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Die pragmatische Sanktion.

Schon im fünften Jahre hatte Kaiser Karl VI. in glücklicher, aber kinderloser Ehe gelebt, als ihn der Gedanke an die künftige Erbfolge seiner Erblande mit den größten Besorgnissen erfüllte. – Es war seine Pflicht, dieselbe durch eine neue Hausordnung festzustellen.

Das nächste, in dieser Beziehung wichtige Hausgesetz, welches vorlag, zählte vom Jahre 1703 (12. September) und war von Karls VI. Vater, dem Kaiser Leopold I., bei der Gelegenheit aufgerichtet worden, da der Letztere sowohl als auch sein Sohn, der damalige römische König Joseph, ihr Recht an die spanische Krone eben dem Erzherzog Karl abtraten, also noch vor der Reise desselben nach Spanien. Es beruhte wieder auf den Grundsätzen früherer Hausordnungen, namentlich einer von Karl V. (1522), worin der Grundsatz aufgestellt war, daß unter den Herzogen (von Oesterreich) der Aelteste die Herrschaft der Lande haben sollte und nach ihm sein ältester Sohn erblich, doch so, daß sie nicht vom Stamme des Geblüts komme und das Herzogthum nie getheilt werde; aber wenn diese Fürsten ohne Erbsohn stürben, sollten das Herzogthum und die Lande an die älteste hinterlassene Tochter kommen. Hieran reihte sich dann das Testament Kaiser Ferdinands II. vom 10. Mai 1621, bestätigt durch die Codicille vom 8. Aug. 1635; kraft dessen wurde »die Ordnung der Succession unter denen Erzherzogen, seinen Söhnen und Kindern männlichen Geschlechts, auf Art eines beständigen Fideikommisses, welches sonst gemeiniglich Majorat genennet wird, regulirt« und befohlen, »daß die Töchter der Erbschaft sich begeben und sich mit ihrem Heirathsgut begnügen lassen sollten, doch allezeit und überall vorbehältlich ihres Rückfall-Rechtes«. – Um nun wieder auf die vom Kaiser Leopold aufgerichtete Hausordnung von 1703 zurück zu kommen, so waren die Grundprinzipien derselben folgende. Das Recht der Erstgeburt stand mit der Untheilbarkeit der Erblande oben an; männliche Erben sollten die weiblichen ausschließen, und von den männlichen wieder der erstgeborne Sohn seine nach ihm gebornen Brüder, ersterer als im ungetheilten Besitze sämmtlicher Erblande; nach Ausgang des Mannsstammes sollten zuerst die Töchter des damals regierenden Kaisers Leopold, dann die seines erstgebornen Sohnes Joseph und hierauf erst die Töchter seines zweiten Sohnes Karl erbfolgen.

Diese Hausordnung Leopolds I. legte nun Karl VI. seiner neuen zu Grunde, nämlich in Bezug auf die Successionsberechtigung der weiblichen Nachkommenschaft im Allgemeinen; im Besonderen jedoch stürzte er jene Hausordnung seines Vaters geradezu um. Eigentlich verfuhr er hierbei insofern konsequent, als er die Regeln, welche für die männliche Erbfolge galten, auf die weibliche übertrug. Die Töchter des letzten Besitzers sollten nämlich den Vorrang in der Erbfolge vor jenen des vorletzten und drittletzten erhalten, gerade so wie es in Bezug auf Söhne als Norm galt. Rechtsbegriff und Billigkeit redeten für diese Anordnung, deren Prinzip auch schon in dem Privilegium Barbarossa's von 1156 für die babenbergischen Herzoge Oesterreichs enthalten war (es sprach die weibliche Nachfolge beim Mangel männlicher Erben ausschließlich den Töchtern des letzten Besitzers zu). Aber auf der anderen Seite ließ sich nicht verkennen, wie große Schwierigkeiten sich dagegen von denjenigen Prinzen auswärtiger Häuser erheben würden, welche durch Verheirathung mit den Töchtern der vorigen Herrscher Erbansprüche auf den Besitz der Erblande begründen zu können glaubten, und zwar gerade weil sie sich auf die Leopoldinische Hausordnung berufen konnten. Gegen eine rechtskräftige Erhebung solcher Ansprüche sich von vorne herein zu wahren, mußte nun Karl VI. allerdings bedacht sein und war es auch, wie man gleich sehen wird.

