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Vor dem Fest

1

Drei Wochen vor Weihnachten etwa kam der Neuschnee mit dem Nordsturm, und er fiel auf die nasse, ungefrorene Erde. Da bleibt er nicht liegen, sagten die Leute, das gibt keine Schlittenbahn zu Weihnachten. Und das war schade, denn zu Weihnachten stand allerlei bevor. Man sprach von zwei Hochzeiten, und es war sowohl denen auf Haaberg als auch denen auf Segelsund wohl zu gönnen, daß sie eine ordentliche Fahrbahn bekamen, gleichgültig, was man auch sonst über sie dachte. Man konnte es Aasel nicht verdenken, daß sie es so haben wollte, wie es in früheren Zeiten war, denn das war doch für einen jeden das Sicherste; – es war kaum zu glauben, wie die Zeit sie angegriffen hatte. Die Erde wird mit allen fertig, und die Gemeinde hat schon ganz andere als die Aasel klein gekriegt, hieß es. – Und Gjartru konnte man auch keinen Vorwurf daraus machen, daß sie sich umtat und in der Welt vorwärts wollte, daß sie es ein wenig auf die richtige Art haben wollte – wir sollen doch nicht ganz still daliegen? Und schließlich kommt sie auch nicht weiter, als der Herrgott es haben will, sagten sie. – Und Hochzeit war eben doch Hochzeit, jetzt wie in früheren Zeiten, sie mochten sagen, was sie wollten, es war doch gut, daß sich noch Leute fanden, die den Mut hatten, ein wenig drauflos zu leben, trotzdem die Zeiten grau und schwarz waren.

Wenn nur die Fischer noch rechtzeitig heimkamen. So sagten sie sowohl auf Haaberg wie auf Segelsund.

Sie kamen heim. Als das Schneetreiben nachließ, setzte der Landwind ein, und er blies die ganze Woche hindurch, ein guter Segelwind die ganze Küste entlang. Bei Landwind fuhren sie nach Norden, und bei Landwind kehrten sie wieder heim, man konnte es fast für ein kleines Zeichen halten. – Als sie in die Namdalsfjorde kamen, nahm der Sturm noch mehr zu, und als sie fast auf der Höhe von Haaberg waren und in die Bucht hineinkreuzen wollten, mußten sie statt dessen alles reffen, was nur zu reffen war, und geradeswegs in die Juwikbucht hineinhalten. Dort kamen sie am Abend an, und es war eine nasse Arbeit, die Fahrzeuge zur Nacht zu vertäuen.

Peder hatte gemeint, er wolle die Nacht über an Bord bleiben, aber Kal drang darauf, daß er mit an Land ginge. Es waren doch außer ihnen noch genug Leute an Bord, um auf Jacht und Boote aufzupassen; und Peder gehorchte Kal gerne in solchen Dingen, es waren mehr Jungenstreiche, wenn er sich ihm widersetzte, anders war es, wenn es sich um Heringe handelte. Und heute abend war Kal so seltsam, wie er vor Peder stand, es wäre eine reine Schande gewesen, nein zu sagen. Denn Peder wagte wohl in Juwika an Land zu gehen; er wagte noch mehr als das!

Auf der ganzen Fahrt hatte Kal nicht von der Schwester gesprochen, und er wollte es nicht dulden, daß die anderen Burschen über Peder und Andrea redeten. Kal und Peder waren Freunde und vertrugen sich gut miteinander. Aber der eine wußte nie, was in dem anderen steckte. Peder sagte dies jetzt auch selber zu sich: »Ich kenne mich mit ihm nicht aus; und es kann ja auch gleich sein.«

Die Leute hatten sie kommen sehen, und in Juwika war alles großartig vorbereitet. Kjerstina aber war sofort wieder zu Bett gegangen, sobald sie gehört hatte, daß die Fischer in der Bucht seien! Sie war noch so schwach, vermochte kaum zu gehen, und jetzt fühlte sie, wie ihre Knie weich wurden und der Schwindel sie überfiel, sie konnte nicht mehr.

Die Mutter hatte es die ganze Zeit so geduldig ertragen, besonders seit Aasel dagewesen war; sie schienen zu erkennen, sie sowohl wie das Mädchen, was für sie alle das beste war, und danach mußten sie sich richten. – »Denn so kleine Leute sind wir nicht«, sagte Marta, »daß wir Böses mit Bösem vergelten müssen; so etwas rächt sich nur.«

Aber heute abend nun, als sie sah, wie sehr es dem Mädchen wieder zu Herzen ging, blieb sie auf einem Stuhl sitzen und brütete vor sich hin. Ein ums andere Mal biß sie sich hart in die Lippe und jammerte leise. Kjerstina lag da und lauschte, das erkannte die Mutter an ihren Augen. Jetzt vernahmen sie die Stimmen der Burschen vor der Türe draußen; erst Kals Stimme, hoch und breit, wie eine andere Schifferstimme hier vom Hof; dann hörte man Peder, leise und gleichgültig, fast wie von einem eingeschlossenen Menschen.

Als Marta merkte, daß sie gegessen hatten, ging sie hinaus und hieß sie daheim willkommen. Sie blieb am Ofen stehen, die Hände unter der Schürze verborgen. Da sieht Kal sie an und läßt dann den Blick in der Stube herumwandern. Und während er dies tat, entstand eine lähmende Stille. Einzig und allein Peder merkte es nicht. Er merkte auch nicht, daß sie ihn ansahen, zuerst Kal und dann die anderen, ja, er hörte kaum, daß Kal fragte, wo Kjerstina sei.

»Die Kjerstina, ja«, sagte Afarta, und die anderen blickten still zu Boden. »Sie ist nicht recht wohl. Sie ist in der Kammer draußen.«

Kal sitzt eine Weile da, mit der Pfeife in der Hand; dann macht er sich daran, sie anzuzünden. Es sah aus, als verlöre sein Gesicht nach und nach immer mehr die rotbraune Farbe. Bisweilen hebt er den Blick zur Mutter auf, läßt ihn dort ein wenig verweilen und blickt dann wieder zu Boden. – »Ja, so, ja«, sagt er, als eine Zeit verstrichen ist, steht auf und geht hinaus. Er nimmt den Weg durch die Küche zur Austrag-Stube hinüber, leise pfeifend, Marta folgt ihm und greift sich dabei an die Stirn.

Peder sitzt da und raucht und schwätzt mit den Leuten vom Hof. Er ist jetzt überraschend gesprächig, kaum mehr wiederzuerkennen, und erzählt von der Fahrt und antwortet auf alles, was sie ihn fragen. Sie hatten ihre Sache nicht schlecht gemacht, o nein, hatten eine Menge Heringe eingebracht und zu einem großartigen Preis verkauft. Und rasch war es gegangen, in einem Zug sozusagen. Die Segelsund-Leute, ach, ja, ein bißchen etwas erwischten sie ja auch, obgleich sie Pech hatten und ihnen die Netze zerrissen. Nordland war ein großes und weites Land, ja, ein Kirchspiel am anderen, und ein Fjord am anderen, und unglaublich viel Leute.

Jetzt kam Kal wieder. Er stand in der Türe, sah einmal zu Boden und einmal zu Peder hin. Er räuspert sich und zieht die Schultern hoch:

»Du mußt einen Augenblick in die Kammer kommen, Peder. Es will jemand mit dir sprechen.«

Alle sehen Peder an, er aber wundert sich nur, steht auf und kommt mit, durch den Gang hinaus und in die andere Stube.

Als sie in der Kammertüre stehen, hält er inne und will Kal zurückschieben und allein hineingehen, dann aber sieht er Marta dort sitzen und überlegt es sich anders.

Auf dem Tisch steht ein kleines flackerndes Talglicht, und im Bett drüben liegt Kjerstina, in der weißen Nachtjacke und auch sonst ganz weiß, nur ihr Haar sieht lebend aus. Sie dreht das Gesicht halb zur Wand.

Peder schiebt die Hände in die Taschen und bleibt mitten in der Stube stehen.

»Muß sie zu Bett liegen?« fragt er.

»Es sieht so aus, ja«, Marta steht auf, blickt ein wenig ratlos um sich, dann hebt sie den Blick zu Peder: »Wäre es nicht unglücklich ausgegangen, so hättest du jetzt einen Erben zu erwarten, Peder.«

Sie geht hinaus, und sie nimmt Kal mit sich, der mitten in der Türe steht; er dreht sich um und schließt die Tür. Jetzt schluchzt Marta ein paarmal auf, so armselig ungewohnt, und die Stimme gehorcht ihr nicht mehr:

»Wenn die Aasel jetzt in meiner Haut steckte – dann – dann – ich möchte wissen!«

Es klang wie ein Notruf, bis in die Kammer hinein.

Peder räuspert sich ein paarmal laut. Dann tritt er zum Bett: »Guten Abend, Kjerstina!« Er sagt es mit lauter und heller Stimme.

»Guten Abend«; es war kaum zu hören.

»Ja, so. So steht es also, ja. Aber du hättest es mich doch trotzdem wissen lassen können.«

Keine Antwort. Nur ein leeres weißes Antlitz. Er steht da und starrt eine Weile die Wand an. Dann faßt er Kjerstina an und dreht ihr Gesicht zu sich her.

»Nein, nein!« bat sie.

»Ja, aber warum hast du es mir denn nicht gesagt?«

Sie sieht ihn ruhig an, die flackernden Augen betrachten ihn von oben bis unten.

»Es lohnte sich nicht.«

Dann dreht sie sich wieder von ihm weg. Eine Weile stand er noch da, wußte aber nichts mehr zu sagen, und so ging er.

