Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Eystein hieß ein König, der über Schweden herrschte. Er war vermählt und hatte eine Tochter mit Namen Ingibjorg, die war die schönste aller Frauen, und gar lieblich von Ansehn. Vgl. oben S. 232**. Eystein war ein mächtiger König über zahlreiches Volk, boshaft, aber klug. Er hatte seinen Sitz zu Uppsala und war ein eifriger Opferer; und zu Uppsala wurden zu der Zeit so bedeutende Opferfeste gefeiert, daß nirgend in den Nordlanden bedeutendere gewesen sind. Sie setzten auf eine Kuh gläubiges Vertrauen und nannten sie Sibilja Wird erklärt als die »stets brüllende« (vgl. Sibilja beljar Fas. I, 271, 17). Doch dürfte die Form Sibylja neben Sibilja vielleicht ans die prophezeiende »Sibylle« deuten, woraus man neuerdings Volva herzuleiten versucht hat (s. d. Nachtr. zu S. 46**). Vgl. auch die zweitfolgende Anmerkung.. Derselben wurden so viele Opfer gebracht, daß Vgl. unten S. 274*. niemand ihrem Gebrülle widerstehn konnte. Beispiele von Verehrung heiliger Kühe finden sich mehrfach bei germanischen Stämmen (vgl. Simrock, Myth., S. 18 f., 500 und oben S. 260**). Zunächst wurden sie in dieser Weise doch wohl als (durch ihr Gebrüll?) weissagende, siegverkündende Thiere eines Gottes verehrt. Und deshalb war es des Königs Gewohnheit, wenn ein feindliches Heer zu erwarten war, daß diese Kuh der Schlachtordnung voran war. Solche große Teufelskraft djöfuls kraptr. besaß sie [nämlich], daß seine Feinde ||255), sobald sie sie hörten, so wahnwitzig wurden, daß sie aufeinander losschlugen und ihrer selbst nicht Acht hatten. D. h. vor den Feinden sich nicht wahrten. Vgl. unten S. 275**. 292***. Und deshalb war Schweden damals von keinen Heerfahrten heimgesucht, weil niemand sich getraute, es mit solcher Uebermacht aufzunehmen.
König Eystein lebte in guter Freundschaft mit vielen Männern und Häuptlingen. Und es heißt, daß zu jener Zeit gute Freundschaft zwischen Ragnar und König Eystein bestand, und sie pflegten jeden Sommer abwechselnd einander zum Gelage zu besuchen. Es traf sich nun, daß es an Ragnar war, den König Eystein zu besuchen; und als er nach Uppsala kam, ward er mit den Seinen wohl empfangen. Als sie nun am ersten Abend tranken, ließ der König seine Tochter ihm selber und Ragnar einschenken Vgl. oben S. 181*.: da redeten Ragnar's Mannen unter einander, daß es nicht anders anginge Vgl. oben S. 261*., als daß Ragnar um König Eystein's Tochter würbe, und nicht länger die Bauerntochter karlsdóttur. behielte. Einer von seinen Mannen übernahm es, ihm dies vorzustellen; und das Ende war, daß ihm die Frau verheißen ward: jedoch sollte sie noch lange Verlobte bleiben.
Als dieses Fest zu Ende war, rüstete sich Ragnar zur Heimkehr, und die Reise ging ihm glücklich von statten, und wird von seiner Fahrt nicht eher etwas gemeldet, als bis er nahe vor der Burg war, und sein Weg durch einen Wald führte. Sie kamen auf ein Gereute Ausgerodeter Waldplatz. in dem Walde: da ließ Ragnar sein Gefolge still halten, bat sich Schweigen aus und gebot allen Männern, die ihn auf der Fahrt nach Schweden begleitet hatten, daß keiner von seinem Vorhaben sagen sollte, so über die Heirath mit König Eystein's Tochter verabredet war. Und er setzte so strenge Strafe ||256) darauf, wenn einer sich fände, der etwas davon erwähnte, daß er nichts [geringeres] dafür verlieren sollte als das Leben.
