibelungenliedes, die Reihe der Ortschaften bis Wien und Hainburg hinab eröffnend; Merkwürdig ist die genaue Bekanntschaft des südöstlichen Deutschlands, die der Dichter des Nibelungenliedes entwickelt. »Aus allen Gauen Deutschlands«, bemerkt Hormayr in der »Geschichte Wiens«, »kennt er nur Österreich, wie es in den ersten Tagen Leopolds des Glorreichen war, mit aller Umständlichkeit eines Augenzeugen, mit aller Wärme eines alten Bekannten;... kaum kann man sich der Ahnung erwehren, diese letzte Bearbeitung sei eine beständige Anspielung auf Leopold und sein Österreich, und unter Piligrin sei Wolfker von Passau gemeint.« die Erlauf schied Bayernland und Heunenland. Das ist die Stätte, wo der edle Rüdiger gebot.
Die Fenster an den Mauern traf man offen an,
Die Burg zu Bechelaren war mächtig aufgetan,
Da zogen ein die Gäste, die man gerne sah,
Gute Rast schuf ihnen der edle Rüdiger da.
Mit ihrem Ingesinde Rüd'gers Tochter ging,
Daß sie die Königsfraue minniglich empfing,
Da war auch ihre Mutter, des Markgrafen Gemahl,
Die Degen grüßten gerne die Jungfrauen allzumal.
Sie fügten ihre Hände in eins und gingen dann
In einen weiten Palast, der war gar wohlgetan,
Vor dem die Donau unten die Flut vorübergoß,
Da saßen sie im Freien und hatten Kurzweil' groß.
»Nibelungenlied«, Übersetzung von Karl Simrock, 21. Abenteuer.
Wir wollen uns in den Streit nicht mengen, ob Rüdigers Burg in dem Städtchen Pöchlarn oder in dem Markt Klein-Pöchlarn gestanden hat, und erfreuen uns, weiterschiffend, am Anblick der malerischen Ruine Weitenegg, die auf Felsen am linken Ufer zwei noch im Verfall stolze Türme emporhebt, als reckte ein unter den Steinblöcken begrabener Riese seine Arme hinan; dem edlen Vogt von Bechelaren, dem »treuesten Degen auf Erden«, weist die Überlieferung die Erbauung dieser Burg zu; der grenzhütende Markgraf Burckhard (unter Otto II.) mag von ihr aus jene gewaltige Eisenburg der Ungarn auf dem Vorgebirge des rechten Ufers scharf im Auge gehalten haben, wie sich die Feste Wieselburg an der Mündung der Kleinen Erlauf in die Große gleichfalls zur Grenzhut gegen die Eisenburg erhob. In der Folge finden wir Weitenegg unter anderem als Witwensitz der Königin Agnes (Kaiser Albrechts Tochter), als Eigentum Hans des Lichtensteiners, als Witwensitz der Kaiserin Elisabeth (der Mutter des nachgeborenen Ladislav) und als Eigentum des Wiener Bürgermeisters Wolfgang Holzer erwähnt. In neuerer Zeit kaufte Weitenegg Kaiser Franz I., der in dem nahen Luberegg öfter die Sommermonate zu verleben liebte.
Immer näher steuern wir jetzt dem Prachtbau des Stiftes Melk entgegen, dessen Anblick schon von ferne unsere Aufmerksamkeit fesselte. Auf dem Rücken eines hohen Granitfelsens, der seinen Abhang jäh in den Strom niedersenkt, beherrschen die im grandiosen neuitalienischen Stil erbaute, mit zwei Türmen und einer Kuppel prangende Stiftskirche und das Klostergebäude, Ein Werk des St. Pöltner Baumeisters Jakob Prandtauer von 1720 bis 1732., dessen Bibliothek und Speisesaal durch einen großen Balkon verbunden sind und dessen Fassade mehr landeinwärts gekehrt ist, die weite und ebenso reizende als großartige Landschaft; zur Seite an dem einzeln ragenden Fels vorbei, auf dessen Spitze die Heiligenstatue steht, wendet sich die Donau dem Schloß Schönbühel zu, das, mit Türmen und Mauern aus dem Waldesgrün hervorragend, die Pforte des von hohen Bergen umschlossenen Stromtals Wachau behütet.
