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Zweites Kapitel

Ueberschrift: »Hier wird von dem Ringe Hnitud erzählt« S; »Gest's Wette mit den Hofmannen« F.

Kurz vor dem Julfeste Das Fest der Wintersonnenwende, etwas später gefeiert als unser Weihnachtsfest, mit dem es später verschmolzen ward. Der Name ist in »Julklapp« erhalten. kam Ulf der Rothe mit seinen Gefährten heim. Er war den Sommer über in Diensten des Königs [entfernt] gewesen, war jedoch im Herbst zum Landesschutz in Vik Die Landschaft um den Christiania-Fjord führte früher diesen Namen. gegen die Einfälle der Dänen bestellt worden. Im Hochwinter aber pflegte er stets bei ||50) König Olaf zu sein. Ulf hatte dem Könige viele kostbare Kleinode zu bringen, welche er im Sommer erworben hatte, darunter einen Goldring, der Hnitud hieß, weil er aus sieben Stücken zusammen genietet Das nordische Wort hnita, wonach der Ring Hnitud benannt ist, entspricht etymologisch nicht unserm »nieten«. war, und hatte jedes Stück seine besondere Farbe. Von viel besserem Gold war er als andere Ringe. Diesen Ring hatte dem Ulf ein Bonde Namens Lodmund gegeben; zuvor aber hatte denselben König Half, nach welchem die Halfs-Recken benannt sind, besessen, als dieselben dem König Halfdan, dem Ylfing Die Ylfinge sind ein Heldengeschlecht der nordischen Sage (s. Beitr. 4, 176 ff.; H. Zschr. 23, 170)., Geld abgezwungen hatten. Die von Half und seinen Recken handelnde Halfssaga erwähnt dieses Zuges nicht. Vgl. übrigens Fas. 1, 388. Lodmund aber hatte dafür sich von Ulf erbeten, daß er mit König Olaf's Hülfe ihm sein Gehöft beschützen möchte. Das hatte ihm Ulf zugesagt.

Der König feierte sein Julfest mit Pracht und saß zu Thrandheim. Am achten Tage des Festes überreichte Ulf der Rothe dem Könige Olaf jenen Ring. Der König dankte ihm für dies Geschenk so wie für alle die treuen Dienste, welche er ihm stets geleistet hätte. Der Ring ward in der Herberge Ein Gebäude, worin man sowohl schlief als den Tag über sich aufhielt; vgl. oben S. 345†., wo man trank, überall umhergereicht Eigentlich: »er ging (fuhr) weit herum«.; denn damals waren in Norwegen [noch] keine [besonderen Trink-]Hallen gebaut. Ein jeder zeigte ihn dem andern, und glaubten die Männer niemals gleichgutes Gold gesehen zu haben, wie in dem Ringe sich fand. Zuletzt kam der Ring zu der Bank der Gäste und so zu dem unbekannten Gast. Dieser sah ihn an und reichte ihn zurück auf der Fläche der Hand Wörtlich: »quer über die Hand«., mit der er vorher das Trinkgefäß angefaßt hatte. Und die er also zu reinigen nicht für nöthig erachtete, ehe er den kostbaren Ring darauf legte. Er achtete desselben wenig und sagte nichts über dies Kleinod, sondern setzte die lustige Unterhaltung mit seinen ||51) Genossen fort. Ein Aufwärter, der unten Eigentlich: »nach außen zu, mehr nach der Thür zu«, im Gegensatz zu den Ehrenplätzen, die sich mehr nach innen zu befanden; vgl. oben S. 336**. 349**. an der Bank der Gäste einschenkte, fragte: »Gefällt euch der Ring?« »Gar sehr,« antworteten sie, »nur nicht dem [neu] angekommenen Gast, der findet nichts daran, und wir glauben, daß er darüber kein Urtheil hat Vgl. S. 247, Z. 10 und d. Nachtr., da er solcher Dinge nicht achtet.« Der Schenke ging hinein D. h. nach der Innenseite der Halle zu; vgl. S. 351††. zu dem Könige und hinterbrachte ihm eben diese Worte der Gäste, und wie der [neu] angekommene Gast wenig dazu gesagt hätte, als ihm des Königs Kleinod gezeigt wurde. Da sagte der König: »Der unbekannte Gast weiß vielleicht mehr, als ihr denkt: er soll morgen zu mir kommen, und mir eine Saga erzählen; denn das meint er zu verstehn. Wie er oben S. 347 erklärt hatte.«

Inzwischen sprachen die Gäste unten auf der Bank mit dem [neu] angekommenen Gast; sie fragten ihn, wo er [denn] einen so guten oder besseren Ring gesehen hätte. Er antwortete: »Weil es euch wunderlich vorkömmt, daß ich wenig hierüber rede, so [wisset:] ich habe fürwahr solches Gold gesehen, das in keiner Weise schlechter ist, vielmehr besser scheint.« Da lachten die Königsmannen laut, und sprachen also: »Hier giebt es einen großen Spaß. Du wirst mit uns wetten wollen, daß du [schon] ebenso gutes Gold gesehen hast, wie dieses hier, so ||52) daß du es erweisen kannst. Wir wollen sieben Mark gangbaren Silbers einsetzen, so daß sie dir zufallen, du aber dein Messer und deinen Gürtel; der König soll entscheiden, wer von uns Recht hat.« Da sprach Gest: »Das sei ferne, daß ich euch zum Gespötte diene und doch nicht auf die Verabredungen eingehe, welche ihr wünscht: allerdings wollen wir hierum wetten und so viel einsetzen, wie ihr gesagt habt; der König aber soll entscheiden, wer von uns Recht hat.« Damit brachen sie das Gespräch ab.