Es war am 19. April 1713 des Morgens um 10 Uhr, als Karl VI. vor allen in Wien anwesenden geheimen Räthen, die er auf diesen Tag und diese Stunde in die Geheime-Raths-Stube beschieden hatte, unter dem Baldachin saß, um ihnen seine Willensmeinung in Betreff des neuen Hausgesetzes zu eröffnen. Man bemerke wohl, daß es eben die geheimen Räthe (Personen vom hohen Adel Oesterreichs, Böhmens, Ungarns u. s. w.) und nicht die Stände waren, mit denen er sich deßhalb benahm. Prinz Eugen stand an der Spitze, an ihn reihten sich die Fürsten von Trautsohn und Schwarzenberg, die Grafen von Traun, Thurn, Dietrichstein, Seilern, Stahrenberg, Martiniz, Herberstein, Schlick, Schönborn, Sinzendorf, Paar, Palfy, Illeshazy, Khevenhüller, Gallas und Korius und der Marchese Romero; Georg Friedrich von Schickh, niederösterreichischer geheimer Sekretär und Referendarius, war als vom Kaiser ernannter Notar zugegen und protokollirte. Als die Versammlung vollzählig war, ließ Karl VI. derselben die Erbfolgeordnung seines Vaters durch den Grafen von Seilern verlesen und eröffnete hierauf die bereits angeführten Bestimmungen, nach welchen die Ordnung der weiblichen Erbfolge, seiner Absicht gemäß, abgeändert werden sollte. Somit war diese Sache auf absolutem Wege, durch Eröffnung der Willensmeinung und Befehl sie zu befolgen, in Bezug auf das Land selbst abgemacht.

Was nun die weiblichen Verwandten des Kaisers, seine beiden Nichten, die Töchter Josephs I., betraf, so mußten diese vor ihrer Vermählung das neue Hausgesetz für sich, ihre Gatten und ihre Nachkommenschaft feierlich anerkennen. Dieß war sowohl 1719 bei der Erzherzogin Maria Josepha der Fall, welche den Kurprinzen von Sachsen, späteren König August III. von Polen heirathete, als auch 1722 bei der Erzherzogin Maria Amalia als Braut des bayerischen Kurprinzen Karl Albrecht (späteren Kaisers Karl VII.). Beide mußten nicht blos auf alle Erbansprüche eidlich verzichten, sondern auch noch schwören, sich von diesem Eide nie und durch Niemand, selbst durch den Papst nicht, entbinden zu lassen, – eine Vorsicht, welche zeigte, wie groß die Besorgniß des Kaisers vor künftigen Wechselfällen war. Man erinnere sich hiebei, daß er 1716 seinen männlichen Erben so schnell verloren hatte, und daß ihm 1717 Maria Theresia, 1718 Maria Anna geboren worden waren.

Aus dem Zunehmen dieser Besorgniß, welche seine Seele ganz und gar erfüllte, muß man sich auch den Entschluß erklären, der allmälig in ihm reifte, seiner Hausordnung eine Garantie zu verschaffen, und zwar zunächst durch die Länder selbst, in welchen er seiner ältesten Tochter die Erbfolge gesichert zu wissen wünschte. Nun erschien ihm die Wichtigkeit der Landstände, auf deren Rath und Zusammenstimmung er von Anfang gar keine Rücksicht nehmen zu müssen geglaubt hatte, wie sie ja überhaupt damals bei der immer schrofferen Ausbildung des Absolutismus rechtlich als gar nicht, sondern faktisch nur insofern als vorhanden betrachtet wurden, als ihre Anwesenheit etwa zur Vervollständigung und Verherrlichung von Hoffeierlichkeiten und dergl. nöthig war.