Als er wieder in die Stube kam, taten die anderen so, als wüßten sie nicht, wo er gewesen war, und ihm war auch nichts anzumerken. Er schaute auf die Uhr und lauschte auf das Wetter draußen. Der Sturm mahlte schwer hier in Juwika, er ging wie eine Trollmühle oben in den Bergen; oft war es, als ducke das Haus sich unter dem langanhaltenden Getöse zusammen. Der Fjord hörte sich wie ein brausender Kessel voll Wildheit in der Finsternis draußen an. Es war schweres Wetter, und es hatte den Anschein, als ob Peder dies zusage. Ruhig blickte er zu Kal hinüber: Es wäre wohl doch am besten, wenn einer an Bord ginge? Denn dieses Wetter könnte Schaden anrichten. Kal zog nur die eine Schulter hoch, und man konnte sehen, daß Peder sich betroffen fühlte. – »Wie du willst, Kal!« sagte er trocken und dehnte sich; »hier hat man ja festen Ankergrund, hier in Juwika!« – jetzt lächelte er sogar vor sich hin. Wiederum sieht er Kal an, sein Gesicht ist eisig ruhig, und er spitzt den Mund, als wollte er pfeifen. – »Nein, du kannst gerne an Bord gehen, wenn du willst.« Kal blickt vor sich hin und preßt die großen Kinnladen aufeinander. – »Ach nein, ich lasse mich hier nieder, eigentlich müßte ich etwas – –«

Einer nach dem anderen warf ihm einen raschen Blick zu. Aber er sagte weiter nichts.

Am Morgen darauf war das Wetter zahmer geworden. Der Sturm hatte Regen herangetragen und sich bei dieser Arbeit erschöpft; der ganze Himmel war graublau und zäh von Regenwolken, und der Fjord ging mit großen toten Wellen rings am Ufer.

Bald war alles auf die Haabergboote verschifft, und dann machten sich diese auf den Weg über den Fjord.

»Schönen Dank auch für gute Kameradschaft, einstweilen«, sagte Peder zu Kal. Sie waren miteinander an Bord der Jacht, und Peder stieg über die Reling in sein Boot hinüber.

»Nichts zu danken. Und gute Hochzeit! – Mich kannst du auch erwarten.«

Peder sah ihn scharf an.

»Ist das dein Ernst? Hältst du mich für so einen?«

Kal spuckte in weitem Bogen auf das Deck.

»Du hättest es wohl abwarten können!« knurrte Peder, und dann stieg er in sein Boot hinunter und ergriff die Steuerpinne.

Als sie in die Haabergbucht hineinkreuzen wollten, bekamen sie noch einige Windstöße, und jeder hatte genug mit dem Seinen zu tun. Peder stand da und sagte vor sich hin: »Jetzt wirst du sehen, Mutter! Jetzt wirst du sehen, daß ich Manns genug hin, meine Bürde auf mich zu nehmen! Und Manns genug, sie auch zu tragen, ja. Ihr sollt etwas zu sehen bekommen, was ihr früher nicht gesehen habt – fiert den Klüver, Burschen!«

2

Am gleichen Tag, an dem die Nordlandfischer in die Juwikbucht heimkehrten, stieg bei Segelsund ein ganz fremder Mann an Land. Einmal in der Woche fuhr ein kleines Dampfschiff in die Fjorde, und mit dem kam er. Die Leute glaubten sofort, es müsse Jens Haaberg sein, der von Amerika heimkehre, denn man hatte sich schon längst erzählt, daß man ihn erwarten könne. Es war ein großer und barscher Kerl, bartlos wie ein Junger, nur mit dem Schnurrbart unter der Nase, wie ein feiner Herr, aber deswegen doch kein junger Bursche, o nein. Er hatte einen Mantel an, wie sie noch nie einen gesehen hatten: lang, bis auf die Füße hinunter, und mit einem Pelzkragen, den er bis hoch über die Ohren hinaufschlagen konnte, und dazu eine hohe, hohe Pelzmütze, es war ihm an allem und jedem anzusehen, daß er von weither kam, und es mußte der Jens sein.

Nach Amerika waren in letzter Zeit viele gefahren, aber zurückgekommen waren nur wenige und hierher überhaupt noch keiner. So sahen dort drüben wohl die Menschen aus, und was für Kisten und Koffer hatte er doch bei sich! Die Leute hielten sich ein wenig im Abstand von ihm, das gab sich ganz von selbst so; aber heimzugehen fiel ihnen auch nicht ein. Wenigstens vorläufig nicht. Er winkte einem Mann, daß er sein Zeug nehmen und es dort an die Wand stellen solle. Gleich kamen alle her und griffen zu. Dann endlich bringt einer den Mut auf und fragt ihn geradeswegs, ob es seine Richtigkeit habe, und ob er Jens Haaberg sei? Der Fremde sieht ihn rasch aber auch scharf an. Ja, es stimmt – und gibt es hier kein Fuhrwerk, mit dem man nach Haaberg fahren kann?– »Willkommen daheim. Willkommen, sage ich! Fuhrwerk, ja, das wird schon aufzutreiben sein. Du kennst mich wohl nicht wieder?« – »Nein.« – »Ich bin der Petter Brudalen, ich war sogar dabei und fuhr mit nach Segelsund, damals, als du hier gekauft hattest, ja, du erinnerst dich doch wohl?«

Jens lachte kurz und kühl und nahm seine Hand: – »Den Umzug hierher vergesse ich meiner Lebtage nicht, darauf kannst du dich verlassen! – Und jetzt ist erst noch die Frage, ob ich nicht noch einmal hierher ziehen werde.« – »Ja, jetzt ist die Gjartru hier am Steuer, das weißt du wohl?« – »Nein, davon weiß ich nichts. He! Das ist doch vert …!« Er schnaubte ärgerlich durch die Nase, dann wandte er sich um und ging hinauf, geradeswegs zum Hof. Die ganze Schar blieb zurück; er ließ sie einfach stehen und hörte nicht mehr auf das, was sie sagten.

Gjartru war bereits beim Tierarzt, auf dem Hochzeitshof, wie er jetzt hieß, dort gab es so viel für sie zu ordnen. Jens klopfte hart an und trat dann unmittelbar darauf ein, stand Mina gegenüber. Sie bekam einen harten Zug um Mund und Augen, denn das war keine Art und Weise, ins Haus zu kommen, und am meisten befürchtete sie, er könnte ein Kaufmann aus der Stadt sein, der die Bücher kontrollieren wollte; erst vor kurzer Zeit war so einer hier gewesen. Sie verhielt sich kalt und abwartend. Sie wußte, daß sie sowohl nach Haaberg als auch nach Segelsund gehörte.

Er hielt sich übrigens nicht weiter damit auf zu erzählen, wer er war, und jetzt glaubte sie es zu wissen, noch bevor er zwei Worte gesagt hatte. Er fragte, ob sie Gjartru sei, und Mina lachte so herzlich, wie sie eigentlich nicht hätte dürfen. Dann merkte er, wer sie war, und nicht lange darauf fuhren sie miteinander zum Tierarzt! Er gehörte nicht zu denen, die warten konnten, er war etwas Besseres, das merkte sie, und jetzt wollte sie dafür aber auch dem Pferd Beine machen; wir wollen keinen Bauerntrab haben! sagte sie und schwang die Peitsche.

Gjartru geriet so aus der Fassung, als sie kamen, daß sie sich und alles, was sie in der Hand hielt, vergaß. Wie ein Unwetter kam er über sie hereingestürzt, versetzte alles rings um sie und in ihr in Unruhe und lachte so offen auf sie herab, als sei sie immer noch nur ein kleines Mädchen. Man konnte sehen, wie sie sich nach und nach faßte und rasch zu sich kam, während sie ihn ansah und mit ihm redete. Sie wurde bald jünger als Mina, ihre ganze Jugend kam wieder zum Vorschein, und ihre Stimme konnte nur Jens wiedererkennen:

»Es ist genau so, wie ich sagte, Mina, ich durfte noch mehr Gutes erwarten, ich habe es schon lange an mir gespürt – ich wußte doch ganz genau, wie du aussähst, wenn du einmal kämst!«

»Du lachst ja übers ganze Gesicht, Mutter«, sagte Mina.

Aber Gjartru stemmte die Hände in die Hüften und stand ruhig und still da. Der Tierarzt sah förmlich, wie sie in die Höhe und in die Breite wuchs – jetzt wandte sie sich ihm zu: »Machen wir's also so, wie ich vor ein paar Tagen sagte: wir reißen die Vertäfelung heraus und machen eine ordentliche Stube, einen Saal, alles andere hat keinen Sinn. Wir sollen hier Hochzeit halten, wie du vielleicht weißt« – sie wendet sich wieder zu Jens –, »und wir wollen dabei nicht schlecht bestehen, was meinst du dazu?« Jens nickt nur; sein Blick war ein wenig stier, das sah sie, daran war wohl die lange Reise schuld. Und dann fällt sie wieder über den Tierarzt her. »Wie gesagt, der Dachboden muß zu einer Kammer eingerichtet werden, für das andere Brautpaar – wir zahlen alles, wie gesagt, aber es soll auch etwas Ordentliches werden.« Wenn auch der Tierarzt die Zähne bleckte, gleichviel, sie sah doch, daß er nachgab. – »Denn mit dieser Hochzeit verhält es sich eben so«, sagt sie zu Jens, »man darf doch den Griff nicht loslassen, wenn man die Gemeinde schon einmal in der Hand hat und auch in der Hand haben soll.«

Jens sah auf die Uhr; er besaß eine goldene Uhr. – »Jetzt muß ich also nach Haaberg hinüberschauen.« – »Nach Haaberg? Wo denkst du hin, nein, jetzt fahren wir zu uns heim, das Pferd ist doch wohl nicht ausgeschirrt? Das tust du mir doch nicht an, Jens, daß du heute abend nicht mit mir nach Segelsund kommst? Morgen fahr ich dich dann gleich nach Haaberg – es ist so seltsam für mich, daß du gerade jetzt zur Hochzeit heimkommst. Denn du verstehst mich, das weiß ich.«

Jens zog die eine Schulter hoch wie in früheren Zeiten und gab nach. – »Aber sagt wenigstens viele Grüße auf Haaberg und richtet ihnen aus, daß ich heimgekommen sei und daß sie mich dort erwarten können«, wandte er sich an Andrea und den Tierarzt. Und dann fuhren sie nach Osten davon.