Nachdem er so seiner Absicht gemäß gesprochen hatte, zog er heim zu seinem Hofe. Da freuten sich die Leute seiner Rückkehr, und ward ihm da der Willkommenstrunk zugetrunken. Vgl. oben S. 255††. Und als Ragnar seinen Hochsitz eingenommen hatte, da währte es nicht lange, bis Wörtlich: »da hatte er nicht lange gesessen, bevor ...« Vgl. unten S. 281*. Kraka zu ihm in die Halle kam. Sie setzte sich auf seine Knie, schlang ihre Arme um seinen Hals und fragte, welche Neuigkeiten es gäbe. Er aber antwortete, er wüßte keine zu sagen.
Und als der Abend kam, begannen die Männer zu trinken, und gingen dann schlafen. Als nun Ragnar und Kraka beisammen im Bette lagen, fragte sie ihn abermals nach Neuigkeiten; er aber erklärte [wieder], er wüßte keine. Sie wollte nun [noch] mancherlei plaudern; er aber sagte, er wäre sehr schläfrig und wegemüde. »So will ich dir Neuigkeiten sagen (sprach sie), wenn du mir keine sagen willst.« Er fragte, welche das wären. »Das nenne ich Neuigkeiten (sagte sie), wenn einem Könige eine Frau verlobt wird, und ist doch etlicher Leute Rede, daß er schon eine andere hat.« »Wer hat dir das gesagt?« fragte Ragnar. »Deine Mannen sollen Leib und Leben Eigentlich: »Leben und Glieder«. behalten, weil keiner von ihnen es mir gesagt hat,« antwortete sie. »Ihr müßt gesehen haben Wörtlich: »Ihr werdet sehen«., daß drei Vögel auf dem Baume neben euch saßen: die sagten mir diese Märe. Wie Sigurd, ihr Vater, die Stimmen der Vögel verstand. Hier ist Aslaug's Angabe übrigens doch wohl als eine List aufzufassen. Das erbitte ich [nun] von dir, daß du diese Heirath nicht vollziehest, wie es beabsichtigt ist. [Denn] jetzo will ich dir sagen, daß ich eines Königs Tochter bin, und nicht eines Bauern Oder: »des Alten« (? karls).: mein Vater war ein so berühmter Mann, daß man nicht seinesgleichen fand; und meine Mutter war die schönste und weiseste aller Frauen, und ihr Name wird dauern, so lange die Welt steht.« Vgl. oben S. 1071. 1671.
| Da fragte er, wer denn ihr Vater wäre, wenn sie nicht die Tochter des armen Bauern wäre, der auf Spangareid wohnte. Sie erklärte [ihm nun], sie sei Sigurd's des Fafnistödters Tochter und Brynhild's, der Tochter Budle's. »Das dünkt mich gar unwahrscheinlich (sagte er), daß deren Tochter Kraka heißen und ihr Kind in solcher Armuth aufwachsen sollte, wie auf Spangareid war.« Da antwortete sie: »Das erklärt sich durch eine Geschichte« Genauer: »Dafür gibt es eine Geschichte« ( saga er til thess = oben S. 68, Z. 16, wo dieselbe Wendung etwas anders wiedergegeben ist)., und erzählte nun und hub an, wie beide, Sigurd und Brynhild, auf dem Berge zusammen kamen und sie erzeugt wurde: »und als Brynhild entbunden war, gab man mir einen Namen, und ich ward Aslaug genannt.« Und so erzählte sie alles, wie es vor sich gegangen war, bis Der Text bietet frá thví, »seitdem«, was doch schwerlich richtig sein kann, da es sich hier ja gerade darum handelt, wie sie zu dem Alten gekommen. sie zu dem Alten kam.
