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Marien Theresiens Jugend und Erziehung.

Mochte Karl VI. auch immerhin die Hoffnung nicht aufgeben, daß ihm noch ein männlicher Erbe geboren würde, so war doch die Besorgniß, daß sein Wunsch unerfüllt bleibe, in ihm vorwiegend. Und in der That folgten nicht Prinzen, sondern nur zwei Prinzessinnen, Maria Anna 1718, Maria Amalie 1724, der Erstgebornen. Karl VI. mußte Diese als Thronfolgerin betrachten; als solche nahm er sie schon im zarten Alter 1723 nach Prag mit, wo er als König von Böhmen gekrönt wurde, und 1728 nach Gräz, wo er die Huldigung von Steyermark, Kärnthen und Krain empfing.

Die Rücksicht auf die muthmaßliche Thronfolge mußte auch bei Marien Theresiens Erziehung vorwalten, welche für Karl VI. und dessen geistreiche Gemahlin ein Gegenstand ebenso großer Sorgfalt als Freude war, – Letzteres deßhalb, weil das Kind, in frühzeitiger Entwickelung die schönsten Anlagen und Eigenschaften des Herzens verrieth. Unter der obersten Aufsicht der Mutter waren die Gräfinnen von Thurn und Valsassina, von Stubenberg und von Fuchs, welche sich nach einander in der Eigenschaft als »Aya der kaiserlichen jungen Herrschaft« folgten, mit Ueberwachung der Erziehung betraut. Pater Franz Xaver Vogel von der Gesellschaft Jesu gab der jungen Prinzessin Religionsunterricht, der Rath Gottfried Philipp von Spannagel führte sie in die Kenntniß der Geschichte ein, deren Studium, wie insbesondere die Hülfswissenschaft der Genealogie bald ihre Lieblingsbeschäftigung war. Zunächst wurde auch das der Geographie und der Sprachen, der lateinischen, französischen und italienischen, als besonders wichtig für ihren künftigen Beruf, vorzugsweise berücksichtigt, ohne daß man jedoch hierüber die künstlerisch-gesellige Ausbildung beeinträchtigte. Außer Vogel und Spannagel waren Pachter, Chieore, Triangi, Marioni, Caldara (Hofkapellmeister) und Lavaffori della Motta (Hofballetmeister) ihre Lehrer. Die Ausbildung ihrer geistigen Anlagen durch Erwerbung von positiven Kenntnissen, wie ein zur Regierung großer Staaten berufener Fürst deren bedarf, verschmolzen bei ihrer Erziehung mit der Ausbildung edler Weiblichkeit harmonisch zu einem schönen Ganzen, und der Charakter der Prinzessin erhielt frühzeitig den rechten Kern und Halt durch die Sorgfalt, womit man die schönen Eigenschaften und Neigungen des jungen Herzens nach sittlichen Grundsätzen erstarken machte, so daß sie das unerschütterliche Fundament einer wahrhaft männlichen Selbstständigkeit in der Kraft der sittlichen Würde fand.

Unter so vielverheißender Entwicklung aller Anlagen des Geistes und Gemüthes blühte die Erzherzogin zur Jungfrau heran. Eine hohe, edle Gestalt, im vollkommenen Ebenmaß der Glieder stand sie da, die anderen Frauen überragend, wie sie dieselben durch eine liebenswürdige Anmuth überstrahlte. Man sieht es den Bildern Marien Theresiens aus jener Zeit an, daß die Maler nicht zu schmeicheln brauchten, daß sie nur bemüht sein mußten, den seelenvollen Ausdruck des Originals treu wiederzugeben. Tritt man heute in dieser oder jener Galerie vor das Bild der jungen Kaiserstocher In der großherzoglichen Gemäldegalerie zu Darmstadt befinden sich zwei Portraits Marien Theresiens, deren eines (von J. B. Kobler) sie in ihrer Jugend, das andere im vorgerückten Alter vorstellt. Nach dem letzteren, welches Battoni malte, ist der diesem Heft vorangestellte Stahlstich treu gefertigt., so wird man von dem vollendet schönen Oval ihres Gesichts, von dem milden Feuer der Blicke überrascht; äußerst lieblich ist die Form des Mundes, die der Nase stark markirt, die Farbe blühend rein, wozu das hellblonde Haar trefflich läßt. Die imposante Gestalt mit den vollen Formen, in dem schwerstoffenen Gewand, wie etwa in grünem Sammt mit reichem Goldstück, und kostbarem Schmuck im Haarputz, macht den Beschauer, durch den Zauber der Grazie, alles Schwerfällige und Unschöne der damaligen Mode vergessen; man sieht: es ist die geistvolle Jungfrau, die den ernsten Beruf ihrer Zukunft begriffen hat, die aber demselben in moralischer Sicherheit entgegenlächelt. Der ganze Ausdruck ist ein vollkommen deutscher; die unbewußte Majestät der Jungfräulichkeit, die keiner Dueña und keiner klösterlichen Abgeschlossenheit bedarf, steht frei, groß und herzengewinnend da. Diesem Ausdruck der Gestalt, Haltung und Züge der Erzherzogin entsprachen auch ihr Temperament und ihr Benehmen, – jenes sanguinisch, aber durch Bildung beherrscht, dieses lebhaft, aber nie ohne jene Würde, welche den Seelenadel abspiegelt; die Stimme hell und wohlklingend, die Sprache rasch und doch nicht hastig überstürzend, wohl aber von Bewegung der Gebärde begleitet, ohne daß diese die feingezogenen Linien der Schönheit überschritt; immer waltete hiebei der richtige Takt der Weiblichkeit.

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