Die geringste Schwierigkeit war hiebei von Seiten derjenigen Länder zu erwarten, welche, nach dem Vorgange des Erzherzogthums Oesterreich, dem Erzhause ohnehin durch Erbfolge angehörten. Die Anerkennung der österreichischen Landstände erfolgte schon im April 1720 zu Wien, die der schlesischen im Oktober desselben Jahres zu Breslau. Ein Anderes war der Fall in denjenigen Reichen und Provinzen, wo entweder, wie in Ungarn und Böhmen, die Verfassung auf die Form der Wahl geschichtlich zurückführte, oder wo die Anerkennung und Huldigung an das Prinzip des Vertrags (abhängig von der Aufrechthaltung von Provinzial- und Localprivilegien) gebunden war, wie in den Niederlanden. Gleichwohl fand auch in diesen Reichen und Provinzen die Anerkennung der neuen Hausordnung keinen Widerspruch, sie erfolgte in Ungarn und Siebenbürgen 1722, in Böhmen 1723, in den Niederlanden 1724. Eine weitere, wenn gleich unausgesprochene, doch ganz richtige Folge dieser Anerkennung der Erbfolgeordnung in den Wahlreichen war nichts Geringeres als das Aufgeben der alten Form und Grundnorm, die Festsetzung der Erbherrschaft statt der Wahlherrschaft.

Karl VI. ging, so wie er einmal sich von der Wichtigkeit einer Garantie für sein Werk überzeugt, bedächtig Schritt für Schritt vorwärts. Zuerst also die Anerkennung von Seiten der Stände der einzelnen Länder, dann die feierliche Anerkennung durch alle zusammen, als Theile eines einzigen untheilbaren Ganzen. Von diesem Gesichtspunkt aus, also, daß er die Unzertrennlichkeit seiner seit langer Zeit erblich oder gewohnheitlich bei Habsburg gebliebenen Lande als eigene selbstständige Staatsmacht betrachtete, muß die Bedeutung seines Schrittes aufgefaßt werden, wenn er im Jahre 1724 sämmtlichen nach Wien berufenen Vertretern der einzelnen Theile der unter Habsburgs Scepter stehenden Länder dieselbe Hausordnung, welche er früherhin jedem einzelnen blos zur Bewilligung und Gewährleistung übergeben hatte, nun als ein aus seiner Machtvollkommenheit als absoluter Herr entflossenes unwiderrufliches Staatsgrundgesetz verkündigte, als »pragmatische Sanktion.« Das Verhältniß des Regierenden zu den Regierten Hatte sich dadurch mit einem male ganz anders gestaltet. Wo das Land bis jetzt in der Erfüllung einer Pflicht gegen die Dynastie zugleich sein eigenes Recht geübt, hatte es nunmehr blos eine Pflicht zu erfüllen. Von Seiten Karls VI. war dies blos eine Konsequenz seiner ursprünglichen Ansicht und Handlungsweise vom Jahr 1713.

Als Karl VI. seiner Sache in Bezug auf seine Länder gewiß war, wurde seine Besorgniß nur noch größer, ob sein Hausgesetz auch von den Mächten Europa's keinen Widerspruch erleiden möchte; – eine Furcht, die bei den damals vorherrschenden Verhältnissen der Höfe und dem Prinzip: »Gewalt heißt Recht« nicht unbegründet war. Die Immoralität der Politik war für den Kaiser, der selbst nicht wenig darunter leiden mußte, und sich selbst am Ende davon nicht ganz frei erhalten konnte, kein Geheimniß. Und dennoch vertraute er fest darauf, daß die Höfe in diesem besonderen Falle eine Ausnahme machen und sich durch die Heiligkeit eines gegebenen Wortes gebunden fühlen würden! Er bedachte nicht, daß er, indem er seine große Besorgniß an den Tag legte, zugleich auch seine Schwäche verrieth und dadurch den Egoismus eben nur noch mehr reizte, statt ihn zu dämpfen.