Darauf entgegnete Ragnar: »Ueber diese Phantasien der Aslaug Spöttisch, wenn obige Auffassung richtig ist (oder: » von Aslaug«?). muß ich mich wundern.« (?) Sie antwortete: »Du weißt, daß ich schwanger bin; und es wird ein Knabe sein, den ich trage: aber an diesem Knaben wird das Zeichen sein, daß es scheinen wird, als wenn eine Schlange (ein Wurm) ihm ums Auge läge. Und wenn dies in Erfüllung geht, so erbitte ich mir, daß du nicht nach Schweden fahrest, um König Eystein's Tochter zu nehmen; wenn es jedoch nicht eintrifft, so verfahr darin, wie du willst. Ich will aber, daß der Knabe nach meinem Vater Der durch Besiegung des Wurms Fafni seinen berühmten Beinamen erhielt. (Vgl. über Sigurd's »Schlangenauge« die abweichende Darstellung bei Saxo, 446, 3-21.) heiße, wenn in seinem Auge dieses Ruhmesmal erscheint, wie ich glaube, daß geschehen wird.«
Die Stunde ihrer Niederkunft er hon kennir sér sóttar. kam; sie ward entbunden, und gebar ||258) einen Knaben. Da nahmen die Dienstfrauen den Knaben und zeigten ihn ihr; sie gebot, daß sie ihn zu Ragnar tragen und ihm zeigen sollten. So geschah es: das junge Männlein ward in die Halle getragen und auf Ragnar's Mantelschooß gelegt. Als er aber den Knaben anblickte, fragte man ihn, wie er heißen sollte. Ueber diese Vorgänge vgl. Weinhold, Altn. Leb. S. 260. 262. Er sprach die Strophe:
Sigurd heiße der Knabe,
8.
Er wird Schlachten schlagen,
Wird, wie seiner Mutter,
Auch dem Vater gleichen.
Wörtlich: »Gar gleich wird er der Mutter, und (doch) des Vaters Sohn genannt werden«.
Er wird Odin's Stammes
Aus welchem Sigurd entsprossen war. Vgl. oben S. 3.
Stolz
Genauer: »vornehmster, vortrefflichster«. geheißen werden.
Wurm im Auge trägt nur
Andern Wurmes (?) Tödter.
Da zog er einen Goldring von seiner Hand, und gab ihn dem Knaben als Namens-Festigung, Vgl. oben S. 40***. Und als er die Hand mit dem Ringe ausstreckte, [wandte sich der Knabe, und so] berührte sie ihm den Rücken; das deutete Ragnar, als wenn er das Gold gering achten Genauer: »hassen«; d. h. als freigiebiger Fürst unter seine Mannen vertheilen. würde; da sprach er die Strophe:
»Brynhild's Flammen-Blicke
9.
Und ihr felsenfestes
Herz scheint ihrer Tochter
Hehrer Sohn zu haben.
So übersetzte v. d. Hagen mit Rafn. Richtiger ist vielleicht folgende Uebersetzung: »Brynhild's Tochtersprößling Hat, so scheint's den Helden, Flammenaugen und ein Treufest Herz, der edle.« So auch Rafn's spätere Uebersetzung.
Dieser Ringverächter,
Frühreif wird er tagen ||259)
Als ein Held ob allen,
Budle's Sproß, an Stärke.«
Und weiter sprach er:
»Also keine Schlange
Wörtlich: »Kranichhalses Beute«, d. h. eine (vom Kranich gefressene) Schlange.
10.
Sah
sá ek ... lagdha, so Bugge Z. Zschr. 7,403. Vielleicht ist aber
sjá er (»ist zu sehen« statt
sá ek »sah ich«) beizubehalten. bei andern Knaben
Als allein bei Sigurd
Ich im Auge
Eigentlich: »in den Brauensteinen«. liegen.
Diesem Schwertesschwinger
D. h. »zukünftigen Helden«. Ich folge hier der Erklärung Egilsson's, obwohl ich dieselbe nicht in allen Stücken für richtig halte; denn eine bessere Erklärung der schwierigen Stelle weiß ich nicht.
Eigen ist die Schlange
Unter Augenliedern:
Leicht ist er dran kenntlich.«
Darauf gebot er den Knaben wieder hinaus in das Frauengemach zu tragen. Da war es denn vorbei mit seiner Absicht nach Schweden zu fahren. Und ward nun Aslaug's Abkunft offenkundig, so daß jedermann wußte, daß sie die Tochter Sigurd's des Fafnistödters war und Brynhild's, der Tochter Budle's.