Die Schlittenbahn hatte der Sturm bereits weggezehrt; sie fuhren mit dem Wagen und rumpelten über den gefrorenen Weg so laut, daß es in den Felsen, an denen sie vorbeikamen, widerhallte. Der Sturm fegte ihnen ins Gesicht und peitschte ihnen bisweilen Sand und Staub in großen Wolken entgegen, an einer Stelle war sogar ein Nadelbaum umgestürzt und hatte sich ihnen quer über den Weg gelegt. Jens brummte und fluchte leise, Gjartru aber behauptete, das alles bedeute nur gutes Wetter, und morgen sei es wieder still und die Sonne würde scheinen; man könne es an dem Sausen oben über den Bergen hören, der Wind sei nur übermütig.

Sie erzählte von sich und ihren Angelegenheiten. Erst jetzt in der letzten Zeit habe sie so recht erkannt, was sie eigentlich erstrebten und was sie erreichen wollten, sagte sie. »Es ist so merkwürdig mit mir gegangen, gerade als habe irgend etwas Fremdes mich in die Höhe gehoben. In der Gemeinde wächst nichts mehr, weißt du, da steht alles still, da herrschen nur Armut und kleine Verhältnisse, wohin du dich auch drehst; das war zu Vaters Zeiten anders. Hier gab es niemand, der auch nur das Geringste angerührt hätte, jetzt aber sollen sie den Arnesen bekommen; der muß jetzt tüchtig anschieben. Er ist der einzige, der ein bißchen draußen gewesen ist. Wir sind die einzigen, die wissen, wie es sein soll. Du darfst mir glauben, die Gemeinde ist jetzt recht altmodisch geworden!«

»Die Gemeinde!« sagte Jens und sah in die Luft hinaus, am Hang entlang, wo die Fichten sich unter dem Winde beugten und sich von ihm scheuern ließen.

»Die Gemeinde, ja, das ist es eben«, fing Gjartru wieder an. »Die Zeiten haben aufgehört, wo man nur an sich denken konnte, das weißt d u, der aus einem anderen Land kommt, am besten. Und das ist es eben, was ich dabei denke: dort, wo wir vorangehen, dort kommen die anderen nach! Das ist es, worauf es vor allem ankommt. So sagte der Vater oft, weißt du noch?«

Jens sprach weiter nicht viel; er hustete nur und räusperte sich oft. Er ist offenbar sehr verschleimt, dachte sie.

Aber es war eben die Aasel, die sich ihnen in die Quere stellte. Gjartrus Stimme erhielt einen anderen Klang, als sie darauf zu sprechen kam. »Ja, die Aasel, mit ihr ist es anders gekommen, als man dachte. Du wirst sie nicht mehr wiedererkennen, Jens. Dort herrscht nichts als Kleinkram – vom Kristen will ich gleich gar nicht reden. Die Aasel sieht nicht einmal die Hand vor den Augen; sie will nirgends hin. Wie eine Glucke sitzt sie gleichsam auf allem droben, was sie einmal unter sich bekommen hat. Haaberg hin und Haaberg her, den ganzen Tag lang – wir anderen sind doch schließlich auch noch von Haaberg? Nicht wahr?«

»Und du hast keinen Sohn?« Jens zog die Augenbrauen hoch und fragte trocken und treuherzig.

Nein, leider, den hatte sie nicht, und das war schmerzlich genug, aber deswegen konnte man doch auch noch vorwärts und in die Höhe kommen! »Und jetzt habe ich's schon so weit gebracht!« sagte sie, und im gleichen Augenblick schwenkten sie auf das Grundstück von Segelsund ein.

»So weit, wie bis hierher, habe ich's auch einmal gebracht!« gab Jens zur Antwort und lachte. »Ich war wirklich hier, aber kurz!« Er kicherte, so daß es im Wind laut aufklang. »Damals hatte ich übrigens ein Mordsglück.«

»Ja, jetzt bist du wohl richtig reich?«

»Na, well, ich habe wohl ein gutes Stück Geld gemacht. Verkaufte zwei oder drei meiner Besitztümer, ehe ich herüberfuhr. Ja, ja, ein schönes Stück Geld habe ich wohl gemacht, das kann man da drüben. Ich kam hierher und dachte Segelsund zu kaufen, ich hab's ja dazu; doch ich kam zu spät. Aber wie steht es mit dem Ola? Geht es vorwärts mit ihm oder–«

»Ach, der, mit dem war ja nie besonders viel los, weißt du. Nichts als lauter Musik, und dabei geht er umher wie irgendein Bauer; er will auch nirgends anders hin. Aber inwendig, ich weiß selber nicht, wie ich es nennen soll, inwendig ist er aus einem feineren Zeug; er weiß, wie alles hätte sein sollen. Ihm hat auch die Aasel nie etwas anhaben können, darüber bin ich froh.«

Jens blickte um sich, als er auf dem Hofplatz von Segelsund aus dem Wagen stieg, sah erst die Häuser an und blickte dann über die Äcker und den See hinaus, und dann lachte er vor sich hin:

»Das war mir ein schönes Königreich! Ja, ja, ja.«

3

Es kam doch nicht dahin, daß Aasel noch an diesem Tag Nachricht von Jens' Ankunft erhielt, und am Tag darauf trafen die Nordlandfischer ein. – »So, so, seid ihr auf Juwika gewesen?« fragte sie. Sie stand da und wandte sich halb zu Kristen, der es ihr erzählte. – »Das Wetter war daran schuld«, sagte er. – »Ja, lieber Gott, das weiß ich wohl selber. Dass das Wetter sie dorthin getrieben hat. Aber trotzdem – – «

Sie sah sofort, daß mit Peder irgend etwas nicht in Ordnung war. So verschlossen und geistesabwesend war er bisher noch nie auf den Hof gekommen. – »Du bist wohl müde? Übernächtig vielleicht? War es nicht ein schauderhaftes Wetter heute nacht?« Es flimmerte ihr vor den Augen, während sie hin und her ging und ihm zu essen auftrug, sie mußte oft zweimal um der gleichen Sache willen hinausgehen. Auch der Kristen fragte ihn, ob es nicht schwer gewesen sei, die Boote in der vergangenen Nacht in der Juwikbucht zu halten, und Aasel blieb unter der Türe stehen und wartete auf die Antwort. Peder streckte sich, und jetzt blickte er die Mutter offen an:

»Ich schlief übrigens oben auf dem Hof, ich für mein Teil.«

Dann machte er sich wieder über das Essen her, und Aasel ging hinaus, um den Kaffee zu holen.

Nach dem Essen sollten die Burschen wieder ans Ufer hinunter und die Ladung in den Booten löschen, und Aasel brannte vor Ungeduld darauf, mit Peder allein sprechen zu können. – »So abgearbeitet habe ich ihn noch nie gesehen«, seufzte sie draußen in der Küche. Endlich nahm Kristen die Mütze und ging; er pflegte sie meist neben sich auf den Tisch zu legen. Peder stand auf und suchte die seine. In der Stube waren die kleinen Mädchen und eine von den Mägden. Da geht Aasel zu der Tür, die in die Oststube führt, sie dreht sich dort um und sieht Peder an, und dann geht sie voraus.

Und Peder kam. Wie ein Fremder trat er ein. Sein Gesicht sah fast aus, als sei es aus Holz geschnitten.

So, so, er war also auf Juwika gewesen? – Ja, das war er. – »Ja, ja, Peder; ich bin auch dort gewesen. Und was zu spät ist, ist zu spät – ich habe mit ihnen gesprochen. Es ist ja fast ein Wunder und ein Zeichen, finde ich, daß die Sache noch nicht über die Gemeinde hinausgedrungen ist: hier weiß niemand etwas davon. Und das Mädchen hat mehr Verstand, als man hätte erwarten sollen, die Ärmste – das ist jetzt überstanden, du mußt den Herrgott um Verzeihung bitten, und ich weiß, daß er dir verzeihen wird, denn das hat auch sie getan, das hat sie mir gesagt! Das ist also überstanden, ja.«

Aasel redete rasch und ganz anders als sonst und konnte gleichsam nicht aufhören. Peder hob den Kopf ein paarmal und sah immer verwunderter drein. Zwischen seinen Brauen und über die ganze Stirn hinauf grub sich eine tiefe Falte ein. – »Und nun haben wir uns gedacht«, fuhr Aasel fort, »daß wir Doppelhochzeit halten wollen, beim Tierarzt, jetzt zu Weihnachten, ich habe schon mit ihm und auch mit der Andrea darüber gesprochen, sie war es sogar, die das wollte. Wir müssen mit dem alten Brauch brechen, so weit müssen wir uns strecken; es ist ja eine andere Sache jetzt, weißt du, die Andrea ist kein Bauernmädchen – und die auf Segelsund müssen wir ein wenig im Zaum halten, damit es nicht schief geht. He?«

Sie sah ihn an und wartete. Er blickte durchs Fenster hinaus, legte den Kopf ab und zu auf die Seite und verzog den einen Mundwinkel.