Zuerst anerkannte Spanien die pragmatische Sanktion und übernahm die Gewährleistung derselben durch den 12. Artikel des Wiener Friedens vom 30. April 1725. Durch den Traktat vom 1. September des folgenden Jahres traten der Kurfürst Karl Albrecht von Bayern und sein Bruder, der Kurfürst Clemens August von Köln, jener Vereinbarung mit Spanien bei. Am 6. August 1726 übernahm auch die Kaiserin Katharina von Rußland die Gewährleistung; am 20. Oktober desselben Jahres König Friedrich Wilhelm I. von Preußen durch den Traktat von Wusterhausen, wie zwei Jahre später (am 23. Dezember 172.8) abermals, durch den geheimen Vertrag von Berlin. Am 16. März 1731 unterzeichnete der englische Minister Robinson in Wien die Gewährleistung von Seiten Großbritanniens.

Große Weitläufigkeiten fand sie bei dem deutschen Reich, sowohl wegen des complicirten Geschäftsganges, der dem Beschlusse voranging, als auch deßhalb, weil Kursachsen und Bayern so wie Kurpfalz, beide Letztere durch das Gesamtinteresse der Dynastie Wittelsbach verbunden, Bedenklichkeiten erhoben und entgegenarbeiteten. Anderseits bewies man ihnen, daß in Angelegenheit der Garantie die Stimmen-Mehrheit der Stände auf dem Reichstage zur Abfassung eines allgemeingültigen Reichsschlusses statthaft und hinreichend sei; demgemäß erfolgten unterm 11. Januar 1732 das Reichsgutachten, welches die Gewährleistung des Reiches für die pragmatische Sanktion bewilligte und sodann durch ein kaiserliches Kommissionsdekret ratificirt wurde. Dagegen schlossen nun Bayern und Kursachsen unterm 9. Juli zu Dresden ein Bündniß zum wechselseitigen Schutz für drei Jahre, – ein bedenkliches Anzeichen ihrer Gesinnungen in Beziehung auf die Anerkennung der österreichischen Erbfolge. Der Tod Augusts II. von Polen (1. Febr. 1738) änderte plötzlich das ganze Verhältnis; da sich der Kurfürst von Sachsen dem Kaiser zuwandte, um dessen Beistand zur Erlangung der polnischen Krone zu erhalten, so ließ der Kaiser die Gelegenheit nicht unbenützt, um durch seine Partheinahme für Kursachsen die Gewährleistung durch dasselbe zu erlangen. Obwohl nun der Kurfürst von Sachsen, nachdem ihm die polnische Krone gesichert worden, auch die Versöhnung zwischen dem Kaiser und dem Kurfürsten von Bayern zu vermitteln suchte, so war er doch gegen den Ersteren keineswegs aufrichtig und ließ den Letzteren errathen, wie manche »Milderung« mit der von Kursachsen übernommenen Garantie noch vorgenommen werden könnte. Karl Albrecht dagegen verhehlte seine Absichten dem Kaiser nicht; als ihn Dieser an die Verzichtleistung der Kurfürstin, an den 12. Artikel des Wiener Vertrages von 1725, dem er am 1. September beigetreten, erinnerte, bemerkte Karl Albrecht ausdrücklich: »er habe zwar die Erbfolgeordnung in Ansehung seiner Gemahlin Maria Amalia angenommen, aber damit keineswegs seinen Nachkommen ein Recht rauben können oder wollen, welches ihnen durch das Testament Kaiser Ferdinands I. (vom 1. Juni 1543) zugesichert worden; seine Gemahlin habe sich zwar als Erzherzogin von Oesterreich ihres Rechtes begeben, nicht aber das Anrecht des Hauses Bayern vergeben können und wollen.« Das genannte Testament Ferdinands I. enthielt nach der bayerischen Abschrift die Stelle: »Mit dieser angehefften Erklärung, die wir hiermit thun, daß in solchem Falle (wenn alle unsere geliebte Söhne ohne männliche Leibes-Erben abgingen) bemeldete beede Unsere Königreiche Hungarn und Böheim sammt ihren anhängenden Landen an Unsere älteste Tochter, so zu derselben Zeit im Leben seyn wirdet, erben und fallen soll.« In der Originalurkunde aber, welche sich zu Wien befand, hieß es statt »männliche« Erben – »eheliche Erben«, – allerdings ein großer Unterschied, der späterhin zu ernsten Erörterungen führte.

