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Drei Töchter.

Im folgenden Jahre (am 5. Februar 1737) genas die Herzogin von Lothringen einer Tochter, der Prinzessin Maria Elisabeth, welche sie jedoch schon im Jahre 1740 (am 7. Juni) durch den Tod verlor. Auch ihr zweites Kind war eine Tochter, Maria Anna (geb. am 6. October 1738), eben so das dritte, Maria Carolina (geb. 1740, gestorben 1741).

Karl VI. sollte also die Erfüllung eines Wunsches, der Jahre lang die Richtschnur seines Denkens und Thun's gewesen, die Geburt eines männlichen Erben, nicht erleben? Ein Anblick, der ernste Gedanken weckt, – den Monarchen mit der fast unabsehbaren Reihe seiner stolzen Titel, gramerfüllt an der Gränze zu sehen, über welche hinaus die unumschränkte Fürstenmacht nicht reicht. Wie viele von jenen Titeln – nur ein leerer Schein, ja Ironie! Er hieß »Zu allen Zeiten Mehrer des Reiches« und – gab Lothringen an Frankreich; er hieß »König von Germanien«, wo er über Niemand herrschte; »König von Castilien, Arragon, Leon, Navarra, Granada, Toledo, Valenzia, Gallizien, Majorca, Murcia u. s. w., der canarischen und indianischen Inseln und Terrä Firmä des oceanischen Meeres,« – während ein Bourbon auf dem Throne der spanischen Monarchie saß; König beider Sicilien, auf welche er 1736 verzichtet hatte; König von Jerusalem, während das heilige Grab im Besitze der Ungläubigen war! Ein unumschränkter Monarch, der überall selbstthätig eingreifen wollte, und dennoch lenkten Männer, denen er seine Gunst schenkte, das Ruder des Staats! Mitten in seinen glänzenden Festen, mitten in seinen kostspieligen Jagden (das arme Landvolk empfand die drückende »Reiß-Gejaid-Ordnung« bitter genug) konnte er sich am Ende seines Lebens nicht verhehlen, daß es ein fruchtloses. Er war müde; aber er hüllte sich schweigend in seine Grandezza. Die Welt, vor welcher alle Opfer, die er seinem Lieblingsgedanken gebracht, offenkundig dalagen, sollte in keinem Augenblick seinen unheilbaren Gram sehen; er verbarg ihn unter der Konsequenz seiner Liebhabereien.

Ein trübes Bild, aber treu!

Wie übrigens damals neben der welschen Prachtoper auch der deutsche Hanswurst noch Platz genug fand, um sich geltend zu machen, so wurde der Umstand, welcher Karls VI. Herz und Sinn verdüsterte, daß seine Tochter Maria Theresia noch keinen männlichen Erben geboren, auch von der burlesken Seite aufgefaßt, und zwar von dem Hofe selbst, wenngleich freilich unbewußt. Als Maria Theresia ihrer zweiten Niederkunft entgegen sah, umlagerten die Wiener, die Geburt eines Prinzen erwartend, die Kaiserburg, und schlichen, als sie vernahmen, daß abermals eine Prinzessin geboren worden, ohne den beabsichtigten Jubel, ganz still nach Hause. Am andern Tage gab der Kaiser eine Freikomödie und ließ dabei hundert Tauben in's Publikum fliegen, von denen jede ein Band um den Hals trug mit folgenden naiven Reimen, welche das getreue Volk beruhigen und ermuthigen sollten:

»Das Mannsvolk bleibt nicht aus, wo schöne Jungfern sein,
Die Wahrheit dieses Spruchs trifft ungezweifelt ein.
Ein dritter Mann wird uns nach frohem Wunsch begaben.
Jetzt konnt's nicht sein. Warum? Gut Ding muß Weile haben.«

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