»Was sagst du dazu, Peder? He?«

»Nichts. Denn es wird keine Hochzeit gefeiert, sag ich.«

»Bist du verrückt?«

Er richtete sich immer mehr und mehr auf; er bog sich ganz zurück, gleichsam als zwinge ihn etwas nach rückwärts. Schwer schlug er mit der flachen Hand aufs Fensterbrett:

»Jetzt soll es sich zeigen, ob wir erwachsene Leute sind oder nicht. Und das kannst du ihnen allen miteinander sagen: ich bin keiner von denen, die ihre Bürde abwerfen; und wenn sie auch noch so schwer ist.«

Damit ging er. Aber Aasel kam ihm nach. – »Du mußt es dir überlegen, Peder!« sagte sie, als sie vor der Türe standen. – »Danke, das hab ich getan. Das hab ich heute nacht getan.« Aasel hatte heiße Wangen bekommen, und ihre Augen waren bedrohlich lebendig und nahe vor ihm: – »Weiß Gott, ich glaubte, du seist weniger – – du seist aus härterem Stahl.«

Er drehte sich ihr zu, sein Gesicht war förmlich flach, dann aber faßte er sich rasch wieder, lächelte und wandte sich ab:

»In Gottes Namen, halte von mir, was du willst. Ich werde den Leuten allein entgegentreten, das werde ich, werde die Last für mich und das ganze Geschlecht auf mich nehmen, ja.«

Bei diesen Worten wurde Aasel weich. Zug für Zug löste sich in ihrem Gesicht. Sie sah ihn lange an.

»Ja, wenn es so steht – – dann soll der liebe Gott mit dir sein, in allem, was du tust. Dann mag alles gehen, wie es geht. Schlimm ist es, daß wir das Aufgebot zum nächsten Sonntag bestellt haben, wie du geschrieben hast.«

In diesem Augenblick kam Marjane herbeigesprungen und erzählte halb flüsternd, halb rufend, daß jemand über den Weg herkomme. »Schau nach, Peder, ob du sie erkennst, denn ich kann nicht herauskriegen, wer es ist.« Die Kleine hatte blitzende Augen vor lauter Spaß, aber die anderen sahen doch, daß sie die Wahrheit sprach, und jetzt kam auch Marta, die taubstumm war, und versuchte das gleiche zu erzählen.

Aasel holte ein paarmal Atem.

»Du mußt noch dableiben, Peder. Du kannst es ebensogut auf einmal sagen!«

Sie nahm die Kinder mit sich hinein.

Peder aber blieb nur so lange stehen, bis die Türe sich geschlossen hatte, dann zuckte er mit den Schultern und ging. – »Ich bleibe nicht stehen wie irgendein Zaunpfahl und warte!«, er verzog höhnisch das Gesicht. »Die Netze müssen doch wohl während der Flut herausgenommen werden? Und sie erfährt es noch rechtzeitig genug. Die ganze Gemeinde, sie alle erfahren es noch zeitig genug.«

Andrea kam leise lächelnd: Jetzt könnten sie ja einander Neuigkeiten erzählen, wenigstens sähe es so aus. Aasel sah sie an, sie erriet den Sinn dieser Worte nicht. – »Wir sahen die Boote«, sagte Andrea. – »Ja, sie sind wirklich heimgekommen – du hast den Peder nicht getroffen, draußen im Hof?« – »Nein.« – »Er war wohl schon auf dem Weg zum Wasser hinunter. Er war wohl schon auf dem Weg, ja. Sie wollten die Ladung löschen.« – »Er wird doch nicht vor mir davongelaufen sein?« lachte Andrea. »Aber du fragst mich nicht nach Neuigkeiten?« – »Hast du denn auch Neuigkeiten?« – »Ich – kann vom Jens grüßen. Mister Jens Haaberg von Amerika, nein, Jens Anderson, Verzeihung!« Und dann berichtete sie, was es zu berichten gab.

»Was erzählst du da?« Aasel fragte ein paarmal dazwischen. – »Ja, so, sie nahm ihn gleich mit heim. Das sieht der Gjartru ähnlich.« Jetzt begann Aasel abwechselnd eine Hand auf die andere zu legen, in ihrer gewohnten Art. Andrea fror fast beim Anblick dieser Hände und unter Aasels Augen. Sie waren so hellblau und kalt.

»Ja, ja«, sagte Aasel hart. »Vielleicht kommt's auf eins heraus.«

Sie stand auf und ging in die Küche, vorher aber drehte sie sich noch einmal um und fragte, ob Andrea eine Tasse Kaffee wolle? Denn es gehörte sich bei solchen Leuten, daß man erst fragte, ehe man ihnen vorsetzte. Andrea sagte: Ja, danke.

Noch ehe der Kaffee fertig war, kamen Gjartru und Jens angefahren. Aasel sah ruhig durchs Fenster hinaus, dann ging sie in die Kammer hinüber und erzählte Anders, daß der Jens gekommen sei. – »Glaubst du, ich hätte es nicht gehört? Ich hörte sie doch davon sprechen – ich hab lange Ohren, glaub mir's, brauch nicht erst zu schauen.« Der Alte kam in die Stube hereingestolpert, setzte sich hin und nahm die zwei kleinen Mädchen auf seine Knie. Andrea verabschiedete sich und ging. Sie wollte lieber morgen wiederkommen. – »Ich habe jetzt nicht so wenig zu tun«, kicherte sie, und Aasel seufzte. Sie lauschte ihrer Stimme und ihren Schritten: so jung kann man sein, manchmal, so leichtfüßig kann man dahingehen, wenn man nicht weiß, wo es hinführt. – »Und bringst du es übers Herz, Peder, sie von dir wegzulassen, dann – dann läßt sich eben nichts machen. – Aber es ist doch falsch!« seufzte sie. Und dann eilte sie hinaus und ging den Gästen entgegen.

Anders lebte auf und war wie ein neuer Mensch, jetzt, da er den Jens vor sich hatte. Er konnte nicht genug von Amerika und der langen Reise dorthin hören. Er lachte mit dem ganzen blinden Gesicht: »Da kommt Leben in mich, Junge, wenn du erzählst, da bin ich wie die Schlange in der Sonne. Und eine richtige Hochzeit soll es hier geben, das ist alles, womit wir aufwarten können – sag einmal: dort verheiraten sich die Leute doch wohl auch?«

Als die Männer am Abend vom Meer heraufkamen, war auch Ola auf Haaberg eingetroffen, und Jens und er stichelten aufeinander, daß es eine Lust war. Wenn Jens nichts mehr von Amerika und seinen Erlebnissen erzählen wollte, sagte Ola nur: »Das sind ja lauter Lügen, du hast doch wohl auch in Büchern gelesen?« Da schwoll Jens der Kamm, und er versuchte sich zu übertrumpfen. Die ganze Stube war ein Gesumm von Menschen und Unterhaltung, und Peder saß mittendrin, gleichsam als sei gar nichts los. Er gab keine Antwort und veränderte nicht eine Miene im Gesicht, als Jens ihm gratulierte. Die Mutter sah er nicht.

Erst am Tag darauf drang sie so weit in ihn ein, daß sie wenigstens ein paar Worte mit ihm sprechen konnte.

»Du wirst doch Gjartru nicht die Freude machen, Peder? Du wirst doch nicht alles über den Haufen werfen? Denn dann – – dann kenne ich mich nicht mehr aus!«

Es klang, als sei ihr die Brust flach gedrückt worden und als sei inwendig irgend etwas zerschlagen und zerbrochen; er blieb stehen und sah sie mit leeren Augen an. Dann zog er die Schultern hoch und stieß die Luft durch die Nase, höhnisch, und ging:

»Wir sind doch schließlich keine kleinen Kinder!«

Aasel mußte immer wieder stehenbleiben und sich besinnen: Heute war doch Freitag? Und morgen war Samstag, und da kam vielleicht der Pfarrer hierher; und am Sonntag wurde zum erstenmal aufgeboten. Am Abend mußte sie Kristen erzählen, wie die Dinge standen. Ihn ging das alles eigentlich nichts an, schien es ihr, denn er war ein Fremder hier auf dem Hof, auf ihr allein und auf keinem anderen ruhte alles. Aber es erleichterte doch, mit Kristen zu reden, er war eine Wand, gegen die man sich lehnen konnte, wenn er auch keine Hilfe bot. Kristen sagte auch jetzt nicht viel, er konnte so wunderbar schweigen. In Verlobungen und derartige Sachen mischte er sich nie hinein, hörte nur so zu und dachte an andere Dinge, schließlich verstand er sich auch nicht so großartig darauf. Auf Juwika waren sie nicht gar so knapp daran, nach seiner Rechnung, und beim Tierarzt konnte man sich nichts weiter erwarten. Aber, wie die Aasel sagte, man durfte doch nicht immer nur an dies eine denken. – »Er soll sich so gut wie möglich aus der Schlinge ziehen«, sagte er. Und darin war Aasel mit ihm einig. So wollten sie sagen, ja. – »Aber ist es nicht merkwürdig, daß der Pfarrer drüben auf der anderen Seite des Fjords wohnt?« sagte sie. – »Merkwürdig?« – »Ja. Daß wir nicht zwei Scheite übers Kreuz legten, um es zu verhindern – damals, als sie den neuen Pfarrhof dort kauften?« – »He! Du selber fandest es doch damals richtig, weißt du nicht mehr?« – »Das wohl. Das tue ich auch heute noch. Jetzt steht es da und sieht mich an, meine ich. Daß es das richtigste war, ja, und das beste für uns. Denn wenn der Pfarrer auf dieser Seite des Fjords wohnen würde, fürchte ich, wäre Peder schon längst hingegangen und hätte das Aufgebot abbestellt. Noch ist Zeit bis morgen abend, bis der Pfarrer hierherkommt. He? Bis dahin ist's noch lange, nicht wahr?«

»Ja«, sagte Kristen, aber jetzt schlief er schon, und Aasel drehte sich im Bett herum. Sie seufzte laut:

»Jetzt – jetzt weiß ich nicht mehr weiter! Denn gerade nun hätte ich einen so schönen Ausweg gesehen.«

4

Der Samstag kam, und als Aasel ihm in die Augen sah, fühlte sie sich stärker als das, was bevorstand, gleichgültig, was es auch sein mochte. Es war ein Tag, genau so, wie sie ihn sich wünschte. Das Wetter so still und mild, die Regenwolken hingen nur wie ein dünnes blaugraues Tuch um die Schultern der Berge, und im Birkenwald leuchtete es überall braun und blau, und rings um die Landzungen rauschte das Wasser laut und gut. Einen solchen Tag hat man selten, dachte sie, aber er bringt dann meistens etwas Gutes mit sich; gibt doch zum wenigsten den Dingen eine andere Farbe.