Bald nachdem das deutsche Reich die Garantie der pragmatischen Sanktion übernommen hatte, thaten dieß auch die Generalstaaten der vereinigten Niederlande (in dem Traktat vom 20. Februar 1732), jedoch nicht ohne den geheimen Artikel beizufügen für den Fall, daß die Erbtochter des Kaisers sich an einen Prinzen vermählen würde, der so mächtig wäre, daß die Vereinigung seiner Hausmacht mit der österreichischen Besorgnisse für die Erhaltung des europäischen Gleichgewichts erregen könnte; in diesem Falle sollte es einem solchen Prinzen freistehen, – seine eigene Hausmacht an seine nächsten Agnaten abzutreten oder auf die Garantie zu verzichten, Letzteres natürlich in Verbindung damit, daß dann auch die Generalstaaten (so wie England) der von ihnen übernommenen Gewährleistung entbunden seien. – Am 27. Mai desselben Jahres gelang es dem Kaiser, auch von Dänemark die Uebernahme der Garantie zu erlangen. Frankreich zögerte mit derselben bis zum Abschluß des Definitivfriedens von 1738, in welchem der Kaiser Lothringen an Frankreich übergab; der König Karl von beiden Sicilien trat dieser Bestimmung dann gleichfalls bei. Wahrlich: das letzte Opfer, welches Karl VI. seiner Dynastie brachte, die Abtretung Lothringen's mit der ausdrücklichen Bedingung, daß dieses dem Reichsverbande entrissene Reichsland nach dem Ableben Stanislaus Lesczinsky's für ewige Zeiten der Krone Frankreichs einverleibt werden sollte, war eines deutschen Kaisers unwürdig; noch mehr: es war eine Pflichtverletzung gegen das Reich. Wenn auch das Letztere später seine Zustimmung erklärte und ihn zum Abschluß des Definitivfriedens für es ermächtigte, so durfte der deutsche Kaiser in den Präliminarien nicht vorher die Versicherung geben: »Er werde seine guten Dienste bestens anwenden, um die Zustimmung des Reiches zu erhalten.«

Diese Worte waren eine Herausforderung an die Vergeltung, und die Vergeltung bestand darin, daß Karl VI. seine Kaiserehre preisgegeben hatte – um einen Schein! Sie zeigten aber auch an, daß die ganze Reichsverfassung weiter nichts mehr als ein solcher, daß sie nur eine Lüge war. Spreche man nicht von der Ehrwürdigkeit tausendjährigen Bestandes! Ehrwürdig ist nur das Verhältniß, welches auf den sittlichen Grundlagen des Rechtsbewußtseins beruht und dies unter allen Umständen und Verhältnissen zur Anerkennung bringt.

Es ist nichts, was das Herz erfreuen kann, die Staatengeschichte und die innere Geschichte der meisten Höfe des 18. Jahrhunderts zu durchblicken. Empört wendet sich beim ersten Blick das schlichte Rechtsgefühl von dem großen Gewebe des Betrugs und der Gewalt ab, wobei uns die Geschichte blos als eine Folge von zufälligen Ereignissen erscheint, welche aus dem Egoismus der Mächtigen oder ihrer Diener hervorgegangen seien. Aber bei schärferer Betrachtung verschwindet das Zufällige, und statt dessen stellt sich der sittliche Zusammenhang als eine höhere Nothwendigkeit dar, welche bei jedem Akt der Willkür die Unterwürfigkeit dessen, der sie beging, unter die eigene That zum Vorschein bringt. So betrachtet wird die Geschichte das, was sie sein soll, eine Wissenschaft der Freiheit, so gut wie die Philosophie. Fürsten wie Völker müssen vom Geiste lernen, der Leben gibt; nicht von den todten Begebenheiten dürfen sie lernen wollen; sonst ist die ganze Frucht des Lernens und Wissens statt des Lebens der Tod, und das Leben, das auf solcher Grundlage fortbaut, eben so ein verlornes wie die danklose Mühe des Schriftstellers, der weiter nichts zu thun für Pflicht hält, als die kalten und starren Fakten aufzufrischen.

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