Ein Eskorial glauben wir zu betreten, wenn wir in den Höfen und Prachtsälen der Abtei umherwandeln, den reichen Bücherschatz (worunter 1500 Handschriften und Druckerstlinge sich befinden) würdigen, die mit Fresken geschmückte Kirche besuchen; Pracht und Größe, wohin wir blicken; heitere Geselligkeit, echte Urbanität, großartige Gastfreundschaft und gründliche Gelehrsamkeit (des Klosters alter, aber unverjährter Ruhm!) machen diese kolossalen Räume traulich, und schnell finden wir uns in dem Leben heimisch, das die österreichischen Hochstifte charakterisiert und von dem gewöhnlichen Klosterleben himmelweit verschieden ist. Die bedeutenden Schenkungen, durch die diese Hochstifte zu einer solchen Höhe des Reichtums gelangten, haben dem Vaterland und der Wissenschaft herrliche Zinsen getragen, und wenn wir hier die schöne Sinnlichkeit des Katholizismus in voller Blüte sehen, so müssen wir gestehen, daß wir keine edlere zu nennen wüßten; diese Geistlichen haben, als sie ihre Prachtzellen betraten, des Lebens höchsten Zweck, die Pflicht der Tätigkeit, nicht für dumpfe Askese, nicht für geist- und herztötenden Mystizismus aufgegeben; als wissenschaftliche Forscher, als Lehrer, als Seelsorger nützen sie fort und fort; wer will es ihnen verargen, wenn sie dabei im Besitz angeerbten Reichtums das Leben so heiter hinnehmen, als ein freundliches Geschick es ihnen gab? Ehre den Mitgliedern dieser Hochstifte, deren Prälaten wohl zu Recht im Rat der Stände mitsitzen; kräftiger, als es durch tausend Fastenpredigten und Bußvorschriften möglich wäre, erhalten sie einen Kultus, der dem Sinn des Volkes so ganz entspricht, aufrecht und vermitteln letzteres mit den Fortschritten der Aufklärung und allgemeinen Weltbildung, indem sie sich mit männlicher Energie dem religiösen Aberglauben und der nutzlosen selbstmörderischen Bigotterie entgegenstellen. Melk, Klosterneuburg, St. Florian, Kremsmünster, Göttweig, Lilienfeld (um die bedeutendsten hervorzuheben) – welcher andere katholische Staat kann sich, gleich Österreich, solch segensreich wirkender geistlicher Institute erfreuen?
Ob auf dem Rücken des Felsens, der jetzt die Abtei trägt, in Römerzeiten das Kastell Namare gestanden hat – wer vermöchte dies zu sagen, auch der Vergleich der Lage mit der Angabe der Peutingerschen Tafel ziemlich zusammentrifft, überzeugend zu ermitteln? Wir enthalten uns, die etymologischen Grübeleien über Casars Burg »Mea dilectissima« (woraus Meddelike entstanden ist) hier zu verfolgen. So viel ist gewiß, daß die nahe Wachau schon unter Karl dem Großen bevölkert war und daß Melk noch dreißig Jahre nach der Schlacht auf dem Lechfeld die Eisenburg der Ungarn blieb. Das Nibelungenlied erwähnt Melk so:
Da brachte man aus Medilik, auf Händen getragen,
Manch reiches Goldgefäß, angefüllt mit Wein,
Den Gästen auf die Straße; sie sollten willkommen sein.
Ein Wirt war da gesessen, Astolt genannt,
Der wies ihnen die Straße ins Östreicherland
Gegen Mutaren an der Donau nieder.
Der Babenberger Markgraf Leopold der Erlauchte brach der Ungarn Macht in manchem Streit, trieb sie aus der Eisenburg, warf ihre Mauern und Türme nieder, gründete auf der Siegesstätte seinen Hofhalt und stiftete eine Kirche und ein Kloster für zwölf Chorherren sowie eine Ruhestätte für sich und die Seinigen. Im Jahre 1012 wurde der heilige Koloman, den die Legende einen schottischen Königssohn nennt, auf einer Reise durch Österreich bei Stockerau von dem Landvolk, das ihn für einen heimlichen Späher hielt, getötet; seine Leiche kam nach Melk, sein Standbild und das des heiliggesprochenen Markgrafen Leopold IV., der in Melk geboren wurde und dort seine Hochzeit mit Agnes, der Tochter Heinrichs IV. hielt, zieren das Portal der Stiftskirche. 1089 versetzte Markgraf Leopold III., der Schöne zubenannt, statt der Chorherren Mönche von St. Benedikts Orden hierher; jener Leopold IV., der Heilige, der Stifter Klosterneuburgs und Heiligenkreuz', verlegte acht Tage nach seiner Vermählung mit Agnes seine Residenz von Melk auf den Kahlenberg.
Viele Drangsale trafen das reiche Kloster im Lauf der Jahrhunderte; schlimmere als in den Zeiten der Türkennot, da der tapfere Abt Georg Müller die ungläubigen Rundköpfe zu scheuchen verstand, trafen es in unseren Tagen bei den französischen Invasionen von 1805 und 1809.
Unter dem Felsenrücken bis an die Donau hin liegen die Häuserreihen des Marktes Melk mit seiner interessanten alten Pfarrkirche aus dem Jahre 1481. Schräg gegenüber vom Kloster am linken Stromufer zeigen sich auf einer Anhöhe die malerischen Ruinen des Schlosses Emmersdorf, von dem herab einst die Emmersdörfer die Donaufahrer ängstigten. Eine Stunde landeinwärts von Melk liegt die interessante, wohl erhaltene Schallaburg.