Von Peder bekam sie nicht viel zu sehen, er war unten am Strand und hängte die Netze auf.

Jens ging aus und ein und saß ab und zu beim Vater drinnen.

Anders wurde nicht müde, ihn über Amerika auszufragen; dort mußte doch ein Leben sein! Und was trieben sie denn so am meisten? Wurde nicht viel gestohlen dort, wenn so viele Heimatlose zusammenkamen? Und war Jens öfters gezwungen, richtig dreinzuschlagen? Ach, ja, so, sie schössen? Da war es nicht so einfach, mit ihnen zusammen zu sein? Aber ein Mann war doch wohl ein Mann, und ein Wort ein Wort, hm? Das hörte man gerne. Denn hier, er wußte nicht, wie es in diesem Punkt hier noch stand; hier stritten und zankten sie sich schon bald um jeden Span, und es wurde geschrieben und geeifert, aber im Ernst schlugen sie doch nie drein, und das war ein schlechtes Zeichen. Aber wie schmeckte denn dann das Heimkommen? Wohl ein wenig langweilig? Und außerdem: Hatte er irgend etwas über diesen Sohn des Tierarztes erfahren, über den Arthur, der mit Politik und Landwirtschaftsschule und derlei anfangen wollte? So, noch nicht. »Ich möchte wohl wissen, ob in der ganzen Gemeinde ein Hahn danach kräht. Im Ausland reden und verhandeln sie wohl auch über solche Dinge?«

Jens knurrte nur etwas. Er wußte so wenig von solchen Sachen. Dort drüben ging alles mehr im Großen. Und hierzulande war es nur Geschwätz und Unsinn, was sie sich auch ausdachten; hier gab es keinen Raum, keine Luft.

»Ja, ist das wirklich wahr?« Anders seufzte. Sein Gesicht wuchs zu und wurde wieder alt. Jens schlenderte hinaus.

Im Lauf des Nachmittags kam ihm der Gedanke, daß er nach Segelsund müsse, denn sie hatten Nachricht erhalten, daß Arnesen heimgekommen sei. – »Und ich habe der Gjartru versprochen hinzuschauen, wenn er kommt«, sagte er. »Die werden jetzt, scheint's, große Leute«, fügte er hinzu. Aasel lächelte nur. Jens wandte sich zu Peder: »Komm doch mit, du, sitz doch nicht immer daheim, du wächst sonst noch an!« Peder stand da, als habe man ihm einen Stoß versetzt. Er blickte zu Boden und sah dann rasch zur Mutter hinüber. – »Ich kann ja ein Stückweit mitkommen«, sagte er.

Aasel konnte ihm gerade noch zuflüstern, bevor sie fortgingen: »Du mußt erst mit der Andrea reden, ehe du etwas unternimmst. Versprich mir das, Peder!«

Sie sah, wie er bleich wurde und wie das Blut unter der feinen Haut seiner Wangen kam und ging. Eine Antwort bekam sie nicht.

Als sie nach Segelsund kamen, war nicht nur Arthur, sondern auch Andrea da, und gleich darauf kam auch Ola. Arnesen hatte die Jacht mit den Heringen nach Kristiansund geschickt. Die Fischer waren gerade erst zurückgekommen, so daß auf dem Hofe lautes Leben herrschte. Sie waren durstig.

Als Jens und Arnesen einen Grog miteinander getrunken hatten, wurden sie wie alte Bekannte, und sie hatten über vieles miteinander zu reden.

Peder trank mit, obgleich er kein Freund von starken Getränken war. Dann sah er die ringsum Sitzenden an, und in sein Gesicht trat ein harter und höhnischer Zug. Dann sah er wieder auf die Uhr. Ola saß da, als bewache er ihn. Peder fühlte sich nicht wohl unter seinen Augen, sie waren so klein und grau und allwissend. – »Was sitzt du eigentlich da und schaust?« Ola war unverändert ruhig: »Und du? Du schaust in einem fort auf die Uhr.« – »Ich muß zum Pfarrer, wenn du's wissen willst!«

Jetzt sah er Andrea an, und sie ihn. Aber sein Blick war seltsam gläsern und fremd für sie. Sie kam herbei und setzte sich zu ihm, nippte sogar von seinem Glas und suchte unter dem Tisch nach seiner Hand. Sie spielte mit seinen großen harten Schwielen. So saß auch das andere Paar da, an einem anderen Tisch! – »Wirst du denn nicht betrunken, wenn du so rasch trinkst?«

»Jetzt noch ein Glas, dann gehe ich!« Er sah sie beinahe feindlich an.

Ging er? Ja, dann käme sie mit, damit er's nur wisse. »Und morgen, Peder?«

»Morgen, Andrea, wird ein anderer Tag sein, ja. Ein großer Tag.«

Aber der Branntwein verschlug bei ihm nicht, und das wußte er schon von früher her. Er blickte in der Stube herum und sah sich ein Ding nach dem anderen an. – »So schön hätte es auch auf Haaberg werden können«, sagte er zu Andrea. » Dort ist es wohl schön genug«, meinte sie. Er schaute und schaute umher: Der Ofen reichte vom Boden bis zur Decke, und auf dem Boden lag ein Teppich, auf dem man herumging, so einer, wie andere Leute ihn an den höchsten Feiertagen auf den Tisch legen, und ein Spiegel aus einem Königsschloß das wäre ein Fest gewesen, die Haabergstube aufzuriggen! Da würde sie steigen, die Alte. »Ich verzichte und entsage!« murmelte er auf einmal, und alle sahen ihn an. Er schaute wieder auf die Uhr und nickte Ola zu: jetzt war der Pfarrer gekommen!

In diesem Augenblick kam Gjartru wieder mit dem Krug und füllte sein Glas, Andrea bat ihn, nicht so rasch zu trinken. – »Ich würde dir gerne gehorchen«, sagte er, »das würde mir nicht im geringsten schwer fallen. Aber ich habe heute abend noch große Dinge vor – du sollst es schon noch zu hören bekommen.«

Im übrigen waren sie alle guter Stimmung, und Jens erzählte große Dinge von Amerika. Er war sogar auch Goldgräber gewesen, ja, er hatte vieles erlebt! – »Der!« meinte Peder verächtlich. »Der? Nein, einen Feind niederzuknallen ist doch wohl keine Kunst? Aber wartet nur, wenn ich jetzt aufstehe und gehe, dann kommt's dicker!« Er stand auf und sah Andrea an:

»Komm!«

Sie erhob sich und kam mit, ängstlich und glücklich zugleich. Ola erkannte, daß sie nicht wußte, wo es hinführen sollte. Er für sein Teil wußte auch nicht mehr, als daß Peder jetzt etwas Verrücktes vorhatte; er glaubte zu sehen, daß der andere schwitzte. – »Es sieht fast so aus, als ob jetzt Leben in den Burschen käme«, sagte er zu Gjartru.

Als Peder durch die Stube ging, fühlte er, daß rings um ihn alles schwankte. Seine Gedanken waren unverändert klar und scharf, und er wußte ganz genau, was er sollte und wollte; aber die Welt war schwindlig geworden. Andreas Gesicht war so bleich, daß es förmlich leuchtete, und es war auch gut, wenn sie wußte, daß etwas bevorstand. Er wartete im Gang, während sie sich anzog, ganz flüchtig kam ihm sogar der Gedanke, daß er ihr dabei hätte helfen müssen, aber er ließ es lieber sein. Es konnte nicht schaden, wenn er es nicht tat. Jetzt standen sie auf der Treppe, und die Abendluft war kalt und gut, und am Himmel kamen die Sterne hervor. Unten aber beim Vorratshaus rauften zwei miteinander, und rings um sie stand eine ganze Schar von Burschen und konnte die beiden nicht trennen. – »Jetzt hat er ein Messer!« riefen sie, und Andrea faßte Peder beim Arm. Peder springt hinunter und mitten unter die beiden Kämpfenden, er sieht das Messer und packt die Hand, die es hält– da fliegt das Messer weg, und der eine liegt am Boden, jetzt aber kocht es von Fäusten rings um ihn her, und Peder kämpft still und kaltblütig, versetzt dem einen einen Stoß vor die Brust, dem andern einen Hieb unter das Kinn, bis sie alle zweifelnd im Kreis rings um ihn stehen. Er sieht sich um und lacht: »Gibt es hier nichts mehr zu tun?«

Da klirrt es ihm in den Ohren, ein ganzer Regenschauer von scharfem Geklirr, und vor seinen Augen sieht er feurige Sterne. Irgendeiner hatte ihm eine leere Flasche in den Nacken gehauen, so daß er der Länge nach vornüber stürzte und liegenblieb. Er war schon wieder auf, als Andrea kam und ihm helfen wollte. Sie führte ihn ins Haus. Eine der Mägde kam mit einem Licht nach, und sie brachten ihn ohne viel Mühe über die Treppe hinauf und in den Dachraum. Er blutete ein wenig, aber die Wunde war nicht groß. Andrea verband sie, so gut sie konnte, und während sie noch damit beschäftigt war, schlief er schon ein. Er murmelte etwas vom Pfarrer und von einer schweren Last, aber es war nichts Rechtes daraus zu verstehen, und dann schlief er ruhig und gut, und alles war in Ordnung.

