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Zweites Kapitel

Zu der Zeit herrschte über Dänemark Sigurd Hring S. Nornagestssaga, Kap. 6, Anfang.; er war ein mächtiger König und berühmt durch die Schlacht, in der er gegen Harald Hildetann auf Bravall Vgl. oben S. 47† kämpfte und Harald vor ihm fiel, wie kund geworden ist über die ganze Nordhälfte der Welt. Vgl. oben S. 643.

| Sigurd hatte einen Sohn, der Ragnar hieß; derselbe war groß von Wuchs, schön von Aussehen und mit gehörigem Verstande begabt; dabei freigiebig gegen seine Mannen, aber grimmig gegen seine Feinde. Sobald er das Alter dazu hatte, verschaffte er sich Gefolge und Kriegsschiffe und ward der gewaltigste Kriegsmann Vgl. oben S. 62., so daß es kaum seinesgleichen gab. | Er vernahm davon, was der Jarl Herraud gelobt hatte, gab [aber] darauf keine Acht und that, als ob er es nicht wüßte. | Er ließ sich [aber] Kleider von wunderlicher Art machen, nämlich Fellhosen Von dieser Kleidung bekam Ragnar der Sage nach den Beinamen Lod-brok, d. h. Fellhose (Saxo 444, 14 ff.). Wie er wirklich zu dem Beinamen kam, s. oben S. 221*: G. Storm, Ragnar Lodbrok, S. 57 ff. und einen Fellmantel, und ||239) als sie fertig waren, ließ er sie in Pech sieden; darauf härtete er sie.

Es geschah eines Sommers, daß | er mit seinem Heere gen Gautland fuhr, und legte sein Schiff in eine versteckte Bucht, nicht weit davon, wo der Jarl herrschte. Und als Ragnar dort eine Nacht verweilt hatte, ward er am folgenden Morgen früh wach, stand auf, | nahm die vorgedachte Rüstung, legte sie an Auch Alf (s. oben S. 232†††) hüllt sich vor dem Drachenkampf in eine (blutige) Thierhaut, Saxo S. 335. und nahm einen großen Spieß in seine Hand; und ging allein von dem Schiffe dahin wo Sand Sandiger Strand ist gemeint. war, und wälzte sich im Sande. Ehe er aber fortging, zog er die Speer-Nägel Die Nägel, welche die eiserne Spitze am Schafte festhalten, so daß die Spitze nachher vom Schafte losgeht. Ragnar's Zweck dabei wird S. 240 ff. ersichtlich. aus seinem Spieße; dann | schritt er allein vom Schiffe auf das Thor der Burg des Jarls zu, und kam so früh am Tage dahin, daß alle Leute [noch] im Schlafe lagen. Da wandte er sich zu dem Gemache [Thora's], und als er an den Pfahlzaun kam, wo der Wurm lag, stach er sogleich mit seinem Spieß nach ihm und riß denselben dann [wieder] an sich. Und zum zweiten Mal führte er einen Stoß, der traf den Rücken des Wurms. Der wand sich dabei so heftig, daß die Spitze vom Schafte losging; und so großes Getöse entstand bei seinem Todeskampfe, daß das ganze Gemach erbebte. Vgl. oben S. 228*. Ragnar wandte sich dann weg: da traf ihn ein Blutstrahl zwischen den Schultern, jedoch schadete es ihm nicht: so schützten ihn die Kleider, die er sich hatte machen lassen.

Aber die in dem Gemache waren, erwachten von dem Lärm und gingen heraus aus dem Gemache. Da sah Thora einen großen Mann vom Gemache fortgehn und fragte ihn nach dem Namen, und zu wem er wolle.

Er stand still und sprach Von eigentlichem Gesange kann bei der altnordischen Dichtung und speciell den silbenzählenden skaldischen Versen, mit denen wir es hier zu thun haben, nicht die Rede sein. Bei der Uebersetzung habe ich mich nicht streng an die Sechssilbigkeit gebunden. diese Strophe: ||240)

»Ich wagt' um Lob mein Leben,                          1.
Rosige, schöne Jungfrau,
Schlug den Fisch des Feldes D. h. die Schlange, den Wurm.,
Fünfzehn Winter zählend.
Tod wird schnell mich treffen,
Dringt nicht tief zum Herzen
Meines Speeres Spitze
Dem Ringellachs der Haide.« Haidelachs – Schlange, die im Kreise liegt wie ein Ring, s. oben S. 2332. Obiges ist die freie Uebersetzung nach Egilsson's Erklärung. Folgende Uebersetzung wäre vielleicht richtiger: »Unheil droht mir, schneidet Tod nicht, den ich rieth, dem Wurm ins Herz verderblich, Der auf Gold im Kreis liegt (?)«. Vgl. hierzu d. Nachtr.

Da ging er hinweg und sprach nicht mehr zu ihr. Und blieb die Spitze in der Wunde zurück, den Schaft aber nahm er mit sich.

Als sie nun diese Strophe gehört hatte, verstand sie, was er ihr von seinem Vorhaben sagte, desgleichen, wie alt er war; und bedachte nun bei sich, wer er sein mochte: sie war sich aber nicht gewiß, ob er ein Mensch wäre oder nicht, dieweil ihr sein Wuchs so groß vorkam, wie die Unholde Da Ragnar ihr besonders groß erschien bei funfzehn Jahren, fürchtete sie einen jungen Riesen (die zu den Unholden gerechnet werden) vor sich zu haben. geschildert werden in dem Alter, welches er hatte. Und begab sich wieder in das Gemach und schlief ein.

Als nun die Leute am Morgen hinaus kamen, wurden sie gewahr, daß der Wurm tobt war; und war er mit einem großen Spieße erstochen, welcher fest in der Wunde stak. Der Ragnars táttur Str. 41 ff. hat hier den ursprünglichen Sagenzug (wie in der Wolfdietrichssage u. s. w.), daß ein anderer den Spieß aus der Wunde zieht und die That sich anmaßt. Dieser Zug wird auch in unserer Darstellung einmal vorhanden gewesen sein, weil nur so das Folgende sich genügend erklärt. Da ließ der Jarl ihn daraus entfernen, und er war so groß, daß er wenigen handrecht Eigentlich: »als Waffe tragbar« (vgl. unten S. 292**). war. Nun gedachte der Jarl daran, was er dem Manne verheißen hatte, der den Wurm todt schlüge, und war ungewiß, ob ein Mensch dies vollbracht hätte oder nicht. Er berieth sich deshalb mit seinen Freunden ||241) und seiner Tochter, wie er dem nachforschen sollte, und man fand wahrscheinlich, daß der [schon von selber] nach seinem Lohne trachten werde, der die [erforderliche] That dazu gethan habe. Ihr Rath war, eine möglichst zahlreiche Versammlung berufen zu lassen, »und heiß dann sagen, daß dahin alle die Männer kommen sollen, die nicht den Zorn des Jarls auf sich laden wollen und nur irgend im Stande sind, die Versammlung zu besuchen. Und wenn irgend einer da ist, der sich die Todeswunde des Wurms zueignet, der soll den Speerschaft mitbringen, der zu der Spitze gehört hat.« Das schien dem Jarl gut, und er ließ darauf eine Versammlung berufen. Und als der dazu bestimmte Tag kam Eigentlich: »als es zu dem – Tage kam«., erschien der Jarl und viele andere Häuptlinge; da versammelte sich zahlreiches Volk.


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