Spät am Abend nahm Gest seine Harfe und schlug sie trefflich und lange, so daß es allen eine Lust schien zuzuhören. Am besten aber spielte er »Gunnar's Harfenschlag« Wohl ein Lied, das Gunnar in der Schlangengrube gespielt und gesungen haben sollte (wie Ragnar Lodbrok); vgl. oben S. 199 f. – Dies Lied ist verloren. Daß mit diesem Gunnars-slagr lediglich eine Melodie, ein Lied ohne Worte, gemeint sei, glaube ich schwerlich.; und zuletzt trug er das alte Lied von Gudrun's Listen Schwerlich eines der erhaltenen Gudrunlieder, sondern ein Lied, welches Gudrun's Rache für den Tod ihrer Brüder zum Gegenstand hatte. Eigentlich steht im Text: die alten »Gudruns-Listen«. vor; das hatten die Leute zuvor nimmer gehört. Darauf schlief man die Nacht über; da herrschte hinfort Ruhe unter den Bankgenossen. D. h. zwischen Gest und den andern Gästen.

Der König stand am Morgen früh auf, und hörte die Frühmesse, und andere Männer mit ihm; und als sie zu Ende war, ging er mit seinem Hofe zu Tische. Als er sich nun auf seinen Hochsitz gesetzt hatte, ging die Schaar der Gäste hinein Siehe S. 352**. vor den König und auch der [neu] angekommene Gast mit ihnen; sie trugen ihm ihre Wette vor ||53) und alle Verabredungen, die sie vorher getroffen hatten. Der König sagte: »Wenig gefällt mir eure Wette, wobei ihr euer Geld aufs Spiel setzt; ich glaube, der Trank war euch zu Kopfe gestiegen; und scheint es mir räthlich, daß ihr [eure Wette] als ungeschehen betrachtet, zumal wenn Gest es so lieber will.« Gest sprach: »Ich will, daß es bei allen unsern Verabredungen bleibe.« Da sprach der König, es solle also geschehen: »aber einen solchen Eindruck machst du mir, Gest, als ob meine Leute in dieser Sache sich mehr festgeredet D. h. durch vorschnelle Worte sich in Verlegenheit gebracht haben. haben denn du. Das mag sich nun alsbald ausweisen.«

Hierauf gingen sie allesammt nach den unteren Plätzen und tranken, so lange es ihnen gefiel. Darnach wurden die Tische aufgehoben. Da ließ der König Gest rufen. Dieser trat vor den König: »Jetzo bist du schuldig, irgend ein Gold vorzuzeigen, wenn du dergleichen hast (sprach der König), daß ich zwischen euch die Wette entscheiden könne.« »Nichts leichter als das!« sagte Gest, und griff in seinen Säckel, welchen er bei sich trug, zog daraus ein zusammengeknotetes Stück Zeug hervor, knüpfte es auf und gab es (d. h. den Inhalt) dem Könige in die Hand. Der sah, daß es ein Bruchstück von einer Sattelspange war, und erkannte, daß es vortreffliches Gold wäre. Er ließ nun den Ring ||54) Hnitud bringen, um festzustellen, ob der von besserem Golde sei Wörtlich: »und feststellen, ob das besseres Gold sei«. als das Spangenstück. Dies geschah. Der König hielt Gold gegen Gold und sprach also: »In der That scheint mir dieses Gold, das Gest hier vorzeigt, besser; und so wird es noch Mehreren scheinen, wenn sie es auch prüfen Vgl. oben S. 352* nebst Nachtr.. Das bestätigten auch Andere von des Königs Begleitung. Darauf erkannte König Olaf das Wettgeld Gest zu. Die anderen Gäste sahen [nun] ein, wie unklug sie in dieser Sache gehandelt hätten. Da sprach Gest: »Behaltet Eigentlich: »nehmt euer [eingesetztes] Geld selbst [zurück].« euer Geld, denn ich bedarf desselben nicht: aber wettet nicht öfter mit unbekannten Leuten, denn ihr wißt nicht, ob ihr nicht an einen solchen kommt, der Wörtlich: »Welchen ihr als einen solchen trefft, daß er ...« viel gesehen und gehört hat; und danke ich dem Könige für das Urtheil, welches er in unserer Sache abgab.« Der König sprach hierauf: »Ich wünsche nun, Gest, daß du sagest, woher du dieses Gold bekamst, das du bei dir trägst.« Gest antwortete: »Ungern thue ich es, weil die Meisten unglaublich dünken wird, was ich in Bezug darauf sage.« »Dennoch sollst du es sagen (sprach der König), und es trifft sich damit gut, insofern du mir eine Erzählung von dir sögu thinni » deine Erzählung, eine Erzählung von dir« versprachst; kann wohl nur heißen: »du versprachst, daß du mir eine Geschichte (nicht: daß du deine Geschichte) erzählen wolltest«, denn nur das hatte Gest oben S. 347 in Aussicht gestellt. Vgl. gleich unten adhra sögu »daß ich mehr erzählen soll, weitere Erzählung«. versprochen hast.« Gest sprach: »Wenn ich euch erzähle, welche Bewandtniß es mit dem Golde hat, so, meine ich, werdet ihr zugleich noch weitere Erzählung zu hören wünschen.« »Das kann sein,« sagte der König. ||55)


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