Andrea ging hinunter und redete mit Gjartru über den Vorfall, flüsterte nur in einem Winkel mit ihr, aber bald wußte die ganze Stube davon. – »Besoffen, besoffen!« lachte Jens, und die anderen lachten mit.

»Besoffen?« Andrea wandte sich von ihnen ab, dem Weinen nahe: »Ihr hättet ihn sehen sollen!«

Sie ging wieder in den Dachraum zu ihm hinauf, mochte sonst nirgends sein. Sie hörte, wie die anderen hinter ihr herkicherten.

Es war spät in der Nacht, als sich endlich alle schlafen legten. Mina kam bald zu Andrea hinauf, sie erzählte, daß sie beide miteinander schlafen sollten, und sie lachte und sagte auch sonst so vieles und vielerlei, was Andrea nicht verstehen konnte; sie hatte wohl fleißig an Arthurs Glas genippt. Andrea saß da und wartete lange Zeit auf sie. Als sie aber endlos nicht kam, legte sie sich schlafen. Sie hatte geschlafen, gewiß recht lange, und rings um sie war schwärzeste Nacht, da fuhr sie zusammen, setzte sich im Bett auf und lauschte; sie hörte einen Schrei, und Mina war nicht da. Es mußte Peder gewesen sein, und sie sprang auf und tastete sich in seine Kammer hinüber.

Er saß im Bett. Auch er hatte den Schrei gehört und fragte, wo er sei. – »Ich bin es nur«, sagte Andrea, »und ich glaubte, du hättest gerufen. Ich bin es nur, Peder! Wie geht es?«

Sie legte die Hand auf seine Stirne, und er sank wieder ins Bett zurück und seufzte. Andrea erinnerte sich, daß man auf Segelsund in der Nacht wohl immer einen solchen Schrei hörte, seit altersher. Und was ist aus Mina geworden? sagt sie zu sich selber. In diesem Augenblick wird sie sich voller Schrecken bewußt, daß Peder hellwach ist. Sie will aufstehen und wieder weggehen, da aber legt er seinen Arm um sie und zieht sie zu sich ins Bett.

Früh am Morgen erwachte Andrea dadurch, daß eine der Mägde ihnen den Kaffee ans Bett bringen wollte. Andrea hörte sie an der Tür und wollte schon davonlaufen, war aber so entsetzt, daß sie nicht vom Fleck kam. Peder bewahrte seine Ruhe wie immer: es war fast, als wäre er ganz allein. Die Magd verzog nicht einmal den Mund. Verlobte Leute lagen beieinander, so war es nun einmal; sie taten das, und wenn sie auch noch so fein waren. – »Ich komme von den beiden anderen«, sagte sie, »– und jetzt stelle ich das Brett hierher.«

Sie tranken den Kaffee. – »Wir haben ja jetzt nichts anderes zu tun«, sagte Peder. »Zu spät ist zu spät.«

Und nach der Predigt bot der Pfarrer Peter Folden und Andrea Ween und auch das andere Paar auf. Aasel saß da und hörte zu und verzog das Gesicht nicht. Aber sie lächelte ihr kleines feines Lächeln, als Gjartru kam und erzählte, wie es in der Samstagnacht bei ihnen zugegangen war. Und als sie heimging, sagte sie zu Kristen, wenn Gjartru gerechnet hätte, dieses Mal, so hätte sie falsch gerechnet. »Es geht immer schief, wenn einer sich etwas ausrechnet. Nicht umsonst ist sie mit dem Krug herumgegangen«, lachte sie. »Dank für die Bewirtung!« Und dann sagt sie zu sich selber, aber merkwürdig hoch und dünn:

»Aber das war eine Nacht, an die werde ich denken. Die war lang!«

5

Ein paar Tage später rüsteten sie sich aus, fuhren in die Stadt und kauften für die Hochzeit ein. Peder sagte nichts, er war nur einfach dabei. Sie taten sich zusammen, die auf Haaberg und Segelsund, und nahmen eines der Fischerboote von Haaberg, eines, das »Flink« hieß; so brauchten die Frauen keine Angst auf der Fahrt zu haben. – Sie hätten den Dampfer nehmen sollen, sagte Gjartru, der aber ging nur einmal in der Woche. – »Den Dampfer?« meinte Aasel; und wandte sich dann wieder ihren Dingen zu. –

Das gleiche sagte sie, als sie zu rudern angefangen hatten: »Den Dampfer? Wir wollen doch lieber die Welt nicht auf den Kopf stellen!«

Und was für gutes Wetter sie hatten! Die See war wie eine Spiegelscheibe, und die Luft so mild wie an einem Sommertag; die Männer saßen in Hemdärmeln da und ruderten, und die Frauen mittschiffs konnten Schal und Mantel ablegen; sogar die Sonne kam heraus und zeigte sich ihnen, und das Land lächelte wiederum wie in den ersten Herbsttagen.

Es waren Kristen und Aasel von Haaberg und Peder und die drei von Segelsund und außerdem noch Arthur und Andrea und zwei oder drei Ruderknechte.

Das Wetter hielt sich, solange sie in der Stadt waren, und sie blieben dort drei Tage. Die Leute von Segelsund wurden nie fertig, obgleich sie sich den größten Teil des ganzen Staates bis aus Bergen verschrieben hatten. Eine Kiste nach der andern brachten sie herbei und schleppten sie an Bord. – »Angst möchte einem werden«, sagte Aasel. »Denn mit dem, was wir gekauft haben, können wir uns wohl nirgends sehen lassen.« Immer und immer wieder sagte sie, nein, nun müßte man doch Vernunft haben, nun müßte man aufhören, aber es gab kein Aufhalten. Nicht sie war es mehr, die die Dinge auswählte, sondern die Dinge ergriffen sie, und wo sollte das hinführen? Sie kaufte sich eine seidene Haube mit Pelzkanten und Schleifen und Bändern daran, als wäre sie irgendeine vornehme Dame. Die Haube war gekauft, ehe sie sich's versah, Gott mochte ihr die Sünde verzeihen. – »Es ist gleich«, sagte sie, sie hatten den Brauch schon früher gebrochen, die auf Haaberg; und mit dem Geld sollte jeder es halten, wie er konnte; aber wie gesagt, wo sollte das hinführen? »Aber schau, ich wollte doch auch nicht, daß du dich meiner schämen solltest«, sagte sie zu Andrea, und Andrea sah sie hell und freundlich an – sie konnte einen so durch und durch gut machen. – »Wo das hinführt?« grinste Kristen. Das sollte sie doch nicht gerade ihn fragen. Aber schließlich richtet man ja auch nicht jeden Tag eine Hochzeit aus.

Von Peder bekamen sie weniger zu sehen. Er war mit Bekannten von seinen Fischerfahrten hier zusammengetroffen, mit Netzmeistern und Schiffern und anderen großen Leuten, leichtlebiges Volk alle miteinander, eine Nacht kam er nicht einmal zum Schlafen heim, und als sie ihn am nächsten Tag wieder trafen, war er betrunken und voller Dummheiten, so daß man kaum ein ernstes Wort aus ihm herausbringen konnte. Aber eines stellte er doch in diesem Zustand an: Er kaufte sich einen fertigen Mantel und kam damit auf die Straße. Und was für ein Mantel das war! Der blaueste und feinste Düffel, den man sich nur denken konnte, und mit Samtkragen und seidenem Futter, fast als wenn man der Obrigkeit begegnete. – »Den hat mir einer verkauft!« Mehr konnten sie nicht aus ihm herausbringen. – Da wäre es wohl am besten, auch den Anzug für den Bräutigam gleich hier in der Stadt machen zu lassen, meinte Aasel, und so wurde es gehalten; sie mußten dem Schneider sogar noch einen halben Taler mehr bieten, dafür, daß er ihn bis Weihnachten nähte, und Peder schlug auf den Tisch und bot einen ganzen Taler, wenn er schön gemacht würde. – »Denn gleichgültig, wie es mit der Hochzeit geht und steht, ob etwas daraus wird oder nicht«, sagte er – »anständige Kleider muß ich haben!« Er sah sie vielsagend an, sowohl die Mutter als auch die anderen.

Aasel fühlte, wie ein Stich sie durchfuhr. Aber nicht lange darauf sah sie Peder und Andrea, wie sie zu zweit durch die Straßen gingen, und sie wurde so froh, daß sie hätte weinen mögen.

Dann endlich glaubte Gjartru, daß es genug sein könnte, und hatten sie wirklich etwas vergessen, so konnte man es ja mit dem Dampfer nachkommen lassen. »Wenn wir bloß schon alles schön und gut daheim hätten!« – »Dafür wollen wir schon den Herrgott sorgen lassen«, lächelte Aasel.

Gleich nach Mittag stieß das Boot in der Stadt vom Ufer ab. Der Fjord war nur leicht gekräuselt, aber sie hatten räumen Wind, und die Männer setzten die Segel und ließen sich treiben, denn es war in der Stadt nicht so trocken gewesen, daß sie jetzt Lust aufs Rudern gehabt hätten. Kristen stand achtern und steuerte. Draußen, wo der Fjord enger wurde, bekamen sie Gegenwind, und so begannen sie zu kreuzen, nun konnten die Weiber sehen, wie fein diese neumodischen Boote sich bei solchem Wind anstellten. Ja freilich, vorwärts ging es, und kalt war es auch nicht, aber es sah doch aus, als würde es ein langsames Heimkommen werden. – »Wenn doch bloß der Schwarze ein wenig blasen wollte«, sagte Peder. – »Wünsch dir nur keinen Sturm!« warnte Kristen, und die Weiber stimmten mit ein, Arnesen aber hielt es mit Peder und behauptete, solche Boote wollten Sturm haben, ob mit oder gegen die Fahrtrichtung war gleichgültig.

Es wurde Abend, aber sie hatten ja den Mond, und gegen die Kälte konnten sie, wenn nötig, einen kleinen Schluck Stadtschnaps zu sich nehmen. Endlich waren sie aus dem Sund heraus und hatten den großen offenen Fjord vor sich. Und jetzt bekamen sie Wind, eine richtige steife Nordbrise, mit Schneekörnern obendrein. – »Jetzt mußt du das Steuer übernehmen, Arnesen«, sagte Kristen – »du bist doch Schiffer.« – »Nein, das ist der Peder, der muß den Steuermann machen«, lachte Arnesen, man konnte hören, daß er ziemlich gut geladen hatte. Peder ging nach achtern. Als allererstes ließ er den Klüver bergen, denn die See war hier, wo der Sund sich öffnete, ziemlich heftig, und das Wasser spritzte in einem fort über die Weiber hin. Die Waren hatten sie zwar so gut wie möglich zugedeckt, sie hatten sich sogar mit Persenning und Segeln ausgerüstet, aber auf die Dauer konnte man eine solche Nässe nicht aushalten. – »Du mußt schön segeln«, ermahnte Kristen. – »Ja. das mach ich, wie ich will!« knurrte Peder. »Mir wär's am liebsten, wenn – – –«

Es war eine lustige Fahrt, und Andrea und Mina saßen da und kicherten und sahen zu, wie die Sturzseen herankamen und sich auf der Leeseite wieder davonmachten. – »Sie sind wirklich zudringlich«, sagte Mina. Aber sie kamen nicht recht vorwärts, der Wind sprang um und stand ihnen mehr und mehr entgegen, und das schlimmste war, daß das Schneetreiben ihnen jede Aussicht auf das Land wegnahm. Sie gingen frühzeitig vor dem Südwestufer über Stag, und als es an der Zeit war, hielten alle Mann Ausguck nach dem Ostufer. Aber sie fanden es nicht, und da kreuzten sie wieder nach der anderen Richtung. Sie sprachen davon, ob sie ein Reff wegstecken sollten. Aber Peder tat, als höre er nicht. Gjartru begann wegen der eingekauften Sachen zu jammern und bat, doch umzukehren. Und sie alle waren sich darüber einig, daß es auf diese Weise nicht weiterging.

Andrea hatte dagesessen und Peder angesehen, und auf einmal rief sie, sie fürchte sich! Die anderen beruhigten sie, und Peder lachte laut und höhnisch. Dann aber schwieg er jäh und legte das Ruder nach Lee hinüber. Das Boot schoß in den Wind auf, stand still und stampfte schwer in der See. – »Nehmt das Schneetreiben weg, damit ich etwas sehen kann«, sagte Peder. – »Wir müssen schauen, wieder in den Sund hineinzukommen«, meinte Kristen. – »Ja, sag mir nur erst, wo der Sund ist«, erwiderte Peder.

Ja, ja, hier konnten sie nicht liegenbleiben, das war klar. Der Sturm heulte in den Riggen, daß die Weiber zusammenschraken, und die Segel wollten fast zerreißen, das Meer schäumte und rauchte jetzt, und die Wogen zischten über den ganzen Fjord hin. Es sah schlimm aus. – »Wir müssen noch einen Schlag hinüber machen«, sagte Arnesen, »ich glaube, da drüben haben wir das Ufer von Grönset!« Er deutete hinüber. – »Komm her und nimm du das Steuer«, sagte Peder; es klang müde. – »Nein, nein, Peder, bleib du am Steuer, bleib nur du am Steuer!« Andrea fuhr halb in die Höhe. Aber Mina ergriff sie hart beim Arm: »Der Vater soll steuern, hörst du!«

Arnesen ging nach achtern, und das Boot bekam wieder volle Segel.

Es war gleich besser auszuhalten, wenn man nur wieder vom Fleck kam. Peder tastete sich zu Mina und Andrea vor, und jede hielt ihn auf einer Seite fest. Andreas Griff war hart.

– »Ja, nun werden wir schon sehen«, sagte er. Jetzt wird gleichsam das abgemacht, was abgemacht werden muß

Da bekommen sie einen Stoß, daß alle übereinander fallen. Was weiter noch vor sich geht, wissen die meisten nicht mehr. Die Männer fluchen und fieren Schoten und Falls und reißen die Segel herunter, das Boot legt sich hart über, und man hört, wie das Wasser auf der Leeseite über die Reling hereinstürzt.

»Die Langholm-Schäre!« sagt Kristen. »Bleibt nur ruhig«, ermahnt er sie. Die Männer greifen zu und versuchen jeder mit seinem Ruder das Boot freizubekommmen, aber es geht nicht, sie sind hoch auf den Felsen aufgefahren. Ja, ja, es war jetzt steigende Flut, und hier in der Nähe war die Insel, es hatte also keine Not, so trösteten sie sich.

»– ›Hier haben wir keinen Seegang‹ –, sagte das Weib, als es auf dem Trockenen lag«; Arnesen nahm sich ein Stück Kautabak.

»– ›Deshalb kann morgen doch wieder gutes Wetter sein!‹ sagte der Nordländer, als er im Westfjord kenterte.«

Es war Peder, der ihn mit diesem Spruch unterstützte. Ein jeder brachte den seinen vor, sämtliche Männer.

Sie sahen nach, ob das Boot großen Schaden gelitten habe. Darüber konnten sie sich zwar nicht einig werden, aber sie mußten doch aus Leibeskräften pumpen und schöpfen, denn das Schiff war halb voll Wasser, und den Waren wurde übel mitgespielt. Bald stellte es sich heraus, daß das Lenzen nichts nützte, der Schaden war doch beträchtlich. Sie müßten froh sein, daß sie nicht vom Felsen freigekommen seien, murmelten sie untereinander, hier hätten sie wenigstens die Schäre, wenn es drauf und drum ginge.

Und auf die Schäre mußten sie hinauf, so klein und schlüpfrig sie auch war, und das meiste von ihren Schätzen auch. Es war eine unangenehme und eine gefährliche Arbeit, denn jetzt stand der Gischt haushoch und überspritzte sie beständig, und das Boot stampfte so schwer, daß es gefährlich war, ihm nahezukommen; und die Schneekörner stachen wie Nadeln ins Gesicht. Und die Schäre war jämmerlich klein, es sah fast aus, als wollte die See sie unter ihren Füßen weg verschlingen. Sie nahmen ein Dreggtau vom Boot und befestigten es an einem Stein auf der anderen Seite der Schäre, so hatten sie wenigstens etwas, um sich daran festzuhalten. Als das Boot leer war, untersuchten sie es genau. Eine der Planken war bis zum Steven vor zertrümmert. Kristen zeigte es den Männern. Zunächst sagte keiner etwas. Dann aber kam Aasel zu Kristen: »Du mußt mir die Wahrheit sagen!« Das tat Kristen, aber nur mit leiser Stimme. – »Und die See steigt?« – Nein, wenn er ehrlich sein wollte, so tat sie das nicht; der Nordwind kam meistens während der Ebbe. Aber lange Zeit würde es nicht dauern, bis sie wieder steigen würde. Bis dahin aber beruhigt sie sich, fügte er hinzu.

»Ach, ja, ja, mein Gott!« seufzte Aasel, als sie zu Gjartru kam. – »Hast du Angst, Aasel?« – »Nein, woher doch. Ich habe nicht Angst – ich habe auf dem Meere nie Angst gekannt, weißt du. Aber das hier ist etwas anderes. Etwas ganz anderes, ja.« Sie drehte sich herum und sah der Schwester ins Gesicht: »Wir hätten dem Herrgott nie den Rücken drehen sollen. Wir müssen versuchen, uns wenigstens jetzt an ihn zu halten!« – »Aber damit solltest am ehesten du anfangen, Aasel!« – »Ja; ich weiß es. Ich weiß es.«

Die Sturzwellen durchnäßten sie bis auf die Haut und vor ihren Augen drehte sich schon alles, die Schäre tauchte ins Wasser hinab und schoß dahin, es war unheimlich; dann stand sie wieder still und die Menschen mit ihr, und die Sturmnacht und das Unglück war über ihnen, es war kein Traum.

»Ich fange mit dem hier an!« sagte Aasel, nahm ein Paket und warf es in die See; es war die Haube. »Da ist noch mehr!« Sie warf eine große Pappschachtel fort, es war lauter Staat und Putz darin. »Auch du solltest nicht verhärtet sein, Gjartru – oh, wir haben nicht nur gegen uns, sondern gegen das ganze Geschlecht gesündigt! Und wir hätten es doch besser wissen sollen.«

Gjartru weinte, und die Tränen gefroren auf ihren Wangen, aber sie faßte das Tau fester und richtete sich gerade auf.

»Wir sollten uns erinnern, wer wir sind!« Aasel schleuderte noch etwas hinaus.

»Das tue ich ja gerade!« rief Gjartru und biß die Zähne gegen den Sturm zusammen. »Du rührst mir mein Bündel nicht an, lieber spring ich selber ins Meer!«

Die Männer bemühten sich nach besten Kräften um das Boot, sie waren an Bord und stemmten es mit aller Gewalt von den schärfsten Felskanten weg. Kristen griff am härtesten zu.

Da aber läßt Peder sein Buder los und tastet sich am Tau entlang zu den anderen vor.

»Jetzt ist nichts mehr zu wollen!« sagt er.

Er sagt es noch einmal, aber keiner hört es. Andrea hängt sich an ihn, es war doch ein Trost, ihn zu fühlen, wenn er auch nichts weiter helfen konnte; mochte doch Mina dort stehen und so tun, als wäre Arthur nicht hier, sie stand wie eine Säule auf der Schäre.

»Es ist nichts mehr zu wollen, hört ihr nicht?« er rief es laut.

»Nein, aber Peder!« antwortete Aasel. »So sag es wenigstens nicht«, fügte sie hinzu.

»Schweig still, sag ich dir, ich bin an allem schuld!«

»Nein doch, nein doch, Peder!«

»Dann ist es also deine Schuld, du hast mich in diese Geschichte hinausgelockt!«

»Ja, meinethalben, es ist meine Schuld, aber schweig jetzt still.« Sie schien ruhig wie ein Fels.

Die anderen hatten genug mit sich selbst zu tun und hörten kaum ein Wort davon, außer Andrea.

Aasel fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. – »Wenn du so ein Jammerlappen bist, dann … Aber es ist ja nicht wahr – hör nicht auf ihn, Andrea!«

Die See begann jetzt zu steigen und fraß die Schäre rings um sie rasch weg; und der Sturm war zu stark, als daß sie hätten merken können, ob er ein wenig nachließ oder nicht.

Wie ein Gebrüll erfüllte er ihre Ohren, raubte ihnen jede Besinnung. Jetzt war Arnesen wütend geworden. Er fluchte, daß es dem Sturm entgegenzischte, dies hier müßten die Leute von Haaberg bezahlen, denn die seien an allem schuld. Die hätten den verrückten Gedanken ausgeheckt, in einer solchen Angelegenheit mit dem Boot fortzufahren, und noch dazu kurz vor Weihnachten! Er wollte ihnen schon heimleuchten, zum Teufel noch einmal! Kristen gab keine Antwort, und ebensowenig die anderen, aber Gjartru stimmte ihm bei, da könne man es sehen – wenn die Aasel ihren Willen durchsetzte. Sie hörten Mina, die mit ihrer klaren kalten Stimme dazwischenfuhr:

»Jetzt seid aber still und schämt euch, so geringe Leute sind wir denn doch nicht!«

Sie sagte noch mehr, aber es klang nicht anders, als wenn sie in den Wind hineingehustet hätte. Jetzt nahmen die Wellen ein paar Pakete und hätten noch mehr mit sich gerissen, wäre nicht Mina gewesen; sie hielt sich mit der einen Hand am Tau fest und holte mit der anderen ein Paket nach dem anderen herauf, ließ sich den Schnee ins Gesicht peitschen, soviel es ihn gelüstete. Mit leeren Augen starrten die anderen sie an und wunderten sich. – »Nein, paß auf dich auf!« rief sie Arthur zu, der ihr helfen wollte, »aus dem Weg da!«

Peder nahm die Mutter bei den Armen, fast als wolle er sie schütteln:

»Kannst denn du es nicht sagen! Sag es der Andrea, dann ist es genug!«

Der Sturm nahm ihnen die Luft, wollte sie aufs Meer hinaustreiben. Aasel wandte sich zu Andrea, sie mußte ihr ganz nahe ins Gesicht schreien:

»Du weißt – – drüben in Juwika – –«

»Ich weiß es schon lang!« Sie packte Aasel beim anderen Arm und hielt sie fest, in äußerster Not. »Das tut nichts!«

Nicht lange darauf erklang Minas singende Stimme, daß das Boot jetzt frei sei! Kristen hatte es im selben Augenblick auch bemerkt. Jetzt handelte es sich darum, es so festzuhalten, daß es nicht fortgetrieben werden konnte. – »Ich meine fast, der Sturm hat auch nachgelassen?« sagte Aasel. Und sie hatte nicht unrecht, es tobte nicht mehr mit der gleichen Gewalt. Aber was half das? – »Kann man denn das Loch gar nicht zustopfen?« rief Aasel Kristen zu. – »Wenigstens so viel, daß wir bis zur Insel hinüberkommen?« Niemand antwortete; niemand kann den Weibern bei Unwetter auf der See antworten; sie hörten nur Arnesen, der vor sich hinmurmelte und fluchte.

»Peder, du!« Aasel packte ihn an und schüttelte ihn.

Und Peder tastete sich am Tau entlang, schwang sich über die Reling und stand im Boot. Sie sehen, wie er zerrt und reißt, an Säcken und Segeln, und nun steigt Kristen nach und hilft ihm. Die anderen standen halb erfroren da und sahen zu. Andrea hörte Aasel flüstern und murmeln, so brennend heiß; sie betete zum lieben Gott. Sie bettelte und dankte zu gleicher Zeit. Jetzt ruft Peder, das schlimmste Leck sei verstopft; sie können sehen, daß er bis an die Achseln unter Wasser gewesen war. Er nimmt einen Eimer und beginnt zu schöpfen, und die Ruderknechte werfen sich mit neuem Eifer auf die Pumpe. Dann fangen sie an einzuschiffen, und sie arbeiten wie die Wilden, schmeißen Pakete und Weiber wie in einem Rausch hinein, kappen das Tau und legen sich in die Riemen. Und dahin ging es. Es war höchste Zeit gewesen, denn nun war die Schäre verschwunden.

Die Männer ruderten sich so heiß, daß der Dampf von ihnen aufstieg, und jetzt erst fingen die Weiber an, ernstlich zu frieren. Aber Aasel rät ihnen, mit den Armen um sich zu schlagen, fester, immer fester, sie sollen Leben in sich hineinschlagen, sie müßten folgen, da helfe alles nichts, und sie folgten. Rudern konnten sie nicht bei diesem Wetter, und es wäre auch kein Platz für sie frei gewesen.

Das Boot wollte nicht vom Fleck kommen. Eine halbe Stunde ruderten die Männer aus Leibeskräften, ehe man endlich in Lee der Insel kam. Dort fanden sie eine ruhige Bucht, es war, als schlössen sie eine Tür hinter sich, und dann ging es an Land und hinauf in den Wald, sie mußten trockenes Holz sammeln; wie wunderbar gut tat es doch, sich auf sicherem Erdboden warm zu laufen. Kristen kam als letzter mit dem Kaffeekessel, und Mina half ihm Feuer machen. Die Zündhölzer hatte er unter der Lederweste versteckt – sie hätte ihm dafür um den Hals fallen mögen. Aber paßten sie auch aufs Boot auf?

Als sie den Kaffee hinuntergestürzt hatten, war das Schneetreiben zerrissen, und der Mond stand mit einem törichten Lächeln zwischen den Wolken. Der Fjord lag mit großen Wellen im Mondschein da – unwillkürlich dachten sie an einen Riesenfisch mit funkelnden Silberschuppen. Die Heimat, jetzt ahnte man sie wie einen blauen Rauch auf der anderen Seite des Fjords. Im Osten hatten sie wilde und hohe Berge, deren Schädel vor dem Himmel standen, brausend kamen sie grauschwarz und düster von dort einher und ließen fast das Blut erstarren. Aber dennoch: es waren jetzt keine Feinde mehr. Ihr ganzes Leben lang hatten sie so dagestanden und das Meer hatte geschäumt und sich wild gebärdet; so war es nun einmal.

Mina hob die kleine Nase hoch zum Mond empor: »Jetzt paßt du aufs Boot auf, Vater, während die anderen an Land gehen und Kaffee trinken!« Und Arnesen ging an Bord.

Dann verstopften sie die lecken Stellen von neuem und setzten Segel. Sie hatten wieder räumen Wind und wollten bei Grönsetvika landen und dort unter Dach kommen.

Peder nahm das Steuer, Arnesen spuckte aus und wollte von der ganzen Sache nichts mehr wissen. Andrea kroch nach achtern zu Peder. – »Steh den Leuten nicht im Weg! Sie müssen schöpfen«, sagte er. Sie drückte sich an ihnen vorbei und näher an ihn heran.

»Wie es auch gehen mag, Peder, du mußt so handeln, wie du's für richtig hältst, wie du mußt. Ich werde es wohl – überstehen.«

Er gab keine Antwort.

Peder ging als letzter an Land. Die Weiber waren schon unter Dach gekommen. Aber Mina begegnete ihm draußen vor der Tür, gerade, als hätte sie hier gestanden und auf ihn gewartet. Ihr Gesicht war weiß wie der Neuschnee, aber so fest und stark und so seltsam leuchtend schön, wie ein Geschenk schien es ihm. Sie nahm ihn bei der Hand:

»Nun sollst du zeigen, Peder, daß du der bist,für den ich dich gehalten habe. Daß du uns nicht alles zerstörst. Denke wenigstens an deine Mutter – das tust du, das weiß ich, nicht wahr?«

»Hab keine Angst, Kind!« Er spuckte den Kautabak in weitem Bogen aus. »Ich werde an euch alle miteinander denken. Ob es nun so oder so hinausgeht.«


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